Das Argument ist bereits aufgetaucht: Wir waren tatsächlich in einer schwierigen Haushaltslage, es wurde argumentiert, bis strukturelle Maßnahmen greifen, muss man sich Zeit kaufen, hierfür muss, wie es ausgedrückt wurde, das Tafelsilber veräußert werden. Die oft mit Pathos vorgetragene Argumentation, wir dürfen nicht auf Kosten der Kinder, der Enkel leben, wir dürfen ihnen keine Schulden hinterlassen, die Analogie zu einem schlechten Familienvater, der auf Pump lebt und seinen Nachfahren Schulden hinterlässt, die ist natürlich stark verkürzt. Die Analogie zwischen dem Staat und Privatpersonen zieht nicht; staatliches Handeln und Staatsverschuldung sind viel komplexere Themen. Die damaligen Akteure haben auf einen möglichst hohen Kaufpreis Wert gelegt und darum diese Zugeständnisse gemacht. Sie handelten aber auch durchaus vermessen, wenn man die lange Dauer des Vertrags betrachtet: 30 Jahre, Vertragsanpassung nicht vorgesehen. Hieraus kann man für künftige Fälle durchaus lernen, denn dies ist auch ein Arbeiten auf Kosten künftiger Generationen, wenn man für 30 Jahre jede Eingriffsmöglichkeit der Politik in diese wichtigen Belange der Daseinsvorsorge, beim wichtigen Gut Wasser, quasi ausschließt und dies für 30 Jahre festschreibt. Eines kann man sagen: Unternehmensziele ändern sich, das haben wir in der Privatisierungsgeschichte immer wieder gesehen, der Staat bleibt in der Verantwortung für die Daseinsvorsorge, für die Grundbelange der Bürgerinnen und Bürger, er bleibt dauerhaft für die Infrastruktur verantwortlich, die sich in seinem Boden und auf seinem Gebiet befindet. Er kann sich auch nicht in die Insolvenz verabschieden wie ein Unternehmen es kann.
Um ein ganz anderes Beispiel aus Berlin zu nennen, das nicht in den Bereich der Daseinsvorsorge fällt: Wir hatten doch eine tolle Konstruktion gefunden, wie wir das Olympiastadion finanzieren, wir hatten die große Walter Bau AG mit drin, ein großes Privatunternehmen, das uns garantierte: Wir betreiben es auch. Von einem Tag auf den anderen war die große Walter Bau AG verschwunden, sie war einfach weg. Wer war nur noch da? – Der Staat natürlich, und der stieg dann auch ein, weil das Olympiastadion nach wie vor auf seinem Gelände steht. Der Staat ist also in einer ganz anderen Verantwortung als es ein Unternehmen jemals sein kann.
Richtig, darum erwähne ich das! – Herr Meyer hat in seinem Beitrag vorhin einen weiten Bogen geschlagen vom Wasser zu weiteren Themen wie S-Bahn, Strom, Gas. Ja, wir werden auch sehr genau überlegen, wie wir mit der Infrastruktur in unserer Stadt in diesen Bereichen umgehen, Gasnetz, Stromnetz, Fernwärmenetz, auslaufende Konzessionsverträge. Es ist durchaus denkbar, dass wir – auf längere Sicht – in Berlin auch zu einem Stadtwerk kommen, wie es in anderen Städten erfolgreich praktiziert wird. Natürlich wird in anderen Städten auch oft das Wasser von einem solchen Stadtwerk mitgeliefert. Das wäre in der Tat ein weiter Weg, um es hier in Berlin auch mit dem Wasser hinzubekommen, aber wir werden auf jeden Fall Verhandlungen führen.
