Protocol of the Session on May 30, 2013

Danke, Herr Kollege Birk! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt die Kollegin Bentele das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Meine Damen und Herren! Schade, dass die Nominierungen für die Bundestagswahl schon abgeschlossen sind! Wir haben so viele verkappte Außenpolitiker hier in unserem Landesparlament, die fast an der Tatsache verzweifeln, dass gemäß Grundgesetz die Außenpolitik exklusive Aufgabe des Bundes ist. Es ist wirklich fast zum Verzweifeln: Wir haben in unserem Teilzeitparlament nun einmal einen im Vergleich zum auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags vergleichsweise – ich muss es leider sagen – mickrigen EU-Ausschuss, in dem wir uns die Zeit auch noch mit Medienpolitikern teilen müssen.

[Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Eigentlich sollten wir dort die wichtigsten Entwicklungen auf der EU-Ebene diskutieren – mir würde dazu beispielsweise der kroatische EU-Beitritt einfallen, der von der Opposition einfach ignoriert wird. Aber nein! Wir diskutieren über die Gesetzgebungstätigkeit des frei gewählten Parlaments in Ungarn oder schauen uns jetzt – wir verlassen den EU-Rahmen – die Gesetzgebungstätigkeit der russischen Regionen und der Staatsduma im Bereich der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen und Transgenderthematik an.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Das sind Menschenrechtsverletzungen, junge Frau!]

Grundsätzlich hat die Opposition recht. Das Abgeordnetenhaus hat sich in dem einzigen mir bekannten Beschluss über Handlungsanweisungen für das internationale Auftreten Berliner Vertreter entschieden, nicht etwa Investitionsförderung oder die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zum Ziel zu machen, sondern bei jeder geeigneten Gelegenheit nachdrücklich ein Bekenntnis zur sexuellen Vielfalt abzulegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Bundestag oder die Bundesregierung bei einem wohlgemerkt schwulen Außenminister derart gebunden haben. Aber gut! Das Abgeordnetenhaus und der Senat sehen sich als eine Gruppe bekennender Förderer von Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen und Transgenderrechten – so die Beschlusslage aus dem Jahr 2009.

[Thomas Birk (GRÜNE): Einstimmig!]

Seither sind vier Jahre vergangen. Das Präsidium war letzte Woche zu Besuch in Moskau, und ich frage die Opposition: Sind Sie unzufrieden mit dem Handeln unserer Vertreter des Senats und des Parlaments im Umgang mit Russland? Hat der Bürgermeister verweigert, einen Brief zu schreiben? Hat unser Präsident das Thema nicht ausreichend gut angesprochen?

Gestatten Sie dennoch eine Zwischenfrage des Kollegen Birk?

Ich würde gerne diesen Punkte zu Ende führen und kann dann darauf antworten. – Deshalb sehe ich überhaupt nicht, dass wir diese Entschließung annehmen. Wir haben eine klare Beschlusslage; dieses Abgeordnetenhaus steht dazu. Ich sehe keinen Handlungsbedarf, weil ich keinen Mangel feststellen kann. Mir ist einfach nicht klar, warum wir diese Entschließung annehmen sollen. Aus meiner Sicht ist sie überflüssig, und ich kann meiner Fraktion auch nicht empfehlen, das zu tun.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Kann der Kollege Birk jetzt seine Frage stellen? – Bitte schön!

Angesichts der Tatsache, dass der Regierende Bürgermeister geantwortet hat, dass er nichts Besonderes machen wird – jedenfalls keinen Brief schreiben; ich habe die Antwort auf die Mündliche Anfrage jetzt schriftlich bekommen –: Was hindert Sie daran, genauso wie in Hamburg zu handeln, wo die Bürgerschaft die Resolution verabschiedet hat, sich gegen dieses Gesetz zu wenden?

Herr Birk! Wir haben das schon beim Thema Umgang mit Ungarn diskutiert – unsere Haltung ist da ganz klar: Wir stehen nicht für abstrakte Entschließungen, wir stehen für konkretes Handeln. Der Präsident hat berichtet, wie das Thema in der letzten Woche vom höchsten Vertreter dieses Hauses behandelt wurde. Sind Sie immer noch unzufrieden? – Ich glaube, auch unser Bürgermeister steht ganz klar für Menschenrechte und die Rechte dieser Gruppe. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Jetzt hat der Kollege Baum von der Piratenfraktion das Wort zu einer Kurzintervention.

