Protocol of the Session on November 11, 2010

Und jetzt sagen Sie, man hätte damals die Ansprüche der Privaten auch dadurch befriedigen können, dass alles aus dem Landeshaushalt kommt. Wir lassen Sie aus dieser Verantwortung nicht mehr heraus, auch Sie müssen, wenn Sie solche Sprüche machen, deutlich sagen, woher das Geld kommen soll, das Sie an dieser Stelle immer noch zusätzlich ausgeben wollen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Das Problem ist nicht 2003/2004 und eine Vertragsgestaltung, das Problem ist die Privatisierung an sich. Deshalb ist es so wichtig, dass es einen anderen Umgang mit diesem Themenkomplex gibt. Wir brauchen umfassende Transparenz. Deswegen war es so wichtig, dass wir gemeinsam, Linksfraktion, die grüne Fraktion, SPDFraktion, im Sommer hier im Parlament die Neuregelung des Informationsfreiheitsgesetzes beschlossen haben, das eine wirklich weitgehende Transparenz für die zukünftigen Verträge, aber auch rückwirkend sichert. Dieses Gesetz und die Verhandlungen des Regierenden Bürgermeisters haben den Druck aufgemacht und es ermöglicht, dass auch offiziell die Verträge offengelegt werden. Das ist ein wichtiger, ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es ist genauso nötig, dass wir die Verträge nachverhandeln, und das will ich auch deutlich an die Adresse der privaten Anteilseigner sagen: Dieses Thema kann mit der Offenlegung noch nicht erledigt sein. In Zukunft muss und wird uns das Thema politisch beschäftigen, wie wir zu einer neuen Vertragsgrundlage kommen, die nicht automatisch zu neuen Preissteigerungen für die Berlinerinnen und Berliner führt. Sollte es die Chance geben – und sind die Privaten nicht bereit, über bestehende Verträge und Strukturen zu reden –, wären wir auch bereit, zusätzlich über einen Rückkauf von Anteilen Verantwortung zu übernehmen. Aber ich will hier auch offen und ehrlich sagen, dass niemand damit automatisch Preissenkungen im Bereich der Wasserbetriebe verbinden kann. Auch ein Rückkauf der Wasserbetriebe müsste aus den Erträgen der Wasserbetriebe finanziert werden.

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

Es gehört zur Ehrlichkeit dazu, es kann trotzdem Sinn machen, weil wir Investitionen in der Stadt sichern können, weil wir Arbeitsplätze sichern können, weil wir Ausbildungsplätze sichern können, weil wir vielleicht auch

eine Preisstabilität sichern können – anders als es Private machen, die ausschließlich Renditeinteressen haben. Deswegen wollen wir auch diesen Weg der Rekommunalisierung ernsthaft prüfen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

All das muss auf einer seriösen Grundlage passieren. Bei allem politischen Verständnis und 90 Prozent Übereinstimmung für das Volksbegehren will ich abschließend sagen, dass wir uns ihm wahrscheinlich nicht anschließen können und dass es zu einer Abstimmung kommen wird, denn das Land Berlin muss ein seriöser Vertragspartner bleiben. Wir können nicht einfach Verträge mit Privaten – und wir werben auch um andere Ansiedlungen und privates Engagement – für nichtig erklären, nur weil darüber öffentlich abgestimmt wird.

Das Thema liefert also viel Gesprächstoff für die Aktuelle Stunde, ein hochpolitisches Thema mit wichtigen Strukturentscheidungen, die für das Land Berlin zu treffen sind. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung für unsere Aktuelle Stunde. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Kollege Müller! – Es hat nun der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion das Wort. – Bitte schön, Herr Henkel!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben in diesen Tagen eines immer deutlicher: Die Menschen wollen gehört werden und mitentscheiden, und sie sind bereit, für ihre Überzeugungen zu kämpfen. Damit meine ich nicht den Krawalltourismus im Wendland, der gerade wieder auf dem Rücken unserer Polizisten ausgetragen worden ist,

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion]

das ist nicht unser Verständnis von Bürgerengagement, das ist und bleibt Vandalismus, und gerade Politiker sollten sich kritisch hinterfragen, inwieweit sie sich an solchen Aktion beteiligen.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Guter Bürger, schlechter Bürger! – Zurufe von der Linksfraktion und den Grünen]

Ein Blick nach Berlin zeigt die Entwicklung: Hunderttausende haben sich für den Erhalt des Flughafens Tempelhof eingesetzt, Hunderttausende haben sich beim Volksbegehren Pro Reli engagiert,

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

über 280 000 Menschen haben gestern einen großen Teilerfolg gegen die bisherige Senatslinie zum Thema Wasserverträge errungen,

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Tausende demonstrieren jede Woche gegen Lärm, innerstädtische Flugrouten und eine Kommunikationspolitik, die auch der Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft, Klaus Wowereit, mitzuverantworten hat.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Diese Entwicklung beim Bürgerengagement ist grundsätzlich zu begrüßen, denn sie zeigt, dass es den Menschen nicht egal ist, was in ihrer Stadt passiert, und dass sie Einfluss nehmen wollen jenseits von Wahlen alle vier oder fünf Jahre.