Der Volksentscheid kommt wohl, wenn auch der Hauptzweck – die Offenlegung – erfüllt ist. Der andere Zweck, die Nichtigkeit der Verträge kraft des Volksentscheids festzustellen, dürfte verfassungsrechtlich kaum möglich sein, aber Verhandlungen mit den beiden privaten Anteilseignern der Wasserbetriebe, die sich auch durchaus unterschiedlich in Berlin engagieren, das kann man beobachten, sind erfolgversprechend. Eine Vertragsanpassung könnte auch in ihrem Interesse liegen, wenn sie in Berlin weiter engagiert bleiben wollen. Wenn ein Anteil zu verkaufen ist, wird Berlin prüfen, den Anteil an den Wasserbetrieben wieder zu erhöhen. Dies wird vermutlich – Michael Müller hat vorhin schon darauf hingewiesen – nicht unbedingt zu Preissenkungen führen, man muss den Rückkauf ja auch finanzieren, aber wir können trotzdem andere Ziele dabei verfolgen – z. B. Preisstabilität oder Investitionen in das Netz, ökologische Wasserwirtschaft. Es zeigt sich, dass ein kommunales Unternehmen einen erheblich höheren Anteil der Wertschöpfung in der Region generiert – das 1,7fache – und damit auch Arbeitsplätze in der Region stärker sichert. Es gibt also allen Grund, mit den heutigen Anteilseignern RWE und Veolia in Verhandlungen zu treten und im Interesse der Berlinerinnen und Berliner neue Wege bei der Wasserversorgung und -entsorgung zu suchen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Jahnke! Man hatte eben den Eindruck, Sie wollen ein Stück weit nichts mehr mit Ihrer Vergangenheit zu tun haben.
Ich bin skeptisch, ob Ihnen das gelungen ist; wir jedenfalls werden Ihnen das nicht durchgehen lassen.
Die Koalition hat heute das Thema „Transparenz der Wasserverträge“ auf die Tagesordnung gesetzt; wir haben alle zur Kenntnis genommen, dass es gestern – pünktlich zur heutigen Plenardebatte – eine Vereinbarung zur Offenlegung zwischen Senat und Investoren gegeben hat. Am zentralen Problem ändert auch die gestrige Offenlegung nichts. Das ist kein Schlussstrich, sondern kann im Grunde nur ein Auftakt sein. Die Menschen – ebenso wie Wirtschaft und Mittelstand – erwarten zu Recht bezahlbares Wasser, und deshalb können wir es nicht länger hinnehmen, dass Berlin weiter unter den höchsten Wasserpreisen aller deutschen Großstädte leidet, und das hat auch eine politische Komponente!
Liebe Frau Kosche, Sie sind ja gleich dran, ich sage es hat eine politische Komponente, und ich sage, es muss endlich etwas passieren. – In diesem Zusammenhang müssen wir auch die Frage nach der politischen Verantwortung stellen bzw. auch nach denjenigen, die sich davor drücken. Wir wissen alle, Herr Wolf, dass Sie nach außen gerne so tun, als würden Sie Ihre Hände in politischer Unschuld baden, als hätten Sie mit den exorbitanten Tarifsteigerungen seit 2004 rein gar nichts zu tun. Da wird die Vorgängerregierung ein bisschen gescholten, da wird auf die Investoren geschimpft, gerade so wie wir es von Ihrer Partei nur zu gut kennen. Ich weiß nicht, ob Sie sich überhaupt bewusst sind, welchen Schaden Sie mit Ihrer Kampagne gegen ein gut aufgestelltes Unternehmen anrichten, ich weiß, dass es in der Belegschaft brodelt, ich weiß aus den Reihen der Personalversammlung, dass sich die Mitarbeiter durch Ihre Aussagen herabgesetzt fühlen, und Sie müssen sich dann auch fragen lassen, wie Sie mit Beschäftigten im Land Berlin, in unserer Stadt, umgehen. Ihre Ablenkungsmanöver auf Kosten Dritter werden nichts bringen,
denn Sie können sich nicht verstecken, die Verantwortung für die hohen Wasserpreise tragen Sie, Herr Wirtschaftssenator!
Da können Sie sich noch so oft und gerne hinstellen und erklären, Ihnen seien beim Thema Wasserpreise die Hände gebunden, Herr Wolf, wir wissen, dass Ihre Argumente im wahrsten Sinne des Wortes nicht wasserdicht sind.
[Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Nicht wasserdicht ist jemand ganz anderes!]
