Protocol of the Session on April 26, 2012

[Beifall bei den PIRATEN – Harald Wolf (LINKE): Beauftragt war er!]

Danke, Herr Kollege Höfinghoff! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird hier die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5:

Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/0254

Erste Lesung

Eine Beratung ist hier nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales empfohlen. – Auch hier höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Nunmehr rufe ich auf

lfd. Nr. 6:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Senats (Senatorengesetz – SenG)

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0256

Erste Lesung

Den Fraktionen steht eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zu. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und da hat der Kollege Behrendt das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die lange und quälende Debatte um die Amtsführung des Bundespräsidenten Wulff hat es gezeigt: Nicht immer wird der gebotene Abstand zwischen Wirtschaft und Politik eingehalten. Stattdessen kommt es zu Handlungen im Graubereich oder zu klaren Grenzüberschreitungen.

Wir wollen mit unserem heutigen Vorschlag zur Änderung des Senatorengesetzes eine gesetzliche Regelung zur Schaffung eines Ehrenkodexes schaffen und sogleich einen Rahmen ziehen, der den Handelnden – also den Regierungsmitgliedern – in Zukunft mehr Sicherheit darüber geben soll, was noch erlaubt ist und was bereits verboten ist. – Ich freue mich besonders, dass der Regierende Bürgermeister und der Bürgermeister genau zu dieser Debatte den Saal wieder betreten haben.

[Beifall bei den GRÜNEN – Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Das war Zufall!]

Leitlinie bei unserem Vorschlag ist ein generelles Annahmeverbot für Geschenke und Vergünstigungen, wie es auch sonst für den öffentlichen Dienst gilt. Weil nun aber Senatoren und auch Bürgermeister und Regierende Bürgermeister mehr Kontakte zu gesellschaftlichen Gruppen, Kirchen, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden haben sollen und diese gesellschaftlichen Kontakte auch gewünscht sind, sollen Ausnahmen in diesem Bereich zulässig sein. Diese Ausnahmen sollen aber vorab generalisierend festgelegt und veröffentlicht werden.

Uns ist wohl bewusst, dass wir mit einer gesetzlichen Regelung nicht jeden einzelnen Problemfall abschließend regeln werden. Wir bieten aber mit einer klaren Orientierung Leitplanken, und so kann in Zukunft zumindest klar festgestellt werden, welche Verhaltensweisen eindeutig unzulässig und welche Verhaltensweisen eindeutig zulässig sind. Niemand muss dabei befürchten, dass wir die Berliner Politik unter Quarantäne stellen wollen. Auch in Zukunft soll der Messebesuch, der Besuch von Empfängen und Gesprächsrunden, auch mit Wirtschaftsvertretern, möglich sein. Selbstverständlich soll es auch weiterhin erlaubt sein, dass man bei Staatsbesuchen von den auswärtigen Staatsgästen Gastgeschenke entgegennimmt.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Was wir aber einschränken wollen, sind Urlaubseinladungen, Privatflüge oder sonstige Vergünstigungen, die im Einzelnen in unserem Gesetzesvorschlag aufgezählt sind und die insbesondere in Erwartung einer Gegenleistung erfolgen. Hierbei reicht, wie auch im sonstigen Bereich der Korruptionsbekämpfung, bereits der böse Schein möglicher Vorteilsnahme oder unsachlicher Erwägungen aus.

Wir werden unseren Gesetzesvorschlag im Ausschuss beraten. Ich kann dabei ankündigen, dass wir für Vorschläge von den anderen Fraktionen durchaus offen sind. Wenn wir dann gemeinsam am Ende der Beratung einen entsprechenden, vielleicht auch geänderten Gesetzesvorschlag verabschieden, dann haben wir, die Öffentlichkeit und auch die Handelnden größere Klarheit darüber, was tunlich und was in diesem Bereich untunlich ist. Die Öffentlichkeit erwartet ein entsprechendes Handeln, durchaus auch nach den Diskussionen im März. Eine Umfrage der „Berliner Zeitung“ Ende März hat jedenfalls ergeben, dass 53 Prozent der Befragten einen entsprechenden Ehrenkodex für Senatsmitglieder wünschen. Das sind deutlich mehr als diejenigen, nämlich 38 Prozent, die das für überflüssig erachten.

