Die Forderung der Grünen nach der Installation eines Beschwerdemanagements müssen sie uns noch besser begründen. Denn es gibt ja bereits Regelungen, die die ambulanten Pflegedienste zur Einrichtung und Durchführung eines Beschwerdemanagements verpflichten. Das Beschwerdemanagement ist Teil des Qualitätsmanagements im SGB XI. Gemäß § 112 sind auch ambulante Pflegedienste als zugelassene Pflegeeinrichtungen unter anderem verpflichtet, ein Qualitätsmanagement durchzuführen. Auch sind im § 8 des Wohnteilhabegesetzes alle Leistungserbringer, die in Pflegewohngemeinschaften Pflege- und Betreuungsleistungen erbringen, zur Einrichtung eines Beschwerdemanagements verpflichtet.
Ambulant betreute Wohngemeinschaften sind für Demenzerkrankte eine gute Möglichkeit, einem familiären Umfeld entsprechend zu wohnen. Wir wollen die Vielfalt der unterschiedlichen Wohnformen, die den individuellen Ansprüchen am besten gerecht wird. Das Anliegen meiner Fraktion ist es, diese Angebotsvielfalt weiterhin zu unterstützen. Das Recht auf eine gute Betreuung und Pflege für die Verbraucherinnen und Verbraucher hat in jedem Fall Vorrang. Wir wollen daher hierauf ein Augenmerk setzen, und mit unserem Wohnteilhabegesetz ist ein Meilenstein hin zu mehr Kontrolle überhaupt erst möglich geworden.
Zum Schluss: Wir werden dieses Anliegen gemeinsam im Kontext der Antragsberatung im Ausschuss besprechen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Danke schön, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Hoffmann das Wort. – Bitte schön, Herr Hoffmann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einem halben Jahr haben wir uns hier an gleicher Stelle schon einmal über Verhandlungen des Senats mit den Pflegekassen hinsichtlich der Tagespauschalen zu den Leistungskomplexen 19 und 38 gemäß § 89 des SGB XI und § 75 des SGB XII bei den Demenzkranken ausgetauscht. Darunter fallen die überaus wichtigen Leistungen zur Körperhygiene sowie zur Aktivierung der demenzkranken Patientinnen und Patienten.
Damals, kann ich mich erinnern, konnten wir den Argumenten der Grünen nicht folgen. Dieses Mal versuchen sie sich nun diesem Thema über den Status der Wohngemeinschaften für Demenz zu nähern. Dieser Weg scheint mir gelungener, denn es gibt durchaus eine innere Verknüpfung von Kontrolle und Kostentransparenz bei betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz. Doch diese Verknüpfung wird erst dann deutlich, wenn die Frage befriedigend beantwortet werden kann, ob denn nun wirklich alle Wohngemeinschaften für Demenzkranke unter das neue Berliner Heimgesetz fallen.
Das ist eindeutig nicht so. Es gibt Wohngemeinschaften, die laut Berliner Wohnteilhabegesetz ausdrücklich nicht zu den Wohngemeinschaften gezählt werden. Diese können darum in einem quasi nicht kontrollierten Raum agieren, was die Qualität der Pflege, die Einhaltung von Pflegestandards, aber auch die Kostentransparenz der Leistungen betrifft.
Dass solche Möglichkeiten mitunter zu Ungunsten der Pflegebedürftigen ausgenutzt werden, liegt auf der Hand. Ich selbst habe schon einmal solche Fälle in einer Sprechstunde für Demenzkranke erlebt oder mitgeteilt bekommen, die in mehreren Etagen von Wohnhäusern untergebracht waren. Da zu wenig Personal zur Pflege vorhanden war, irrten die Kranken hilflos umher.
Auch wegen solcher Vorkommnisse haben alle, die sich mit dem Thema beschäftigen, große Erwartungen in das neue Wohnteilhabegesetz gelegt. Nicht ohne Grund hat gerade unsere Fraktion insbesondere um Definitionen und Begriffsbestimmungen hinsichtlich der Pflegeeinrichtungen und Wohngemeinschaften gekämpft. Wir wollten entgegen der üblen Unterstellung der damaligen Sozialsenatorin alle Angebote unter die Kontrolle der Heimaufsicht und des Medizinischen Diensts der Krankenkassen stellen.
Nun haben wir den Tatbestand, dass sogenannte anbietergesteuerte Wohngemeinschaften, um die es im Antrag ja geht, nicht unter das WTG fallen. Im § 4 werden diese Wohngemeinschaften, bei denen der Anbieter Träger der
Pflege und zugleich Vermieter der Räumlichkeiten ist, klar ausgeschlossen. Und jetzt rächt sich, dass Rot-Rot klüger sein wollte als die Praktiker. Sie haben damals in der Anhörung vor diesem Fehler gewarnt.
