Protocol of the Session on March 22, 2007

[Beifall bei der CDU – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Fragen Sie mal Pieroth! – Uwe Goetze (CDU): Zu lange!]

Aber bei aller Kritik an der Schwerfälligkeit der jetzigen Regierung bieten wir selbstverständlich unsere Zusammenarbeit an. Da brauchen Sie gar nicht so zu raunen. Sie können eine Zwischenfrage stellen, Herr Doering, ich bin gern bereit, sie zu beantworten, ich habe noch eine Minute.

Wir sind gern bereit, konstruktiv all die Dinge zu unterstützen, die die Freundschaft, den Kontakt und die Zusammenarbeit mit unseren polnischen Partnern in der EU voranbringen. Es gibt keinen besseren Beweis unseres Willens als das folgende Zitat von Dr. Pflüger, mit dem ich schließen möchte.

[Oh! von der Linksfraktion und den Grünen]

Jetzt hören Sie bitte genau zu, denn es geht um unsere Zukunft, um unsere Kinder und Enkelkinder!

[Zurufe von der Linksfraktion]

Dr. Pflüger sagt:

Die Menschen, die jungen Leute, müssen sich besser kennenlernen. Polen ist ein so spannendes, ein so schönes, ein kulturell so reiches Land. Es ist für uns im Osten so wichtig wie Frankreich im Westen. Wenn sich Polen und Deutsche so wie Deutsche und Franzosen verstehen, ist das ein Garant für Frieden und Freiheit in Europa.

Darum geht es uns allen. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Kollege Scholz! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat nunmehr die Kollegin Radziwill. – Bitte schön, Frau Radziwill!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Liebe Gäste der polnischen Delegation! Herr Gesandter! Dobry wieczór, witam państwa serdecznie hier im Abgeordnetenhaus!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Dr. Friedbert Pflüger (CDU)]

Herr Scholz! Aus meiner Sicht war das ein sehr schwacher Beitrag. Was heißt, dass wir das Thema endlich auf die Tagesordnung bringen sollen? – Wir haben das schon in der letzten Wahlperiode gewollt, es war aber auch der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses geschuldet, dass es nicht rechtzeitig geschah. Wir sind drangeblieben und haben es auf die Tagesordnung gesetzt. Man könnte sagen, Sie sind vielleicht neidisch, dass Sie das Thema nicht besetzt haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Oliver Scholz (CDU)]

Wir feiern in diesen Tagen 50 Jahre Europäische Union. Dieser erfolgreichen Einigung verdanken wir in großem Maße Frieden, Freiheit und Wohlstand. Fast drei Jahre nach der Osterweiterung der EU verstetigen sich auch die Erfolge in den neuen Beitrittsländern, auch in Polen. Immer noch ist vielen das westliche Europa im Empfinden näher als das nur rund 70 km entfernte Nachbarland Polen. Deshalb müssen wir in unseren Köpfen die EUOsterweiterung verankern und in unserem Herzen annehmen. Wir müssen weiter konsequent die Potenziale der Wirtschaftsregion vor unserer Haustür mit den Nachbarn, mit Brandenburg, mit den Woiwodschaften und Städten in Polen, heben und nutzen. Gerade aus aktuellem Anlass ist die Behandlung dieses Themas heute wichtig. Auch wenn auf der nationalen Ebene die Bemühungen der Zusammenarbeit nicht gleichstark von beiden Ländern gefördert werden, sogar durch die politischen Veränderungen im Nachbarland ins Stocken geraten sind, erleben wir glücklicherweise auf lokaler Ebene eine ganz andere Entwicklung. Die Menschen in der Grenzregion und in Berlin profitieren von der offenen Grenze und nutzen die neuen Möglichkeiten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Doch erinnern wir uns an die Zeit vor dem Beitritt Polens zur EU: Es dominierte in der Bevölkerung das Gefühl von Misstrauen, sogar Ablehnung. Vor allem die Angst vor der EU-Osterweiterung war groß. Und heute? – Heute erahnen wir die vielen Möglichkeiten und nutzen sie.

