Protocol of the Session on March 22, 2007

und habe das getan, was er häufiger tun sollte, ich habe meine Rede in die Tonne gehauen, weil ich denke, in dieser Frage gibt es eigentlich keinen Dissens. Die wesentlichen Sachen sind gesagt worden, wir müssen uns auch nicht darüber streiten, wer die Vater- oder Mutterschaft eines rauchfreien Abgeordnetenhauses für sich beanspruchen kann. Das ist letztlich müßig. Betrachten wir es lieber als Sieg der Passivraucher in allen Fraktionen und sorgen für Nachhaltigkeit. Wir sollten aber bitte jetzt nicht die Debatte über Ausnahmen führen, wenn wir sonst überall in Berlin für ein striktes Rauchverbot eintreten. Das kann der Sache nicht einträglich sein.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der CDU und den Grünen]

Wir haben eigentlich stets eine bundesweite Lösung beim Nichtraucherschutz angestrebt. Das scheint zurzeit ausgeschlossen zu sein. Wir werden eine Berliner Regelung in Angriff nehmen. Ich denke, dass sehr schnell eine entsprechende Gesetzesvorlage eingebracht werden wird. Denkbar ist eine Abstimmung mit Brandenburg. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass die einzige Ausnahme die geschlossenen Räume sind. Ich weise darauf hin, dass das in der Tat die juristische Frage der Ungleichbehandlung aufwirft, die im vorhinein mit Sicherheit ausgeschlossen werden muss. Ich erahne auch schon die Interpretationsspielräume des Begriffs „geschlossene Räume“. Auch darüber müssen wir genauer diskutieren. Aber ich denke, für heute reicht es. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Dr. Albers! – Für die Fraktion der FDP spricht nun der Kollege Herr Lehmann. – Bitte schön, Herr Lehmann, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Als Nichtraucher sage ich Ihnen: Rauchen ist nicht nur gesundheitsschädigend, Rauchen ist auch Genuss, Lebensqualität und ein Stück individuelle Freiheit.

[Ralf Hillenberg (SPD): Sehr gut!]

Jeder muss selbst entscheiden, inwieweit er oder sie seine Gesundheit ruinieren möchte.

[Beifall von Ralf Hillenberg (SPD)]

Die persönliche, individuelle Freiheit endet selbstverständlich dort, wo die Freiheit der anderen eingeschränkt wird. So ist es sicherlich auch beim Konsum von Tabakwaren.

Dass extremes Passivrauchen erhebliche Gefahren birgt, ist unumstritten. Rücksicht gegenüber Nichtrauchern ist deshalb notwendig. Verbote sind aber nicht der richtige Weg, ein tolerantes Miteinander zu fördern.

Zu den rechtlichen Überlegungen eines generellen Rauchverbotes in Kneipen, Gaststätten und Diskotheken: Wie in vielen anderen Fällen müssen wir auch hier eine Abwägung zwischen einzelnen Grundrechten vornehmen: auf der einen Seite das Grundrecht auf die körperliche Unversehrtheit, auf der anderen Seite das Grundrecht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. Ich räume durchaus ein, dass dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zu Recht eine höhere Bedeutung beigemessen wird.

[Beifall von Burgunde Grosse (SPD) und Heidi Kosche (Grüne)]

Dies ändert jedoch nichts daran, dass ich mir als Gesetzgeber zumindest einmal Gedanken darüber machen muss, ob sich nicht ein milderes Mittel als das totale Rauchverbot findet.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Ralf Hillenberg (SPD)]

Um sich mit einem solchen milderen Mittel auseinandersetzen zu können, muss man sich zunächst Gedanken darüber machen, wen ich mit einer gesetzlichen Regelung eigentlich schützen möchte – den Gast, die Arbeitnehmerin, den Arbeitnehmer oder beide? – Der Gast kann natürlich selbst entscheiden, ob er ein Lokal aufsuchen möchte oder nicht. Der Gast kennt auch die Gefahren des aktiven und des passiven Rauchens. Sollte dies nach Auffassung der anderen Parteien nicht oder nicht ausreichend der Fall sein, so kann man gerne über umfassendere Informationen

oder Aufklärung über die Folgen des Passivrauchens sprechen.

