Protocol of the Session on July 1, 2010

Ich komme jetzt zur Kitaqualität. Hier möchte ich ganz besonders die Opposition ansprechen. Wer sich hinstellt und Qualitätsdefizite in den Kitas bemängelt und behauptet, das Geld versickere im System,

[Özcan Mutlu (Grüne): Der hat recht!]

der hat einfach keine Ahnung, wie sich in den letzten Jahren die Kita weiterentwickelt hat und wie unser Finanzierungssystem funktioniert. Sie missachten die Erfolge in den Kitas und die Leistungen der Erzieherinnen und Erzieher, die konsequent die Reformen umgesetzt und eine sehr gute Arbeit geleistet haben.

[Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Wir haben das Bildungsprogramm und das Sprachlerntagebuch, das sie umsetzen, sie qualifizieren sich weiter. Ihnen gilt Anerkennung und Dank dafür und keine Vorwürfe.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich möchte auch noch einmal aufklären, wenn Kinder mit einem Ganztagsgutschein in eine Kita gehen und von ihren Eltern angemeldet werden, muss die Kita ganz klar definiertes Personal vorhalten. Das wird vom Land kontrolliert. Hier versickert überhaupt kein Geld irgendwo im System.

[Mieke Senftleben (FDP): Wenn es nicht versickert, warum hakt der Senator dann nach?]

Das ist absoluter Quatsch.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Auch an die Kollegen in der CDU gerichtet: Schauen Sie sich doch einmal im Monitoring an, wie es in den CDUregierten Ländern aussieht. An Ihrer Stelle würde ich sehr still sein. Wenn Sie es wirklich ernst meinen mit der Chancengleichheit von Kindern, dann sollten Sie Ihre Herdprämie endlich in die Tonne treten, denn bevor Sie das nicht getan haben, werden wir Sie in der Kitadebatte nicht mehr ernst nehmen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Martina Michels (Linksfraktion): Bravo!]

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition! Der Länderschulleistungsvergleich ist schon ein paarmal angesprochen worden. Wenn Sie sich informiert hätten, wäre Ihnen klar geworden, dass die Ergebnisse des Vergleichs überhaupt nicht mit der Kitaarbeit in Verbindung gebracht werden können. Die 15-Jährigen, die 2009 geprüft worden sind, waren zu der Zeit gar nicht in der Kita, die haben die Kitareform überhaupt nicht miterlebt. Deshalb kann man gar keinen Vergleich ziehen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Sie sind seit 2001 in der Regierung und nicht erst seit gestern! – Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Wir haben einen Reformprozess in der Kita, und der läuft seit 2002. Hier kann man die Schlüsse, die Sie ziehen, nicht ziehen. Berlin finanziert in die Qualität, das wissen Sie. Wir haben Qualitätsvereinbarungen mit den Trägern. Das Bildungsprogramm und das Sprachlerntagebuch werden umgesetzt. 91 Prozent aller Fachkräfte verfügen über Fach- und Hochschulabschlüsse, und die Arbeit in den Kitas wird evaluiert. Sie wissen auch, dass wir dabei nicht stehen bleiben. Wir haben im Dezember Qualitätsverbesserungen beschlossen. Wir richten den Teilzeitplatz mit sieben Stunden ein. Wir haben die Beitragsfreiheit eingeführt. All diese Dinge sind überhaupt noch nicht in das Ranking der Bertelsmann-Stiftung eingeflossen. Was ganz klar ist: Wir werden beim nächsten Ranking unseren Spitzenplatz noch weiter ausbauen.

Ich komme an dieser Stelle zum Thema Schule. Ich möchte das Thema Schnittstelle Kita und Grundschule ansprechen. Ich glaube, dass sich da in den letzten Jahren sehr viel getan hat,

[Mieke Senftleben (FDP): Gar nichts hat sich getan!]

dass es sehr positive Kooperationsprojekte gibt. Aber ich bin auch der Auffassung, dass es an dieser Stelle Weiterentwicklungsbedarf gibt. Ich würde mich freuen, wenn die Grundschulen die Instrumente annähmen, mit denen die Kitas arbeiten, wie beispielsweise das Sprachlerntagebuch, das immer noch nicht von allen Grundschulen angenommen wird. Es muss darum gehen, fließende Übergänge zu organisieren und keine Lernbrüche. Aus diesem Grund finde ich es gut, dass Senator Zöllner sich diese Schnittstellenproblematik noch einmal vornimmt und ein Konzept erarbeitet.

Ein wesentlicher Schritt zur Chancengleichheit und Durchlässigkeit im Bildungssystem ist die Einführung der integrierten Sekundarschule. Die Schulstrukturreform macht Schluss mit dem Stigma der Hauptschule.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Özcan Mutlu (Grüne): Dazu mussten Sie getrieben werden!]

