die sich angesichts dieses Antrags stellt, ist die der Personalentwicklungspolitik des Senats. Hier zeigt es sich ebenso wie an anderen Stellen, dass dieser Senat momentan nicht einmal mehr den Anspruch hat, überhaupt eine zielgerichtete Personalstruktur und Personalentwicklungspolitik zu betreiben. Das ist der größte Skandal, dessen wir hier gewahr werden müssen. Es stellt sich in der Tat die Frage, ob das etwas ist, was Berlin noch ein Jahr tolerieren kann. Wir sagen ganz klar: Nein! Der Senat muss jetzt endlich an die Frage Personalstruktur und Personalentwicklung gehen. Der Senat muss jetzt ein zukunftsorientiertes Konzept vorlegen, denn sonst wird es nur für die nächste Legislaturperiode schwerer, die entsprechenden Bedarfe umzusetzen, wenn man erst dann beginnt. Meine Damen und Herren von Rot-Rot! Was Sie heute können besorgen, das verschieben Sie besser nicht auf morgen.
Kümmern Sie sich jetzt darum, ein vernünftiges Personalentwicklungs- und Personalstrukturkonzept vorzulegen und Staatsaufgabenkritik vorzunehmen! Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst erwarten dies von Ihnen. Sie erwarten es von Ihnen nicht zuletzt deshalb, weil allein durch Staatsaufgabenkritik gewährleistet werden kann, dass wir den künftigen Personalkörper in Zukunft wettbewerbsfähig bezahlen können. Allein deshalb lohnt es sich, über diese Frage nachzudenken. Deswegen lohnt es sich auch explizit über den Antrag der Grünen und der CDU im Ausschuss in der notwendigen Tiefe zu reden. – Vielen Dank!
Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Berlin
Deutschland hat die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ohne Vorbehalte ratifiziert. Sie ist die erste Menschenrechtskonvention des neuen Jahrtausends. Sie schafft keine Sonderrechte für behinderte Menschen, sie konkretisiert vielmehr die Rechte für diese Zielgruppe, die bisher viel zu selten im Fokus der Debatte um Menschenrechte stand. Und sie hat eine Ausstrahlung in andere Bereiche, wo Menschen wegen ihrer Unterschiede ebenfalls ausgesondert werden.
Das Mitspracherecht betroffener Menschen ist ein zentrales Merkmal der neuen UN-Konvention. Deshalb ist die Einlösung von Selbstbestimmung ein wesentlicher Schritt, um die Konvention auch tatsächlich umzusetzen.
Die Menschenrechtskonvention muss zu einigen Änderungen in Deutschland – somit auch in Berlin – führen; im Schul- und Baubereich, bei der Kultur, bei der Wohnungs-, Gesundheits-, Pflege-, Arbeitsmarkt-, Verkehrs- und Verbraucher- und Verbraucherinnenschutzpolitik. Sie muss praktisch, in der Realität, die Rechte der Betroffenen und ihrer Organisationen stärken.
Wer geglaubt hat, dass der Senat sich zügig an die Umsetzung der Konvention macht, sieht sich getäuscht. Mit großer Verspätung wurde die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – zur Umsetzung der Konvention vorgelegt. Darin bleibt der Senat seiner politischen Linie treu: Es wird zwar ein Maßnahmeplan angekündigt, aber ein konkreter Termin, wann dieser vorliegen soll, wird nicht genannt. Somit steht in den Sternen, wann die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen tatsächlich umgesetzt wird. Das ist nicht akzeptabel.
Berlin braucht einen Aktionsplan mit klaren Vorgaben. Alle Senatsverwaltungen müssen in ihren Bereichen ausformulieren, wie die Konvention umgesetzt wird, mit einem konkreten Maßnahmeplan und den Auswirkungen auf den Haushalt.
Auch wenn Sie das, meine Damen und Herren von der SPD und der Linken, nicht wahrhaben wollen, so sind Sie doch immer noch in der politischen Verantwortung, die Behindertenrechtskonvention umzusetzen – und zwar zügig.
Dies muss in Zusammenarbeit bzw. in Absprache mit dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen und mit dem Landesbeirat gemacht werden, im weiteren Verlauf dann auch unter Einbeziehung anderer gesellschaftlicher Akteure wie Selbsthilfe- und Wohlfahrtsverbände oder Arbeitgeberverbände.