Zur Ehrlichkeit gehört nämlich, dass wir uns mit den – ich zitiere eine Überschrift der „taz“ – „rot-roten Wasser
lügen“ auseinandersetzen. Während Sie, Herr Lederer, im Jahr 2004 sagten, über die Zinssätze könne erst jetzt wieder politisch entschieden werden, hatte Herr Wolf die steigenden Garantieverzinsungen schon längst in einer Nebenvereinbarung festgelegt. Seitdem sind die Belastungen für die Verbraucher unaufhörlich gestiegen. Es war Herr Wolf, der alle Preiserhöhungen der Vergangenheit durchgewunken hat. Sie sind es, der als Aufsichtsratschef die Tarifkalkulationen beantragt, und Sie sind es, der als Wirtschaftssenator diese Tarife genehmigt. Tun Sie nicht so, als hätten Sie all die Jahre von all dem nichts gewusst! Tun Sie nicht so, als hätten Sie diese Entwicklungen nicht beeinflussen können!
Es ist doch ein Witz, Herr Wolf, dass Sie jetzt vor das Bundeskartellamt ziehen und praktisch Ihre eigene Politik anzeigen. Ich frage mich, ob Sie das selbst ernst nehmen. Wir sind – wie mit Sicherheit auch die Berlinerinnen und Berliner – der Auffassung, dass Sie das nicht tun. Vielmehr veralbern Sie hier sich selbst, aber eben auch die Endverbraucher.
Es gibt genug Spielräume, um die Wasserpreise zu senken, aber offensichtlich hat Rot-Rot daran kein Interesse, denn Sie verdienen blendend am Verbrauch der Berlinerinnen und Berliner. Sie haben im Haushalt bei der Gewinnbeteiligung rund 108 Millionen Euro für das laufende Jahr und rund 114 Millionen Euro für 2011 veranschlagt – plus Abwasserabgabe, Konzessionsabgabe und Grundwasserentnahmeentgelt usw. Nimmt man das alles zusammen, Herr Wirtschaftssenator, dann enthält die Tarifkalkulation zu 20 Prozent Abführungen an das Land Berlin, hingegen nur zu 11 Prozent solche an private Investoren. Das sind durchaus Spielräume, Herr Wolf! Deshalb lasse ich auch Ihr Argument nicht gelten, RotRot würde nicht auf Geld verzichten, während die Investoren weiter Gewinne machten.
Wir müssen uns doch nur anschauen, wo und wie Sie den Menschen das Geld aus der Tasche ziehen. Das Berliner Grundwasserentnahmeentgelt ist das mit Abstand höchste im Bundesgebiet. Die Menschen in unserer Stadt zahlen beim Entnahmeentgelt sechsmal so viel wie die Menschen in Hamburg. Dort sind es 5,5 Cent pro Kubikmeter, in Sachsen 1,5 Cent und hier in Berlin 31 Cent. Rund 53 Millionen Euro spült das in Ihre Kasse, Herr Wolf.
Das können Sie den Investoren nicht zum Vorwurf machen. Das ist Ihre Politik, für die Sie gerade stehen müssen.
Herr Müller und Herr Wolf! Sagen Sie den Menschen doch ehrlich, dass Sie beim Wasser im ganz großen Stil abkassieren. Tun Sie aber bitte nicht so, als würden irgendwelche gierigen Heuschrecken über Berlin herfallen und dieses Unternehmen ausplündern. Ich prophezeie Ihnen: Sie werden auch in Nachverhandlungen mit den
Investoren – ein Versuch der durchaus erstrebenswert ist – keinen Erfolg haben, wenn Sie nicht das Signal aussenden, dass auch Sie bereit sind, Ihren Beitrag zu leisten. Auch Sie müssen einmal an die Verbraucher denken.
In diesem Zusammenhang, Herr Müller, möchte ich noch einmal auf Ihre Forderung von vorhin in der Begründung der Aktuellen Stunde zur Rekommunalisierung eingehen. Ich erwähnte eingangs, dass es auffällig ist, wie sehr Sie versuchen, sich von der Vergangenheit zu distanzieren. Aber zu einem Privatisierungsvertrag gehören immer zwei Parteien, nicht nur ein Käufer, sondern auch ein Verkäufer.
