Protocol of the Session on September 23, 2010

dann ist das wirklich ein Treppenwitz der Geschichte. Es waren Ihr Regierender Bürgermeister, Ihr Fraktionsvorsitzender Landowsky, die massiv darauf gedrängt haben, dass dieser Flughafen stadtnah gebaut worden ist. Wir wollten ihn weiter weg haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von Claudia Hämmerling (Grüne), Volker Ratzmann (Grüne) und Dr. Michael Wegner (CDU)]

Wir nehmen die Ängste und Sorgen zur aktuellen Flugroutendiskussion ernst und wollen sie nicht kleinreden. Ganz im Gegenteil: Hier muss schnell Klarheit geschaffen, es müssen Veränderungen vorgenommen werden im Sinne dessen, was bei den Demonstrationen gefordert wird, was der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit, und Senatorin Junge-Reyer auch bereits öffentlich gefordert haben. Die von der Routenplanung betroffenen Bezirke müssen mit an den Tisch. Betroffene zu Beteiligten zu machen, ist der beste Weg, um zu tragfähigen Lösungen zu kommen. Das hat der Senat bereits auf den Weg gebracht. Wir unterstützen das mit unserem Entschließungsantrag. Wir fordern das Land Brandenburg auf, schnell über die Erweiterung der Fluglärmkommission für den Flughafen Schönefeld zu entscheiden. Ihr Antrag hingegen, Herr Friederici, ist überholt und billiges Nachklappen.

[Beifall bei der SPD]

Wären Sie ernsthaft an einem gemeinsamen Auftreten gegen die Pläne der Flugsicherung interessiert, hätten Sie gemeinsam mit uns agieren können. Stattdessen versuchen Sie, sich an die Spitze eines Bürgerprotestes zu setzen, der sein Hauptziel auch ohne Sie und mit Unterstützung des Senats längst erreicht hat, nämlich Aufmerksamkeit zu schaffen, Betroffenheit deutlich zu machen und umgehend Änderungen zu erwirken. Mein Dank gilt deshalb allen, die sich schnell und nachhaltig bemerkbar gemacht haben, die unseren gemeinsamen Interessen gemeinsam Ausdruck verliehen haben – nicht im Sinne billiger Partei- oder Standortpolitik wie bei der CDU,

[Oh! von Dr. Michael Wegner (CDU)]

sondern im Sinne des gemeinsamen Anliegens für unsere Stadt und unsere Bürgerinnen und Bürger.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Ich habe es schon erwähnt: Die CDU hat den stadtnahen Standort Schönefeld erzwungen – gegen Sperenberg –, die CDU trauert immer noch gemeinsam mit der FDP Tempelhof nach und der stellvertretende Landesvorsitzende und konservative Hoffnungsträger Dregger will Tegel offenhalten, so im Interview in der „Berliner Morgenpost“ vor zwei Wochen zu lesen.

[Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Insofern haben Sie sich aus einer glaubwürdigen Debatte um Fluglärm in der Stadt längst verabschiedet, meine Damen und Herren von der CDU.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es ist klar, dass es auch künftig Flugzeuge am Himmel über Berlin geben wird. Das hat auch niemand anders dargestellt. Die Flughafenpolitik der SPD und dieses Senats wird aber dazu führen, dass es keine Starts und Landungen mehr von Flugzeugen im Berliner Stadtgebiet geben wird. Das sind im Übrigen die kritischen, sicherheitsrelevanten Phasen beim Fliegen, und sie bringen auch die größte Lärm- und Abgasbelastung mit sich. Von diesen Belastungen werden durch die Schließung von Tempelhof und die anstehende Schließung von Tegel Hunderttausende in Reinickendorf, Spandau, Pankow, Neukölln, Tempelhof und Schöneberg entlastet. Das muss immer wieder klargestellt werden. Gegen den erbitterten Widerstand von CDU und FDP werden Hunderttausende vom Fluglärm entlastet, und das ist wichtig für die Lebensqualität in Berlin.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Ramona Pop (Grüne)]

