Protocol of the Session on March 25, 2010

Herr Staatsekretär Schmitz! Ich tue es nicht gerne, aber es ist doch etwas störend. Verzeihen Sie!

Für die gemeinsame Beratung stehen den Fraktionen jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Für die FDPFraktion hat Kollege Jotzo das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren haben die linksextremistisch motivierten Gewalttaten in Berlin signifikant zugenommen. Dabei ist festzustellen, dass die ca. 1 100 Personen umfassende gewaltbereite Berliner linksextremistische Szene immer noch versucht, ihre politischen Vorstellungen mit einem immer größeren Ausmaß an Gewalttaten in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Berlin ist – so kann man leider konstatieren – die Hauptstadt des Linksextremismus. Fast täglich erleben wir Angriffe, entweder auf Kraftfahrzeuge, Restaurants, Bauprojekte, auf Polizeiwachen, Gewerkschaften oder auf Menschen, insbesondere auf Polizeibeamtinnen und -beamte. Solche Gewalt, ob nun unpolitisch oder politisch, ist für die FDP-Fraktion völlig inakzeptabel.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Das hat auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz gestern wieder in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ festgestellt. Er forderte, das Problem des Linksextremismus genauer ins Visier zu nehmen. Angesichts der alarmierenden Zahlen gelte es – so seine Ausführungen –, die Ursa

chen der Gewalt genauer zu erforschen und neue präventive Ansätze zu finden. Da ist ihm zuzustimmen!

Angelegentlich dessen sollten wir uns ansehen, was der abwesende Senator Körting in dieser Angelegenheit macht. Seit dem Jahr 2006 hört man von Herrn Körting im Grunde eine Beschwichtigungspolitik. Seit etwa dem November 2009 ist er in eine Art Ächtungspolitik übergegangen. Da heißt es dann plötzlich: Linksextreme Gewalttaten müssen stärker geächtet werden. – Ab dem Dezember 2009 ging er dann zum Faschistenvergleich über. Das Stichwort ist hier „rotlackierte Faschisten“. Die Frage ist nur: Es geht ja nicht um markige Worte, sondern die Frage, die dieser Senat beantworten muss, lautet: Was hat er eigentlich konkret gegen linksextreme und linksextremistische Gewalt getan?

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Herr Körting hat einmal im Interview mit dem „Tagesspiegel“ – am 11. Juli 2009 – gesagt: „Man darf sich nicht mit Leuten verbünden, die der Gewalt nicht abschwören.“

[Andreas Gram (CDU): Wo ist denn der Herr Senator?]

Sie stellen die Frage zu Recht, Herr Gram! Aber er scheint dieser Debatte nicht beiwohnen zu wollen. – Da darf man sich zu Recht fragen: Was ist denn die größte Form von „sich nicht mit Leuten zu verbünden“? – Die größte Form, sich nicht mit Leuten zu verbünden, ist die, mit ihnen zu koalieren.

[Beifall bei der FDP]

Denn genau das tut die SPD und koaliert mit der Linksfraktion, die sich zumindest dadurch auszeichnet, dass sich zum Beispiel eines der Mitglieder der Linksfraktion, Frau Evrim Baba, auf der von ihr mit dem Motto „Gegen Nazis, Staat und Kapital“ angemeldeten Silvio-MeierGedenkdemo nicht von der Antifa abgegrenzt hat. Selbstverständlich nicht, wie Frau Baba sagte. Die Antifa forderte spontane Angriffe auf sogenannte Bullen im Kiez und geplante Aktionen wie zum Beispiel den Angriff auf eine sogenannte Bullenwache in Lichtenberg als positive Gegenwehr.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Billige Polemik!]