[Zuruf von Udo Wolf (Linksfraktion)]

Das Einbeziehen von Bürgern gilt in besonderem Maße für große Infrastrukturprojekte wie die A 100.

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir bleiben fest bei unserer Linie und kämpfen aus voller Überzeugung für dieses Projekt.

[Beifall bei der CDU – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Ganz fest! – Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

Wir sind überzeugt, dass es viele gute Gründe dafür gibt, dass Wohngebiete und Anwohner vom Verkehr entlastet werden, dass die lokale Wirtschaft gestärkt wird, und wir stellen uns mit guten Argumenten weiterhin der politischen Debatte. Und, Herr Wowereit, vor allem sehen wir nicht ein, warum wir den anderen Bundesländern über 400 Millionen Euro schenken sollten, anstatt unsere eigene Stadt voranzubringen.

[Beifall bei der CDU]

Dabei wollen wir dem Anspruch der Menschen nach mehr Beteiligung Rechnung tragen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Ui!]

Dazu braucht es im Prinzip gar keine neuen Instrumente, dafür bedarf es insbesondere eines anderen Politikstils. Die Arroganz der Macht, die Betonpolitik, mit der Wowereit Politik von oben herab durchsetzt und Widerstände ignoriert,

[Zurufe von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) und Heidi Kosche (Grüne)]

wie wir es bei mehreren Volksbegehren erlebt haben, dieser Politikstil kann und darf keine Zukunft haben.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Wir wollen daher heute in der Aktuellen Stunde über unseren Vorschlag sprechen, eine Volksbefragung zur A 100 durchzuführen, ein Vorschlag, für den ich hier noch einmal ausdrücklich werben möchte.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Fragen Sie Herrn Ramsauer!]

Ja, Frau Kollegin, auch ich habe vernommen, was der Bundesverkehrsminister dazu gestern erklärt hat. Wir als

Berliner Union sind dennoch von der Richtigkeit überzeugt,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wir sind schlauer!]

gerade auch, um Bewegung in die Sache zu bringen und dieses wichtige Projekt zu retten, bevor es Rot-Rot und Grüne endgültig beerdigen.

Denn, Herr Wowereit, wir bleiben doch in der paradoxen Situation, dass Ihre Koalition gestern zwar Planungsmittel freigegeben hat, dass die Linkspartei und die Grünen sowie große Teile Ihrer eigenen Partei die A 100 aber mit allen Mitteln bekämpfen.

[Beifall bei den Grünen]

Deshalb werbe ich auch bei Ihnen, Herr Wowereit: Wenn Ihnen etwas an dem Projekt liegt, unterstützen Sie unseren Vorschlag! Zeigen Sie, dass Sie es ernst meinen mit Ihrer Forderung, Menschen bei Infrastrukturprojekten von dieser Tragweite einzubeziehen!

Ich weiß, dass es Kritiker gibt, die sagen, eine solche Volksbefragung sei rechtlich nicht bindend. Ja, ich sage es ausdrücklich: Eine solche Befragung entlässt Senat und Parlament nicht aus der Verantwortung. Sie hebelt auch die repräsentative Demokratie nicht aus, als deren glühenden Verfechter Sie mich ohne Weiteres bezeichnen können.

[Beifall bei der CDU]

Aber ein solcher Weg gibt den Menschen die Möglichkeit, sich offen mit diesem Projekt auseinanderzusetzen und Vorstellungen zu artikulieren. Das Problem der Rechtsbindung ließe sich durch einen einfachen Parteienkonsens beheben, wenn alle hier vertretenen Parteien deutlich machen würden, dass sie respektvoll mit einem solchen Ergebnis umgehen würden.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Faschingsrede!]

Abschließend noch ein Wort in Richtung Grüne: Ich werbe, lieber Herr Ratzmann, auch ausdrücklich um Ihre Unterstützung. Aber ich war gestern schon ein bisschen verwundert, in Ihrer Presseerklärung lesen zu müssen, dass Sie unseren Vorschlag zur Einbeziehung der Menschen in Sachen A 100 als „Schnapsidee“ bezeichneten.