[Thomas Birk (GRÜNE) meldet sich.]

Erst der Kollege Baum! Wenn Sie danach eine Kurzintervention haben wollen, müssen Sie sie über die Geschäftsführung anmelden. – Bitte schön, Herr Kollege Baum!

Frau Bentele! Ich kann es irgendwie nicht ganz nachvollziehen: Sie sagen auf der einen Seite, es gebe hier eine ganz klare Haltung – aber die darf nicht richtig an die Öffentlichkeit dringen.

[Beifall bei den PIRATEN]

Es wäre offenbar in Russland und Moskau gefährlich, wenn die Leute mitbekommen, welche Haltung das Abgeordnetenhaus in Berlin zu diesem Vorhaben hat. Das verstehe ich nicht!

Zweitens: Ihr wichtigstes Argument zu Beginn war, dass Sie das eigentlich nicht im Ausschuss beraten möchten, weil das irgendwie total anstrengend sei. Lieber solle man darüber nicht sprechen. – Dann stimmen Sie doch unserem Antrag zu, das heute und hier abzustimmen! Dann müssen Sie gar nichts im Ausschuss beraten.

Herr Kollege Baum! Vielleicht darf ich es kurz sagen: Dieser Antrag ist der einzige, der noch in der Welt ist. Es wird heute sofort abgestimmt.

Dann hoffe ich aber auch, dass Sie diesem Antrag und der Entschließung letztendlich zustimmen, denn nur das kann die Haltung des Regierenden Bürgermeisters unterstützen und vielleicht auch zu der einen oder anderen Veränderung in Moskau führen.

[Beifall bei den PIRATEN]

Frau Kollegin Bentele! Wollen Sie darauf antworten? – Nein. Dann hat jetzt zu einer Kurzintervention der Kollege Birk das Wort. – Sie bezieht sich, vermute ich, auch auf Frau Kollegin Bentele.

Ja! – Frau Bentele! Wie ich eben erfahren habe, wollen Sie der Sofortabstimmung jetzt zustimmen, aber den Antrag dann wahrscheinlich ablehnen. Was ist denn das für ein Zeichen von diesem Parlament! Sie behaupten, das Parlament hätte hier eine ganz klare Haltung, und dann würde diese ganz klare Haltung darin bestehen, diese Entschließung gegen das Anti-HomosexuellenGesetz in Russland abzulehnen? Da hätte ich wenigstens erwartet, dass Sie sich im Ausschuss noch einmal überlegen, wie Sie damit umgehen, und es dann möglichst vor den Sommerferien zurückbringen. Aber diese Nummer, nachdem heute der Regierende Bürgermeister beim Hissen der Regenbogenfahne gesagt hat, wie wichtig das sei, in der Antwort auf meine Mündliche Anfrage aber nur auf seine Äußerung am Rande der Klausur verweist, die

er schon getätigt hat, die aber wahrscheinlich den Bürgermeister von Moskau oder andere dort noch nicht erreicht hat – es muss schon konkretes Handeln aus Denken erwachsen. Allein Denken reicht nicht! Man muss auch öffentlich dazu stehen, und wir müssen hier als Parlament ein Zeichen setzen und nicht als einzelne Personen. Wir sind das Gremium, das dieses Zeichen setzen soll, und wir haben eine Partnerstadt, wo wir das machen können. Das ist nicht nur unsere Privatangelegenheit, sondern das findet derzeit in ganz Deutschland statt, koordiniert und von vielen unterstützt, etwa vom Lesben- und Schwulenverband. Es ist keine Privataktion von uns Grünen hier, sondern wir sind da in einem großen Bündnis. Diesem Bündnis haben sich viele aus der SPD und auch einige aus der CDU angeschlossen. Da brauchen Sie sich nicht zu schämen, wenn Sie einmal für Lesben und Schwule die Finger heben. Das ist keine Propagierung von Lesben und Schwulen, Frau Bentele! – Diese Äußerung hat uns ja die Schuhe ausgezogen!