Die Entmündigung des Bürgers, die darin liegt, ihn nicht selbst entscheiden zu lassen, ob er sich in einer Gaststätte aufhalten möchte, in der geraucht wird, ist aus liberaler Sicht der falsche Weg.

[Beifall bei der FDP]

Damit der potenzielle Gast bereits am Eingang eine solche Entscheidung treffen kann – ob mit oder ohne Nikotin –, sprechen wir uns für eine Kennzeichnungspflicht der einzelnen Lokalitäten am Eingang aus: Raucher oder Nichtraucher, und wenn es durch abgetrennte Räume möglich ist: Nichtraucher und Raucher.

Damit kommen wir zu den milderen Mitteln, welche auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen. Zunächst ist es auch hier der falsche Weg, von einer Kneipe auszugehen, die eine Größe von 20 qm hat und mit zwölf Kettenrauchern besetzt ist.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Dass hier die Bedienung einer Gesundheitsgefährdung ausgesetzt ist, dürfte unstrittig sein. Wie ist es jedoch bei weitaus größeren Lokalen, z. B. mit einer Größe von 100 qm und mit optimalen Belüftungsanlagen? – Hier dürften zwölf Raucherinnen und Raucher einen weitaus geringeren Effekt haben, und hier stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch eines Arbeitnehmerschutzes bedarf.

[Zuruf von Elke Breitenbach (Linksfraktion)]

Auch über den notwendigen Umfang des Arbeitnehmerschutzes sollte man sich Gedanken machen – das können Sie auch machen, Frau Breitenbach. Natürlich ist es leicht, das Rauchen gleich ganz zu verbieten und damit die Gefahr auf null zu reduzieren. Herr Dr. Albers hat es ja schon dargelegt: Die Linksfraktion ist eindeutig auf diesem Weg, wahrscheinlich bald unter der Überschrift: Berlin rauchfrei!

[Beifall bei der FDP und der Linksfraktion – Uwe Doering (Linksfraktion): Genau!]

Was kommt denn eigentlich als nächstes? – Verbot von Tageszeitungen, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Druckerei erheblichen Belastungen ausgesetzt sind? – Es gibt und wird auch weiterhin Berufe geben, die mit einem gesundheitlichen Risiko verbunden sind.

[Mario Czaja (CDU): FDP-Politiker zum Beispiel!]

Auch wenn es bei der derzeitigen Arbeitsmarktsituation nicht immer ausreichend Alternativen gibt, so hat sich jeder Beschäftigte selbst zu entscheiden, ob er oder sie in diesem Bereich arbeiten möchte.

Was mache ich in den Fällen, in denen der Inhaber der kleinen Eckkneipe selbst hinter dem Tresen steht – auch das sind Fragen, Frau Dr. Knake-Werner, die man sich dann stellen müsste.

[Mario Czaja (CDU): Nee, Frau Lompscher!]

Kann ich dies mit dem Arbeitnehmerschutz begründen? – Sicherlich nicht.

Auch wir wollen uns den Problemen gerade auch des Passivrauchens nicht verschließen. Wir wollen aber eine Regelung mit Augenmaß und kein grundsätzliches Rauchverbot in Kneipen und Gaststätten. Ein komplettes Rauchverbot im Abgeordnetenhaus halte ich überdies auch für unsinnig. Herr Hillenberg! Ich bedauere es sehr, dass Ihre Fraktion so mit Ihnen umgeht. Ich hätte den anderen Parlamentariern doch mehr Realitätssinn zuerkannt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Ralf Hillenberg (SPD) und Benedikt Lux (Grüne)]

Schönen Dank, Herr Kollege Lehmann! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Der Ältestenrat empfiehlt zum Gesetz die Überweisung federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen und mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, zu beiden Anträgen den Nichtraucherschutz im Abgeordnetenhaus betreffend die Überweisung federführend an den Gesundheitsausschuss sowie mitberatend an den Rechtsausschuss und zum weiteren Sachantrag der Grünen über „Präventionskonzept gegen Tabakabhängigkeit“ die alleinige Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. – Widerspruch höre und sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen.

