[Beifall bei der FDP – Dr. Martin Lindner (FDP): Und dann steht Ihr wieder auf der Straße und heuchelt Mitgefühl! – Weitere Zurufe]
Herr Doering, jetzt hören Sie doch weiter zu, bevor Sie dazwischenplärren! – Das Werbeverbot – wenn es die staatlichen Lottogesellschaften beachten – wird ferner zu einem Rückgang bei den Spielumsätzen führen, und dadurch werden viele soziale, kulturelle und sportliche Projekte vernichtet, die bisher aus den Lottomitteln finanziert werden konnten.
Warum wollen die Ministerpräsidenten und der Regierende Bürgermeister das alles in Kauf nehmen? – Die vordergründige Antwort gibt Ihnen der Staatsvertrag selbst. Die Landeslottogesellschaften werden überhaupt nicht erwerbswirtschaftlich tätig. Sie sind vielmehr gesundheitspolitische Akteure, die das Entstehen von Wettsucht verhindern, eine wirksame Suchtbekämpfung schaffen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete Bahnen lenken.
Um Ihnen diese auf den ersten Blick nicht sofort erkennbaren Zusammenhänge zu verdeutlichen, möchte ich Ihnen mit Erlaubnis des Präsidenten drei Gesundheitspublikationen dieser Einrichtung vorstellen. Lotto Berlin, die Deutsche Klassenlotterie Berlin, wirbt groß auf seiner Internetseite: Der Lotto-Osterknaller! Das ist sicherlich ein wichtiger Beitrag zum Gesundheitsschutz in Berlin.
„Täglich spielen!“, „Täglich bis zu einer Million € gewinnen!“ Das sind auch sorgsame Maßnahmen, um die Entstehung von Wettsucht zu verhindern. Weiterhin wird angepriesen: „Mit null Richtigen gewinnen!“ Ich dachte, dass so etwas nur bei Abgeordnetenhauswahlen geht.
Das wahre Ansinnen der Ministerpräsidenten ist deutlich. Sie wollen nicht den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete Bahnen, sondern das Geld der Bevölkerung in bestimmte Taschen lenken.
Die „Financial Times“ schreibt zutreffend: „Die Ministerpräsidenten sind süchtig nach dem Monopol.“ – Das verfolgte Konzept begegnet aber erheblichen europarechtlichen Bedenken. Ich möchte hier keinen Rechtsvortrag halten. Es besteht aber eine sehr hohe Gefahr, dass die Monopolisierung eines ganzen Bereichs, der in anderen Ländern ohne Probleme von konzessionierten privaten Veranstaltern und Vermittlern bedient wird, die Dienst- und Niederlassungsfreiheit ausländischer Unternehmen verletzt.
Sie müssen sich daher die Frage stellen, ob Sie bereit sind, ein europarechtliches Glücksspiel zu betreiben, ein Glücksspiel auf Kosten deutscher Unternehmen und Arbeitsplätze.
Ich komme deshalb zum Schluss, bevor hier gleich die Anmerkung erfolgt: Stimmen Sie daher dem von uns geforderten Konzessionsmodell zu. Das Konzessionsmodell verhindert all diese Nachteile. Es ist unstreitig mit dem Europarecht vereinbar. Es ist, wie der EuGH formuliert hat, ein wirksamer Mechanismus, um im Bereich des Glücksspiels Wirtschaftsunternehmen zu kontrollieren. Es vernichtet keine Arbeitsplätze, sondern schafft neue. Es sichert die Finanzierungsbasis für die wichtigen Lottomittel. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Kluckert! – Für die Fraktion der SPD hat nunmehr der Kollege Treichel das Wort. – Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kluckert! Sie hätten die Internetseite von Lotto Berlin auch vollständig zitieren können. Es findet sich dort der Vermerk – ich lese es ab, weil die Schrift so klein ist –, dass
der Ratifizierung des Staatsvertrages in den Bundesländern keine europarechtlichen Bedenken mehr entgegenstehen.
So viel möchte ich zu Lotto Berlin anmerken. – Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Dienstag stellt fest, dass das in Italien praktizierte Konzessionsmodell in seiner konkreten Ausgestaltung ausdrücklich als nichteuroparechtskonform zu verwerfen ist. Der Europäische Gerichtshof bezieht sich in seinem Urteil nicht auf das deutsche Glücksspielmonopol und auch nicht auf den neuen Glücksspielstaatsvertrag, den die Ministerpräsidenten am 13. Dezember 2006 beschlossen haben.
