Herr Schruoffeneger! Die Krankenhäuser der Charité, alle drei, haben selbstverständlich die Aufgabe, auch Regelversorgungen vorzunehmen. Wenn Sie Kinder haben – das weiß ich nicht genau –, dann wissen Sie, dass die Entscheidung über das Geburtskrankenhaus eine hoch sensible Frage ist.
Das hat etwas mit Vertrauen zu tun und dem guten Gefühl. Ich kann jeden Berliner und jede Berlinerin verstehen, die für die Geburt des eigenen Kindes das bestmögliche Krankenhaus haben möchte. Wenn das das Universitätsklinikum ist, dann ist das keine Schande für Berlin, sondern ein gutes Zeichen.
Die Charité spielt weltweit in der Spitze mit, und, Herr Czaja, es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, dass immer dann, wenn etwas in der Stadt gelingt, dies trotz der Regierung, trotz Rot-Rot gelingt. Wenn es nicht gelingt, dann sind wir schuld.
Dieses Spiel haben Sie vorhin auch abgezogen, und das ist peinlich, das ist schlicht, und das ist das Ergebnis von vielen Jahren Opposition. Das ist das Pfeifen im Walde und letztendlich das Rufen nach weiteren Jahren der Opposition.
Jetzt ist die Charité an der Weltspitze, und noch schwieriger, als an die Weltspitze zu kommen, ist es, an der Weltspitze zu bleiben. Die Charité hat große Herausforderungen vor sich beim Erreichen dieses Ziels, an der Weltspitze zu bleiben. Ich möchte Ihnen gern drei dieser zentralen Herausforderungen kurz skizzieren.
Die erste Herausforderung ist die Sanierung und Modernisierung der Infrastruktur, der Gebäude ebenso wie der Geräte. Wir wissen, es gibt einen Investitionsstau in der Charité, und wir wissen auch, dass die Ausstattung aktuell nicht zu einem wirtschaftlichen Ergebnis der Charité beiträgt. Wären die Gebäude moderner, wäre die Ausstattung moderner, dann hätten wir ganz andere Jahresergebnisse. Die Charité hat nun durch den Senatsbeschluss eine Grundlage dafür erhalten, rasch mit Sanierungsarbeiten zu beginnen. Der Senat hat – und das ist ein hoher Betrag – insgesamt 330 Millionen Euro im Zusammenarbeit mit diesem Parlament als Haushaltsgesetzgeber für die Sanierung der Charité zur Verfügung gestellt. Wir unterstützen es, dass der Senat sich entschieden hat, alle drei bettenführenden Standorte der Charité zu erhalten. Die Charité steht auf vielen Standbeinen gut, und das wird sie auch in Zukunft weiterhin tun. Das ist eine richtige Entscheidung, das ist gut für Berlin, gut für die Gesundheitsstadt und für die Wissenschaftsstadt.
Jetzt könnte man einwenden, dass dieser Beschluss für Steglitz nichts wert sei, wenn man nicht im gleichen Atemzug zusätzliches Geld zur Verfügung stellt. Diese Argumentation geht ins Leere, weil sie von falschen Voraussetzungen ausgeht.
Nein, ich möchte den Gedanken gern zu Ende bringen. – Sie geht deshalb von falschen Voraussetzungen aus, weil erstens der Investitionsbedarf in Steglitz noch gar nicht abschließend geklärt ist. Zweitens werden diese Mittel frühestens im Jahr 2013 verbaut werden könne, weil bis dahin Planungen vorgenommen werden müssen. Drittens stehen uns aktuell – und das werden alle, die sich mit dem Haushalt auskennen, wissen – keine seriösen Möglichkeiten des Haushaltsrechts zur Verfügung, um für die Jahre 2013, 2014, 2015 und 2016 Millionen Euro in den Haushalt einzustellen. Diese Koalition und der Senat sind mit der Entscheidung für alle drei Standorte eine Verpflichtung eingegangen. Diese Verpflichtung heißt, in den Jahren 2012 und folgende für die Finanzierung eben dieses
Projekts Sorge zu tragen. Wir stehen zu diesem Wort – alles andere, sich hier hinzustellen und zu fordern, sofort die Millionen auf den Tisch zu legen, ist entweder naiv oder populistisch.
