Protocol of the Session on June 13, 2013

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Hören Sie sich doch erst einmal die Rede an, und dann wissen Sie, was ich erkläre! Bleiben Sie ganz locker! – Sie als Opposition möchten gerne Honig aus der Tatsache saugen, dass unser Landesparteitag zu diesem Thema eine etwas anderslautende Entscheidung getroffen hat.

[Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN]

Frau Präsidentin! Können Sie mal für Ruhe sorgen!

[Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN]

Machen Sie sich nichts vor! Ein Landesparteitag ist kein Organ für direktes Regierungshandeln. Für das Regierungshandeln ist der Maßstab die Koalitionsvereinbarung, und hier hat die SPD und meine Fraktion 2011 zu diesem Themenkomplex Handlungsbedarf erkannt und das Thema in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen.

[Uwe Doering (LINKE): Aha!]

Gehen Sie davon aus, dass wir die Bedenken unserer Kolleginnen und Kollegen auf dem Parteitag kennen und respektieren und diese Bedenken in unsere künftigen Diskussionsprozesse einbeziehen werden!

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Aber nicht umsetzen!]

Jedoch werden wir ein Gesetz, das erst seit einigen Wochen in Kraft getreten ist, nicht rückgängig machen. Wir wollen erst sehen, welche positiven und negativen Folgen abgeschätzt werden müssen.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Trotzdem mussten wir als politisch verantwortungsvoll handelnde Innenpolitiker im Abgeordnetenhaus im April eine Abwägung vornehmen. Diese lässt sich so formulieren: Die Notwendigkeit der Übersichtsaufnahmen für eine erfolgreiche Einsatzlenkung der Polizei ist im Sinne

(Hakan Taş)

aller Teilnehmer einer Versammlung und dient der Sicherheit der Versammlungsteilnehmer.

Wie war denn der Status quo 2010?

[Benedikt Lux (GRÜNE): Obrigkeitsstaat! Bevormundung!]

Bisher wurden Bild- und Tonaufnahmen nur bei Anhaltspunkten für eine Gefahrenquelle gefertigt. Daher war es wichtig und richtig, eine Rechtsgrundlage für Übersichtsaufnahmen zur Lenkungs- und Leitungszwecken zu schaffen. Hier hatte das Verwaltungsgericht die fehlende Rechtsgrundlage moniert.

Welche Gründe sprechen nun für die Aufnahmen? – Neben den sicherheitsrelevanten Fragestellungen ist es auch eine Frage der geschickten verkehrspolizeilichen Einsatzbewältigung.

[Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Es geht auch darum, frühzeitig Gefahren, Störungen, Ereignisse und Entwicklungen zu erkennen und damit eine weitere Entscheidungsgrundlage für einen erfolgreichen Polizeieinsatz zu bekommen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Taş?

Nein! Ich habe schon alles gehört, was er sagen wollte. – Unbestritten ist jedoch auch, dass der Umgang mit diesem Instrument sensibel erfolgen muss, und die Rechte der Demonstranten dürfen nicht unverhältnismäßig tangiert beziehungsweise eingeschränkt werden. Übersichtsaufnahmen dürfen nur zum Zweck der Lenkung eines Großeinsatzes oder bei Unübersichtlichkeit einer Versammlung eingesetzt werden. Eine missbräuchliche Anwendung dieser Maßnahme ist nicht hinnehmbar.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Und nicht verfolgbar!]

Das liegt in der Hand der Verantwortlichen. Explizit wird im Gesetz auch auf Ausnahmen hingewiesen. Aufnahmen müssen offen angefertigt werden und dürfen nicht gespeichert werden.

[Uwe Doering (LINKE): Das müssen Sie uns nicht erklären!]

Ferner sei auch darauf hingewiesen: Übersichtsaufnahmen sind keine Maßnahmen der Strafverfolgung. Sie dienen nur der Prävention, und dafür dürfen sie angefertigt werden.

Ich kann den grundsätzlichen Generalverdacht der Opposition bezüglich der Übersichtsaufnahmen nicht nachvollziehen, und dieser ist auch nicht überzeugend. Im Gegenteil: Im Zentrum der Betrachtung steht die Gefahrenab

wehr, zum Beispiel bei unübersichtlichen Situationen auf einer Großveranstaltung. Glauben Sie mir, wir haben eine Güterabwägung getroffen. Gerade uns Sozialdemokraten liegt es fern, Rechte der Demonstranten einzuschränken beziehungsweise Menschen, die für ihre Sache auf die Straße gehen und von ihrem guten Recht der Meinungsfreiheit Gebrauch machen, zu behindern.

