Protocol of the Session on May 6, 2010

Wir kommen zur zweiten Runde. Es gibt noch eine gewisse Restzeit.

[Christian Gaebler (SPD): Wir wollen die FDP hören! – Zurufe von der Linksfraktion und den Grünen: Nein!]

Ich nehme an, die Sozialdemokraten werden sie nicht in Anspruch nehmen. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollegen Wansner das Wort – mit einer Redezeit von 2 Minuten und 31 Sekunden. – Bitte schön!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Innensenator! Ihr Auftritt heute ist mehr oder weniger die

Entwicklung der letzten Zeit. Sie haben bis vor einem halben Jahr – das müssen Sie schon so mitnehmen! – über den Linksradikalismus in dieser Stadt im Innenausschuss nicht gesprochen. Das haben Sie immer Ihrem Polizeipräsidenten überlassen. Sie taten bis vor einem Jahr so, als ob es den Linksradikalismus in Berlin nicht gebe. Das müssen Sie sich schon anhören.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Träumen Sie oder was?]

Herr Fraktionsvorsitzender der SPD, Herr Müller! Ein bisschen mehr Demut, wenn man mit einem linksradikalen Partner in dieser Stadt regiert,

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

wäre angebracht.

Ich möchte mich, lieber Herr Innensenator, als der Abgeordnete der CDU-Kreuzberg auch bei der Polizei bedanken. Bei der Polizei, die es erstmalig ermöglicht hat, dass wir an diesem Tag in diesem Bezirk aufstehen konnten. Sie wollten es vor einem Jahr mehr oder weniger nicht.

Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung: Wenn man dann um 14.00 Uhr in der Oranienstraße steht und ein Demonstrationszug vom Moritzplatz kommt, der skandiert: „Nie wieder Deutschland!“ oder: „Deutschland, verrecke!“, dann hat man in diesem Bezirk seine Probleme mit dem Umgang. Irgendetwas, lieber Herr Innensenator, läuft in dieser Stadt schief! Herr Ratzmann, auch damit müssen sich die Grünen in dieser Stadt insgesamt beschäftigen!

Ich hätte Ihnen heute gern – wenn ich noch mehr Zeit gehabt hätte – Briefe einiger Anwohner aus dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg vorgelesen. Es sind Anwohner, die sich in diesem Bezirk eine Wohnung gekauft haben, eine etwas bessere Wohnung. Sie kommen aus Israel, aus Russland und stellen in diesem Bezirk fest, dass einige andere Anwohner der Auffassung seien, dass sie nicht in diesem Kiez wohnen sollten. Und die uns unterstellen, Herr Innensenator, dass wir uns dem Linksradikalismus, wie wir ihn in diesem Bezirk haben, nicht entgegenstellen.

[Udo Wolf (Linksfraktion): Sie sind eine Farce!]

Deshalb ist es Unsinn, mit den Linken eine Diskussion zu führen. Aber mit den Grünen, Herr Ratzmann, ist der Ansatz, dass man sich mit diesen Auswüchsen, insbesondere in einem Bezirk wie Friedrichshain-Kreuzberg und Prenzlauer Berg, beschäftigen muss.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Wenn es uns nicht gelingt, den Ansätzen gerade der Linksradikalen, die in der Stadt zwischenzeitlich die Rechten in vielen Dingen – Herr Lux, das müssten Sie auch wissen! – kopieren, – –

Bitte kommen Sie zum Schluss!

Ich war mit dem Innensenator vor einigen Jahren in der Emmauskirche. Wenn Sie die Diskussion dort erlebt hätten, stellten Sie fest, dass sich deren Diskussionskultur in der Zwischenzeit hin zu einer gemeinsamen Schiene entwickelt. Ich warne davor, wenn man Politik wie einen Globus sieht, –

Ihre Zeit ist abgelaufen

dass sich irgendwann in dieser Stadt Linksradikale mit Rechtsradikalen politisch gemeinsam abstimmen. Deshalb ist meine Bitte, die Diskussion in diesem Haus über den 1. Mai zum Linksradikalismus und Rechtsradikalismus etwas ruhiger zu führen.

[Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der Linksfraktion]

Jetzt hat Herr Kollege Lux von den Grünen das Wort. – Bitte!

Danke, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute als Berliner Abgeordnetenhaus, als die gewählten Vertreterinnen und Vertreter dieses Landes eigentlich mehr den Schulterschluss suchen und auf die Bürgerinnen und Bürger der Stadt zugehen, auf die vielen Berlinerinnen und Berliner, die gleich uns einen 1. Mai erlebt haben, der es in sich hatte. Wir haben viel über Lagen gesprochen, die die Polizei herausgefordert haben, aber es gab eben auch die Berlinerinnen und Berliner, die auf die Gewerkschaftsdemo gegangen sind. Das waren in diesem Jahr tausend Menschen mehr, die für soziale Rechte, für mehr Rechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gekämpft haben, gegen prekäre Arbeitsverhältnisse.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Auch das ist ein Hoffnungssignal an diesem Tag gewesen. Es gab viele, die diesen Tag für die Familie genutzt haben; viele, die diesen Tag für die Freizeit genutzt haben; viele, die am 1. Mai auch politisch gedacht und überlegt und das zum Ausdruck gebracht haben. Ich möchte es ironisch sagen: Die einzigen Leute, die an diesem Tag Grund für Krawall gehabt hätten – unberechtigten Grund –, das sind die Menschen, die an Hertha BSC gehangen haben, denn seit diesem 1. Mai ist die Hauptstadt ohne Bundesligaverein.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wir haben den 1. FC Union, der ist in der zweiten Bundesliga!]

Auch hier ist gesellschaftliches Leben erfolgt, auch hier sollten wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier das Gefühl in der Bevölkerung aufzunehmen wissen und zurückgeben können. Stattdessen leisten wir uns hier eine lächerliche Debatte, die, angeführt von der FDP, darin liegt, zu spalten, auch die anderen demokratischen Parteien, die ich hier sehe, zu spalten. Ich hoffe, Sie überwinden das und überwinden es, andere demokratische Parteien spalten zu wollen. Das, was wir heute bei Ihnen gesehen, haben – da war ich mir mit allen anderen Leuten aus den anderen Parteien einig –, das erinnert tatsächlich an düstere Zeiten, an Zeiten, in denen die Demokraten nicht mehr zusammenstanden. Ich bitte Sie ganz aufrecht: Verlassen Sie diesen Kurs! Suchen Sie mit uns gemeinsam eine Politik gegen Extremismus, Rechtsextremismus, gegen Linksextremismus, gegen sonstigen Extremismus! Da werden Sie uns auch an Ihrer Seite haben. Aber bitte tun Sie das redlich und nicht in der Form, wie heute hier vorgetragen!

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Der Innensenator ist ja auch der Sportsenator, deshalb darf man das mit dem Sport auch vortragen. – Zwei Dinge haben wir noch nicht gesehen. Er hat es eben geschafft, sich den Erfolg anzuheften, dass es weniger Gewalt gegeben hat. Ja, das war ein Erfolg! Aber das darf längst nicht das bleiben, was es werden soll. Jede Gewalttat am 1. Mai ist zu bekämpfen, ist abzulehnen. Da werden wir auch in den nächsten Jahren weiter daran arbeiten.

Herr Körting! Ich möchte Ihnen noch eine Sache sagen. Sie wissen, die dritte Halbzeit: Die vielen Polizistinnen und Polizisten, die Staatsanwälte, die Bereitschaftsrichter, die sich dann um die Festgenommenen kümmern müssen, aber auch die Anwälte und Strafverteidiger, die haben an diesem 1. und 2. Mai wieder eine Situation vorgefunden, die für einen Rechtsstaat nicht befriedigend ist. Es gibt viele Beschuldigte – es ist mir da völlig egal, ob sie links oder rechts sind –, die nicht die Möglichkeit hatten, mit ihren Rechtsbeiständen zu telefonieren. Auch hier muss sich ein Rechtsstaat fragen: Wollen wir das? Auch das liegt in Ihrer Verantwortung.

