Protocol of the Session on March 20, 2014

(Frank Zimmermann)

[Christopher Lauer (PIRATEN): Was? Das ist doch Kommunismus!]

Vielleicht, weiß ich nicht. Ich habe die Hoffnung auf eine Einführung noch nicht aufgegeben. – Was ist denn dann? Was ist dann mit Unternehmen, möglicherweise von der anderen Seite des Atlantiks, die sich darauf eingerichtet hatten, dass nicht 8,50 Euro, sondern vielleicht eher 5,53 Euro oder so gelten? Dürfen die uns dann verklagen – vielleicht nicht gerade Berlin, aber die Bundesrepublik? Darauf, dass ihre Lohnkosten jetzt höher sind? Was ist denn, wenn wir höhere Krankenkassenbeiträge, was bei uns ja gesetzlich geregelt ist, beschließen, weil wir das einfach brauchen? Oder Rentenversicherungsbeiträge? Müssen die Erhöhungen künftig nur von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen bezahlt werden, weil es ja sein kann, dass die Investitionen von Unternehmen davor geschützt werden müssen, dass der Arbeitgeber einen höheren Anteil zahlen muss? – Nein, das machen wir auf keinen Fall mit!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Roman Simon (CDU)]

Auf einen Punkt will ich noch hinweisen: Die Ideen sind ja nicht neu. Wer sich schon etwas länger mit transatlantischer Politik beschäftigt, erinnert sich vielleicht noch an das Kürzel MAI – Multilateral Agreement on Investment. Wir haben das alles schon mal gehabt, wir haben das alles schon mal diskutiert. Damals ist es zum Glück durch den politischen Druck von außerparlamentarischen und parlamentarischen Kräften gestoppt worden. Ich hoffe, wir haben alle miteinander daraus etwas gelernt und sagen auch dieses Mal sehr deutlich, sehr einig nein, und zwar so schnell wie möglich. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Danke, Frau Kollegin! Darf ich noch die Frage stellen, ob das eine Anregung oder ein Antrag war? – Das war ein Anliegen, gut. – Dann hat für die Fraktion der CDU das Wort die Frau Kollegin Bentele. – Bitte schön!

Frau Schillhaneck! Ich muss Sie wohl enttäuschen. So einig sind wir uns da nicht, da muss ich vielleicht im Nachgang zur Rede von Herrn Zimmermann noch ein bisschen was klarstellen. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zur Piratenfraktion und zu den Grünen möchte die CDUFraktion, dass die Verhandlungen über das transatlantische Handelsabkommen fortgesetzt und zu einem erfolgreichen Ende geführt werden.

[Zuruf von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Wir wollen den Abschluss der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft, weil sie gerade für deutsche Firmen Chancen eröffnet, ihre Geschäfte in und mit den USA auszudehnen und damit mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, ohne dass dafür ein Cent Steuergeld investiert werden muss. Deutschland ist bereits heute der mit Abstand wichtigste Handelspartner der USA innerhalb der Europäischen Union. Die USA sind Deutschlands zweitwichtigster Absatzmarkt mit weiterem Wachstumspotenzial. Insofern hat jede noch so klein erscheinende Erleichterung des Warenaustauschs und jeder Abbau von Handelshemmnissen große wirtschaftliche Wirkung, wobei es aber beispielsweise bei amerikanischen Zöllen von 25 Prozent auf Lastwagen, 14 Prozent auf Zugwaggons, 19 Prozent auf Milchprodukte und von 16 Prozent auf Zucker auch wirklich um große Einsparungen geht.

Es geht aber auch insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen darum, das große Potenzial an bürokratischen Erleichterungen durch gegenseitige Anerkennung bzw. durch das Kompatibelmachen von Regulierungen, Standards und Zulassungsverfahren zu realisieren. Für Deutschland als einem der fünf Top-Investoren in den USA geht es mit der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft schließlich darum, eine Verbesserung der Investitionsschutzbestimmungen zu erreichen, wie dies beispielsweise mit Kanada gelungen ist.

Es gibt also gute Gründe, die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft auszuhandeln – aber natürlich nicht um jeden Preis.

[Udo Wolf (LINKE): Ah!]