Herr Wowereit, Sie wissen nur zu gut, dass das so ist, denn auch Sie haben seinerzeit als Haushaltspolitiker Ihrer Fraktion das Lieblingsprojekt Ihrer SPD-Senatorin Fugmann-Heesing einfach abgenickt.
Man kann sich zu Recht fragen, ob man einen solchen Vertrag heute in ebendieser Form abschließen würde. Man darf bezweifeln, ob er in all seinen Details vorteilhaft ist. Man darf auch kritisch hinterfragen, ob alle Ziele im Bezug auf Arbeitsplätze und Investitionen erfüllt wurden. Das sind Fragen, die der für die Betriebe zuständige Senator im Rahmen dieser Aktuellen Stunde ganz sicher beantworten wird.
Sie sollten aber nicht vergessen, dass es damals große Einigkeit hier im Haus über diese Teilprivatisierung gab.
Die FDP war nicht dabei, und wenn sie so weitermacht, wird dieser Zustand bald wieder eintreten. Damals wurde nicht nur von CDU und SPD diese Teilprivatisierung vertreten. Ich erinnere gerne an eine Rede der damaligen Fraktionsvorsitzenden der Grünen Künast, die in der Plenarsitzung vom 29. Oktober 1999 sagte:
Es geht uns hier heute nicht um Verhinderung. Es geht nicht um die Verhinderung der Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe, sondern es geht um das Wie.
Die Vorteile der Privatisierung bezogen sich nicht nur auf den Erlös von 1,7 Milliarden Euro, der damals erzielt wurde. Es ging auch, Herr Jahnke, um ein gewolltes Engagement von privaten Investoren. Es ging darum, einen ordnungspolitischen Ansatz zu verfolgen. Tun Sie doch nicht so, als würden öffentliche Unternehmen per se kostengünstiger arbeiten! Das dürften Sie gerade in Berlin nur schwer belegen können.
Herr Müller! Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie sich Gedanken über die Finanzierung eines Rückkaufs machen. Aber dazu möchte ich Ihnen eine einfache Frage stellen: Was tun Sie, wenn die Investoren nicht verkaufen wollen? Sie haben bislang deutlich gemacht, dass sie ein längerfristiges Engagement in der Stadt anstreben. Was wollen Sie in diesem Fall tun? Wollen Sie enteignen? Das ist in
der Geschichte schon einmal gründlich schiefgegangen. Oder wollen Sie die Investoren mit so viel Geld, das die Stadt nicht hat, zuschütten, damit diese Ihr Angebot nicht ablehnen können? – Beides sind keine Ansätze, die Sie ernsthaft verfolgen können.
Bleibt zur Rekommunalisierung nur zu sagen: Hören Sie endlich auf, den Berlinerinnen und Berlinern Sand in die Augen zu streuen! Ich fordere Sie auf: Nutzen Sie endlich die Spielräume für Preissenkungen! Nutzen Sie die Möglichkeiten zur Tarifgestaltung, die Sie jetzt schon in der Hand haben! Lassen Sie uns heute über das Machbare sprechen, anstatt die Berlinerinnen und Berlinern immer wieder mit unerfüllbaren Versprechen zu konfrontieren, die Sie nicht halten können und wahrscheinlich auch kein anderer! – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Henkel! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Lederer das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verträge über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe sind nun öffentlich. Jede Berlinerin und jeder Berliner kann nun lesen, was damals vereinbart worden ist. Die Veröffentlichung der Verträge haben wir, die Linke, von Anfang an gefordert, und die Offenlegung bestätigt uns vollständig. Sie bestätigt, was wir seit 1999 in diesem Haus immer wieder erklärt haben. Mit der atypisch stillen Beteiligung von RWE und Veolia an den Berliner Wasserbetrieben ist eine Raub- und Beutegemeinschaft des Landes Berlin mit den Investoren begründet worden, die die Sicherung der Gewinne der Privaten strukturell den Berlinerinnen und Berlinern anlastet, entweder als Gebühren- oder als Steuerzahler.