Wenn man sich – wie die SPD-Fraktion hier – gemein macht, dann muss man sich nicht wundern, wenn es in Berlin nicht gelingt, eine vernünftige Position gegenüber dem Linksextremismus zustande zu bringen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Das Gleiche gilt leider in einigen Teilen für die Grünen. Da muss man konstatieren, dass gerade dort und in der grünen Landespartei Schwierigkeiten bestehen, das Verhältnis zu Gewalt zu klären. Wenn ich mir noch einmal das Echo auf die Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden Volker Ratzmann in Erinnerung rufe, der das linksextreme Gewaltphänomen als „Feierabendterrorismus“ und „Kiez-Taliban“ bezeichnet und das auf die Frage, ob man einer allgemeinen Verdammung von linker und rechter

Gewalt in Neukölln zustimmen kann, dann zeigt sich, dass die Grünen hier selbst offensichtlich nicht mehr genau wissen, auf welcher Seite, auf der des Rechtsstaates oder der der Gewalttäter, sie im Einzelfall stehen.

[Beifall bei der FDP – Benedikt Lux (Grüne): Das ist doch albern!]

Ich will noch zu dem uns heute von allen anderen Fraktionen im Parlament vorgelegten Antrag, der von den Fraktionsvorsitzenden unterzeichnet wurde, Folgendes sagen: Hier geht es darum, Brandanschläge als keinen Ausdruck des politischen Handelns zu verurteilen. Ich frage Sie: Warum verurteilen Sie nur Brandanschläge, warum verurteilen Sie nicht Körperverletzung, Mordversuche, Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch, all diese Dinge? Da wundere ich mich sehr, dass darüber kein Konsens zustande gekommen ist.

[Beifall bei der FDP]

Wir legen Ihnen deshalb einen umfassenden Antrag vor, der fünf wesentliche Forderungsbereiche enthält. Ich freue mich sehr darauf, sie mit Ihnen im Innenausschuss zu debattieren.

Herr Kollege! Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Ich gehe davon aus, dass das einen wichtigen Beitrag zur Debatte leisten wird. Wir werden Gelegenheit haben, uns damit noch eingehend zu befassen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wie man ein so ernstes Thema so gaga abhandeln kann, ist mir wirklich ein Rätsel!]

Vielen Dank! – Herr Kollege Kleineidam hat nun das Wort für die Fraktion der SPD.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Es ist selten, dass man gleich mit mehreren Papieren an das Rednerpult treten muss, aber in der Debatte heute gab es so viele Aktualisierungen, die mitzubedenken sind, dass ich um Verständnis dafür bitte.

Herr Jotzo! Sie haben zu Recht daraufhingewiesen, dass wir eine drastische Steigerung von Straftaten aus dem linksextremistischen Bereich haben. Das ist erschreckend, das ist auf das Schärfste zu verurteilen! Das, was Sie – die FDP-Fraktion – heute vorgelegt haben, ist ein Maßnahmenkatalog, bei dem man sich fragt, was er mit dem Thema zu hat. Da ist offensichtlich alles, was Ihnen einfällt, was wir an sicherheitspolitischen Themen im weitesten Sinn in den letzten Monaten angesprochen haben,

verarbeitet worden. Alles ist unter die Überschrift „Bekämpfung linksextremistischer Gewalt“ gepackt worden. Es ist auch eher schlampig zusammengeschrieben worden. Ich darf einige Stellen zitieren:

Der Senat muss an den Schulen den Linksextremismus stärker berücksichtigen

[Heiterkeit bei den Grünen und der Linksfraktion]

berücksichtigen! –

und angesichts dessen an den Schulen Comicbroschüren zu linksextremer Gewalt verteilen,

Jetzt kommt die Begründung! –

um diese Inhalte jugendgerecht zu vermitteln.

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Damit die Jugendlichen wissen, wie es geht!]

