Meine Fraktion vertritt die Auffassung, dass die am 1. Mai 2006 angelaufene Dreijahresperiode nicht ausgeschöpft werden sollte, und möglichst vor deren Ende, spätestens aber 2009 die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit erreicht wird. Es darf kein Zweite-Klasse-Gefühl in den neuen EU-Mitgliedsstaaten geben.
Die Übergangszeit muss genutzt werden, um u. a. eine verbindliche Mindestlohnregelung zu vereinbaren.
Wir hätten in unserer Großen Anfrage auch noch zahlreiche andere Fragen stellen können, z. B. nach dem deutsch-polnischen Jugendwerk und seiner Wirkung in Berlin oder nach der Unterstützung allgemein zivilgesellschaftlicher Initiativen zur deutsch-polnischen Verständigung. Ich möchte anregen, dass wir uns im Plenum und in den Ausschüssen in nicht allzu großen zeitlichen Abständen weiter mit dem Thema deutsch-polnische Beziehungen befassen und dazu vor allem auch hören, was unsere polnischen Nachbarn denken und zu sagen haben.
Im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten ist das vor drei Jahren schon geschehen. Ich könnte mir einen solchen Erfahrungsaustausch sehr gut auch für den Wirtschaftsausschuss vorstellen. – In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Danke schön, Herr Doering! – Das Wort für die CDUFraktion hat nunmehr Herr Scholz. – Bitte schön, Herr Scholz, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gut, dass sich SPD und PDS endlich durchgerungen haben, das Thema Zusammenarbeit Berlins mit den Regionen unseres Nachbarlandes auf die Tagesordnung zu setzen. In der vergangenen Wahlperiode haben Sie es ja fertiggebracht, dieses Thema mehrfach zu vertagen.
Letztendlich haben Sie Ihre Große Anfrage kurz vor Toresschluss der letzten Wahlperiode gänzlich versenkt. Offensichtlich war Ihnen der Wahlkampf wichtiger – wichtiger als Europa, wichtiger als die Fragen zum Verhältnis mit Polen, wichtiger als die wirtschaftliche Entwicklung in Berlin, Brandenburg und den angrenzenden Woiwodschaften unseres Nachbarn. Dass uns, der CDU, ja der gesamten Opposition, dieses Thema immer wichtig war, zeigen die zahlreichen parlamentarischen Initiativen bereits in der 15. Wahlperiode unter den Überschriften „Berlin für Europa fit machen“ oder „Berlins Chancen nutzen“.
Die Partnerschaft mit Polen war und ist dabei immer ein Schwerpunkt. Dies bedingt natürlich die geographische Situation. Aber es ist eben nicht nur die geographische Nähe. Wir spüren eine besondere Nähe zu unseren polnischen EU-Partnern, weil es die Menschen in Polen, die Solidarnośćbewegung und nicht zuletzt Papst Johannes Paul II. waren, die die Widerstandsbewegungen in Osteuropa gegen die totalitären Regime im Ostblock in Gang gesetzt haben.
Und auch ich sehe die Gäste aus der polnischen Botschaft hier und begrüße sie an dieser Stelle recht herzlich!
Bitte nehmen Sie zu dem eben Gesagten meinen persönlichen Dank und den Dank von uns allen mit in Ihre Heimat!
Nun wird es aber höchste Zeit, dieses besondere Verhältnis zu Polen auch tatsächlich zu nutzen: für konkrete Maßnahmen der Zusammenarbeit, für eine positive Entwicklung im Rahmen der Oder-Partnerschaft.
zuletzt zu erleben im Bund-Euro-Ausschuss. Es war deutlich zu spüren – wir haben ja gestern gemeinsam mit den Brandenburger Kollegen getagt –, dass die Brandenburger hier schon viel weiter sind.
