Protocol of the Session on May 26, 2011

Wir sind schließlich nicht in China, und wir sind auch nicht im Iran. Wir Grüne stehen für eine freie Kommunikation im Netz, und es fordert niemand ernsthaft, dass man beispielsweise Telefongespräche abhört und, wenn ordnungs- oder rechtswidrige Inhalte in diesen Telefongesprächen vorkommen, man die Leitungen kappt. Genau das soll auf das Internet übertragen durch die Netzsperren erfolgen.

Der Grundsatz „löschen statt sperren“ ist ein echtes Problem und wird bei den ausländischen Wettanbietern nicht ohne Weiteres umzusetzen sein. Allerdings: Ohne Bezahlung der Wette und ohne Auskehr des möglichen Gewinns wird das ausländische Angebot schnell unattraktiv. Deshalb gilt es, die Kreditkartenunternehmen in die Pflicht zu nehmen und zwar ganz ohne Netzsperre! Solange der Glücksspielstaatsvertrag Regelungen zur Netzsperre ent

hält, kann er unsere Zustimmung nicht finden. Aber von der rot-roten Bürgerrechtspolitik im Netz ist ja leider nicht mehr allzu viel zu erwarten. Ich muss an die Debatte zum Jugendmedienstaatsvertrag erinnern. Dort hat das Land Berlin zugestimmt. Herr Kollege Zimmermann – ich sehe ihn noch im Dezember hier stehen – weissagte, es würden alle Länder zustimmen. So kam es nicht. Für einen konsequenten Schutz der Bürgerrechte im Netz bedarf es rot-grüner Regierungen

[Gelächter bei der Linksfraktion]

wie in Nordrhein-Westfalen. An ihnen ist damals der Jugendmedienstaatsvertrag gescheitert. Sie werden sehen, es wird auch dieser Versuch der Netzsperre im Glücksspielstaatsvertrag scheitern. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege Behrendt! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Zimmermann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst mal festhalten, Herr Behrendt, dass Sie leider nicht genau erläutert haben, wo genau im Entwurf diese Regelung liegt, die Sie kritisieren. Das bleibt im Dunkeln. Sie üben allgemeine Kritik an dem, was hier vorgelegt wird. Das ist unsubstantiiert, Herr Behrendt, darauf kann man schlecht reagieren.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Björn Jotzo (FDP): Das steht in unserem Antrag ausführlich drin!]

Ich möchte zunächst festhalten, dass das eine Vorlage zur Kenntnisnahme ist und keine zur Beschlussfassung. Die Ministerpräsidenten werden sich am 9. Juni erneut mit dieser Frage befassen. Bis dahin sind Änderungen am Text durchaus möglich.

[Benedikt Lux (Grüne): Welche?]

Übrigens ist auch das völlige Scheitern dieses Staatsvertrags durchaus möglich, wie wir aus Reaktionen aus anderen Ländern wissen. Da muss man sich mit den Konsequenzen einer staatsvertragslosen Situation auseinandersetzen. Es ist möglich, dass das Ding scheitert, gar keine Frage. Deswegen sollten wir diese Gelegenheit nutzen, um die nötigen Kriterien mal zu formulieren, die angelegt werden müssen. Und dazu braucht man eine vernünftige Analyse dessen, was hier vorliegt.

Was hier vorliegt, ist ein Minimalkonsens, damit überhaupt eine Regelung zustande kommt. Es geht nur um den Minimalkonsens.

[Zuruf von Dirk Behrendt (Grüne)]

Ich muss hier ganz klar festhalten: Dieses Ergebnis ist das Ergebnis einer politischen Erpressung durch Schleswig

Holstein, die versucht haben, ihre ultraliberale Regelung durchzusetzen und möglichst viele Konzessionen für Private zu haben. Sie haben damit gedroht, das ganz platzen zu lassen. Da mussten andere, wie Berlin, zustimmen, um überhaupt eine Regelung zu bekommen.

[Richtig! von der SPD – Björn Jotzo (FDP): Sie können einem fast leidtun!]