Wie wichtig eine zügige Umsetzung der Konvention ist, wird an folgenden Beispielen deutlich: Viele Menschen mit Behinderung werden selbständig am gesellschaftlichen Leben nur teilhaben können, wenn sie individuelle Unterstützung bekommen, zum Beispiel durch Einzelfall
hilfe, geleistet durch fachlich und menschlich geeignete Personen. Diese Personen benötigen jedoch eine Vergütung und Arbeitsbedingungen, die sie in der Arbeit unterstützen und nicht einschränken. Nur so wird es auch den Hilfeempfangenden gut gehen.
Wenn wir es tatsächlich ernst meinen mit der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention, dann müssen wir hier zu einer guten Lösung im Sinne aller Beteiligten kommen. Probleme lösen sich nicht, indem man sie aussitzt.
Ein weiteres Beispiel ist die Umstellungsbegutachtung bei Menschen mit Behinderungen in stationären Einrichtungen. Eine Begutachtung, die darauf abzielt, durch Neueinstufungen vor allem einsparen zu wollen, die bei der Befragung die Selbstbestimmung nicht achtet, ist nicht nur unredlich, sondern ignoriert auch die Inhalte der Konvention. Die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen stellt einen Meilenstein in der Behinderten- und in der Rechtspolitik dar. Diese gilt es nun konsequent und zügig umzusetzen. Berlin muss allen Menschen eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe eröffnen. Die Verpflichtung dazu ist durch die Ratifizierung bereits verbindlich eingetreten.
Vorab drei Feststellungen: Sie fordern einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung – sehr gut, die SPD-Fraktion auch. Sie nennen zweitens als Datum für die Erstellung des Aktionsplans den 31. März 2011. Heute ist der 25. November 2010. Ihr Antrag trägt das Datum 3. November 2010. Im Ausschuss Integration, Arbeit, Soziales sprachen wir am 4. November 2010 über den Aktionsplan. Wir versuchten, uns mit Ihnen auf einen Termin zu verständigen, bis zu dem dieser vorgelegt werden soll.
Jasenka Villbrandt (Grüne) weist darauf hin, dass auch ihre Fraktion hierzu Anträge vorlegen werde und deshalb eine Terminfestlegung noch offengehalten werden solle.
Heute überweisen wir Ihren Antrag in den Ausschuss IAS und den Hauptausschuss. Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen, dass auf diesem Wege der Befassung mit Ihrem Antrag der 31. März als Termin für die Fertigstellung des Aktionsplanes nicht gehalten werden kann. Frau Villbrandt! Kann es sein, dass Ihnen Publicity und Ihr Antrag wichtiger waren als eine schnelle Erarbeitung des Aktionsplans?
Außerdem vermisse ich drittens eine Begründung Ihres Entschließungsantrages. Denn in § 39 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses lese ich:
Anträge einschließlich solcher auf Annahme von Entschließungen müssen schriftlich eingebracht und begründet werden.
Zum Inhalt: Sie fordern einen Landesaktionsplan, der die individuelle Besonderheit eines jeden Menschen in den Mittelpunkt rückt. In Berlin leben 3 443 000 Menschen, jeder mit individueller Besonderheit. Bedeutet das 3 443 000 Mittelpunkte im Landesaktionsplan? Weiter heißt es im Antragstext:
Der Aktionsplan soll Maßnahmen, die geeignet sind, die angestrebten Ziele zu erreichen, mögliche Partner und einen Zeithorizont zur Umsetzung benennen.
„Maßnahmen die geeignet sind, die angestrebten Ziele zu erreichen“, das klingt spannend. Mögliche Partner sind auch gut. Aber wo bleiben die Partnerinnen? Einen Zeithorizont benennen – wissend, dass es hinter dem Horizont weitergeht. Schauen wir uns die Definition des Begriffes Zeithorizonts an: Es handelt sich dabei um die Ausweitung des gegenwärtigen Handelns um die Vergangenheits- und Zukunftsperspektive. Der Zwischenbericht des Senats zur Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 28. September 2010, Drucksache 16/3531, mag hierbei hilfreich sein.
