Protocol of the Session on June 23, 2011

Vielen Dank! – Der Kollege Saleh erhält das Wort für eine Kunzintervention.

Liebe Canan! Das, was du gerade geleistet hast, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten.

[Beifall bei der SPD]

Wir haben heute einen Tag, der mit vielen Problemen für die Menschen in den ersten Jahren in Verbindung steht, aber auch einen Tag, der mit vielen Chancen und Hoffnungen und mit einer Erfolgsgeschichte auch für Berlin im Bereich der Integration verbunden werden kann. An diesem Tag eine Sache zu machen, auf die ich in meinem Redebeitrag verzichtet habe, nämlich puren Wahlkampf zu machen, ist mehr als beschämend.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Was ist das denn anderes als Wahlkampf?]

Geh hin, Canan, zu den Leuten auf der Straße und sage Ihnen ins Gesicht: Eure Integration ist gescheitert. Sag Ihnen das! Damit tust du vielen Hunderttausenden von Menschen in Berlin unrecht – in dieser offenen, bunten und toleranten Stadt, die mehrheitlich tolerant geprägt ist.

[Benedikt Lux (Grüne): Du hast doch gar nicht zugehört! Auf was reduziertst du das?]

Lieber Herr Lux! Ich reduziere es auf euren Versuch, Wahlkampf auf dem Rücken der Migrantinnen und Migranten zu machen. Das ist am heutigen Tag nicht angebracht.

[Beifall bei der SPD – Benedikt Lux (Grüne): Das ist Quatsch, was du erzählst!]

Herr Kollege Lux! Würden Sie bitte Ihre Lautstärke etwas mäßigen!

Trotzdem will ich zwei Sätze zu dem sagen – weil Canan es eingefordert hat –, was wir im Bereich der Integration getan haben. Erstens zur Schulstrukturreform: Damit hatten Sie lange Zeit Probleme. Wir teilen die Menschen nun nicht mehr im Alter von elf Jahren in gut, mittel und schlecht ein. Das ist die größte Integrationsleistung dieser Stadt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Zweitens: Wenn Kinder heute auf der Straße gefragt werden, wo sie herkommen, antworten sie: aus Spandau, Neukölln oder Kreuzberg! – und nicht: aus Istanbul oder Ankara! – Das ist der richtige Weg für die Jugend.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Die Kollegin Bayram erhält das Wort zur Erwiderung.

Herr Kollege! Der Jahrestag jährt sich im Oktober. Sagen Sie doch bitte allen Menschen, dass heute Ihre Anmeldung überhaupt nichts mit der Zeit vor dem September zu tun hat!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Was leider auch Sie, Herr Müller, in der letzten Zeit versäumt haben, ist, darauf zu setzen, was sich die Menschen erarbeitet und was sie geleistet haben. Das ist doch nicht das, womit Sie sich hier hinstellen und sagen können: Das haben wir gemacht. – Diese Erfolge haben sich die Menschen erarbeitet.

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Unsere Aufgabe als Politiker ist es, den Rahmen zu setzen. Da haben Sie mit Ihrem Integrationsgesetz zu kurz gegriffen.

[Beifall bei den Grünen – Torsten Schneider (SPD): Sie haben gar nichts gemacht!]

Das wird Ihnen von allen Fachleuten bescheinigt. Darüber haben wir oft gesprochen, Herr Müller. Sie wissen, was ich meine.

Deshalb war es interessant, in der Begründung der Kollegin Baba zu hören, wo die ein Problem haben. Sie sagte, wo sie in der Koalition nicht weiterkam oder wo sie beanstandet hat, dass Menschen im Senat, wie Sarrazin, oder in den Koalitionsverhandlungen Anträge nicht unterstützt haben.

Herr Gaebler! Sie reden gerne dazwischen. Ich würde Ihnen gerne drei Minuten schenken, um vorzutragen, wie Sie das Thema innerhalb Ihrer Fraktion befördert haben, denn ich glaube, um vorzutragen, wie Sie das verhindert haben, würden Sie mit drei Minuten nicht hinkommen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Der Kollege Kluckert von der FDPFraktion folgt in der Debatte und erhält das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vier Boote, die im selben See fischen, und wer am lautesten schreit, meint, das Netz am vollsten zu bekommen – das haben wir hier gerade gesehen.

Meine Damen und Herren von Rot-Rot! So geht es nicht. Sie kommen mir vor wie eine Schulklasse, die ihre Hausarbeiten nicht gemacht hat und sich in aller Bescheidenheit selbst eine Eins minus ins Notenbuch schreiben will. Das haben wir heute von Rot-Rot gesehen.

[Beifall bei der FDP]

Es ist sicherlich ein berechtigtes Anliegen, im Rahmen einer Aktuellen Stunde an die Anwerbeabkommen als Wegmarke der Zuwanderung im Zuge des Wirtschaftswunders zu erinnern. Aber wo war die rot-rote Koalition denn eigentlich, als die fünfzigsten Jahrestage der zeitlich früher geschlossenen Abkommen mit Italien, Spanien und Griechenland anstanden? Kann es sein, dass die ehemaligen Italiener, Spanier und Griechen aufgrund ihrer gelungenen Integration in die deutsche Gesellschaft für Sie als eigenständige Wählerklientel nicht zu erreichen sind und deshalb diese Abkommen von Ihnen nicht gewürdigt worden sind?

[Zuruf von Martina Michels (Linksfraktion)]

Ich halte es, Herr Lederer, jedenfalls für eine groteske Idee,

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Berlin gerade am Beispiel einer Gruppe, der die Integration in die deutsche Gesellschaft weitaus größere Schwierigkeiten bereitet hat als anderen, als Hauptstadt der Integration zu feiern.

