Protocol of the Session on June 23, 2011

Es ist Folgendes: Ich hätte mich zum Beispiel gern mit Herrn Wansners Position zum Drittstaatenwahlrecht auseinandergesetzt, über die BVV. Das hätte ich gern gemacht.

[Benedikt Lux (Grüne): Machen Sie es doch!]

Ich muss mich stattdessen mit Ihrem Antrag und den verfassungsrechtlichen Hintergründen auseinandersetzen und muss an dieser Stelle feststellen, dass hier zwei Fraktionen, die mit Ihnen das Anliegen teilen, einem Antrag nicht zustimmen können, der auf das Anliegen scheinbar

ausgerichtet ist, es aber eigentlich konterkariert. Das ist das, wofür Sie hier verantwortlich sind. Das ist das, was Sie hier zuwege gebracht haben. Damit haben Sie die Debatte, über die Sie sich beklagen, erst möglich gemacht.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Benedikt Lux (Grüne): Das verstehe, wer will!]

Ich will noch mal zur ersten Lesung zurückkommen. Frau Bayram hat schon damals etwas getan, was ich persönlich ausgesprochen unappetitlich finde, sie hat nämlich im Kern erklärt: Wer unserem Antrag nicht zustimmt, der teilt das Anliegen überhaupt nicht, der gibt nur Lippenbekenntnisse ab, der will sogar recht eigentlich das Gegenteil dessen, nämlich den Berlinerinnen und Berlinern ohne EU-Pass das Kommunalwahlrecht vorenthalten. – Das finde ich eine bodenlose Unverschämtheit, und ich finde es ausgesprochen unappetitlich, Frau Bayram, was Sie hier schon in der ersten Lesung gemacht haben.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Canan Bayram (Grüne) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Kollege Lederer! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. Frau Bayram kann dann gern eine Kurzintervention machen. Darin hat sie ja Übung.

[Zurufe von der SPD: Nein! Pfui!]

Dann fahren Sie bitte fort!

Im Ausschuss hat sie das in gewisser Weise fortgesetzt und noch einmal zugelegt. Sie hat die Tragfähigkeit ihres Antrags nicht mehr als Rechtsfrage gesehen, sondern zu einer Frage des politischen Muts erklärt und gemeint, wer dem Antrag nicht zustimmt, sei feige und würde sich – ich zitiere – hinter den Vorschriften des Grundgesetzes verstecken.

[Zuruf von der SPD: So was aber auch!]

Dass diese Argumentation einigermaßen krude ist, scheint den Grünen inzwischen auch aufgegangen zu sein. Jedenfalls argumentieren sie jetzt damit, dass sämtliche verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt seien. Frau Bayram hat das eben noch einmal wiederholt und die Anhörung im Ausschuss auf eine ziemlich schlichte Aussage reduziert: Ich habe das komplexer wahrgenommen, aber dieser Herausforderung muss sich ja nicht zwingend jeder oder jede stellen.

[Heiterkeit]

Herr Kollege Dr. Hanschmann hat am Ende der Anhörung gesagt – Zitat! Frau Bayram! Lesen Sie sich das Wortprotokoll noch einmal in Gänze durch! –:

Was ich referiert habe, basiert auf dem Prinzip Hoffnung oder einer antizipierten Regelung.

Das hat Kollege Hanschmann am Ende der Anhörung gesagt: Auf dem Prinzip Hoffnung oder einer antizipierten Regelung!

[Ülker Radziwill (SPD): Aha!]

Das Prinzip Hoffnung soll uns also motivieren, hier einer Regelung zuzustimmen, die im Falle einer Nichtigerklärung ganze Wahlen ungültig macht.

[Ülker Radziwill (SPD): Hört, hört!]

Es soll uns motivieren, die mit einer solchen Nichtigerklärung wohl verbundenen schweren Rückschläge für das eigentliche Anliegen einfach in Kauf zu nehmen, damit Sie hier einen kleinen Wahlkampferfolg feiern können. Frau Bayram! Sicherlich lässt sich Recht ändern, aber das ist keine Frage des politischen Mutes, sondern der entsprechenden gesellschaftlichen und politischen Mehrheiten, und denen haben Sie hiermit einen Bärendienst erwiesen. Dass weder zur Kenntnis noch ernst zu nehmen, ist gnadenloser Populismus, aber nachdem sich die Grünen mit ihrem Wahlprogramm und ihrer Haltung zum Integrationsgesetz dermaßen desavouiert haben, haben sie das wohl nötig und muss das wohl sein.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich möchte noch etwas zitieren. Frau Bayram und Herr Lux! Vielleicht hören Sie mal zu. Ich zitiere:

Stärker einbinden wollen wir auch die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Sie sind Teil unserer Gesellschaft, und sie sollen mitentscheiden, was vor Ort geschieht. Wir werden uns daher auf Bundesebene dafür stark machen, dass auch Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger das aktive und passive Kommunalwahlrecht erhalten.