Gut finde ich Ihre Idee, dass der Senat eine Internetplattform einrichten soll, auf der Vorschläge und Anregungen zum Aktionsplan eingebracht und kommuniziert werden können. Bleibt die Frage, was so etwas kostet. Vielleicht können Sie, Frau Villbrandt, dazu etwas im Ausschuss sagen. Sinnvoll finde ich ebenfalls Ihre Anregung, gemeinsam mit anderen Bundesländern das Gespräch mit der Bundesregierung zur Frage der Finanzierung der anstehenden Maßnahmen – Sie von den Grünen sprechen von Reformen – zu führen. Dann gleitet Ihr Antrag wieder zum Zeithorizont hinüber: Sie fordern den Senat auf zu klären, „in welchem Zeithorizont gesetzlich notwendige Änderungen von der Bundesregierung auf den Weg gebracht werden“. Vielleicht kann in dieser Frage auch Herr Hoffmann einen Beitrag zur Klärung leisten, er wird ja gleich nach mir sprechen.
Einig sind wir uns wieder bei den Grundsätzen, denen der Aktionsplan verpflichtet sein soll. Bei solchen Anträgen und Überlegungen wiederholen sich naturgemäß bestimmte Forderungen, das muss nicht mal schlecht sein. Interessant und unterstützungswert finde ich besonders ihren Verweis auf die Sozialraumorientierung – Probleme sollen dort angepackt werden, wo Menschen mit und ohne Behinderung leben, im Sozialraum – und Ihre Ermutigung von Menschen mit Behinderung zu ehrenamtlichem Engagement.
Unabhängig von meinen kritischen Anfangsbemerkungen finde ich viele Punkte Ihres Antrages sehr gelungen. Und zumindest Ihnen, Frau Villbrandt, und mir und hoffentlich vielen anderen Mitgliedern dieses Hauses ist klar, dass Politik für Menschen mit Behinderung Politik für alle
Menschen ist und dass es einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller Fraktionen, aller Senatsverwaltungen und zivilgesellschaftlicher Strukturen bedarf, um in den nächsten Monaten und Jahren bei der Umsetzung der UNMenschenrechtskonvention deutlich voranzukommen. Der Begriff des Barrierenüberwindens gewinnt hier eine besondere Dimension. Packen wir es also gemeinsam an!
Ich persönlich finde es extrem gut, dass die Grünen mit dieser Priorität das Thema „Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ heute aktuell in die Mitte des Parlaments heben. Möge es dabei dem Senat und insbesondere den Koalitionsfraktionen in den Ohren klingeln.
Gern erinnere ich SPD und Linke in diesem Zusammenhang an ihre Redebeiträge vom Mai 2008. Da äußerte z. B. die Vertreterin der Linken sinngemäß, dass man nur dann richtig in der Behindertenpolitik loslegen könne, wenn endlich auf Bundesebene die Konvention ratifiziert sei.
Nun ist sie seit mehr als zwei Jahren in Kraft, aber von Aufbruchstimmung und vorwärtsweisenden Impulsen vonseiten Rot-Rot ist nichts zu spüren. Ja, man kann sogar den Eindruck haben, dass eine gewisse Lethargie Raum gegriffen hat, wenn ich an die Diskussion des CDU-Antrages denke, der zum Thema Inklusion in der Schule vor wenigen Wochen hier im Hause stattgefunden hat. Es war nicht nur der späte Abend, der sich bemerkbar machte, sondern auch der Mehltau der üblichen rot-roten Floskeln, der sich darüber legte. So sagte die Kollegin von der SPD, ich zitiere:
Sie fordern jetzt... einen Masterplan... Ich habe den Verdacht, Sie wissen, dass daran gearbeitet wird. Es wird daran gearbeitet, schon längst.
Ja, wenn das so ist, liebe Damen und Herren von der Koalition, warum reden Sie dann nicht mit den Schulleitern, die sich erst kürzlich wieder darüber bitterlich beklagt haben, dass in diesem Bereich totale Funkstille herrscht? Fragen Sie mal die betroffenen Eltern! Die werden Ihnen erzählen, wo die Probleme seit Jahren liegen, wie beispielsweise im Schulhelferbereich. Selbst der Landesbehindertenbeirat stellte dazu resignierend fest, ich zitiere:
Seit der Resolution des Landesbeirates für Menschen mit Behinderungen vom September 2009 hat sich die Situation um die Schulhelfer für Schüler und Schülerinnen mit Behinderungen nicht verbessert, sondern im Gegenteil sogar verschlechtert.