Die zweite Herausforderung der Charité ist es, die Medizinerausbildung zu modernisieren. Seit mittlerweile bald einem Jahrzehnt gibt es einen Modellstudiengang, der die Trennung zwischen klinischer und vorklinischer Ausbildung durchbrochen hat. Wir finden, dass es höchste Zeit ist, die Erfahrungen daraus in einen Reformstudiengang zu überführen. Wir finden es sehr schön und begrüßenswert, dass die Charité genau auf diesem Weg momentan Schritte in die richtige Richtung macht. Das Ganze bedarf allergrößter Sensibilität und – das wissen wir auch sehr genau – zusätzlicher Ressourcen. Wir erwarten, dass bei den anstehenden Verhandlungen zu den Hochschulverträgen der Charité die Mehrbedarfe, die aus einer Umstellung der Studiengänge entstehen, berücksichtigt werden. Wir haben im Haushalt bereits Vorsorge getroffen und mehr Geld für die Charité eingestellt. Ich denke, dass man da im Rahmen der Verhandlungen relativ rasch zu einem produktiven Ergebnis kommen wird.
Die dritte Herausforderung ist die Klärung des Binnenverhältnisses zwischen Charité und Vivantes. Wir haben in Berlin zwei große Krankenhausakteure. Wir Sozialdemokraten stehen dazu, dass in Berlin in diesem wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge der Staat einen nennenswerten Anteil des Angebots vorhält. Wir finden es gut, dass beide, Charité und Vivantes, vollständig in öffentlicher Hand sind. Beide Unternehmen haben von uns die Vorgabe, dass sie wirtschaftlich agieren müssen, dass am Ende des Jahres mindestens eine schwarze Null stehen muss. Beide Unternehmen haben die Schwierigkeit, dass in einem normalen Verfahren zu erreichen, und beide haben sich eine Expansionsstrategie vorgenommen, um das zu realisieren.
Es liegt auf der Hand, dass in einem so begrenzten Markt wie dem Krankenhausmarkt eine Expansionsstrategie zweier so wichtiger Akteure in der Regel nicht für beide aufgeht. Deshalb heißt für uns das Zauberwort nicht Konkurrenz, sondern Kooperation. Wir wollen verstärkte Kooperation zwischen Charité und Vivantes, und der erste Schritt ist eine Fusion der Labore. Dass dieser Schritt nicht der erste Schritt in eine Privatisierung ist, untermauern wir mit dem Antrag, den wir heute eingebracht haben, dass nämlich bei einem fusionierten Labor der Verkauf von Anteilen oder des gesamten Labors an Dritte ausgeschlossen wird. Wir stehen dazu: Das ist öffentliche Aufgabe, und auch in einem fusionierten oder herausgelösten Betrieb wird das eine öffentliche Aufgabe bleiben.
Wir glauben aber auch, dass ein gemeinsamer Weg nur dann funktioniert, wenn es ein gemeinsames Ziel gibt. Deshalb möchten wir sehr gründlich darüber diskutieren, ob ein Zusammengehen beider Institutionen nicht doch Vorteile bringt und ob das mit den Zielen, die wir für die Gesundheitsstadt Berlin haben, in Einklang zu bringen ist.
Synergien sind möglich durch Kooperation, aber eine Kooperation braucht eine Perspektive, und eine solche Perspektive kann eben auch eine Fusion sein.
Lassen Sie mich abschließend darauf eingehen, was hier an sonstigen Vorschlägen für die Charité auf dem Tisch liegt. Wir haben die schöne Situation, dass eigentlich fast alle Fraktionen in diesem Haus Farbe bekannt haben. Das begrüße ich ausdrücklich, denn viel zu oft machen Sie sich, wenn es konkret wird, in die Büsche, sind zu schüchtern – um nicht zu sagen zu faul oder zu feige –, konkrete Vorschläge zu machen. Diesen Vorwurf kann man Ihnen hier tatsächlich nicht machen.