Die polnische Community in Berlin hat eine lange Historie. Die Integration der polnischen und polnischstämmigen Bevölkerung in das gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Leben in Berlin ist bemerkenswert gut. Obwohl sie relativ wenig Aufmerksamkeit bekommt, zählt die polnische Community mit bis zu 130 000 Menschen zu der drittgrößten Migrantencommunity in Berlin. Mit mindestens 6 000 polnischen Unternehmen, meist kleinen und mittleren, sind sie in der Berliner Wirtschaft in fast allen Branchen aktiv. Etwa 2 400 Mitglieder zählt sie in der Handwerkskammer und etwa 3 200 in der IHK mit deutschem Pass. Hinzu kommen noch viele Freiberufliche, d. h., es ist eine recht aktive Gruppe. Mit den Wirtschaftspotenzialen der anderen Communities, z. B. der türkischen oder der russischstämmigen, sind sie wichtige Akteure der Berliner Wirtschaft. Viele Berliner Unternehmen haben Kooperations- und Handelsbeziehungen mit Polen und gründen dort z. B. Tochterunternehmen. Berlin-Marketing begleitet viele Unternehmen, und bei

spielhaft will ich hier die Aktivitäten von Berlin-Chemie und Alba in unserem Nachbarland erwähnen.

Berliner Unternehmen müssen stärker polnisch trainieren – das haben wir alle festgestellt – und sich mit den kulturellen Eigenheiten Polens befassen, damit sie ihre lokalen Produkte auch im Nachbarland besser vermarkten können. Erfreulich ist, dass sich polnische Unternehmen beim Erlernen der deutschen Sprache stärker engagieren, und sie nutzen auch die vielen mehrsprachigen Informationsquellen.

Mehrsprachigkeit in diesem Zusammenhang – auch der Kinder, besonders der Migrantenkinder – ist eines der Potenziale in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Polen, aber auch mit anderen Regionen, z. B. der Türkei.

Liebe Mitglieder der Opposition! Berlin braucht nicht immer wieder weitere Studien und Konferenzen, auch nicht Ihre Berlin-Konferenz.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Christoph Meyer (FDP): Ganz schön mau, der Beifall!]

Wir brauchen eine kontinuierliche Umsetzung der vorhandenen Erkenntnisse aus vorhandenen Studien. Ich nenne z. B. die Ergebnisse der Enquetekommission, die Lokale Agenda, an der viele mitgewirkt haben, und die Berlin-Studie der OECD. Darauf will ich etwas näher eingehen.

Dort heißt es, dass sich die Potenziale der EU-Erweiterung in Berlin nicht ohne die bereitwillige Integration neuer Zuwanderer entfalten können. Die Chance Berlins liege auch darin, die Zuwanderung aus Osteuropa innovativ zu nutzen. Es komme besonders auf die aktiven Netzwerke und vor allem auf die osteuropäischen Zuwanderer an. Die geografische Lage allein sei noch kein Standortvorteil für sich. Der Schlüssel für Berlin liege in diesem Zusammenhang bei seinen Bewohnern. Innovationen in den Bereichen Kultur, Wirtschaft und Politik entstünden aus der für Berlin typischen Vielfalt. Diese Erkenntnis und das Motto der Europäischen Union 2007 – Chancengleichheit für alle berücksichtigen – müssen auch bei der Förderpolitik in Berlin für die kleinen und kleinsten Unternehmen sichtbar und erlebbar gemacht werden.

Einen umfassenden Aufgabenkatalog haben wir als Parlament der IBB – der Investitionsbank – an die Hand gegeben. Aus meiner Sicht gibt die IBB hier nicht die nötige Unterstützung für die kleinen und kleinsten Unternehmen. Sie macht zwar gute Arbeit, eine solide Wirtschafsförderung, aber um die innovativen Potenziale der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen bemüht sie sich aus meiner Sicht zu wenig. Das wollen und müssen wir ändern.

[Beifall bei der SPD]

Beispielsweise Mikrokredite zum Teil von bis zu 5 000 € und die Unterstützung von Kooperationsnetzwerken der wirtschaftlich Aktiven könnten schon viel bewegen.

