Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4271 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales. – Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Verbindliche Entscheidungen statt leere Wahlkampfversprechen – Abkassieren durch Straßenausbaubeitragsgesetz beenden!
Leistungsfähige Straßeninfrastruktur statt permanenter Flickschusterei – Mittel zur Straßensanierung auf 100 Millionen Euro jährlich aufstocken!
Ich eröffne die zweiten Lesungen und schlage vor, die Einzelberatungen der jeweils zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe die Überschriften, die Einleitung sowie die jeweiligen Artikel 1 und 2 Drucksachen 16/4007 und 16/4007 auf. Für die Beratungen steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der FDP. Das Wort hat Herr von Lüdeke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden wieder einmal, wie so häufig hier schon, über das Straßenausbaubeitragsgesetz. Das geschieht aus gutem Grund. Auch hier ist die Koalition inzwischen vollkommen zerstritten. Das nehmen wir gern noch einmal zum Anlass, Sie hier mit Ihren Aussagen vor der Wahl und dem, was Sie möglicherweise nach der Wahl entscheiden werden, in die Pflicht zu nehmen.
Was hat dieser rot-rote Senat den Berlinerinnen und Berlinern beschert? – Ihre Bilanz ist mehr als schlecht. Es
gibt etwa 500 Millionen Euro Instandhaltungsrückstau im Berliner Straßennetz. Das bescheinigen Ihnen die Fachleute. Bundesweit gibt es die höchste Grundsteuer, die höchste Grunderwerbsteuer, die – wie wir heute gehört haben – auch noch steigerungsfähig ist. Sowohl die Grünen als auch – wie der Finanzsenator heute ankündigte – die SPD sind nicht abgeneigt, nach der Wahl an dieser Stelle noch einmal zuzuschlagen. Darüber hinaus gibt es überhöhte Abgaben und Gebühren. Wir kennen das alle. Es betrifft Wasser, Müll, Grundsteuer. Sie haben die Leute schon richtig schön im Griff. Dann haben Sie uns ein Straßenreinigungsgesetz beschert, das für Hauseigentümer und Mieter auch nicht gerade freundlich ist. Als Krönung des Ganzen gibt es für die Grundstückseigentümer Ihr Straßenausbaubeitragsgesetz. Es ist ein Gesetz zur Sanierung der maroden, vergammelten Straßeninfrastruktur, mit der Sie die Berlinerinnen und Berliner konfrontieren.
10 Prozent der Berliner Grundstückseigentümer sind es. Sie sollen für die Allgemeinheit bis zu 75 Prozent der Kosten der beitragsfähigen Straßenausbaumaßnahmen bezahlen. Das hat natürlich gravierende Folgen in den einzelnen Fällen. Am Kirchhainer Damm beispielsweise handelt es sich um eine Maßnahme, die eine Bundesstraße betrifft, die zu 90 Prozent der Kosten vom Bund bezahlt wird. Die Anliegen sollen nun die restlichen 10 Prozent bezahlen.
Das ist schon eine dreiste Geschichte, wenn man weiß, dass die verkehrliche Belastung, die die Anlieger hinterher durch Lärm, Staub und Feinstaub – wovon Sie immer so gern reden – haben, sie obendrein trifft. Wer von dieser Modernisierung einen Vorteil hat, müssten Sie den Anwohnern schon noch einmal erklären. Das glaubt Ihnen niemand.
Die Diskussion, die sich daran anknüpft, läuft immer parallel mit überhöhten Ausbaustandards. Dazu haben Sie uns am Anfang etwas anderes erzählt, Frau Senatorin. Wir erinnern uns noch alle daran, wie minimal die Belastungen der einzelnen Anlieger sein sollten. Sie sprachen damals vom dreistelligen, wenn nicht, allenfalls geringen vierstelligen Bereich. Heute haben wir schon Maßnahmen, die in den sechsstelligen Bereich hineinragen. Das ist letztlich eine völlig andere Situation, in die die Leute durch Ihr Gesetz getrieben werden.
Nebenbei möchte ich noch etwas erwähnen, weil es auch einen Antrag der CDU gibt. Ich kann es Ihnen nicht ersparen und habe es schon an anderer Stelle gesagt. Sie wenden in den Bezirken dieses Gesetz an.
Ich sehe Ihre Aufregung. Es geht uns um die Standards. Sie haben überall dort Widerstände, wo Sie die Standards hochziehen. Das ist nun einmal so.
