Protocol of the Session on March 8, 2007

[Heiterkeit]

Um in Ihrer Logik zu bleiben, Herr Kollege Goetze, wenn Sie davon ausgehen, dass man Suchtverhalten nur mit Staatsmonopol verhindern kann: Wird die CDU sich jetzt bundesweit und auch im Abgeordnetenhaus dafür einsetzen, die Tabakindustrie, die Branntweinherstellung und die Brauereien zu verstaatlichen?

[Zurufe von der Linksfraktion: Gute Idee!]

Herr Kollege Goetze!

Herr Kollege Lindner! Sie haben ein Problem, all die Argumente gegen Ihre Haltung zu verstehen. Das scheint mir an dieser Stelle auch die Schwierigkeit zu sein. Ich habe nicht unsere Logik dargestellt, sondern bin auf Ihre Logik eingegangen. Bei all den Einschränkungen, die bei den geschilderten Suchtvarianten durch Gesetz oder durch Verordnung auf staatlicher Seite vorgenommen wurden, müssten Sie auch für Freiheit sein. Sie sind es aber nicht. Beim Glücksspiel treten Sie jedoch uneingeschränkt für die Freiheit ein. Das ist unlogisch. Darauf wollte ich abstellen.

Jeder von uns Abgeordneten hat in den letzten Wochen die entsprechende Werbung der Interessierten in seiner Post gehabt.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Die FDP war sehr empfänglich dafür!]

Dahinter steckt viel Geld. Hinter dem ganzen Verfahren steckt viel Geld. Also geben alle sich große Mühe, das ist auch legitim. Aber die politische Entscheidung wurde von unserer Fraktion nun einmal anders getroffen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Nur die FDP ist darauf hereingefallen!]

Wir werden uns auch in Zukunft mit solchen Schutzmechanismen beschäftigen müssen. Es ist unstreitig, dass zum Beispiel bestimmte Onlinespiele inzwischen Suchtcharakter haben. Jugendliche sitzen teilweise 14, teilweise 16 Stunden vor dem PC

[Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

und betreiben im Internet weltweit Onlinespiele. Sie geben sämtliche sozialen Kontakte auf, vernachlässigen ihre

Ausbildung etc. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, auch da machen wir nichts, auch hier haben wir nichts zu beachten. Wir stehen auf einem anderen Standpunkt: So viel Freiheit wie möglich, aber an bestimmten Stellen auch notwendige Eingriffe. Und wenn diese Eingriffe – dazu bekennen wir uns ausdrücklich – auch noch – wie der Redner von der FDP es gesagt hat – Geld in die Kasse des Landes spülen und wir die Möglichkeit haben, damit Kunstprojekte, Sportförderung und andere Dinge sinnvoll zu finanzieren, sagen wir: Der Status quo ist zufriedenstellend, wir brauchen hier keine Änderung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Goetze! – Für die Linksfraktion spricht nunmehr der Kollege Liebich. – Bitte schön, Herr Liebich! Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Ergebnis kann ich dem, was Herr Goetze gesagt hat, folgen. Allerdings ging mir das mit der Spielsucht der Jugendlichen im Internet ein bisschen weit.

[Beifall von Henner Schmidt (FDP)]

Ich befürchte, dass bald tatsächlich der Antrag der CDU gestellt wird, dass „World of Warcraft“ oder „Second Life“ verstaatlicht werden müssen, damit die Jugendlichen unter gar keinen Umständen zu lange vor dem Internet sitzen. Das ist nicht der richtige Weg.

[Beifall bei der FDP]

Ich verstehe die Sorge der FDP. Wir befinden uns in einem gewissen Spannungsfeld zwischen der Bekämpfung von Spielsucht auf der einen Seite und Einnahmen des Staates – wer will darum herumreden? – auf der anderen Seite.

[Volker Ratzmann (Grüne): Eben!]