Der Europäische Gerichtshof hat stets die Position vertreten, dass Glücksspielmonopole europarechtlich zulässig sind, wenn sie sich an den Zielen des Spielerschutzes in der Suchtprävention ausrichten. Die Europäische Gerichtshofentscheidung bestätigt nun, dass nur mit einem konsequent an der Suchtbekämpfung ausgerichteten Glücksspielmonopol die europarechtlichen Probleme in den Griff zu bekommen sind. Der Europäische Gerichtshof hat bekräftigt, dass mit dem Ziel der Suchtbekämpfung Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt werden können. An den Kernzielen, die die Glücksspielgesetzgebung der Länder seit langem leiten und die im Staatsvertrag in Deutschland ihren Niederschlag gefunden haben, wird die Koalition festhalten.
Eine Politik der strikten Regulierung des Glücksspiel ist zum Schutz der Spieler und der Allgemeinheit notwendig und geeignet. Dabei handeln wir im Einklang mit dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Mit unserer Position zur Vermeidung und Abwehr von Suchtgefahren kommen wir der staatlichen Pflicht zum Schutz der Gesundheit der Bürger nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes nach.
Wir verfolgen gemeinsam mit den anderen Ländern damit ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel, dass Spielsucht zu schwerwiegenden Folgen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihre Familien und die Gemeinschaft führen kann.
Sie können sich gern noch einmal zu Wort melden. – Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 28. März 2006 die Einschätzung der Länder bestätigt, dass die Errichtung eines staatlichen Wettmonopols ein geeignetes Mittel ist, die mit den Wetten verbundenen Gefahren zu bekämpfen. In eben diesem Urteil hat sich das Gericht ausführlich mit dem Stand der Forschung auseinandergesetzt. Danach steht fest, dass Glücksspiele und Wetten zu krankhaftem Suchtverhalten führen können.
Entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden wir die bereits bisher verfolgten Ziele des Schutzes der Spieler und der Allgemeinheit in dem materiellen und formellen Regelungen konsequent ausgestalten. Spieler müssen vor Glücksspielsucht und ihren Folgen geschützt werden. Ein besonderes Gewicht muss hier der Jugendschutz haben. Zum anderen muss der Schutz der Allgemeinheit vor kriminellen Strukturen in und um das Glücksspiel gewährleistet werden. Die Koalition wird sich den Beschlussempfehlungen der beiden Ausschüsse anschließen und ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Treichel! – Für eine Kurzintervention hat der Kollege Kluckert das Wort. – Bitte schön, Herr Kluckert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte nur den Rechtsexperten, der soeben hier gesprochen hat, darauf hinweisen, dass in dem von Ihnen zitierten Urteil, das vorgestern erlassen wurde, das Wort „Sucht“ nicht ein einziges Mal vorkommt und insofern zur Suchtprävention überhaupt nichts ausgeführt ist. Erzählen Sie hier nicht etwas, das gar nicht stimmt!
Bitte schön! – Dann hat jetzt der Kollege Goetze für die Fraktion der CDU das Wort. – Bitte schön, Herr Goetze!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die rechtlichen Ausführungen meines Vorredners von der SPD will ich nicht wiederholen. Der Sachverhalt ist überschaubar. Wir befinden uns hier tatsächlich in einem Dissens mit der Fraktion der FDP, was die Notwendigkeit angeht, im Bereich des Glücksspiels zu steuern und was die Notwendigkeit angeht, sich auch mit bestimmten Schutzfunktionen eines solchen Staatsvertrages auseinanderzusetzen. Würde man letztlich alles freigeben wollen, müsste die FDP konsequenterweise weitestgehend den Jugendschutz aufgeben, natürlich keinerlei Probleme damit haben, sich einer wie immer gearteten Freigabe alkoholischer Getränke zu verschreiben. Sie müssten sich natürlich nicht mit Rauchverboten und anderen Dingen beschäftigen.
Nun kommt der Einwand, das sei alles nicht vergleichbar. Es ist im Hinblick darauf vergleichbar, dass bei all diesen Fragen, mit denen wir uns beschäftigen, wirtschaftliche und Vermarktungsinteressen dahinterstehen. Es gibt immer ein Interesse von Produzenten oder Vermarktern, gegen Schutzfunktionen zu sein.
Aus diesem Grund muss diskutiert werden, wie weit man diese einzelnen Schutzfunktionen ausführt. Wir sind der Auffassung, dass der Weg, den die Mehrheit der Ministerpräsidenten gewählt hat, der richtige ist, und werden daher die Initiative, die die FDP-Fraktion präsentiert hat – auch die Änderung –, ablehnen.
Ich sehe Sie immer, Herr Dr. Lindner, aber ich konnte nicht genau erkennen, wer sich gemeldet hatte. – Also eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lindner, Herr Goetze. Sie gestatten?