Vor diesem Hintergrund fürchte ich, dass der Beirat bald wieder eine Resolution verfassen muss, denn die geplanten Änderungen bei der Verordnung über sonderpädagogische Förderung von Kindern mit Behinderungen werden deren Situation in den Berliner Schulen noch weiter prekär werden lassen.
Das ist jedoch nicht die einzige Baustelle. Da ist zum Beispiel die Abschiebepraxis innerhalb der Berliner Verwaltung, behinderte Arbeitnehmer unverhältnismäßig oft in den Stellenpool zu versetzen. Da sind die noch immer ungeklärten Probleme innerhalb der Einzelfallhilfe für behinderte Menschen. Dieses Thema ist der Koalition übrigens so wichtig, dass gerade erst heute wieder zwei Anträge dazu abgelehnt wurden. Weiterhin ist zu nennen die neue Umstellungsbegutachtung in den Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe, die ebenfalls auf deutliche Kritik des Landesbeirates gestoßen ist. Und nicht zu vergessen unsere Dauerbrenner Barrierefreiheit und Sonderfahrdienst! Es ist schon eine Schande, wie gerade mit den Nutzerinnen und Nutzern des SFD umgegangen wird. Weil sich der Service kontinuierlich verschlechtert und es auch zu heftigen Entgleisungen gegenüber Behinderten gekommen ist, reißen die Beschwerden und Eingaben nicht ab. Was macht der Senat? – Er macht keinen Finger krumm, um den Betroffenen zu helfen. Stattdessen wird schöngeredet, vertuscht und abgewiegelt. Nicht einmal die möglichen Sanktionen gegenüber dem Betreiber werden genutzt, sondern sein Vertrag wird auch noch verlängert. Da fühlen sich viele Behinderte und ihre Angehörigen regelrecht verhöhnt.
Solange sich der Senat einen solchen Umgang mit den Menschen mit Behinderungen erlaubt und vielfach deren Rechte, Bedarfe und Interessen unter den Teppich kehrt, so lange sind auch Entschließungen wie die vorliegende notwendig.
Der Bericht „UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen konsequent in Berlin umsetzen“ belegt, welche weitreichenden positiven Entwicklungen in unserer Stadt in die Wege geleitet wurden. Alle Senatsverwaltungen waren aufgefordert, ihre Arbeitsfelder zu durchforsten und unter dem Aspekt der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu beurteilen.
Dabei zeigt sich, dass seit der Erarbeitung des Berliner – bundesweit ersten – Landesgleichberechtigungsgesetzes im Jahr 1999 bereits ein gutes Stück des notwendigen Weges zurückgelegt wurde. Allerdings zeigt sich auch, wo z. B. unter den Stichworten inklusive Bildung, Barrierefreiheit, Arbeit, Wohnen, Partizipation von Behindertenverbänden, Frauen mit Behinderungen und nicht zuletzt auch die Problematik Lesben, Schwule, transgeschlechtliche Menschen mit Behinderungen vielleicht Anstrengungen unternommen wurden, von einem Paradigmenwechsel aber noch nicht die Rede sein kann.
Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit, Soziales und berufliche Bildung hat in ihrem Bericht darauf hingewiesen, dass auf der Grundlage der Ergebnisse der fachübergreifenden Fachgruppe des Bundesministeriums im Land Berlin ein eigener Aktions- und Maßnahmeplan
erarbeitet wird. Darüber wurden wir in der vergangenen Ausschusssitzung ausführlich informiert und haben gleichzeitig beschlossen, spätestens in der Junisitzung 2011 den Aktionsplan auf die Tagesordnung zu nehmen. Insofern rennt der Antrag der Grünen offene Türen ein und wiederholt, was bereits in Arbeit ist. Ich verkneife mir, über die Notwendigkeit der Vielzahl der aufgeführten Punkte zu philosophieren. Wir werden die Erarbeitung des Aktionsplans zusammen mit den gesellschaftlichen Akteuren begleiten und im Ausschuss das Ergebnis sorgfältig prüfen.