Aber, Herr Lindner, Herr Kluckert und liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Ihre Empörung gegen die staatlichen Monopole ist hier im Abgeordnetenhaus fehl am Platze. Soweit ich weiß, haben alle Ministerpräsidenten außer dem von Schleswig-Holstein – und nach meiner Erinnerung regiert dort die CDU nicht mit der FDP, sondern mit der SPD – dem Staatsvertrag zugestimmt. Wenn ich mich richtig erinnere, regiert die FDP in RheinlandPfalz, in Baden-Württemberg – –

[Nein! von der FDP]

Es gibt doch noch das eine oder andere Land, wo die FDP in der Regierung ist.

[Senator Dr. Ehrhart Körting: In Nordrhein-Westfalen!]

Danke schön! – Und in Niedersachsen. In all diesen schönen Ländern scheinen Ihre ganzen durchschlagenden Argumente nicht so richtig gegriffen zu haben. Das wird

seinen Hintergrund haben. Und der Hintergrund dürfte nicht viel anders sein als der, den wir hier diskutieren.

Herr Kluckert! Sie haben gesagt, in dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs komme das Wort „Spielsucht“ nicht vor. So weit so richtig, aber dafür kommt das Wort „Spielleidenschaft“ vor. Ich lese Ihnen die entsprechende Passage vor:

Eine expansive Politik mit dem Ziel, die Staatseinnahmen zu erhöhen, wird kritisiert.

Der Europäische Gerichtshof sagt weiter, dass die italienischen Rechtsvorschriften weder mit dem Ziel einer Beschränkung der Spielleidenschaft der Verbraucher noch mit dem einer Eindämmung des Spielangebots gerechtfertigt werden könnten. Die Bekämpfung der Spielleidenschaft wurde sozusagen als Einschränkung in den Raum gestellt. Auf diese Begründung berufen sich nun einmal die Ministerpräsidenten der Bundesländer in Deutschland. Sie sagen: Wir wollen die Spielsucht – die Spielleidenschaft, um es ganz korrekt zu sagen – bekämpfen.

Jetzt wird es noch eine Notifizierung vonseiten der Europäischen Union geben. Man wird sehen, ob diese Argumente durchschlagen. Es ist zum einen im Interesse der Spielenden, um sie vor der Sucht zu bewahren, zum anderen aber auch der Einnahmen. Die Letzteren können dabei aber nicht entscheidend sein. Diese Notifizierung sollten wir abwarten. Vorbehaltlich, dass das negativ ausgeht, werden wir die Verabredung der Bundesländer unterstützen. Den Kampf gegen das Staatsmonopol soll die FDP erst einmal in den Ländern erfolgreich führen, in denen sie mitregiert. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Liebich! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat nunmehr der Kollege Dr. Lindner. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Im Unterschied zu seinem Vorredner von der CDU hat Herr Liebich sich wenigstens die Mühe gemacht zu differenzieren.

[Beifall bei der FDP]

Herr Liebich! Mir konnten auch Sie in Ihrem Beitrag überhaupt nicht darstellen, warum man die Spielsucht durch ein staatliches Monopol besser in den Griff bekommen kann als durch lizenzierte und damit staatlich kontrollierte Unternehmen im Wettbewerb. Das hat mir noch keiner erzählt. Der Kollege hat Ihnen vorgelesen, dass auch staatliche Betriebe heischerisch um Publikum werben und versuchen, möglichst viele an der Lotterie zu beteiligen. Deswegen schlagen wir ein Konzessionsmodell vor, das eben nicht vorsieht, dass jeder sich an Lotterien und am Kasinobetrieb beteiligen kann, der zufällig

gerade Lust oder die Gier dazu hat, sondern das Spielen erfolgt unter staatlicher Aufsicht und unter staatlicher Konzessionierung, um die Kontrolle sicherzustellen, die erforderlich ist, um die Bevölkerung vor Spielsucht im größeren Umfang zu bewahren.