Herr Wolf, wenn Sie schon auf uns nicht hören wollen, dann gehen Sie wenigstens bei Ihrem Kollegen Junghanns in die Lehre, um zu erfahren, wie deutsch-polnische Zusammenarbeit wirklich funktionieren kann. Oder besser noch, fragen Sie mal Ihren Amtsbruder in Wien, wie eine europäische Metropole davon profitieren kann, dass sie das Tor zu Osteuropa ist. 300 internationale Konzerne nutzen Wien als Sprungbrett nach Mittel- und Osteuropa. Wirtschaftsstandort Wien – wir wollen hoch hinaus. – Das haben wir von Ihnen, Herr Wowereit, und von Ihnen, Herr Wolf, noch nicht gesehen. Statt hoch hinaus eine Bauchlandung nach der anderen.
Wir aber, sehr geehrte Kollegin, wollen, dass Berlin eine Drehscheibe zwischen Ost- und West-, zwischen Nord- und Südeuropa wird.
Wie aber erreichen wir dieses Ziel, wenn selbst einfachste Schritte in der Zusammenarbeit mit dem direkten Nachbarn nicht oder nur unzureichend gegangen werden?
Bereits vor dem EU-Beitritt Polens waren wir, die CDU, gemeinsam mit den Grünen und der FDP auf dem richtigen Weg: Zusammenwachsen der Regionen Berlin, Stettin, Posen, Breslau,
EU-Erweiterung, notwendige Voraussetzungen in Politik und Verwaltung schaffen, Regionalreform Berlin-Brandenburg-Westpolen initiieren. All diese Anträge enthiel
ten, Herr Doering, konkrete Ideen und Forderungen. Und weil Sie es konkret hören wollen, darf ich an dieser Stelle einige Punkte zitieren:
Für die Interessenvertretung der Region in Brüssel eine Zusammenarbeit vereinbaren; die Raumentwicklung gemeinsam abstimmen; die Verkehrsinfrastruktur grenzübergreifend leistungsfähig ausbauen;
Denn ich bin der Auffassung, gerade wenn wir Kinder und Jugendliche zusammenbringen, ihnen zeigen, wie Europa funktioniert, zwischenmenschliche Beziehungen entstehen, persönliche Kontakte: So wird Europa gelebt, Herr Wolf!
Die Zusammenarbeit von Institutionen in den Bereichen Kultur und Wissenschaft, Universitäten, Forschungseinrichtungen; die grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen, Institutionen, staatlichen Einrichtungen und der Wirtschaft unbürokratisch zu fördern;
Stichwort unbürokratisch: Herr Wolf, ich glaube so etwas haben früher im Mittelalter mal die Könige gemacht. Sie sind einfach inkognito in ihre eigene Verwaltung gegangen. Herr Wolf, das sollten Sie auch einmal tun! Verkleiden Sie sich als Investor, gehen Sie in Ihre Verwaltung und gucken Sie mal, wie Wirtschaftsförderung im Land Berlin funktioniert!
[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Peter-Rudolf Zotl (Linksfraktion): Der erste konkrete Vorschlag!]
Aber um noch einmal auf unsere Papiere zurückzukommen: Den Koalitionsparteien war das alles wohl etwas zu konkret. Jedenfalls hat Rot-Rot all diese Initiativen abgelehnt. Begründung, Zitat aus der denkwürdigen Ausschusssitzung der vergangenen Wahlperiode: „Ein Arbeitspapier müsse allgemein gehalten werden.“
Wogegen Frau Kubala bescheinigte: „Der CDU-Antrag gehe bereits einen Schritt weiter, indem konkrete Maßnahmen gefordert würden.“
Aber wir wollen wissen, was Sie tatsächlich getan haben. Ich lese immer nur, Zitat aus dem Bericht zu der OderKonferenz, Herr Wolf sagt in Bezug auf die Oder-Partnerschaft:
Es war eine gewisse Erleichterung vorhanden, dass sich Berlin endlich zu seiner Verantwortung innerhalb der Region bekennt und sich um die Region kümmert.
Herr Doering, das war am 6. April 2006. Ich frage Sie: Wie lange hat zu diesem Zeitpunkt Herr Wolf schon die Verantwortung im Wirtschaftsressort dieser Stadt getragen?