Der zweite Punkt ist die individuelle Kennzeichnung der Polizeibeamtinnen und -beamten. Es steht eigentlich in Ihrem Koalitionsvertrag. Herr Wolf hat sich das heute Morgen gewünscht. Aber es liegt in Ihrer Verantwortung, das umzusetzen. Wenn eine linke Bundestagsabgeordnete sagt, sie soll noch in dieser Legislatur kommen, dann können wir Sie nur auffordern. Wir haben alle diesen einen Tritt des Berliner Polizisten gesehen. Wir können nur sagen, eine individuelle Kennzeichnung muss sofort kommen. Sie muss groß und einprägsam sein und auch nachts leuchten oder wenigstens reflektieren. Auch hier sollten wir immer wieder rechtsstaatliches Maß halten. Auch das ist eine Antwort auf diesen 1. Mai, auf das wir noch viele politisierte 1.-Mai-Veranstaltungen haben und

dass die Gewerkschaften im nächsten vielleicht noch mehr Zulauf haben werden. – Danke!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Jotzo. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Lux! Ich glaube, es ist gute Tradition, dass man auch in einem solchen Haus die Dinge beim Namen nennt. Das haben wir heute getan.

[Jutta Matuschek (Linksfraktion): Sie haben sich vergriffen!]

Das ist mir auch ein Anliegen gewesen, weil es um nichts weniger geht als um die grundsätzlichen Werte in unserer Verfassung. Ich muss sagen, Herr Lux, ich habe mich über Ihre Rede sehr gefreut.

[Gelächter bei der Linksfraktion – Zurufe von der Linksfraktion]

Wir nehmen das Angebot gerne auf. Wir werden mit Ihnen gemeinsam im Innenausschuss dafür streiten, dass wir uns in der von Ihnen geschilderten Art und Weise treffen.

Es ist nicht unsere Absicht zu spalten. Vielmehr ist es unsere Absicht, zu einem Ergebnis zu kommen, das für unsere Stadt das beste ist,

[Zuruf von Christian Gaebler (SPD) – Zurufe von der Linksfraktion]

zu einem Ergebnis für Toleranz in Berlin, gegen jede Art von Extremismus. Das ist das, wohin wir auch wollen. Wenn Sie an unserer Seite stehen, nehmen wir das gern auf.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Michael Schäfer (Grüne): Da klatscht selbst die die FDP nicht mehr!]

Zur Erwiderung hat jetzt der Herr Kollege Lux das Wort. – Bitte!

Herr Jotzo! Jetzt müssen Sie sich aber entscheiden.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der SPD]

Kurz vor dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Heute an dem Tag, an dem gegenüber das Ausstellungsgebäude der Topografie des Terrors eröffnet wurde, tun Sie uns gedanklich in ein Lager mit den Neonazis. Das haben Sie hier gesagt.

[Björn Jotzo (FDP): Das stimmt nicht!]

Sie haben gesagt, dass das, was wir gemacht haben, dazu führt, dass wir lieber auf der anderen Seite gestanden hätten. Das waren so Ihre Worte. Das sehen wir uns gern noch einmal im Protokoll an. Sie haben uns in eine Ecke mit Meinungsdiktaturen, mit Nationalisten, von denen wir weit entfernt sind, getan. Herr Jotzo! Wir arbeiten gern konstruktiv mit Ihnen zusammen, auch mit einer FDP, die eine sehr gute Tradition für einen Rechtsstaat, eine etwas schlechtere Tradition für unsere Wirtschaft hat.

Aber wir geben die Hoffnung nicht verloren, keine Hoffnung ohne Zweifel. Wenn Sie sich jetzt hier öffentlich dafür entschuldigen, dass Sie uns mit Neonazis in einen Topf geschmissen haben,

[Christoph Meyer (FDP): Hat niemand getan!]