Vielen Dank, Herr Abgeordneter! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Schneider das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wolf! Ich finde bemerkenswert, dass Sie mit einem von uns auch diskutierten Weg Ihren Redebeitrag beenden, nämlich dem, ein Volksgesetz durch Parlamentsgesetz zu ändern. Das ist nicht unser Weg, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen.
Das Defizit, das Sie hier adressieren, ist genau das, warum wir die Bevölkerung ehrlicherweise auffordern müssen, diesen Volksentscheid abzulehnen. Wir sehen folgende Problematik: Es fehlt die Anwendbarkeit der Landeshaushaltsordnung. Es fehlt auch – und zwar ausdrücklich – die Anwendbarkeit des Berliner Betriebe-Gesetzes. Wir haben eine Anstalt des öffentlichen Rechts BSR, wir haben eine Anstalt des öffentlichen Rechts BVG – da ist das eine Selbstverständlichkeit, und da korrespondiert auch die verschärfte Haftung. Üblicherweise handeln Unternehmen mit beschränkter Haftung in Kapitalgesellschaften, nämlich auf ihr Gesellschaftsvermögen.
Das ist bei Anstalten öffentlichen Rechts anders. Hier gibt es einen vollständigen Durchgriff auf den Landeshaushalt und damit auch ein erhöhtes, nämlich maximales Risiko für alle anderen Politikfelder. Dem korrespondiert zwingend – nicht nur politisch, sondern auch rechtlich, wie wir meinen –, dass es eine Gesellschaftervertretung geben muss, die über die des Aufsichtsrats hinausgeht, nämlich die Gewährträgerversammlung, und das haben Sie klar – und dafür danke ich Ihnen – als Defizit adressiert. Sie ist in diesem Gesetz nicht enthalten. Den Weg, das hinterher zu reparieren, halten wir für schlichtweg ungehbar. Ich würde Sie gern sehen wollen, was Sie hier erzählen, wenn wir sozusagen den Volkswillen nicht respektieren. Die Rede ist doch schon längst geschrieben, Herr Kollege Wolf!
Der zweite Punkt: Am Ende des Tages stellen wir fest, dass die Einzige, die ihre Positionen nicht geändert hat, die Koalition ist.
Wir haben bereits am 5. Dezember 2012 unseren Weg hier vorgeführt. Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der genau dieses Defizit im Vorgriff abräumt und ein Ökostadtwerk mit Gewährträgerversammlung vorsieht, ein ökologisches Stadtwerk mit 100 Prozent Ökostrom innerhalb des Betriebe-Gesetzes. Das war bedauerlicherweise mit den Vorhabenträgern nicht verhandelbar. Weder die Geltung der Landeshaushaltsordnung noch die Gewinnerzielungsabsicht des BetriebeGesetzes fanden bei den Vorhabenträgern das Einverständnis. – Das ist die Wahrheit, die hier in der Genese erwähnt werden muss.
Was wir hier erleben, bringt meiner Einschätzung nach plebiszitäre Elemente unter Druck. Es fehlen der politische Gestaltungswille und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Das fällt so weit auseinander und korrespondiert in keiner Weise mehr, dass sich hier die Systemfrage stellt. Das muss man mal in Ruhe abstrakt diskutieren.
Herr Lux, darauf komme ich gleich zu sprechen. – Hier ist so: Dieses Parlament trägt die Gesamtverantwortung für die gesamten Politikfelder, für den gesamten Haushalt.
Bemerkenswerterweise sind ausgerechnet die Parlamentarier, jedenfalls faktisch, unwählbar für den Verwaltungsrat, der hier alle Kontrollelemente übernehmen soll. Dazu hätten Sie sich mal verhalten sollen! Es gab Zeiten, da wurden parlamentarische Rechte erkämpft und auch Schulter an Schulter von Parlamentariern verteidigt.
Herr Kollege Esser! Das sagen uns doch alle auf den Gängen: Wir müssen das abräumen, was Sie selbst für verfassungsrechtlich problematisch halten. Ich habe ja Verständnis dafür, dass die Opposition die parlamentarischen Rechte für den kleinen taktischen Vorteil unter Druck geraten lässt. Das kann eine Regierungskoalition aber nicht mit sich machen lassen.
Alles in allem erleben wir eine massive Haftungsverschärfung und eine vollständige Abschaffung öffentlicher Kontrolle. Das gipfelt darin, dass da Leute, die gewählt werden – unter Ausnahme der Abgeordneten –, über ihre eigene Vergütung und ihre eigene gesellschaftsrechtliche Entlastung befinden sollen. Ich glaube, dass das nicht der richtige Weg zum gemeinsamen politischen Ziel ist. Sie sollten mit uns vielmehr beraten, wie man die Idee des Stadtwerkes im Konsens, möglicherweise in parlamentarischer Befassung, regeln und verwirklichen kann.