Ab diesem Sommer können die Berliner Kinder die integrierte Sekundarschule besuchen. Wir legen Haupt-, Real- und Gesamtschule zusammen, und die Kinder bekommen ein gleichwertiges Bildungssystem angeboten. Mit dem Ansatz stoßen wir – auch wenn es Ihnen nicht passt – auf gesellschaftliche Unterstützung. Die IHK, viele Eltern, die Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Gruppen unterstützen uns. Sie sind der Auffassung, dass die integrierte Sekundarschule genau der richtige Weg ist.

Alle Kinder haben in Zukunft die Möglichkeit, ihr Abi zumachen,

[Mieke Senftleben (FDP): Das gibt es heute auch schon!]

ob es auf dem Gymnasium ist oder in der integrierten Sekundarschule. Alle Kinder auf der Sekundarschule lernen in kleinen Klassen. Sie haben ein Ganztagsangebot, sie erfahren informelle Bildungsprozesse. Und das Gymnasium werden wir auch stufenweise zur Ganztagsschule ausbauen.

[Mieke Senftleben (FDP): Ach ja!]

Sie sehen also, wir reden nicht nur über Chancengleichheit und Durchlässigkeit, sondern wir setzen dies auch in Bildungsreformen um. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Scheeres! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Statzkowski das Wort. – Bitte sehr!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rot-Rot versucht mit dieser Aktuellen Stunde wieder einmal, von durch sie erzeugten Problemen in der Bildungspolitik abzulenken. Sie versuchen wieder einmal, den für Berlin katastrophal ausgefallenen Vergleich des Bildungsstandards zwischen den Bundesländern schönzureden, mit Ihren potemkinschen Kulissen zu verzieren.

Wie wenig vorzeigbare Regierungsprojekte hat die rotrote Mehrheit hier im Haus, wenn man in Zeiten größter bildungspolitischer Katastrophen die rot-rote Schulpolitik als Thema der Aktuellen Stunde anmeldet? Wie verzweifelt muss Rot-Rot angesichts des objektiv zu konstatierenden Desasters in der Schulpolitik sein? Wie sieht es denn mit dem selbst erklären Schwerpunkt in der Politik aus, wenn man mal schaut, dass Herr Nußbaum offen

sichtlich in der Regierung das Sagen hat und wir im Bildungsbereich in den letzten Jahren einen Rückgang von rund 5 Prozent des Etats zu verzeichnen haben?

Es zeigt sich, dass Sie durch die Verleugnung des Elternwillens, durch die Absenkung des Leistungsniveaus und durch die Bekämpfung der Gymnasien weiterhin Ihre Ideologie in den Vordergrund Ihrer Überlegungen stellen. Rot-Rot verweigert sich permanent der Wirklichkeit, die, dokumentiert durch Vergleichsuntersuchungen wie PISA, IGLU oder die in der letzten Woche vorgelegten Untersuchungsergebnisse zu den bundeseinheitlichen Bildungsstandards, immer wieder aufgezeigt wird.

[Beifall bei der CDU]

Trotz oder gerade wegen der durchgeführten Reform bleibt Berlin auf der Verliererstraße. Rot-Rot hat aber die Verantwortung für die Abschaffung gelungener Schulprojekte, die für mehr Chancengleichheit, Durchlässigkeit und Gerechtigkeit stehen, wie die Abschaffung der Aufbauzüge an den Gymnasien, die Abschaffung der kooperativen Haupt- und Realschulen. „Viel Geld, wenig Qualität“, so betitelt der „Tagesspiegel“ die Erkenntnisse aus der Studie der Bertelsmann-Stiftung. Gemeint ist die Reform der vorschulischen Bildung, bei der Berlin die Vorklassen abgeschafft hat, den Kitas das Türschild „Bildungseinrichtung“ gegeben hat, sie dann aber allein gelassen hat. Es reicht eben nicht, einfach nur Sprachtagebücher in den Kitas zu verteilen und dann zu hoffen, dass die Kitas damit zu einer Bildungseinrichtung werden.

[Beifall bei der CDU]

Erst ein Volksbegehren und Gerichte mussten den Senat zu Verbesserungen in der Personalausstattung zwingen. Jetzt versucht der Finanzsenator, dies über einen finanziellen Druck auf die Bezirke zurückzudrehen. Doch die Eltern in Berlin sind wehrhaft, wenn es um die Missachtung der Bildung ihrer Kinder geht.

Bildungschancen aller Kinder in der Vorschule zu erhöhen und Bildungsgerechtigkeit zu verbessern hätte eigentlich in Berlin mit dem Berliner Bildungskonzept die Mutter der Bildungsreformen sein müssen. Doch was bei der Vorstellung der IGLU-Ergebnisse 2008 von der KMK und dem damaligen Vorsitzenden Zöllner erklärt wurde, ist in Berlin nicht eingelöst worden. Damals sagte Herr Zöllner bei der Vorstellung der Ergebnisse zu den vermeintlichen Erfolgen: Die Bildungsreformen beginnen zu wirken. – Er formulierte damit das Ziel zur Verbesserung der schulischen Leistungen als Hauptziel seiner Amtszeit. Damit ist Rot-Rot, damit sind Sie, Herr Senator Zöllner, gescheitert.

