[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Martin Delius (PIRATEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Das ist ja alles sehr interessant, und inhaltlich kann ich Ihren Ausführungen bezüglich GASAG usw. zustimmen. Aber verstehe ich Sie richtig, dass Sie an dieser Stelle lieber über das BAföG geredet hätten?
Die Frage kann ich nicht so richtig verstehen, denn das Thema BAföG habe ich noch nicht angesprochen.
[Martin Delius (PIRATEN): Das war der Vorschlag der Koalition. Sie sind doch schon länger hier und wissen, wie das läuft! ]
Das war jetzt auch nicht mein Vorschlag. Sie wissen, welche Aktuelle Stunde wir beantragt haben, und darüber hätten wir gern geredet.
Ich will jetzt kurz zum Thema „Fahrradverkehr und Fahrradstrategie“ sprechen. Das Absurde ist ja, dass sich alle Fraktionen in diesem Hause bis auf einige wenige Unterpunkte einig sind, dass die Fahrradstrategie des Senats vom Grundsatz her gut ist. Das ist auch kein Zufall, weil die wesentliche Vorarbeit schon bis zum Jahr 2011 von Rot-Rot geleistet worden ist. Insofern profitiert die jetzige Koalition davon.
Das Problem besteht nur darin, dass die Strategie und das, was in der Strategie steht, zwar gut sind, dass wir aber ein Umsetzungsproblem haben.
Wir haben ein Umsetzungsproblem auf der Ebene der Finanzierung. Es ist schon angesprochen worden. Der Nationale Radverkehrsplans sieht als Untergrenze, als absolutes Minimum 5 Euro pro Einwohner für den Radverkehr vor. Das wären in Berlin roundabout 15 Millionen Euro. Im Haushalt eingestellt sind 6 Millionen Euro.
Wenn wir uns ansehen, worum es geht: Es geht um eine Aufstockung um 8 Millionen Euro an dieser Stelle.
Kollege Müller! Jetzt bitte nicht mit dem Argument kommen: Wir haben ja auch noch Mittel für den Straßenbau, die auch dem Radverkehr zugute kommen. Das ist das gleiche Argument wie dieses: Der Straßenbau nutzt auch der Straßenbahn, weil die Straßenbahn auch auf der Straße fährt. – Also das halte ich alles nicht für sinnvoll. Angesichts der erfreulichen Tatsache, dass immer mehr Berlinerinnen und Berliner Rad fahren und auch regelmäßig Rad fahren, ist die Infrastruktur für diese Menge von Radfahrern nicht mehr ausreichend.
Das heißt, an dieser Stelle muss der Infrastruktursenat mal in die Infrastruktur investieren, und zwar einen relativ geringen Betrag. 8 Millionen Euro mehr, und wir
würden das Minimum des Nationale Radverkehrsplans erfüllen. 8 Millionen mehr – das ist doch in diesem Haushalt nicht wirklich das Problem.
Wir würden damit bei der Entwicklung der Radinfrastruktur einen wirklich großen Sprung nach vorn machen können.
Das setzt allerdings auch voraus, dass die Bezirke, die einen wesentlichen Teil dieser Aufgaben erfüllen müssen, dann entsprechend mit Personal ausgestattet sind, damit sie das planen und vorbereiten können. Das sind die Voraussetzungen. Und ich sage an dieser Stelle: Bei einem Thema, wo man mit relativ geringen Mitteln sichtbare und spürbare Verbesserungen erreichen und im Übrigen auch die von Ihnen zu Recht bedauerten hohen Unfallzahlen und die hohe Zahl von tödlichen Unfällen bei Radfahrern doch deutlich reduzieren kann und wo man auch dieses Ziel der Radverkehrsstrategie erreichen könnte, muss in der nächsten Haushaltsberatung nachgebessert werden. Damit das nicht nur auf dem Papier stehen bleibt, müssen auch die notwendigen Mittel bereitgestellt werden.
Sehr geehrter Herr Wolf! So weit auseinander scheinen wir dann aber doch nicht zu sein. Sie haben jetzt gerade 8 Millionen Euro mehr gefordert. Ich habe noch mal
nachgeguckt: In den Haushaltsberatungen haben Sie nur 500 000 Euro mehr gefordert. Erklären Sie mir das mal bitte!
Wir haben 2,5 Millionen Euro mehr gefordert, wenn ich mich richtig erinnere, weil wir gesagt haben: Wir stellen auch Forderungen in den Haushaltsberatungen, die möglicherweise Bewegung in der Koalition auslösen, denn bei diesen 8 Millionen hätten wir gedacht, dass das mit dieser Koalition überhaupt nicht geht. Ich sage nochmal: Es muss das Ziel sein, auf dieses Niveau zu kommen.