Der Tagesordnungspunkt 6 ist bereits durch die Konsensliste erledigt, der Tagesordnungspunkt 7 steht schon als vertagt auf der Konsensliste.

So rufe ich auf

lfd. Nr. 8:

Große Anfrage

3 Jahre nach dem EU-Beitritt Polens: neue Perspektiven der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Integration polnischer Unternehmen in Berlin

Große Anfrage der SPD und der Linksfraktion Drs 16/0255

Zu Beginn unserer Aussprache begrüße ich auf den Tribünen die Vertreter unseres Nachbarlandes Polen, also die hier lebenden Polen. – Herzlich willkommen im Berliner Abgeordnetenhaus!

[Allgemeiner Beifall]

An der Spitze begrüße ich den Gesandten Herrn Prof. Dr. Olszyński, den Leiter der Abteilung für Handel und Investitionen der Botschaft der Republik Polen. – Herzlich willkommen hier im Abgeordnetenhaus!

Zur Begründung der Großen Anfrage rufe ich Herrn Jahnke von der SPD-Fraktion auf. – Bitte schön, Herr Kollege Jahnke, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 17 Jahre ist die große Zeitenwende in Europa schon her, und fast drei Jahre ist Polen Mitglied der Europäischen Union. Der Binnenmarkt ist für Polen noch nicht vollkommen Realität – Arbeitnehmerfreizügigkeit ist hier das Stichwort, auch der Euro gilt in Polen noch nicht, aber die wirtschaftlichen Kontakte zwischen Berlin und Polen haben sich schon deutlich ausgeweitet. Unternehmen aus Berlin sind zunehmend in Polen aktiv, und die Exporte Berlins in Richtung Polen nehmen stark zu. Umgekehrt leben Polen in Berlin, gründen hier Unternehmen, sind wirtschaftlich in vielfältiger Weise – insbesondere im Handwerk – aktiv. Es ist das Ziel dieser Großen Anfrage, zum einen aufzuzeigen, wie vielfältig die Aktivitäten und Verflechtungen bereits sind und zum anderen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sich für Unternehmen aus Polen in Berlin ergeben.

Wir haben noch mit vielfältigen Schwierigkeiten zu kämpfen – dies soll die Große Anfrage auch aufzeigen. Das betrifft z. B. die Frage, warum polnische Unternehmen in Berlin noch nicht in dem Maße ausbilden können – bzw. warum tun sie es nicht –, wie man das bei ihrer Anzahl von über 3 000 erwarten könnte. Dies ist ein großes Potenzial, das wir erschließen sollten. Oder das Beispiel Verkehrsverbindungen: Wieso haben wir keine grenzübergreifenden Verkehrsverbünde, wie sie in anderen Bereichen nach Frankreich, nach Holland, nach Österreich existieren?

Vielfach, so scheint es mir, sind es auch mentale Probleme, die einer vollen Entfaltung der Möglichkeiten deutsch-polnischer Wirtschaftskooperationen entgegenstehen. Der ursprüngliche Titel unserer Großen Anfrage sollte „Polnische Wirtschaft“ heißen. Es wurde uns vielfach davon abgeraten, so könnt ihr das nicht nennen, das ist vorurteilsbeladen, lasst das. Wieso ist das eigentlich so? – Dänische Wirtschaft, französische Wirtschaft, russische Wirtschaft – all dies ist kein in irgendeiner Weise belasteter Begriff. Bei polnischer Wirtschaft wird so etwas plötzlich unterstellt.

Lassen Sie uns über polnische Wirtschaft reden, über die beeindruckende Ökonomie unseres Nachbarlandes Polen mit Wachstumsraten von 5 %, einer Aufholjagd, die hier stattfindet, auch über die beachtliche Präsenz polnischer Unternehmen in Berlin und über die Chancen, die sich für beide Seiten aus der Kooperation mit unserem nächsten Nachbarn ergeben. – Danke schön!