Das kann jetzt aber nicht mehr durch irgendeine Ausführungsvorschrift so geheilt werden, wie man sich das hier vorstellt. Nein, hier hilft nur eine Gesetzesänderung, und diese kann aus unserer Sicht greifen. Wir haben damals einen Vorschlag gemacht, der im Gesetzgebungsverfahren vorlag, nämlich eine Neuregelung des § 4. Diesem könnte man sich jetzt anschließen, und dann hätten wir zumindest eine Regelung, die für eine bessere Lage sorgen würde. In diesem Sinne sind Sie mit dem richtigen Thema ein Stück weit auf dem richtigen Weg. Wir hatten diesen Vorschlag schon einmal gebracht – nachzulesen in den Parlamentsdiskussionen – und bringen ihn gerne wieder ein. Man braucht eben ein gutes Gesetz, und man sollte die Praktiker immer anhören. – Besten Dank!
Danke schön, Herr Hoffmann! – Frau Dott hat für die Linksfraktion jetzt das Wort. – Bitte schön, Frau Dott!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorausschicken, dass ich finde, dieser Antrag ist so spezifisch, dass er wirklich in den Fachausschuss gehört. Dort sollte er in seiner Tiefe diskutiert werden und nicht hier in diesem Rahmen, wo nur begrenztes fachliches Verständnis vorhanden sein kann. Ich weiß nicht, weshalb Sie heute unbedingt darüber reden wollen.
Ich kann es nur als Profilierungsversuch verstehen. Im Fachausschuss haben wir die bessere Basis, aber, bitte schön.
Richtig ist, dass Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz an Bedeutung gewinnen. Wir alle kennen die Entwicklung in unserer Stadt. Allerdings sind diese Regelungen in dem noch ganz jungen Wohnteilhabegesetz – WTG – tatsächlich enthalten. Einiges davon haben Sie selbst schon zitiert.
Der Grünen-Antrag begehrt, die anstehenden Vergütungsverhandlungen im Bereich ambulante Pflege bis zum 30. April 2011 auszusetzen, um vorab verschiedene Fragen zu klären. Die aktuellen Vereinbarungen hatten eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2010. Sie gelten aber natürlich fort. Ich weiß nicht, weshalb man das Aussetzen soll,
denn sie gelten natürlich so lange wie es kein neues Verhandlungsergebnis gibt. Das ist doch normal.
Mit den Verhandlungen werden auch die Regelungen – – Das steht hier jedenfalls so. Dann müssen Sie es anders formulieren. Ich finde, dass darüber im Ausschuss geredet werden muss. Allerdings verstehe ich auch nicht, woraus sich dieser eilige Handlungsbedarf ergeben soll, denn die bisherige Prüfung der Heimaufsicht – darauf hat Frau Radziwill schon hingewiesen – hat keineswegs dazu geführt, die Wohngemeinschaften aus diesem Kreis herauszunehmen.
Wir alle wissen, dass die doppelte Abhängigkeit dazu führt, dass es als Heim betrachtet werden muss. Genau diese Definition findet sich in diesem Gesetz. Es geht darum, diese doppelte Abhängigkeit besonders auch von demenzkranken Menschen zu definieren beziehungsweise auszuschließen.
Die von Ihnen formulierte anbietergesteuerte WG braucht aus meiner Sicht keine eigene Kategorie im Gesetz. Das fällt entweder unter die eine oder unter die andere Definition, entweder ist es ein Heim oder eine Wohngemeinschaft oder keines von beidem. Das hängt davon ab, wie sie organisiert ist. Aus meiner Sicht stimmt es, dass es in seltenen Fällen die Angehörigen sind. Allerdings ist es kein Muss, dass die solch eine Einrichtung beginnen. – Ich bin gleich fertig.
In Brandenburg gibt es Wohnformen mit eingeschränkter Selbstverwaltung. Das ist im Berliner Gesetz so nicht vorgesehen. Es hat Gründe dafür gegeben, dass wir – leider – mit Brandenburg kein gemeinsames Gesetz zustande gebracht haben. Dazu gehören auch die unterschiedlichen Auffassungen, was in das Gesetz hinein gehört. Sie kennen die Formulierung, wir haben lange genug darüber diskutiert.