Wissen Sie, woher ich das habe? – Aus der Koalitionsvereinbarung zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD in Baden-Württemberg für die Legislaturperiode 2011 bis 2016.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Nach Ihrer Lesart ist Herr Kretschmann ein windelweicher Feigling, und Renate kann alles und das besser. Künast ist offenbar die große Heldin. – Liebe Grüne! Jede und jeder macht sich so unmöglich, wie es geht. Das haben Sie heute getan, und die Forderung nach namentlicher Abstimmung schlägt dem Fass den Boden aus.

[Zuruf von Thomas Birk (Grüne)]

Wie gesagt, ich glaube, Sie haben sich hier eine Peinlichkeit erlaubt, und das wird niemand in dieser Stadt goutieren. Sie haben darüber hinaus noch dafür gesorgt, dass drei Fraktionen, die sich im Anliegen eigentlich einig sind, hier gespalten sind und Sie ein vermeintliches Al

leinstellungsmerkmal im Wahlkampf vor sich hertragen können. Peinlich, liebe Grüne, peinlich!

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und der FDP]

Für die FDP-Fraktion hat nunmehr Kollege Dr. Kluckert das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die rechtliche und inhaltliche Positionierung meiner Fraktion zu diesem Antrag verweise ich insbesondere auf das Plenarprotokoll der 78. Sitzung vom 3. März 2011. Lassen Sie mich hier nur einige ergänzende Anmerkungen machen! Dieser Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen ist verfassungswidrig, und wenn Frau Bayram sagt, es gebe hierzu keine Gerichtsentscheidung, so muss ich darauf hinweisen, dass es bereits zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Einführung eines kommunalen Ausländerwahlrechts gibt, nämlich einmal bezüglich Schleswig-Holstein und einmal bezüglich Hamburg, die diese Rechtslage eindeutig bestätigt haben. Frau Bayram! Insofern können Sie auch in der amtlichen Sammlung gern nachlesen, dass das, was Sie hier beantragt haben, verfassungswidrig ist.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die FDP stimmt verfassungswidrigen Gesetzen nicht zu. Die FDP steht zum Grundgesetz, insbesondere zu Artikel 31.

[Michael Schäfer (Grüne): Seit wann?]

Wir stehen zum Bundesstaat, wir stehen zur Bundestreue.

[Benedikt Lux (Grüne): Und zur Fünf-Prozent-Hürde!]

Lieber Herr Lux! Wenn sich eine Fraktion hier so offen gegen unsere Verfassungsordnung stellt wie die Ihre, dann ist es wichtig – und das haben wir alle gelernt –, Gesicht zu zeigen.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Heiterkeit – Volker Ratzmann (Grüne): Das will aber keiner sehen! – Weitere Zurufe]

Und es reicht nicht aus, nur im Parlament Gesicht zu zeigen. Wenn für politische Effekthascherei offen und unverblümt das Grundgesetz missachtet wird, dann müssen die Handelnden auch den Widerstand der Zivilgesellschaft spüren.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Heiterkeit]

Stichwort: Grüne blockieren!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Heiterkeit]

Deswegen ist es uns wichtig, hier zusammen mit allen anderen Fraktionen – außer den Grünen – ein gemeinsames Zeichen für Achtung und Respekt vor dem Grundgesetz zu setzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen. Wer der Änderung auf Drucksache 16/3860-1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Dafür stimmt Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! –

[Christian Gaebler (SPD) und Björn Jotzo (FDP): Der Änderungsantrag?]

Entschuldigung! Falls das nicht klar sein sollte. Es geht um den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Hauptantrag, also dem auf Drucksache 16/3860. Der Änderungsantrag ist Drucksache 16/3860-1. – Bündnis 90/Die Grünen hat also dafür gestimmt. Wer stimmt dagegen? – Die Gegenstimmen waren die Mehrheit. Das waren alle Fraktionen außer Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Enthaltungen? – Bei Enthaltung der FDP ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Zum Antrag auf Drucksache 16/3860 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich – gegen Grüne – die Ablehnung. Eine Änderung der Verfassung von Berlin bedarf einer Zweidrittelmehrheit der gewählten Mitglieder des Hauses. Hierzu ist die namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich bitte den Saaldienst, die dafür vorgesehenen Tische aufzustellen, und ich bitte die Beisitzerinnen und Beisitzer nach vorn. Eine namentliche Abstimmung ist mit Namensaufruf durchzuführen. Das hatten wir heute schon einmal. Ich bitte ein Mitglied des Präsidiums, die Namen der Abgeordneten aufzurufen. Wer ist eingeteilt? – Herr Scholz! Herr Scholz wird die Namen vorlesen.