Es liegen uns drei konkrete Vorschläge vor. Aber ein Vorschlag ist, nur weil er gemacht wird, nicht auch automatisch gut. Und er ist auch nicht deshalb schon gut, weil er möglichst radikal daherkommt. – Ich schaue da die Kollegen Meyer und Czaja an. Was Sie mit der Charité vorhaben, ist nichts weniger als eine Zerschlagung. Sie wollen Hunderte Wissenschaftler auf die Straße setzen. Sie wollen die Krankenversorgung in Mitte abholzen, und Ihren übrig gebliebenen Trümmerberg schichten Sie dann im Südwesten auf. Das ist mit Sicherheit keine Lösung, die der Charité, Vivantes oder der Gesundheitsstadt Berlin gerecht wird.
Die Grünen haben eine Holding ins Gespräch gebracht. Das ist etwas, worüber man tatsächlich nachdenken kann. Aber Sie irren, wenn Sie glauben, das in zwei Jahren hinzubekommen.
Sie irren auch, wenn Sie glauben, dass Sie mehr Investitionen mit weniger Investitionsmitteln hinbekommen. Insgesamt wird man nicht so recht schlau aus dem, was Sie vorgeschlagen haben. Das mag daran liegen, dass Sie selber nicht so genau wissen, was Sie wollen. Oder haben die Herren Schruoffeneger und Ratzmann mittlerweile ihre Differenzen beigelegt?
Die CDU hat letztes Jahr, im Sommerloch 2009, eine fixe Idee des Herrn Lenzen aufgegriffen und gefordert, das UKBF zu privatisieren und damit die Charité zu zerschlagen.
Sie rannten Herrn Lenzen hinterher. Dumm war nur, dass Herr Lenzen Ihnen weggerannt ist und Sie schon im Herbst im Hamburger Regen hat stehen lassen. Diese Idee ist substanzlos und absurd. Sie haben sie seitdem zum Glück auch nicht wieder aufgewärmt. Aber, Herr Czaja, Sie können uns gleich im Einzelnen erklären, was das eigentlich für eine Lösung sein soll, wo Sie einen Teil der Charité verkaufen, ein ungeklärtes Verhältnis zur FU und HU übriglassen und mit dem Rest dann irgendwas anfangen. Das ist nicht seriös. Das mag zwar ein Vorschlag sein, aber ein guter ist das bestimmt nicht.
Ich komme zum Schluss. – Wir haben der Charité ein verlässliches Angebot unterbreitet, ein Angebot, das der Charité gerecht wird, ein Angebot, das sich mit unseren Ansprüchen an die Wissenschaftsstadt und die Gesundheitsstadt Berlin verbindet. Ein radikaler Schnitt ist nicht per se eine Qualität. Wir setzen auf Verlässlichkeit und auf einen evolutionären Weg, an dessen Ende dann eine weiterhin starke Charité und ein weiter sich positiv entwickelnder Gesundheitsstandort Berlin stehen wird. – Herzlichen Dank!
Na, Herr Oberg, jetzt haben Sie sich aber an den Brüdern Czaja abarbeiten können! Das ist ja schön für Sie heute! – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal, Herr Kollege Oberg: Herr Lenzen ist nicht davongelaufen, sondern Sie haben Herrn Lenzen aus der Stadt geekelt.
Dass Sie sich dafür rühmen, das ist Ihr Ding; dafür müssen Sie geradestehen. Unsere Auffassung ist das jedenfalls nicht, dass man da so hämisch hinterhergrinst, wie Sie und Ihr Regierender Bürgermeister das bei Herrn Prof. Lenzen, der zweifellos in der Republik über ein hohes Renommee verfügt, getan haben.