Sie müssen sich auch einmal Gedanken darüber machen, welchen Ruf Sie langsam in der Berliner Szene haben. Sie verkünden dauernd an Runden Tischen, dass auch von der CDU noch Anträge zur Initiative „Sexuelle Vielfalt“ kommen. Nichts ist bisher gekommen! Statt dessen wird die Lesbenberatung um 15 000 Euro gekürzt, und gleichzeitig gibt es Gerüchte, die ganze Initiative „Sexuelle Vielfalt“ solle gekürzt werden. Was sind denn das für Zeichen, die von dieser Koalition ausgehen, und steht das nicht im Widerspruch zu dem, was im Koalitionsvertrag steht?

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Können Sie ein bisschen leiser sein? Der Kollege Birk hat das Wort!

Da steht nämlich, dass Sie die Initiative weiterführen wollen und sich für die rechtliche Gleichstellung einsetzen. Im Bundesrat haben Sie sich enthalten. Sie senden dauernd Zeichen, die genau das Gegenteil von dem sind, was Sie in der Szene immer so verkünden. Diese Zwiespältigkeit wird Ihnen aber nicht mehr lange abgenommen – da können Sie sicher sein!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Danke schön! – Bevor ich der Kollegin Bentele das Wort erteile, möchte ich das Haus in Kenntnis setzen, dass die Piratenfraktion die namentliche Abstimmung beantragt hat,

[Beifall bei den PIRATEN]

was, gelinde gesagt, ungewöhnlich ist. So etwas wird normalerweise im Ältestenrat besprochen. Ich möchte das hier nur einmal an dieser Stelle sagen. Beantragt ist aber beantragt. Es kann sich jede Fraktion darauf einstellen.

Jetzt hat die Kollegin Bentele das Wort zur Erwiderung.

Es ist vielleicht ein kleiner Unterschied, den wir zu den Grünen haben, die immer gern anderen vorschreiben, was sie zu tun haben. Wir sind verantwortungsvolle, souveräne Menschen und erfahrene Politiker. Dazu zähle ich auch ganz besonders den Regierenden Bürgermeister. Wir können sehr gut einschätzen, wie wir die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses umsetzen. An der Stelle möchte ich an Sie appellieren: Wir

[Zuruf]

haben vorgetragen, was alles getan wird. Ich habe noch nicht gehört, was im Umgang mit Russland noch fehlt. Diese Entschließung wird nichts daran ändern.

[Zuruf]

Das Thema wird angesprochen. Deshalb sehe ich einfach den Punkt nicht, was Sie noch von uns wollen. Es ist wirklich genug. Lassen wir es einfach dabei!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Bentele! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Kollege Dr. Lederer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann natürlich eine namentliche Abstimmung dann beantragen, wenn man weiß, dass der Antrag tatsächlich verhandelt wird. Wenn aber vorher das Signal gegeben wird, ihn erst einmal in den Ausschüssen zu versenken, wüsste ich nicht, woher einem vorher die Idee zur Beantragung einer namentlichen Abstimmung kommen sollte. Das Eine und das Andere bedingen einander.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Michael Dietmann (CDU): Die Piraten wollten es doch!]

Sie wissen, was Sie da reden? – Das glaube ich. Dann hören Sie mir noch ein bisschen zu.

[Michael Dietmann (CDU): Das fällt mir schwer!]

Gemeinsam mit Quarteera e. V., mit dem Berliner CSD und der Hirschfeld-Eddy-Stiftung haben am 28. Februar 2012 Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen dieses Hauses vor dem Brandenburger Tor gegen das Vorhaben der Stadtduma von St. Petersburg demonstriert, ein Gesetz gegen die sogenannte Propaganda für Homosexua

lität zu erlassen. Die Sprecherinnen und Sprecher für Lebensweisen aus diesem Haus haben sich damals mit einem Brief an die Abgeordneten des Stadtparlaments gewandt. Damals schienen auch der Herr Evers und der Herr Schreiber die heute aufgeworfenen Bedenken in Bezug auf die Zuständigkeit des Hauses und der Abgeordneten dieses Hauses noch nicht zu teilen und haben die Achtung der Menschenrechte aller Menschen gleich welcher sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität eingefordert.