Das nenne ich politische Erpressung durch Schwarz-Gelb in Schleswig-Holstein.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Björn Jotzo (FDP): Aber mit Erfolg!]

Auf dieser Grundlage, wenn die Regelung denn zustande kommt, werden wir bundesweit sieben Konzessionen für einen Internetbetrieb bekommen für bundesweit bis zu 350 Sportwettbüros pro Konzessionär. Diese Regelung, wenn sie denn zustande kommt, ist eine schwere Hypothek und kontraproduktiv für die Bekämpfung der Spielsucht. Sie bietet auch überhaupt keine verlässliche Zukunftsperspektive für die Sicherung des Lottomonopols. Deswegen ist dieser Vertrag kein guter Vertrag. Trotzdem ist es gegenüber einer ungeregelten Situation immer noch das geringere Übel, denn es wird jedenfalls kodifiziert, dass es – mit den Ausnahmen, die ich genannt habe – künftig überhaupt noch ein Lotterie-, ein Sportwettenmonopol gibt. Also: Ein Auslaufen des geltenden Vertrages ohne Nachfolgeregelung würde zum sofortigen Ableben des Lottomonopols führen, und das können wir noch weniger wollen als diese vertragliche Grundlage. Deswegen ist es schwierig.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Wir müssen sehen, dass wir im Glücksspielbereich einen riesigen Schwarzmarkt haben. Die künftigen Konzessionäre werden, wenn denn diese Regelung kommt, mit Sicherheit gegen all die illegalen Konkurrenten vorgehen wollen, die sie im Netz vorfinden. Deswegen müssen wir uns auch damit beschäftigen, wie wir künftig illegale Angebote im Internet unterbinden. Es ist ein Teil der Bekämpfung der Spielsucht, dass illegale Angebote im Netz unterbunden werden. Das geltende Recht bietet in § 9 schon jetzt die Möglichkeit, unerlaubte Glücksspielangebote im Netz zu untersagen. Dazu haben wir im neuen Recht jetzt auch die Spielersperre. Bei Gefahr der Spielsucht kann zum Schutz der Spieler eine Datei geführt werden, damit einzelne suchtgefährdete Spieler vom Spielbetrieb ausgeschlossen werden können.

Wir müssen fragen: Welches sind die nötigen Regelungen, um illegale Anbieter von einem Betrieb im Netz abzuhalten, und welches sind die nötigen Regelungen, um einzelne Spieler, die suchtgefährdet sind, vom Spielbetrieb im Netz fernzuhalten? – Da mahnen wir als SPDFraktion eine verhältnismäßige, angemessene Lösung an, die nicht heißen kann, es wird gesperrt auf Teufel komm raus, sondern es müssen sinnvolle Regeln da sein, die diese illegalen Angebote unterbinden. Diese sehen wir in diesem Staatsvertrag so nicht gegeben. Deswegen fordern

wir an den Punkten eine Nachverhandlung, damit wir hier zu Verbesserungen kommen.

Aber der entscheidende Punkt ist: Wir brauchen eine Regelung zur Sicherung des staatlichen Glücksspielmonopols. Darauf muss unser Hauptaugenmerk gelenkt werden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Uwe Goetze (CDU)]

Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Behrendt.

Kollege Zimmermann! Ich hatte gehofft, hier ohne juristische Zitate auszukommen, aber nachdem Sie gesagt haben, Sie wüssten gar nicht, worüber gesprochen wird, und Sie verstünden gar nicht, wogegen sich unsere Kritik konkret richtet, möchte ich das noch einmal im Einzelnen darlegen. Die Gelegenheit haben Sie mir ja gegeben.