Herr Pflüger! Sie haben heute in der Debatte erwähnt, dass die sogenannten großen Investoren angeblich nicht angemessen hofiert werden und die wirtschaftliche Entwicklung dadurch blockiert wird. Sie dürfen nicht den Fehler machen, immer auf die großen Investoren zu schielen und die Potenziale in der Stadt zu vergessen. Ich stelle fest, dass gerade die defizitorientierte und immergestrige Haltung der CDU zur Zuwanderungs- und Integrationspolitik blockierend ist, Angst schürt, Vorurteile verstetigt und ein schlechtes Klima schafft. Auch das ist eine Blockade.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Ich stelle fest, dass Ihre Fraktion – trotz der so großen Bedeutung des Themas für Sie – auch nicht gerade zahlreich vertreten ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie haben vorhin erwähnt, was alles an Berlin vorbeigegangen ist. Aber, Herr Pflüger, aus meiner Sicht sind Sie in dieser Stadt noch gar nicht angekommen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Perpetuum-mobile-artige Wiederholungen von Nörgeleien und Schlechtreden des Standorts helfen Berlin überhaupt nicht weiter. Berlin hat wirtschaftliche Erfolge, auch in den Kooperationen mit den osteuropäischen Nachbarn.

Im Wettbewerb der Region ist die Oder-Partnerschaft mit dem Kern der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ein wichtiges Instrument. In der Weiterentwicklung der OderPartnerschaft sollte ein Fokus in der strukturellen Zusammenarbeit liegen, beispielsweise in der Stärkung der wirtschaftlichen Korridore, mehr Städtepartnerschaften und Kulturprojekte und auch der Jugendaustausch. Zu den Städtepartnerschaften gehört auch, dass man sie pflegt, dass man hinreist, auch Politiker, beispielsweise der Regierende Bürgermeister.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Für die Weiterentwicklung der Oder-Partnerschaft ist aus meiner Sicht auch eine stärkere Clusteranalyse nötig – Konzentration auf die jeweiligen Stärken des Landes. Berlins Stärken sind beispielsweise Biotechnologie, Medizintechnologie und Sicherheitspolitik, auf polnischer Seite z. B. technologieintensivere Zulieferungen.

Und diese Potenziale zusammen sind die Stärken dieser Region.

Für die Region ist daher auch die Kraftanstrengung für den Single-Airport BBI als Motor für die wirtschaftliche Entwicklung sehr wichtig.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank für den Applaus an der Stelle!

[Zuruf von den Grünen: Auch wenn er so lau war!]

Wir stehen dazu. Das muss vielleicht nicht immer wiederholt werden, und es muss nicht immer applaudiert werden, aber wir alle stehen zu BBI. – Schon jetzt nutzen viele polnische Touristen die günstigen Verbindungen zu den Berliner Flughäfen. Auch deshalb dürfen wir den Single-Airport nicht aufs Spiel setzen, sondern müssen die Möglichkeiten für die Region nutzen.

Erwähnen will ich auch, dass aus polnischer Sicht Berlin schlichtweg die Metropole mit sehr reichen Kultur- und Wissenschaftsangeboten ist. Hier liegen die Stärken Berlins, die noch bewusster in die Kooperation eingebracht werden sollten. Das erwarten unsere polnischen Partner.

Eine Anmerkung zur Dienstleistungsrichtlinie und zur Zugangsbeschränkung zum Berliner Arbeitsmarkt: Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang zu erkennen, dass die Berliner Unternehmen schon heute in Polen aktiv investieren können. Diesen zeitlichen Wettbewerbsvorteil sollten sie verstärkt nutzen.

Ich danke den vielen polnischen Unternehmen mit ihren guten Netzwerken für ihr Engagement in Berlin. Besonders positiv ist mir aufgefallen, dass viele Polinnen, polnische Unternehmerinnen, am Wirtschaftsleben in Berlin aktiv teilnehmen. Lobend will ich stellvertretend NIKE e. V. erwähnen.

Frau Kollegin! Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, es folgt mein letzter Satz! – Es hat sich vieles in der Zusammenarbeit verbessert. Viele Kooperationen laufen gut, viel Neues entsteht. Das zu verstetigen, die Entwicklung weiterhin positiv zu begleiten und Arbeitsplätze in der Region zu schaffen, ist unsere Aufgabe in den nächsten Jahren. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]