[Zurufe von Hakan Taş (LINKE) und Benedikt Lux (GRÜNE)]

Daher war unsere Güterabwägung in der Tat davon geleitet, dass wir helfen wollen, Versammlungen für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem sicheren Umfeld stattfinden zu lassen. Wir wollen auch alle ermutigen, die manchmal Großveranstaltungen meiden, weil sie eine Gefahrensituation nicht ausschließen können.

[Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Ich kann mir jedoch vorstellen, dass wir die Anwendung der Übersichtsaufnehmen die nächsten 24 bis 36 Monate evaluieren und dann das Thema unter Berücksichtigung der Erfahrungen in der Anwendung nochmals aufrufen.

Aus all den genannten Argumente und unter Berücksichtigung der vorgebrachten Bedenken setzen wir uns für einen pflichtgetreuen Umgang mit diesem Gesetz ein. Wir erwarten jedoch auch von der Polizeiführung einen sehr sensiblen Umgang mit diesem Instrument und möchten natürlich auch über die Anwendung im zuständigen Ausschuss informiert werden, damit wir mögliche Fragestellungen bei der Anwendung frühzeitig aufgreifen können.

Ich möchte mit einem Zitat von Barack Obama schließen, der dies in einem anderen Zusammenhang gesagt hat, was aber aus meiner Sicht zu unserem Thema passt: „Man kann nicht 100 Prozent Sicherheit, 100 Prozent Privatsphäre und null Unannehmlichkeiten haben. Wir müssen als Gesellschaft manchmal wählen.“ – Insofern: Lassen Sie uns das Gesetz über die Übersichtsaufnahmen positivkritisch begleiten!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Karge! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Abgeordnete Lauer das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Karge! Ich fand es sehr interessant, dass Sie sagten, Herr Taş habe die ganze Zeit über Ihren Parteitag berichtet. Ich wusste nicht, dass der in Istanbul stattgefunden hat. Aber als Pirat kann ich Ihnen sagen: Es ist ein Anfechtungsgrund, wenn ein Landesparteitag nicht in der Stadt stattfindet, wo der Landesverband ist.

(Thorsten Karge)

[Lachen bei der LINKEN]

Ich weiß nicht, ob auf Ihrem Parteitag Pfefferspray eingesetzt wird – ich wünsche mir das manchmal bei den Piraten. Aber ich gebe gerne zu: Die Opposition macht sich hier zu einer Lobby-Partei für eine Vereinigung, die das sehr nötig hat, weil sie in diesem Haus nicht gehört wird, nämlich den Landesverband der SPD Berlin, der anscheinend ein Problem hat, sich hier durchzusetzen.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir haben das eben auch bei der vorherigen Abstimmung gesehen. Das hat jetzt fast schon Tradition: Die SPD ist für etwas, die SPD-Fraktion aber nicht. Deswegen werden die wahrscheinlich auch rechtlich getrennt. Aber das ist auch gut so.

Wenn Sie die ganze Argumentation verfolgen, man müsse die Demonstrantinnen und Demonstranten schützen, könnten Sie auch sagen: Gut, wir schützen die Demonstranten davor, zu demonstrieren, und aus diesem Grund verbieten wir Demonstrationen. Wir schützen die Demonstranten auch davor, bei einer Demonstration hinzufallen, und deswegen kleiden wir den Weg der Demonstration mit Matratzen und irgendwelchen Gummischonern aus, die wir an Laternen anbringen; dann verletzt sich keiner.

Herr Karge! Sie haben Barack Obama zitiert. Mir ist jetzt nicht klar: Hat der sich zu unseren Übersichtsaufnahmen geäußert?

[Heiterkeit bei der LINKEN]

Natürlich nehmen wir hier die SPD in diesem Haus ein bisschen auf die Schippe, weil sie es verdient hat. Es ist natürlich blöd, wenn der Landesverband etwas komplett anderes beschließt, als zum Beispiel im Koalitionsvertrag drinsteht.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Wie bitte? Stellen Sie doch einfach eine Frage!

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Hej, lall, lall! Herr Oberg!

[Heiterkeit und Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]