Was ist der aktuelle Sachstand, nachdem sich der Rauch der CDU-Nebelkerzen etwas verzogen hat? – Die Deutsche Flugsicherung, die sich in der gesamten Debatte, wie bereits gesagt, nicht mit Ruhm bekleckert hat, hat klargestellt, dass zurzeit die Flugzeuge über dem Stadtgebiet durchschnittlich in einer Höhe von 2 000 Metern fliegen. In Zukunft werden sie durchschnittlich in 3 000 Meter Höhe fliegen. Wie angesichts dessen über eine Lärmbelastung von 60 bis 65 Dezibel diskutiert wird, ist nicht nachvollziehbar.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Auch Wannsee wird nach Angaben der DFS statt jetzt in 1 300 Meter Höhe künftig in 2 700 Meter Höhe überflogen werden. Das muss doch trotz aller berechtigten Verärgerung und Sorge über die bunten Linien zur Kenntnis genommen werden. Bisher müssen alle Flüge über das Stadtgebiet gehen, um nach Tegel zu gelangen, ebenso war es früher auf dem Weg von und nach Tempelhof. Künftig werden deutlich weniger Routen über das Stadtgebiet führen, zum Teil mit deutlich geringerem Flugaufkommen. Deshalb müssen wir jetzt die Diskussion mit der

Flugsicherheit führen, damit so wenig Flüge wie möglich über das Stadtgebiet geführt werden. Allein die Debatte um den 15-Grad-Abknickwinkel bei Parallelbetrieb – man lernt ständig interessante neue Dinge dazu –,

[Claudia Hämmerling (Grüne): Genau!]

zeigt die Spielräume. Es ist nicht akzeptabel, dass wegen einer Betriebsphase von wenigen Stunden am Tag mit Parallelbetrieb ganztägig auf beiden Bahnen Ausweichkurven geflogen werden sollen. Zudem reicht es vermutlich auch aus, auf einer Seite um 15 Grad abzuweichen und damit dicht besiedelte Bereiche zu vermeiden. Die meisten Flüge gehen nach wie vor nach Süden und Westen. Weshalb soll es da lange Schleifen über dem Berliner Stadtgebiet geben? Es besteht nach wie vor Aufklärungsbedarf, aber es besteht auch Hoffnung darauf, dass sich die Vernunft durchsetzt. Nach den derzeit vorhandenen Informationen bin ich diesbezüglich zuversichtlich. Die vorgelegten Planungen sind das Papier nicht wert, auf das sie aufgemalt worden sind. Es gibt Alternativen. Wir werden diese einfordern und durchsetzen, und dann können wir es mit dem sicher nicht übertriebener Senatsnähe verdächtigen Lorenz Maroldt vom „Tagesspiegel“ halten: Viel Lärm um nichts. – Unser erklärtes Ziel: Wenig Lärm über Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Volker Ratzmann (Grüne): Gar keiner mehr?]

Vielen Dank, Herr Gaebler! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Geburtstagskind, Frau Hämmerling, das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin froh über die große Allparteienkoalition gegen die geplanten Flugrouten über Berlin. Das ist eine gute Voraussetzung dafür, dass sie geändert werden. Wir setzen uns immer für den größtmöglichen Schutz der Betroffenen ein, unabhängig davon, ob sie im Osten, im Süden oder im Speckgürtel wohnen.

[Zuruf von Gernot Klemm (Linksfraktion)]

Selbstverständlich fordern auch wir ein uneingeschränktes Nachtflugverbot, unabhängig davon, wo lang die Flugrouten am Ende führen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir Bündnisgrünen haben es etwas einfacher als andere Parteien, denn wir sehen die Billig- und Vielfliegerei durchaus kritisch.

[Beifall bei den Grünen]

Wir sagen: Der Verzicht auf Kurzstreckenfliegerei, die Besteuerung von Kerosin, das wären die richtigen Schritten. Dafür jedoch finden wir im politischen Raum nicht die notwendigen Mehrheiten.