Bei der Charité und Vivantes haben Sie, Herr Oberg, entschieden, nichts zu tun – seien Sie doch ehrlich. Es war ein monatelanger Streit zwischen drei Senatoren mit unterschiedlichen Konzepten und Modellen, und am Ende ist dabei herausgekommen, dass sie es so lassen wollen, wie es jetzt ist. Das als großes Konzept darzustellen, haben Sie versucht – gelungen ist es Ihnen nicht. Sie haben gesagt: Hurra, wir kapitulieren und entscheiden nichts, jedenfalls nicht bis zur nächsten Wahl! Das ist schade für die Gesundheitsstadt Berlin, weil damit bis zum Frühjahr 2012 – denn eher wird es wohl keine Entscheidung geben, wenn es eine neue Regierung gibt – keine Entscheidung getroffen wird und die anderen Standorte an uns vorbeiziehen. Heidelberg, Hannover, LMU – ich habe die Beispiele vorhin schon genannt.
Was haben Sie im Kern entschieden? – Im Kern haben Sie gesagt, dass Sie sich erst einmal zu den drei Standorten bekennen. Das tun wir auch, uns zu den drei Standorten Virchow, Mitte und UKBF in Steglitz zu bekennen.
Sie haben im Weiteren gesagt, dass Sie einen weiteren Bettenabbau vorhaben. 500 Betten wollen Sie, insbesondere bei der Charité, zurücknehmen. Man kann darüber nachdenken, ob so etwas an der einen oder anderen Stelle sinnvoll ist. Aber wie das mit der Versorgungslandschaft der Stadt zusammenpasst, haben Sie nicht gesagt.
Sie haben darüber hinaus gesagt, Sie gäben der Charité 330 Millionen Euro Investitionsmittel ab dem Jahr 2014, obwohl Sie wissen, dass schon der Standort in Mitte mindestens 600 Millionen Euro brauchen wird. Die Schätzung für die gesamte Charité liegt bei über einer Milliarde Euro. Das heißt: Eine belastbare Investitionsplanung für die Charité ist das nicht.
Sie glauben doch nicht im Ernst, Herr Oberg, dass Ihnen die Öffentlichkeit – und erst recht nicht die Fachöffentlichkeit – abnimmt, dass Sie hier ein Problem gelöst hätten! Sie haben lediglich den Status quo wiederhergestellt. Sie haben die Zusagen zu allen Standorten verkündet, ohne dafür die Voraussetzungen zu schaffen.
Ihre drei Senatoren haben sich gezankt wie die Kesselflicker. Sie haben keine ordentliche Bedarfsanalyse hinbekommen. Herr Nußbaum ist heute aus Verärgerung über dieses Thema gleich zu Hause geblieben. Unterschiedliche Problemlösungsansätze durften nicht diskutiert werden. Sie wissen es doch ganz genau, welche Modelle auf dem Tisch lagen und warum nichts passiert ist! Schon die Möglichkeit von Kooperationen und Partnerschaften mit Frei-Gemeinnützigen haben Sie völlig abwegig behandelt.
Zu dem Vorschlag, den wir letztes Jahr gemacht haben, werde ich nachher schon noch kommen. Ihre Aussage, dass wir damit eine blinde Privatisierung gewollt hätten, ist aber nicht richtig.
Es war sicherlich nicht die Tatsache, dass Ihnen gesagt wurde, in der Charité in Mitte werde ab 2014 die Fassade abfallen. Es war sicherlich auch nicht die Kritik einiger Abgeordneter, wie mit dem Thema Charité umzugehen sei. Es war vielmehr die Fachöffentlichkeit; es war die Charité-Führung selbst; es war die Geschäftsführung von Vivantes, und es waren die anderen 69 Krankenhäuser, die Sie gezwungen haben, jetzt eine Entscheidung zu treffen.
Wohin aber wird dieser Nichtbeschluss, den Sie getroffen haben, führen? – Er führt zumindest zu einer Unterfinanzierung an allen vier Standorten und damit zwangsläufig zu Standortschließungen, Personalabbau und schlechter Patientenversorgung. Sie sollten Ihrer Bekannten sagen, dass sie sich, wenn sie ihr zweites Kind bekommt, lieber ein anderes Krankenhaus in Berlin aussuchen sollte, wenn Sie in dieser Stadt noch ein paar Tage länger Verantwortung haben.
Sie haben unterschiedliche Vorschläge auf den Tisch bekommen. Die IHK hat beispielsweise vorgeschlagen,