Für uns geht es also nicht um das Ob, sondern um das Was und das Wie. Zentral ist für uns, dass bestehende EU-Gesetze zum Umwelt-, Verbraucher-, Daten- und Arbeitnehmerschutz sowie zur Produktsicherheit durch die Handelspartnerschaft nicht infrage oder zur Verhandlung gestellt werden. Es muss außerdem dabei bleiben, dass die Entscheidungen über die Privatisierung oder die Liberalisierung beispielsweise der Wasserversorgung oder anderer öffentlicher Dienstleistungen weiterhin allein von den EU-Regierungen beschlossen werden können

[Beifall bei der CDU]

und der in den EU-Verträgen verankerte besondere Status der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht angetastet wird.

Was die Neugestaltung des Streitbeilegungsmechanismus betrifft, so muss vor allem sichergestellt sein, dass es am Regulierungsrecht der Staaten, beispielsweise um Gemeinwohlziele zu verfolgen, keine Abstriche geben wird.

[Beifall bei der CDU]

Nun zum Wie. Wir halten es für einen großen Fortschritt, dass Deutschland nicht mehr allein verhandelt, sondern wir die EU-Kommission durch den vor vielen Jahren

(Anja Schillhaneck)

erfolgten Kompetenztransfer in der Handelspolitik beauftragt haben, die geballte Wirtschaftskraft von 28 Staaten in die Waagschale zu werfen und entsprechend mit einer starken Stimme zu sprechen.

Verhandlungen können nur dann erfolgreich sein, wenn die beiden Verhandlungspartner Vertrauen ineinander setzen können und sie Verhandlungsspielraum haben, also eigentlich das kleine Einmaleins, so wie es in jeder erfolgreichen politischen Verhandlung angewandt wird. Dieses Einmaleins steht einer offenen und partizipativen Verhandlungsführung, wie von den Piraten gewünscht, oder der von grünen Abgeordneten bewusst eingeschlagenen Strategie des Vertrauensbruchs durch das Öffentlichmachen von geheimen Dokumenten diametral entgegen.

Die Verhandlungen zur Handelspartnerschaft und deren Abschluss sind nicht undemokratisch. Es liegt in der Hand der Bundesregierung und der gewählten Vertreter im Bundestag und im Europäischen Parlament, das Abkommen zu ratifizieren oder nicht. Zuvor gibt es die Möglichkeit, den Prozess als Anzuhörende und durch Stellungnahmen zu beeinflussen. Genau darauf sollten wir uns als Abgeordnetenhaus von Berlin in den kommenden Wochen und Monaten konzentrieren. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Herzlichen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Schatz das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute – es ist ja schon erwähnt worden – über TTIP, das Transatlantische Freihandels- und Investmentpartnerschaftsabkommen, oder auch TAFTA genannt, Transatlantic Free Trade Agreement, also viele Abkürzungen, aber worum geht es? – Es ist von vielen Vorrednern schon gesagt worden, im Wesentlichen geht es um einen gemeinsamen Markt diesseits und jenseits des Atlantiks für immerhin 818 Millionen Menschen.

[Unruhe]

Entschuldigung, Herr Kollege! – Meine Damen und Herren! Ich bitte, die Gespräche einzustellen oder – wer unbedingt reden muss – rauszugehen. Es ist ansonsten hier ein Pegel, und der Redner hat das Anrecht darauf, dass Sie ihm zuhören. – Bitte sehr!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Freier Markt hört sich erst mal ganz gut an, aber wie immer steckt der Teufel im Detail. Der Kollege Zimmermann hat darauf hingewiesen, um Zölle geht es eigentlich nicht mehr. Das sind 5 Prozent der Geschichten. Es geht um die sogenannten nichttarifären Handelshemmnisse. An der Stelle fragen dann immer viele Leute: Nichttarifäre Handelshemmnisse, was soll das denn sein? – Das sind beispielsweise solche Regelungen, die verbieten, ein Auto, das in den USA hergestellt wird, das hinten rote Blinker hat, in Europa zu verkaufen, denn in Europa müssen die Blinker orange sein.

Nun ist es mit den Blinkern nicht weiter tragisch, aber es sind weitere Regelungen in der Frage, nämlich die Chlorhühnchen sind aufgezählt worden. In den Vereinigten Staaten ist es üblich, dass ein geschlachtetes Hühnchen nach der Schlachtung in ein Chlorbad getaucht wird, um es zu desinfizieren. In Europa ist vorgeschrieben, dass es aus gesundheitlichen Gründen mit tiefgekühlter Kaltluft desinfiziert wird. In der Europäischen Union haben wir uns darauf verständigt, dass eben die Behandlung mit Chlor gesundheitsschädlich ist. Über Genmais ist gesprochen worden, der jetzt im vorauseilenden Gehorsam bereits in der Europäischen Union legalisiert wurde.