Wir haben uns natürlich konsequent für die Schließung von Tempelhof und Tegel eingesetzt, damit die Menschen in der Stadt vom Fluglärm und den Sicherheitsrisiken entlastet werden. Dort, wo Grüne mitregieren, in München oder Frankfurt/Main, konnten wir verträgliche Flugrouten bei der Deutschen Flugsicherung bewirken. Für uns ist es selbstverständlich, dass die Menschen im Berliner Süden vor den Risiken des Fluglärms und Abstürzen geschützt werden. Das ist ganz klar. Es ist möglich, diese Flugrouten an der Stadt vorbei über siedlungsarme Gebiete zu führen, auch wenn die Wege dann länger und teurer werden und auch wenn dadurch höhere CO2-Emissionen entstehen. Aber Sicherheit, körperliche Unversehrtheit und Schutz vor Lärm haben Vorrang vor allen anderen Fragen.

[Beifall bei den Grünen]

An dieser Stelle ist eben nicht nur die Regierung gefordert, sondern auch die Opposition. Ich sage Ihnen auch gleich, weshalb die CDU eine ganze Menge bewirken könnte.

Aber wir sollten auch darüber sprechen, weshalb diese Flugrouten jetzt so plötzlich vom Himmel gefallen sind. Nötig war dies nicht. Sie erinnern sich an die Standortentscheidung. Mit der Wahl von Schönefeld und gegen Sperenberg haben Wissmann, Stolpe und Diepgen – in der Koalition mit der SPD, Herr Gaebler – die Grundsatzentscheidung getroffen. Damit stand fest: Durch BBI werden mehr Menschen belastet, unabhängig davon, ob sie in Berlin oder im Umland leben, als durch Sperenberg. Die aktuelle Diskussion gibt uns Bündnisgrünen recht. Wir haben mit unserem Favoriten Sperenberg richtig gelegen. Auch das gehört zur Wahrheit.

[Beifall bei den Grünen]

Fakt ist aber auch, dass für die Planfeststellung von BBI und die rechtskräftige Schließung von Tempelhof entscheidend gewesen ist, dass künftig deutlich weniger Menschen von Lärm und Sicherheitsrisiken belastet werden dürfen. Es ist doch selbstverständlich, dass man diese Sicherheitsrisiken und den Fluglärm von den innerstädtischen Wohngebieten nicht einfach über die Gropiusstadt und den Hahn-Meitner-Reaktor verlagern darf. Das widerspricht eindeutig diesen Planungszielen.

[Beifall bei den Grünen]

Es kann und darf keine Flugroute geben, die über dicht besiedelte Gebiete führt. Ich habe den Eindruck, dass dies den Beamten der Deutschen Flugsicherung nicht bewusst ist. Klug abgewogen ist das Routenkonzept jetzt jedenfalls nicht. Wir sind optimistisch, dass es in seiner jetzigen Form weder fachlich noch politisch umsetzbar ist. Es muss geändert werden.

[Beifall bei den Grünen]

Aber am allermeisten wundere ich mich bei dieser Diskussion über die CDU. Sie protestieren lauthals über die Routen der Deutschen Flugsicherung, wo doch diese Behörde Ihrem Parteifreund, dem CDU-Verkehrminister Ramsauer, untersteht.

[Mario Czaja (CDU): CSU!]

Gut okay, so viel Zeit muss sein. – Was liegt näher, als bei Ihrer Bundesregierung zu intervenieren? Vielleicht mit dem dezenten Hinweis versehen, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil der CDU-Klientel im Berliner Süden lebt.