Zum Beschwerdemanagement, das Sie ansprechen, das ist aus meiner Sicht der am wenigsten schwache Punkt im Gesetz. Sicher gibt es andere schwache Punkte, über die man reden muss. Wenn ich zitieren darf, es steht im Gesetz:
Jeder Leistungserbringer hat ein Beschwerdemanagement und Vorschlagswesen einzurichten und im Abstand von bis zu zwei Jahren Befragungen über die Zufriedenheit mit der Leistungserbringung durchzuführen. Er hat die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Nutzerinnen und Nutzer über die Art … zu informieren.
Das Gleiche gilt für Menschen, die nicht mehr in einer betreuten Wohnform leben. Im Übrigen können sich die Nutzerinnen und Nutzer von Pflegewohngemeinschaften gemäß § 8 Abs. 2 WTG jederzeit mit Beschwerden an die Aufsichtsbehörden wenden.
Das können sie, ihre Angehörigen oder ihre gesetzlichen Betreuer, deren gesetzliche Pflicht es ist, sich um ihre Klientel zu kümmern. Wenn die Betreuer das nicht tun, dann kommen sie ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nach und müssten von dieser Aufgabe entbunden werden. Sicherlich ist das ein weites Feld und sicherlich muss man an dieser Stelle auch noch weiterarbeiten.
Ich möchte gern über Ihren Antrag und die Intentionen im Ausschuss reden. Ich denke, es gibt etwas darüber zu reden. Heute ist dazu allerdings aus meiner Sicht nicht mehr zu sagen. – Danke für die Aufmerksamkeit!
Danke schön, Frau Kollegin Dott! – Für die FDP-Fraktion hat nunmehr der Kollege Gersch das Wort. – Bitte schön, ergreifen Sie es!
Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Frei nach dem Motto: Ambulant vor stationär halte ich ambulant betreute Wohnformen für Menschen mit Demenz erst einmal für eine gute Sache.
Sie können eine Heimunterbringung verhindern und den Verbleib in einer häuslichen Umgebung sichern. Das haben auch viele ambulante Pflegedienste erkannt, die in diesem Bereich ein neues Betätigungsfeld entdeckt haben und damit auch Geld verdienen wollen, indem sie solche Wohngemeinschaften, in welcher rechtlichen Struktur auch immer, organisieren. Der demografische Wandel birgt nicht nur Risiken, sondern auch wirtschaftliche Chancen. Im Idealfall organisieren das aus meiner Sicht die Betroffenen selbst oder deren Angehörige. Leider sind viele dazu nicht mehr in der Lage oder haben keine An
gehörigen, die sich darum kümmern. Darum ist es nichts Schlechtes, wenn ambulante Pflegedienste dies tun. Grundsätzlich gilt: Wer Pflegedienste in welcher Form auch immer anbietet, muss dies in bester Qualität und unter Berücksichtigung der Würde des Betroffenen tun. Diese Qualität muss ständig überprüft werden. Wer diese Qualität sicherstellt, soll auch davon leben können. Wer dazu nicht in der Lage ist, muss aus dem Spiel genommen werden.
Wir haben es hier mit einem umfangreichen Antrag zu tun, der viele Fragen aus unterschiedlichen Bereichen aufwirft, die zu klären sind. Neben der Pflegedimension geht es auch um Fragen des Mietrechts oder des Haftungsrechts. Die epische Begründung hat leider nicht zur Klärung beitragen können, was die Antragsteller wahrscheinlich wollten, ihnen aber gründlich misslungen ist. Als ich den Antrag erstmals gelesen habe, habe ich überlegt: Haben wir die Fragen nicht im Wohnteilhabegesetz geklärt? Wir waren monatelang mit diesem umfangreichen Gesetz beschäftigt, dass möglichst alle Wohnformen erfassen soll. Nun haben Sie heute erklärt,
es hat Punkte gegeben, die Sie damals gern in das Gesetz bekommen wollten, nun probieren Sie es einfach noch einmal. Das ist wirklich Ihr gutes Recht. Es ist nicht böse gemeint.
Sie werfen in dem Antrag Fragen zu den Risikoausfällen im Mietverhältnis auf. Meines Erachtens ist das im Mietrecht geklärt. Mir ist nicht bekannt, dass es ein besonderes Mietrecht für Demenzwohngemeinschaften gibt. Offensichtlich haben Sie die Intention, genau dieses einzuführen. Das haben Sie heute im Gegensatz zu Ihrer schriftlichen Begründung deutlicher gemacht. Auch die Frage von Investitionen ist meines Erachtens im Mietrecht geklärt. Darüber sollten wir aber im Ausschuss noch einmal sprechen. Ich halte den Antrag für nicht geeignet – wie Frau Dott bereits gesagt hat – ihn zu relativ später Stunde im ersten Durchgang abzuhandeln. Die meisten werden schon fast im Koma sein, weil sie nichts davon verstehen.