[Beifall bei der CDU]

Viele Bundesländer haben bereits messbare Erfolge aus ihrer Reformarbeit vorzuzeigen – Berlin nicht. Im vorgestellten Ländervergleich zur sprachlichen Kompetenz kommen die Autoren unter anderem zu folgenden Aussagen: Berlin liegt im Kompetenzbereich Deutsch-Lesen signifikant unter dem deutschen Mittelwert. Im Kompetenzbereich Englisch beträgt der Abstand zwischen Berlin

und Bayern ca. ein Schuljahr. Berlin hat eine besonders große Leistungsstreuung innerhalb der Schülerschaft. Daran mangelt es hier. Chancengleichheit, wie Sie sie postulieren, führt diese Studie ad absurdum.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Özcan Mutlu (Grüne)]

Lassen Sie uns doch einmal unaufgeregt eine inhaltliche Diskussion, fernab von Ideologie, von Ihrer Ideologie, darüber führen, wie wir die Qualität dessen, was an der Berliner Schule passiert, verbessern können.

[Gelächter bei der Linksfraktion – Mieke Senftleben (FDP): Geht nicht!]

Lassen Sie uns doch einmal an der Sache orientiert darüber reden, wie wir ein besseres Abschneiden der Berliner Schülerinnen und Schüler erreichen können! Eine an der Sache orientierte Debatte, die muss man bei Rot-Rot leider vermissen.

[Beifall bei der CDU]

Alles, was wir in Berlin von Rot-Rot bisher kennen, ist die gescheiterte Schulanfangsphase, die ohne zusätzliche personelle und materielle Ausstattung und einen steten Anstieg der sogenannten Verweiler weiterhin durchgesetzt werden soll, auch wenn den Schulen die Voraussetzungen fehlen oder Eltern und Lehrer sie gar nicht wollen. Immer häufiger scheitern Berliner Schülerinnen und Schüler in der Grundschule, so der Aufschrei vieler Schulen bei den kürzlich durchgeführten Vergleichsarbeiten VERA 3 der dritten Klassen. So hilft auch das Schönreden der katastrophalen Vergleichsergebnisse aus dem Bildungsstandard nichts. Es ist problematisch, wenn der Senator als Entschuldigung für sein Versagen den hohen Anteil von Kindern nichtdeutscher Herkunft bemüht. Und es ist bezeichnend für den Senator und seine Verwaltung, den wirklichen Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund sogar noch falsch zu benennen. Fakt ist: 20 Jahre sozialdemokratische Bildungspolitik haben die Stadt Berlin keinen einzigen Schritt vorangebracht.

[Beifall bei der CDU]

Die IGLU-Studie räumte bereits 2008 mit dem Märchen der Linken auf, dass die gemeinsame Grundschule per se gute Arbeit leiste und die Schülerleistungen relativ gleich seien, während die Probleme erst durch das gegliederte Oberschulsystem entständen. Aber es zeigt sich, dass die schwächeren und die stärkeren Schüler in keinem anderen Bundesland so weit auseinanderliegen wie in Berlin. Von Chancengleichheit keine Spur!

Fakt ist: Berlin hat durch die Art und Geschwindigkeit seiner Reform keinen messbaren Fortschritt bei der Bildung unserer Kinder erreichen können. Die Schulreform in Berlin greift im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern also nicht oder viel zu spät. Gerade jetzt dürfen wir trotzdem bei der Umsetzung der Sekundarschulreform die gleichen Fehler miterleben. Während das Lieblingsmodell Gemeinschaftsschule mit einer festen Finanz- und Ausstattungszusage beginnen konnte, müssen die Sekundarschulen erst darum kämpfen. Die Gymna

sien, die in der Ländervergleichsstudie auch in Berlin das Kompetenzniveau verbessern, werden systematisch vernachlässigt. Schon jetzt warnen Schulleiter von Sekundarschulen, von Gymnasien dass angesichts des Bremsers Nußbaum und der zu späten und mangelhaften Organisationsvorgaben von Senator Zöllner zu Beginn des kommenden Schuljahrs mit großen Lücken in den Stundenplänen zu rechnen ist.

Ob umgesetzte Stellen oder nicht abgeschlossene Kooperationsvereinbarungen – die Gründe sind vielfältig. Rot und Rot mit ihrem Bildungssenator Zöllner haben hier im Haus immer wieder versprochen, dass sich die Ergebnisse Berlins im Vergleich zu den anderen Bundesländern verbessern. Angesichts der aktuellen Untersuchungen und Analysen der Vergleichsarbeiten lässt sich heute objektiv feststellen: Rot-Rot und mit ihm Bildungssenator Zöllner sind kläglich gescheitert. Das Versagen liegt allerdings offen.