Auch Sie haben sich in der gesamten Planungszeit nicht mit Ruhm bekleckert. Schon 1999 wurde der DiepgenSenat von Experten auf die sich ändernde Rechtslage hingewiesen, aber reagiert hat er nicht. Wenn Sie also heute lauthals protestieren, dann sollten Sie daran denken: Wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielleicht gestatten Sie mir einen politischen Rat: Lassen Sie das mit den dicken Backen, mit diesem lautstarken Protest! Übernehmen Sie politische Verantwortung! Reden Sie mit Herrn Ramsauer! Reden Sie mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger und Herrn Röttgen! Diese Ministerien müssen nämlich an der Routenplanung ebenfalls beteiligt werden. Reden Sie mit ihnen! Erklären Sie ihnen notfalls noch mal den Planfeststellungsbeschluss, und setzen Sie sich dafür ein, dass bei der fachlichen Abwägung Lärmschutz und Sicherheit vor Flugzeugen besser berücksichtigt werden! Das dient der Sache und nutzt Ihnen am Ende auch mehr als politischer Aktionismus.

[Beifall bei den Grünen]

Gewundert habe ich mich aber auch über Frau Senatorin Junge-Reyer. In Schönefeld sollen mehr als 22 Millionen Passagiere im Jahr abgefertigt werden, und ich finde es mehr als naiv, wenn die Verkehrssenatorin jetzt erklärt, dass nur eine der beiden Startbahnen benutzt werden soll, um den neuen Sicherheitsanforderungen zu genügen. Da frage ich mich als Steuerzahlerin doch: Warum, um Himmels willen, hat der Berliner Senat so viel Geld in zwei Start- und Landebahnen investiert, wenn am Ende bloß die Kapazität einer Bahn, also die Kapazität eines Provinzflughafens genutzt werden soll? Da kann ich nur den Kopf schütteln, und das geht nicht nur mir allein so.

[Beifall bei den Grünen]

Ein weiteres Kapitel ist die seit 2004 geänderte Rechtslage. Sie verlangt andere Flugwinkel. Wir sind inzwischen alle Experten für 15- und 30-Grad-Routen geworden. Ich frage Sie aber, Herr Wowereit: Warum haben Sie seitdem nicht reagiert? Eine veränderte Rechtslage ist doch immer Anlass zu gucken, ob die Planungsziele noch so sind und so durchgesetzt werden können, wie man sich das am Anfang vorgestellt hat. Herr Wowereit! Warum haben Sie das nicht geprüft? Herr Wowereit! Warum haben Sie nicht mit der Deutschen Flugsicherung geredet? Wollten Sie das aussitzen wie den verspäteten Eröffnungstermin von BBI? Haben Sie gehofft, die Flugrouten werden erst nach der Wahl bekannt? – Darauf erwarten wir heute Antworten und im Ausschuss weitere Aufklärung.

Die Verunsicherung der Bevölkerung im Berliner Süden hätten Sie jedenfalls vermeiden können, wenn Sie mit der DFS über die veränderte Rechtslage und verträgliche Luftkorridore geredet hätten. Ich sage gar nicht, dass Sie da etwas festlegen können. Aber reden muss man doch miteinander. Sie haben weder Transparenz über die veränderte Rechtslage hergestellt, noch haben Sie öffentliche Diskussionen geführt. Zeit war genug seit 2004. Hätten Sie vorausschauend regiert, müssten Sie jetzt nicht reagieren und in vorderster Front mit den Südberlinerinnen und Südberlinern gegen den Fluglärm kämpfen. Dann müssten Sie sich nicht gegen ein Problem wenden, das erst durch eigenes Verwaltungshandeln oder Desinteresse entstanden ist. Wir erwarten, dass Sie diesen Fehler ausbügeln, indem Sie alles unternehmen, um andere Flugrouten zu erwirken. Für uns jedenfalls steht fest: Die Flugrouten müssen so verlaufen, dass Fluglärm und Sicherheitsrisiken des Flugverkehrs so wenig Menschen wie möglich betreffen, auch wenn die Flugwege länger und teurer werden und die CO2-Emissionen steigen.

[Zurufe von der SPD]

Sicherheit und Schutz der Menschen vor Fluglärm haben immer den Vorrang.