Das ist übrigens nicht nur etwas, was wir uns gekocht haben. Wir hatten eine FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz. Theo Zwanziger ist immerhin der DFB-Präsident. All die haben größte Bedenken gegen das staatliche Monopolsystem – das vom Rest des Hauses favorisiert wird – , gerade was die Zuwendungen im Sport angeht. Das ist also ein breit kritisiertes Modell.

Ich sage Ihnen, was der Hintergrund ist. Das ist gar nicht so schwer. Es gibt einige Ministerpräsidenten, die ihre eigenen Spielbetriebe, Landesspielbanken, weiterlizenziert haben an Casinos Austria und andere.

Sie sehen sich, wenn das Monopol fällt, der Gefahr erheblicher Schadensersatzansprüchen, Vertragsstrafenansprüche Casino Austrias und anderer Betreiber ausgesetzt. Es geht also um nichts anderes als darum, möglichst viel Geld im eigenen Bereich zu machen, und nicht um ein Deckmäntelchen der Spielsuchtprävention.

[Christian Gaebler (SPD): Drei Minuten!]

Ich sagen Ihnen, Herr Kollege Liebich – es ist ja weniger ihre Partei, Sie stellen genauso wenig wie die FDP einen Ministerpräsidenten –, was Sie mit Ihrem Vorhaben bewirken, ist doch ganz klar: Es werden die deutschen Betreiber, die im Moment auf dem Markt existieren, durch diese Vorgehensweise kaputtgemacht. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, das Ganze wird vor europäischem Recht keinen Bestand haben. Wenn das beim Europäischen Gerichtshof durch ist, wird das in zwei, drei Jahren die Folge haben, dass die ausländischen Unternehmen auf den deutschen Markt drängen und in die Lücke gehen, die durch die in der Zwischenzeit zerstörten, pleitegegangenen und beseitigten deutschen Unternehmen frei geworden ist. Dann haben Sie deutsche Arbeitsplätze zerstört, dann können Sie sich wieder, wie Sie es üblicherweise machen, vor die Werkstore stellen und demonstrieren. Es wird genau dieselbe läppische Nummer werden, wie wir Sie hier vor zwei Wochen schon gehabt haben.

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Lindner! – Das Wort zu einer Erwiderung hat der Kollege Liebich. – Bitte schön, Herr Kollege Liebich!

[Dr. Manuel Heide (CDU): Muss das sein? – Christian Gaebler (SPD): Fragen Sie doch die Kollegen von der FDP!]

Nun, lieber Kollege Lindner! Offenkundig haben weder Sie noch der Herr Mayer-Vorfelder – oder war es der Herr Zwanziger? –, wer auch immer bei Ihrer Fraktionsvorsitzendenkonferenz war, es geschafft, Ihre Minister von Ihrer Position zu überzeugen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Minister schon, Ministerpräsidenten nicht!]

Wie oft mussten wir uns hier anhören, was wir alles mitvertreten würden, und die mutige FDP würde das alles ganz anders machen. Es ist toll, im Abgeordnetenhaus ordentlich herumzupoltern und die einzigen zu sein, die auf der Seite stehen. Sie haben es nicht geschafft, Ihre eigenen Minister zu überzeugen. Möglicherweise hat das den Grund, dass es etwas mit Einnahmen zu tun hat.

[Beifall von Christian Gaebler (SPD)]

Möglicherweise müssen auch FDP-Minister darüber nachdenken, das kann schon sein.

Ich habe vorhin nicht gesagt, dass ich glaube, dass man Spielsucht mit einem staatlichen Monopol bekämpfen könne. Ich habe gesagt, dass es ein Spannungsfeld sei, es gehe um Einnahmen und um die Bekämpfung von Spielsucht. Aber wenn wir uns als Deutschland hinstellen würden und sagten, es gehe nur um Einnahmen, bräuchten wir diesen Weg gar nicht anzutreten. Deshalb wird jedes Bundesland klug beraten sein, immer auch auf die Bekämpfung der Spielsucht zu verweisen.