Aber es geht auch um Kultur. In der Anhörung im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses hat der Kollege vom Kulturrat, der Herr Zimmermann, der da war, auch deutlich auf die Schwierigkeiten hingewiesen. Es geht um Urheberrecht. Es geht um den Bereich der audiovisuellen Medien, der auf Drängen Frankreichs aus dem Verhandlungsmandat herausgenommen wurde, zumindest glauben wir das so. Er hat aber auch darauf hingewiesen, dass die Vereinigten Staaten einen Umweg beschreiten und versuchen, bei den UN darauf hinzuwirken, dass die audiovisuellen Medien nicht mehr als Kultur eingetaktet werden, sondern als Telekommunikation. Insofern wären sie dann wieder vom Verhandlungsmandat erfasst und würden Teil eines solchen Abkommens werden.

[Dr. Manuel Heide (CDU): Und was ist mit den Chlorhähnchen?]

Der andere Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und Dienstleistungen, der Beschaffung ist erwähnt worden. Und es gibt unzählige Stellungnahmen des Deutschen Städtetags oder auch des brandenburgischen Städte- und Gemeindebunds, die deutlich auf diese Fakten hinweisen und warnen, hier zu einer Vereinbarung zu kommen.

Letzter Punkt: Es ist von Arbeitnehmerrechten gesprochen worden. Ich will das an der Stelle noch mal deutlich sagen, weil ich glaube, viele wissen nicht, worum es geht. Es geht um den Bereich der ILO-Kernarbeitsnormen, von denen die USA nur zwei ratifiziert haben. Zu denen, die sie nicht ratifiziert haben, gehört erstens z. B. das Recht auf Vereinigungsfreiheit. Das ist das, was Menschen in diesem Land die Möglichkeit gibt, sich in Gewerk

(Hildegard Bentele)

schaften zu organisieren. Kollege Isenberg hat vorhin dazu aufgerufen. Und der zweite Punkt ist das Recht auf kollektive Verhandlungen, also Tarifverhandlungen. Das ist der Kern des europäischen Tarifrechts. Insofern glaube ich, müssen wir einfach deutlich machen, das geht nicht. Das Schiedsverfahren ist undemokratisch und intransparent. Darauf ist hingewiesen worden. Der Kollege Zimmermann hat die roten Linien aufgezählt. Wir glauben, die Transparenz bei den Verhandlungen ist nicht da. Wir befinden uns faktisch auf einer schiefen Ebene.

Ich will noch ein Beispiel sagen: Amerikanische Bundesstaaten haben ihrem Verhandler bei einem Freihandelsabkommen mit Asien Aufträge erteilt. Diese Aufträge sind nicht erfüllt worden. Die Bundesstaaten hatten hinterher nichts mehr zu sagen, Frau Kollegin Bentele. Von der Seite her haben wir beantragt, die Verhandlungen zum TTIP zu beenden und das CETA, das bereits fertig verhandelt ist, nicht zu ratifizieren, weil beispielsweise die Investorenschutzregelung über CETA zurückkommen würde. Wenn wir CETA nicht stoppen, dann hilft das ganze Gezeter über TTIP nichts. Im Übrigen: TTIP ist böse, und nicht jeder Abgeordnete, der bunte Hosen trägt, ist lustig. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Dr. Manuel Heide (CDU): Und was ist mit den Chlorhähnchen?]

Danke schön, Kollege Schatz! – Das Anliegen der Kollegin Schillhaneck hat sich nicht zu einem Antrag verdichtet. Folglich bleibt es bei den Verabredungen aus dem Ältestenrat. Deshalb wird die Überweisung des Antrags und des Änderungsantrags an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten und Medien – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.3:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 7

a) Dauerhafter Schutz für Kleingärten in Berlin

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt vom 5. März 2014 Drucksache 17/1511

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1448

b) Kleingärten langfristig sichern statt gefährden – Kleingartenentwicklungsplan neu aufstellen und inhaltlich neu ausrichten

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt vom 5. März 2014 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 19. März 2014 Drucksache 17/1538

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0911

Wird der Dringlichkeit, vor allem zu b, dem Letzteren, widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Für die Beratung stehen den Fraktionen wieder bis zu fünf Minuten zu – mit den üblichen Ausführungen. Für die Fraktion der SPD beginnt der Kollege Buchholz. – Bitte schön!