In der Alemannenstraße in Reinickendorf sind Sie zuständig. Das ist Ihr zuständiger Bezirk. Dort haben Sie Ausbaustandards, gegen die die Bürger zu Felde ziehen. Sie ziehen gegen Ihre Politik und Ihre Anwendung zu Felde.
Sie können auch, wie gestern, in meinem Wahlkreis Nikolassee und Wannsee Flyer verteilen lassen und darauf hinweisen, dass Sie gegen das Straßenausbaubeitragsgesetz sind. Ich nehme Ihnen das ab. Sie haben in den Bezirken nur nichts dagegen getan, es in irgendeiner Weise verträglich zu machen. Deshalb ist es unredlich.
[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei der Linksfraktion – Zurufe von der CDU]
Trotzdem stimmen wir natürlich mit Ihrem Anliegen überein. – Herr Henkel! Sie können sich aufregen, so viel Sie wollen. Sie sind in Steglitz-Zehlendorf und in Reinickendorf in der Verantwortung. Das wissen die Bürger genau.
[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei der Linksfraktion – Frank Henkel (CDU): Das ist unterhalb des intellektuellen Niveaus!]
Wir haben Wahlkampf. Das ist die Situation. Die Linke hat sich in ihrem Parteiprogramm vom Straßenausbaubeitragsgesetz verabschiedet, scheut sich aber heute davor, obwohl wir ihr heute mit unserem Antrag noch eine Vorlage gegeben und gesagt haben, dass wir großzügig sind und ab 1. Januar 2012 das Gesetz wollen. Damit hätte Die Linke auch noch Zeit und könnte sagen, dem Koalitionspartner treu zu sein.
Ich bin gleich am Ende. – In der nächsten Legislaturperiode stehen wir dafür, dass wir dieses Straßenausbaubeitragsgesetz nicht mehr anwenden. Trotzdem hören wir die Ankündigung, dass Sie diesen Antrag ablehnen werden. Das haben Sie bereits in den Ausschüssen getan. Das ist eigentlich peinlich, weil Sie den Leuten etwas anderes erzählen als Sie tatsächlich tun. Wir nehmen Sie hier beim Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen! Meine Herren! Bei dieser Opposition, die sich hier gegenseitig grün und blau schlägt, ist es eigentlich überflüssig, dass jemand von der Regierungspartei spricht. Ich tue es trotzdem, weil man Ihnen einmal aufzeigen muss, was Sie hier an Tatsachen verdrehen. Zunächst einmal möchte ich alle Zuschauerinnen und Zuschauer ganz bewusst begrüßen, die oben auf der Tribüne sitzen. Warum tue ich dies?
Ich tue es nicht nur, weil Sie ins Parlament gefunden haben und Schülerinnen dabei sind, die sich gerade über Umweltpolitik informiert haben. Nein, ich tue es, weil der Kollege Henkel stadtweit Anzeigen geschaltet und Bürgerinnen und Bürger aufgerufen hat, heute ins Parlament zu kommen, weil es um das Straßenausbaubeitragsgesetz geht. Schauen Sie einmal nach oben! Sie sehen, dass die Ränge überfüllt sind. Herr Gram! So sieht es aus, wenn Herr Henkel die Bevölkerung dazu aufruft, ins Parlament zu kommen. Keiner kommt, weil es kein Thema für die Damen und Herren draußen ist.
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Andreas Gram (CDU): Sie treiben die letzten aus dem Parlament!]
Das muss man erst einmal feststellen und schaffen, Herr Henkel. Sie haben landesweit inseriert, aber leider kommt keiner.
Ja, Herr Goetze, das müssen Sie sich leider einmal anhören. Ich habe die stadtweiten Anzeigen genau gelesen.
Jetzt komme ich zu den Inhalten: Herr Henkel! Herr von Lüdeke hat zu Recht festgestellt, dass das, was die Berliner CDU beim Thema Straßenausbaubeitragsgesetz hier veranstaltet, jeder Beschreibung spottet. Das gilt insbesondere für den Kollegen Czaja, der sich wie Don Quichotte immer gegen die Windmühlen stellt, er könnte persönlich das Gesetz verhindern und hat auch immer ganz artig dagegen gekämpft. Was macht aber die CDU in den Bezirken? – Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden. Von Ihren Stadträten werden die schlimmsten und teuersten Ausbaumaßnahmen geplant. Es geschieht ganz bewusst, um die Leute zu verwirren und ihnen klar zu machen, dass das ein Gesetz ist, mit dem abgezockt werden soll.