Das steht in Ihrer Radverkehrsstrategie als Bemühenszusage drin. Es können sich vielleicht noch einige an die 90er-Jahre erinnern und daran, was eine Bemühenszusage im Land Berlin bedeutet.
Es gab ein langes Mitzeichungsverfahren, in dem alle harten Formulierungen, was die Finanzierung angeht, abgeschwächt worden sind und das alles auf die Haushaltsberatungen verlagert wurde.
Auch vom Innensenator ist etwas abgeschwächt worden, nämlich das Thema der Kontrolle, zum Beispiel der Blockierung von Radwegen und Radstreifen durch geparkte Autos, was dann teilweise auch dazu führt, dass Kreuzungen unübersichtlich sind und gefährliche Stellen und Unfallschwerpunkte entstehen. An der Stelle sage ich noch einmal: Auch hier muss die Kontrollintensität verstärkt werden. Wenn ich die Antwort lese, die der Kollege Müller vor einiger Zeit auf eine Anfrage des Kollegen Gelbhaar gegeben hat, dass es keine Anweisung an die Ordnungsämter gibt, dort kontinuierlich zu kontrollieren, sondern es gelegentliche Stichprobenkontrollen gibt und die Entfernung der Fahrzeuge nur stattfindet, wenn es für verhältnismäßig erachtet wird, dann bedeutet das nur, dass diesbezüglich nichts stattfindet. Auch das muss sich ändern.
Ich komme zum Schluss: Wir haben an dieser Stelle kein Erkenntnisdefizit. Wir haben auch kein Defizit an guten Konzeptionen, die auf dem Papier stehen. Wir haben ein Finanzierungsdefizit, ein Umsetzungsdefizit und ein Kontrolldefizit wie in vielen anderen Bereichen auch, und das muss sich ändern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass wir im Rahmen der Veränderungsprozesse in der Stadt nicht – wie in den letzten Sitzung – ausschließlich über das Thema Wohnen und Mieten reden, so wichtig es auch ist und so gerne ich auch darüber rede. Zu dem, was zu organisieren und politisch zu begleiten ist, gehört sicherlich auch das Mobilitätsangebot. Da hat sich in den letzten Jahren in der Stadt einiges verändert. Er ist richtig und wichtig, das aktiv zu begleiten. Der Bereich des Radverkehrs ist inzwischen integraler Bestandteil des Verkehrsgeschehens in Berlin. Der Radverkehr ist überall präsent: auf den Straßen, Plätzen, in den Berliner Forsten, auf den Radrouten, in den Grünanlagen. Überall sind die Radfahrerinnen und Radfahrer unterwegs.
Das drückt sich auch in Zahlen aus. In den letzten zehn Jahren ist der Anteil des Radverkehrs an den zurückgelegten Wegen in Berlin deutlich gestiegen. Er hat sich in diesen zehn Jahren verdoppelt. Wir liegen jetzt bei rund 14 Prozent. Aber die Entwicklung des Radverkehrs – auch das muss man bei den Planungen, die jetzt anstehen, berücksichtigen – ist regional sehr unterschiedlich. Wir haben in Stadteilen wie Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow einen Anteil von 25 Prozent der Wege, die mit dem Rad zurückgelegt werden. In Reinickendorf, Zehlendorf und Köpenick liegt der Anteil bei rund 10 Prozent. Auch darauf muss man reagieren, wenn man die Mittel entsprechend effektiv einsetzen will.
Aber es ist gar keine Frage: Wir müssen und wollen darauf setzen, den Radverkehr auszubauen. Er ist umweltfreundlich, flächen- und ressourcenschonend, gesundheitsfördernd und es kommt unseren wichtigen klima- und umweltpolitischen Zielen entgegen, den Radverkehr zu stärken und auszubauen.
Ich glaube aber, dass man das nicht mehr eingleisig diskutieren kann, Radverkehr gegen Autoverkehr oder umgekehrt, sondern es geht darum, dass wir eine intelligente Mobilität mit Wahlmöglichkeiten anbieten. Das ist es, was die Leute zunehmend wollen. Sie wollen verkehrs- und situationsbezogen entscheiden, ob sie auf den ÖPNV setzen, zu Fuß gehen, mit dem Rad oder dem eigen Auto unterwegs sind, ob sie eine Kombination aus Rad und Carsharingangeboten oder aus Rad und ÖPNV nutzen. Darauf müssen wir setzen. Natürlich hat auch der moto