Dass die FDP einen Bedarf hat, sich per Landesparteitagsbeschluss von Gewalt zu distanzieren, ist angesichts solcher missverständlicher Äußerungen nachvollziehbar. Das gilt aber nicht für die anderen Fraktionen hier im Haus.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Was mir auch neu war, ist, dass die Gewalt im ÖPNV ein Problem linker Gewalt ist. Was Sie da hineingemixt haben, das vermag ich nicht nachzuvollziehen. Vielleicht können Sie uns das im Ausschuss noch einmal erklären. Die FDP, die in den Hauhaltsberatungen noch Grundrechtsschutz mit Ressourcenknappheit bewirken wollte, sagt jetzt: Der Senat muss den Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern in gewaltbereitem extremistischem Milieu verstärken. Einfach mal so pauschal: verstärken. Das ist ein Rechtsstaatsverständnis, dem ich nicht folgen kann.

Ganz gefährlich wird Ihr Ansatz, den Sie noch einmal in dem Dringlichkeitsantrag vertreten, wenn Sie sagen: Wenn Extremisten bestimmte Themen ansprechen, dann darf man auf diese Themen nicht eingehen. – Wenn beim nächsten Brandanschlag ein Bekennerschreiben auftaucht, in dem gesagt wird, dass er erfolgt, um eine Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers durchzusetzen, dann wird sich die FDP auch nicht von ihrer Politik abbringen lassen. Wenn Gewalttäter politische Themen ansprechen, die sehr wohl auf der Agenda sind, wo wir auch in der Verpflichtung stehen, sich ihrer anzunehmen, dann darf man daraus nicht den Schluss ziehen, dass diese Themen nicht mehr angesprochen werden dürfen. Damit geben Sie Extremisten ein Mittel in die Hand, die politische Diskussion zu bestimmen. Das ist nicht akzeptabel. Ich glaube, da sollten Sie Ihren Ansatz noch einmal überaus gründlich überdenken.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Bei allem Streit um die einzelnen Maßnahmen zwischen Opposition und Regierung, zwischen den unterschiedlichen Fraktionen in diesem Haus, der sein muss, der in der

Demokratie dazugehört, ist es wichtig, dass es einen Konsens der Ablehnung von Gewalt gibt. Ich bin deshalb froh, dass vier Fraktionsvorsitzende in diesem Haus heute eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht haben, in der sie diesen Konsens der Demokraten zum Ausdruck bringen.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD) und Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Das ist die angemessene Antwort auf die Fragen, die sich stellen. Ich bedauere es zutiefst, dass sich die FDP nicht in der Lage gesehen hat, mitzumachen, diesen Konsens mitzutragen. Herr Jotzo! Wenn Sie sagen, Ihr Dringlichkeitsantrag umfasst mehr Themen als Brandanschläge – vielleicht hatten Sie nicht genügend Zeit. In der Überschrift der gemeinsamen Erklärung ist von Brandanschlägen die Rede. Dann folgt allerdings, dass Angriffe auf Polizeistationen und Jobcenter und Baustellen verurteilt werden. Ihr gerade vorgetragener Vorwurf, der stimmt so einfach nicht.

Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen: Und auch da unterschiedet sich der Ansatz der FDP entschieden von dem der anderen vier Fraktionen. Sie schreiben in Ihrem Antrag:

Der Senat muss bei Großlagen sicherstellen, dass hinreichende polizeiliche Kapazitäten auf der Straße vorhanden sind.

Und Sie führen weiter aus:

Der Senat muss sicherstellen, dass bei linken Gewaltdelikten eine genaue Beweissicherung und eine ordnungsgemäße Sachbearbeitung zum Zweck der Strafverfolgung erfolgt.

Damit unterstellen Sie der Berliner Polizei, dass sie bei linksextremistischen Straftaten nicht ordentlich ihre Arbeit macht. Ich weiß nicht, was Anlass ist für diese Diskreditierung der Polizeiarbeit. Dagegen sagen vier Fraktionsvorsitzende eindeutig: Sie unterstützen die Arbeit der Polizei und der Justiz. Ich denke, das ist das angemessene Signal, nicht die Diskreditierung unserer Sicherheitsbehörden, wie die FDP sie vornimmt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]