[Beifall bei der FDP]

Diese Inszenierung macht deutlich, dass es der rot-roten Koalition um plumpen und durchsichtigen Wählerfang in einer bestimmten Migrantengruppe geht, die Sie gerade wegen der bestehenden Integrationsprobleme überhaupt nur mit abstammungsgeschichtlicher Folklore und sozialpolitischen Versprechungen ansprechen können.

[Beifall bei der FDP]

Deutschland ist ein weltoffenes und tolerantes Land. Wir haben das im Lauf unserer Geschichte mehrfach bewiesen, unter anderem auch mit dem Anwerbeabkommen mit der Türkei vor 50 Jahren. Aus vielen Ländern haben Menschen in Deutschland eine neue Heimat gefunden. Deutschland, insbesondere dessen preußischer Teil, kann auf viele Beispiele gelungener Integration zurückblicken. Ich erinnere nur an die Hugenotten aus Frankreich, die Ende des 17. Jahrhunderts in Preußen Zuflucht fanden. Ein Viertel der Berliner Bevölkerung war zu dieser Zeit hugenottisch. Berlin ist schon deshalb – und seit dieser Zeit! – die Hauptstadt der Integration. Eine rot-rote Koalition oder grüne Moralapostel waren für diesen Titel überhaupt nicht notwendig und erforderlich.

[Beifall bei der FDP]

Im 18. Jahrhundert kamen viele holländische Handwerker nach Preußen, die mit ihrem Wissen und ihrem Können an der Entwicklung des verarmten Preußen maßgeblich beteiligt waren. Als Neuköllner möchte ich auch an die Böhmen erinnern, die sich im 18. Jahrhundert in Rixdorf und anderenorts in Preußen niederließen. Es waren polnische Zuwanderer ins Ruhrgebiet, die einen erheblichen Anteil an der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts hatten. Im Zusammenhang mit Zuwanderung und Integration müssen wir auch die Millionen von Flüchtlingen erwähnen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer angestammten Heimat vertrieben wurden und in West- und Mitteldeutschland eine neue Heimat fanden. Nicht zu

vergessen sind auch die damals noch Gastarbeiter genannten Zuwanderer, die am deutschen Wirtschaftswunder mitarbeiteten.

Sie alle hatten es in der ersten Generation nicht leicht, so wie jeder, der in ein anderes Land kommt und auswandert es zunächst nicht leicht hat. Fremde Kultur, fremde Sprache, Vorbehalte der Einheimischen machen den Einstieg schwer. Aber es nicht leicht zu haben, wenn man in eine neue Heimat aufbricht, ist übrigens kein Phänomen der deutschen Gesellschaft. Es ergeht in der ersten Generation fast jedem Einwanderer in der Welt so. Die Straße zum Erfolg in einem anderen Land ist steinig. Sie war für die Ruhrpolen in Deutschland genauso steinig wie für die deutschen Einwanderer in Amerika. Als Zuwanderer auf Vorbehalte der Einheimischen zu stoßen, ist übrigens keine Frage der Staatsangehörigkeit. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die deutschen Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch sie sind nicht deshalb, weil sie Deutsche waren, überall mit offenen Armen empfangen worden.

Trotz aller Schwierigkeiten sind alle diese Zuwanderergruppen, ob Hugenotten, Böhmen, Ruhrpolen, Heimatvertriebene oder auch die meisten Gastarbeiter in ihrer neuen Heimat mit Leib und Seele angekommen.

[Beifall bei der FDP]

Sie sind hier angekommen – nicht weil man ihnen kostenlose Sprach- und Integrationskurse angeboten hat, sondern weil sie von allein, durch Eigenverantwortung und Eigeninitiative und aus Verantwortung für ihre Kinder Teil der neuen Gesellschaft werden wollten. Sie sind in der neuen Gesellschaft angekommen – nicht weil sie darauf gewartet haben, dass sich die Einheimischen ihnen und ihren Gepflogenheiten anpassen, sondern weil sie sich in die neue Gesellschaft einfügen wollten. Sie haben sich in Deutschland integriert – nicht weil der Staat seinen Bürgern eine Willkommenskultur verordnet hat oder ein großes soziales Netz mit Integrationslotsen und Stadtteilmüttern aufgespannt hat, sondern weil sie sich durch Arbeit und Fleiß die Anerkennung der Einheimischen erarbeitet und verdient haben.

[Beifall bei der FDP]

Sie sehen daran: Integration, das Ankommen in der deutschen Gesellschaft, ist zunächst einmal eine Leistung des Einzelnen und nicht in erster Linie ein Ergebnis staatlicher Politik. Die Integration von integrationsbereiten Menschen vollzieht sich auf dem Boden der seit Jahrhunderten praktizierten Toleranz unseres Volkes trotz aller Anfangsschwierigkeiten im Großen und Ganzen von allein. Eigenverantwortung ist der Schlüssel für gelingende Integration!

[Beifall bei der FDP]

Vor 50 Jahren benötigte die deutsche Wirtschaft die Hände der Gastarbeiter. In der Zukunft wird die deutsche Wirtschaft Köpfe brauchen, die den Fachkräftemangel ausgleichen. Wir Liberale wollen mit den besten Köpfen aus aller Welt das deutsche Wirtschaftswunder sichern

und fortsetzen. Es geht für die Zukunft darum, qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland zu locken, um unsere Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.

[Beifall bei der FDP]