Ich möchte Ihnen noch einen Hinweis geben: Ich bin ja froh, dass inzwischen klar ist, dass wir keine Rekommunalisierungsdebatte miteinander führen. Ich habe Verständnis dafür, dass man diese Geschichte erzählt, aber mit Rekommunalisierung hat dieser Volksentscheid nichts zu tun.
Vielen Dank, Herr Schneider! – Das Wort für eine Kurzintervention hat der Herr Abgeordnete Harald Wolf. – Bitte sehr!
Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Schneider! Der Beitrag eben hat den Widerspruch nicht auflösen können
zwischen der Beschlusslage des SPD-Landesvorstandes, der Erklärung des SPD-Fraktionsvorsitzenden gegenüber der Presse, dass man das alles unterstütze. Kurz vor Toresschluss, nach anderthalb Jahren, kommen euch auf einmal rechtliche Bedenken. Liebe Leute! Das ist absurd, das ist eine faule Ausrede. Das ist nicht nachvollziehbar!
Jetzt zur Sache: Der Gesetzentwurf des Energietisches hat eine Regelungslücke. Er regelt nicht, wo und wie die Gesellschafterfunktion wahrgenommen wird. Das ist eine Ergänzung, die man einfügen kann. Das steht nicht in Widerspruch zu dem Gesetzentwurf, und das wäre auch nicht das Problem.
Wir werden ja vor der Situation stehen. Wenn sich die Prognose des SPD-Landesvorsitzenden bewahrheitet, die ich teile, dass der Volksentscheid am Ende erfolgreich ist, dann haben wir ein Gesetz, das durch Volksgesetzgebung in Kraft gesetzt worden ist, wo die Gesellschafterfrage nicht geregelt ist. Deshalb werden wir sie dann regeln müssen. Warum verbiegt ihr euch so, dass ihr jetzt zu einem Nein aufruft, wenn ihr die Aufgabe anschließend sowieso lösen müsst?
Nun komme ich zu dem Punkt mit den Abgeordneten: Abgeordnete sitzen in der Regel in keinem Aufsichtsrat, jedenfalls in keinem Aufsichtsrat der Anstalten öffentlichen Rechts. Ich finde es richtig, dass dem so ist, weil die Abgeordneten ihre Unabhängigkeit von den Unternehmensgremien haben müssen, um ihre parlamentarischen Kontrollpflichten ausüben zu können und um die Unabhängigkeit zu wahren.
Das hat was mit der Trennung zwischen Exekutive und Legislative zu tun. Wer will, dass Abgeordnete in den Aufsichtsgremien der Unternehmen sitzen und dann anschließend diese Unternehmen über das Parlament kontrollieren müssen, der schwächt das Parlament, statt es zu stärken.
Meine Damen und Herren! Ich habe überhaupt keine politischen Einwände, dass Abgeordnete nicht in Aufsichtsräten sitzen. Ich habe ein Problem damit, dass man mir das von Gesetzes wegen verbietet, denn ich fühle mich als Bürger mit jedem anderen gleichberechtigt.
Die Begründung dafür, dass Abgeordnete von Gesetzes wegen nicht Mitglied eines Aufsichtsrates sein dürfen, ist ja nun völlig abstrus. Man hat Angst vor Majorisierung. Es handelt sich aber um eine Wahl!
Wenn also vor Mehrheiten durch Wahlen von Gesetzes wegen – – Dann können wir ja sozusagen auch die CDU für unwählbar erklären, dann haben wir ein Problem bei der Bundestagswahl weniger.
[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Haben Sie das auch schon gemerkt?]
Das ist Ihr Weg! Da haben wir aber ein anderes demokratisches Verständnis. Wir stehen lieber im Wettbewerb mit der CDU.
Zu dem anderen Punkt: Es ist ja nicht nur so, dass uns die fehlende Senatskontrolle stört. Da habe ich jetzt Erstaunliches von Ihnen gehört, dass Sie da nämlich bereit sind nachzusteuern. Das ist ein zentraler Punkt. Zumindest haben wir insoweit Konsens, ein für mich sehr überraschender Konsens. Davon habe ich noch nie gehört,
obwohl unser Gesetzgebungsvorhaben seit Dezember 2012 – – Ich habe bisher nur Nein von Ihnen gehört, jedenfalls keinen Konsens, kein Angebot in diese Richtung.