Mit einem solchen Ehrenkodex sind sicherlich die Bemühungen in dem gesamten Bereich, Korruptionsprävention, Lobbyismus und Ähnliches nicht erschöpft. Es ist heute daran zu erinnern, dass die Bundesrepublik bisher noch

nicht die UN-Konvention zur Bekämpfung der Korruption unterschreiben konnte, weil sich nämlich insbesondere die Bundestagskollegen hartnäckig bei der Frage verweigern: Ist die Abgeordnetenbestechung strafbar? – Da ist es – es gibt verschiedene Vorschläge – durchaus notwendig, das klarer zu fassen und nicht den einfachen Stimmenkauf, sondern auch andere Tätigkeiten strafbar zu stellen. Wir diskutieren hier und in anderen Parlamenten über Lobbyregister. Wir diskutieren hier und in anderen Parlamenten über transparente Sponsoringrichtlinien. Das gehört alles zu diesem Komplex. Es wäre also mit dem heutigen Gesetz noch nicht alles getan.

Insbesondere ist mir wichtig, abschließend festzuhalten, dass es in unser aller Interesse nicht sein kann, dass sich der Eindruck vertieft, dass Politiker nur nach immer neuen Wegen für Vorteilsnahmen und Schnäppchen suchen. Das tut zumindest all jenen Unrecht – und davon gibt es sehr viele, auch hier – –

Sie müssen zum Ende kommen, Herr Kollege!

Mein letzter Satz, Herr Präsident: Das tut zumindest all jenen Unrecht, die sich ernsthaft um die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen bemühen und dabei solchen Verlockungen widerstehen. – Ich danke Ihnen!

Danke schön, Kollege Dr. Behrendt! – Kollege Zimmermann für die Fraktion der SPD! Sie haben das Wort! Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es um die Bekämpfung von Korruption, von Missständen, von angreifbaren Verhältnissen im Land Berlin geht, dann haben wir über die Jahre bewiesen, dass wir mindestens seit 2001 eine andere Gangart eingeschlagen haben und im Land Berlin vom Korruptionsregister über die Geltung des Corporate-Governance-Kodex in landeseigenen Unternehmen bis hin zu weiteren Maßnahmen – Beteiligung von Transparency International von Anfang an beim Bau des Flughafens Berlin-Brandenburg – die Korruptionsbekämpfung ernst nehmen. Deswegen sind wir im Grundsatz voll bei Ihnen, Herr Behrendt, dass wir auf diesem Weg auch weitergehen müssen.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Wir haben es hier mit einer Regelung für die Senatsmitglieder zu tun. Sie sagen, dass mit einem langen Katalog, den Sie in dem Gesetzentwurf haben, jetzt alle möglichen konkreten, spezifischen Geschenke und Vergünstigungen künftig für die Zeit nach Beendigung des Amtsverhältnis

ses untersagt werden sollen. Nun ist es aber so, dass diese Regel, dieser Grundsatz nach dem Beamtenrecht und dem Senatorengesetz bereits gilt. Wir haben eine ganz klare Regel im Senatorengesetz, nach der die beamtenrechtlichen Grundsätze in dem Umfang sinngemäß für Senatoren Anwendung finden, als dies dem Wesen des Amtsverhältnisses entspricht. Und über das Landesbeamtengesetz und das Beamtenstatusgesetz des Bundes gilt das Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken usw. auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, sprich des Amtsverhältnisses im Senat.

Das heißt, dieser Grundsatz ist bereits kodifiziert. Wir haben eine Regel. Jetzt kommt es darauf an: Müssen wir es im Gesetz so konkretisieren, so spezifizieren, wie Sie das vorschlagen, mit einer langen Liste, dass irgendwelche Jagderzeugnisse nicht verschenkt werden dürfen oder Baumaschinen nicht privat genutzt werden dürfen? Ich weiß nicht, ob das nötig ist. Das werden wir uns angucken, ob wir tatsächlich eine Ergänzung im Gesetz brauchen, und dies im Ausschuss kritisch prüfen. Dann gucken wir, ob wir da etwas verändern müssen. Es bleibt jedenfalls die Grundaussage, der Gesetzesbefehl – wenn man so will –, dass diese Schutzvorschrift auch nach Beendigung des Amtsverhältnisses gilt. Der existiert, und insofern haben wir vielleicht einen Feinjustierungsbedarf, vielleicht auch nicht. Wir werden uns das angucken. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke, Kollege Zimmermann! – Dr. Lederer für die Fraktion Die Linke – Sie haben das Wort! Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Behrendt hat recht: Es gab eine Reihe von Debatten, die die Beziehung von Abgeordneten oder Regierungsmitgliedern zu Akteurinnen und Akteuren im gesellschaftlichen Raum, insbesondere zu Unternehmen, thematisiert haben. Das ging beim Bundespräsidenten Wulff unter anderem um Kreditgewährung. Das ging bei der Debatte um die Mitglieder des Abgeordnetenhauses auch um Freikarten. Es ging auch – und da fand ich im Unterschied zu heute das Agieren von Ihnen, Herr Kollege Behrendt, manchmal eine Spur überzogen – um einige zurückliegende Kontakte und Verhaltensweisen des Regierenden Bürgermeisters.