Es ist ja gerade Sinn und Zweck dieser Vorlage – zur Kenntnisnahme –, dass wir im Vorfeld der Unterschrift unter diesen Staatsvertrag unsere Kritik äußern können, dass wir dem Regierenden Bürgermeister auf den Weg geben können, wie das Haus denkt und wie wir meinen, dass dieser Bereich in Zukunft ausgestaltet werden kann, damit wir eben nicht wieder in die Situation wie beim Jugendmedienstaatsvertrag kommen – ich habe das schon in Erinnerung gerufen –, wo Frau Staatssekretärin Kisseler bei der Beratung im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, Berlin-Brandenburg hier im Hause sagte, leider sei das jetzt alles schon viel zu spät, leider könne man da jetzt gar keinen Einfluss mehr nehmen, das sei alles schon fertig verhandelt gewesen, deswegen bleibe dem Land Berlin nur die Zustimmung. – Wie gesagt, ich bin froh, dass die Nordrhein-Westfalen das anders gesehen und uns diesen Jugendmedienstaatsvertrag erspart haben. Und ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es dem Regierenden Bürgermeister in diesem Punkt rechtzeitig, nämlich jetzt, hier und heute, mit auf den Weg gegeben werden kann, wie er Anfang Juni im Interesse dieses Hauses und des Landes Berlin verhandeln soll, damit man die Netzsperren herausstreicht.

Jetzt zu der Frage, worum es konkret geht! In dem Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags, Stand 14. April, steht in § 9:

Die zuständige Behörde des jeweiligen Landes kann die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Sie kann insbesondere …

5. Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes, insbesondere Zugangsprovidern und Registraren,

Das sind diejenigen, die Internetdienstleistungen anbieten, aber keine Sportwetten. –

nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen.

Das heißt, sie müssen – schnippschnapp – die Kontakte unterbinden. –

Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses wird insoweit eingeschränkt.

So steht das dort eindeutig drin. Das ist die Zensurinfrastruktur. Das ist der Kritikpunkt gegen diesen Glücksspielstaatsvertrag. Das ist genau das Gleiche wie beim Zugangserschwerungsgesetz. Das wollen wir nicht. Wir wollen keine Zensurinfrastruktur für das Internet. Deswegen muss das aus dem Glücksspielstaatsvertrag raus.

[Beifall bei den Grünen – Christian Gaebler (SPD): Was wollen Sie denn stattdessen?]

Herr Gaebler! Ich habe es vorhin schon gesagt: Man muss an den Zahlungsverkehr. Glücksspiele im Ausland, die aus Sicht des bundesrepublikanischen Gesetzgebers illegal sind, werden völlig unattraktiv, wenn man die Auskehr des Gewinnes verhindert, wenn man sich mit den Kreditkartenunternehmen ins Benehmen setzt und sagt: Das ist aus unserer Sicht illegal; wir wollen nicht, dass die Gewinne ausgekehrt werden. – Dann wird niemand mehr im Ausland spielen. Das ist genau der richtige Weg. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Das Wort zur Erwiderung hat der Kollege Zimmermann.

Herr Kollege Behrendt! Wenn die Konsequenz Ihrer Position ist, dass Sie gegen illegale Glücksspielanbieter im Netz nichts unternehmen und auch keine Untersagung ermöglichen wollen, dann kann ich nur sagen: Das ist nicht unsere Position. Wir wollen, dass es auch im Netz Möglichkeiten gibt, um Spielsucht zu bekämpfen und illegale Anbieter zu beseitigen.

[Beifall bei der SPD]

Es geht allein um die Frage, ob das eine verhältnismäßige, angemessene und dem Internet entsprechende Regelung ist. Ich kann an Ihrer Kritik nicht erkennen, was da eine so inkriminierte und unmögliche Sperrverfügung sein soll, wenn es an die Ursache geht, nämlich dass der Betrieb des Anbieters untersagt werden soll.

[Zurufe von den Grünen]

Wir wollen keine bloße Sperrverfügung, wir wollen illegale Anbieter fernhalten.

[Dirk Behrendt (Grüne): Das ist doch gerade wichtig!]

Dazu braucht es – da gebe ich Ihnen zu – eine präzisere Regelung, als sie bis jetzt im Staatsvertragsentwurf enthalten ist. – Schönen Dank!

[Beifall bei der SPD – Dirk Behrendt (Grüne): Die SPD versteht das Internet immer noch nicht!]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Goetze.