Mit einem haben Sie völlig recht: Richtig ist, dass wir alles tun sollten, um den bösen Schein, den schlechten Geruch von Einflussnahme auf politische Entscheidung zu vermeiden.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Das erfordert Regelungen. Das erfordert von jeder und jedem, die im politischen Prozess stehende Menschen sind, sich immer wieder zu befragen, was er oder sie tut und gegebenenfalls auch besser lässt.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Abgeordnete wie auch Regierungsmitglieder und insbesondere Ministerpräsidenten oder Regierende Bürgermeister – anders als in der Regel Bedienstete der öffentlichen Verwaltung – im öffentlichen Raum und im öffentlichen Fokus stehen und auch stehen sollen. Es gibt die Erwartung, dass Repräsentation geschieht. Es gibt die Erwartung, dass gesellschaftliche Kommunikation geschieht, und es wird auch so etwas wie ein lebensnahes Engagement erwartet. Wir sollen uns blicken lassen bei Initiativen, bei Kulturschaffenden, bei Vereinen und auch Unternehmen, bei vielen unterschiedlichen Akteuren.

Und dann stehen wir immer wieder vor der Frage: Ist der Kaffee, den man auf den Tisch gestellt bekommt, immer noch okay, oder das Wasser? Ist eine Einladung zur Reminders Day Aids Gala okay? Ist es okay, wenn ein bisschen Obst oder auch ein Brötchen auf dem Tisch steht, oder ist es nicht mehr okay? Und beim Regierenden Bürgermeister gibt es vielleicht auch die Frage, wenn er in eine Partnerstadt eingeladen wird: Ist es in Ordnung, wenn er beispielsweise von einem Stadtpräsidenten zum Mittagessen eingeladen wird? – Wahrscheinlich schon, würde ich sagen. Sonst könnte man sich das alles sparen.

Deswegen, finde ich, müssen wir die Diskussion vernünftig führen

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

und nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und auch nicht suggerieren, es ließen sich Striche ziehen, wo die Striche nur durch moralische Entscheidungen jeder und jedes Einzelnen zu ziehen sind und durch einen öffentlichen Diskurs gezogen werden.

[Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Sie wissen alle: Wir diskutieren gerade die Verhaltensregeln für uns Abgeordnete. Da geht es auch um die Frage. Alle wissen, dass das nicht so einfach ist, die Verhaltensregeln zu erweitern und neu zu fassen. Insofern ist die Grenze, glaube ich, nicht so einfach zu ziehen.

Ich habe ein bisschen den Eindruck, der Antrag der Grünen versucht, das Problem jetzt durch viele Worte zu lösen und durch eine Liste, wo allerlei Zeug draufsteht und wo man sich die Frage stellen kann: Reicht das oder könnte man diese nicht vielleicht noch viel länger machen, wodurch aber möglicherweise neue Probleme hervorgerufen werden, die mit der bisherigen Regelung so gar nicht existieren? Das können wir dann im Ausschuss noch einmal ausführen. Ich kann es auch an Beispielen deutlich machen. Aber darüber, ob beispielsweise die Einladung einer Partnerstadt zum Essen mit der Regelung der Grünen noch zulässig wäre, könnte man sich schon

streiten. Das will ich aber gar nicht. Ich will diese Einladung zum Mittagessen gar nicht verbieten, wenn ich über problematische Kontakte zwischen Wirtschaft und Regierungsmitgliedern rede.

Ich habe mir mal andere Landesgesetze und unser eigenes angeschaut, wie das geregelt ist. In unserem derzeitigen Senatorengesetz steht unter § 5 Abs. 2:

Die Mitglieder des Senats haben sich aller Amthandlungen zu enthalten, durch die sie sich selbst oder Personen, zu deren Gunsten ihnen wegen familienrechtlicher Beziehungen im Strafverfahren das Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, einen Vorteil verschaffen.

Dann gibt es noch einen Absatz, der das noch ein Stück erweitert. Da steht schon etwas von Vorteil, Herr Behrendt. Das müssen wir nicht mehr ins Gesetz aufnehmen. Ob es schlau ist, die Liste – das ist ja das, was eigentlich noch hinzukommt – ins Gesetz aufzunehmen und „insbesondere“ davor zu schreiben, würde ich im Ausschuss gerne ernsthaft diskutieren.