Protocol of the Session on February 25, 2010

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Die Frage der zukünftigen Krankenhausstrukturen Berlins ist eng mit der Frage verknüpft, wie die dafür notwendigen Investitionen gestemmt werden. Aus eigenen Mitteln schaffen es die Krankenhäuser auf Dauer nicht. Das ist nicht nur ein Berliner Phänomen. Es fehlen nicht nur hier die öffentlichen Investitionen, sondern bundesweit. Wenn die Häuser diese Investitionen selbst vornehmen, sind sie doppelt geschlagen, weil sie dann anschließend auch noch durch die Abschreibung auf Eigeninvestition belastet werden. Weil unsere finanziellen Möglichkeiten sehr begrenzt sind – ich muss das hier nicht weiter ausführen, und ich erinnere in diesem Zusammenhang noch einmal daran, dass auch im Jahr 2010 wieder 33 770 000 Euro an Schuldendienst für Krankenhausprogramme aus den 90erJahren gezahlt werden müssen –, müssen unsere Investitionen sehr sorgfältig hinterfragt und so angelegt werden, dass wirklicher Mehrwert für die Stadt daraus entsteht. Das beinhaltet auch, dass wir unnötige Doppelstrukturen in unseren öffentlichen Krankenhäusern vermeiden müssen, die dann – das ist schon gesagt worden – bei der Versorgung auch noch in Konkurrenz zueinander treten und sich gegenseitig Patienten abjagen. Eben Arbeitsteilung und Kooperation anstelle von Standortlobbyismus und unwirtschaftlicher Konkurrenz! Das ist das, was wir unter dem Begriff strategische Kooperation verstehen. Es geht nicht nur darum, logistische oder verwaltungstechnische Synergien zu schaffen. Es geht darum, Versorgungsaufträge zu definieren, Schwerpunkte festzulegen und Leistungsportfolios abzustimmen. Eine Universitätsklinik ist kein Kiezkrankenhaus und hat sich auch nicht darüber zu definieren.

Der ehemalige Chef der Berliner AOK Müller hat diesen Anspruch bereits 2006 in einem Vortrag formuliert: den Fokus richten auf die universitäre Hochleistungs- und Intensivmedizin, Abkehr von der Grundversorgung bei gleichzeitigem Ausbau überregionaler Schwerpunkte. Der Anteil der Umlandversorgung der Charité lag bei ganzen 9,8 Prozent. Die Universitätsklinik Hamburg versorgt einen Anteil im Umland von mehr als 20 Prozent. Ich bin deshalb in diesem Zusammenhang auch nicht bereit, unkritisch der Argumentation, die Stärke der Charité sei ihre Größe, zu folgen. Da haben wir einen Dissens. Bei Strukturkosten, die laut Managementsummary der Charité von März 2009 um 60 Millionen Euro im Jahr zu hoch liegen, wird Größe zur Krux.

[Beifall bei der FDP]

Sie klatschen zu früh. – Weil überzogene und unwirtschaftliche Kapazitätsplanungen zulasten anderer Krankenhausträger gehen würden, haben wir die Verant

wortung, kritisch nachzufragen, warum die sogenannten Sekundärkosten 35 Prozent des Gesamtumsatzes der Charité ausmachen müssen und warum 38 Prozent des Landeszuschusses in die Infrastrukturkosten fließen, während das Geld an anderer Stelle der Charité fehlt. Hier hat aber die Charité gehandelt, und hier hat die Charité Möglichkeiten und Lösungen gefunden, diesem abzuhelfen. Wir werden sie dabei unterstützen, denn das hat auf Dauer Auswirkungen auf die Forschung und auf die Versorgung.

Deshalb hilft mir die Argumentation mit dem abstrakten Begriff Größe hier nicht viel weiter. Wir brauchen eine nüchterne Kosten-Nutzen-Analyse jenseits von jedem Standortlobbyismus. Wenn wir dann nach Abwägung aller Argumente zu der Konzeption einer Universitätsklinik an drei Standorten in dieser Stadt kommen sollten, werden wir allerdings auch die dazu notwendigen finanziellen Mittel politisch definieren und zur Verfügung stellen müssen. Der Senator hat das gesagt.

Ich warne allerdings vor der Illusion, auf die Eigenfinanzierung unserer Krankenhäuser durch Ertragssteigerungen und Leistungsaufwuchs zu bauen, möglichst noch bei gleichzeitiger Ausgabenminderung. Das funktioniert so nicht. Dem sind natürliche Grenzen gesetzt. Die Morbidität unserer Bevölkerung steigt nicht, nur weil die Krankenhäuser für ihre Finanzierung mehr Fälle haben müssen. Die Steigerung der Fallzahlen in Berlin über die Jahre hält sich im Rahmen. Sie können Patienten nicht shanghaien, und sie können die Fallschwere auch nicht beliebig steigern. Das ist eigentlich auch volkswirtschaftlich gesehen eine absurde Vorstellung, die Finanzierung unserer Krankenhäuser durch eine möglichst kranke Population erreichen zu wollen. Das wäre wie die Finanzierung unserer Feuerwehr durch möglichst viele Brände.

Eine Anmerkung möchte ich noch zur Finanzierungsdebatte machen: Es gab im UKBF die grandiose Idee, die Baukosten für die Sanierung auf Private zu übertragen und die Gebäude dann von den Geldgebern zurückleasen zu lassen. Jörg-Rüdiger Siewert, der Vorsitzende des Verbandes der Universitätskliniken Deutschlands, der die Berliner Situation gut kennt, hat im „Tagesspiegel“ vom 17. August 2009 vorgerechnet, bei den für Steglitz veranschlagten Bausummen von 200 Millionen Euro müsste das Klinikum etwa 30 Millionen Euro jährlich mehr erwirtschaften, um allein die Leasingraten zu bezahlen. Das ist eine abstruse Vorstellung.

Zuletzt möchte ich – dann komme ich zum Schluss – noch ein Wort zur Fusion beider Unternehmen sagen.

Nein, Herr Kollege, Sie müssen zum Schlusssatz kommen.

Sie sprechen das auch in Ihrer Anfrage an. Die Fusion ist nicht sinnvoll, wenn damit nur die Addition der Probleme erreicht wird.

[Beifall bei der FDP]

Sie lösen damit im Moment keines der Probleme. Charité und Vivantes werden auf Dauer mit Sicherheit in die Fusion hineinkommen. Das entledigt uns nicht der Aufgabe, hier und heute die aktuellen Probleme konkret zu lösen und nicht erst in der Zukunft. – Danke!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Gersch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Albers! Sie sehen an unserem Beifall, dass wir in vielem eigentlich beisammen sind. Wie das zustande kommt, scheint ein bisschen mit Fachwissen zu tun zu haben.

[Beifall bei der FDP]

Nun komme ich zur Großen Anfrage. Frau Schillhaneck! Ich fand es sehr amüsant, als Sie bei der letzten Diskussion sagten, „lassen Sie uns abwarten, was die Beantwortung unserer Großen Anfrage ergibt“. Ich hätte es Ihnen sofort sagen können, genau das, was es ergeben hat: Nichts. Es gibt keine neuen Erkenntnisse, keine neuen Aussagen.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Anja Schillhaneck (Grüne)]

Ja, ja. Die Hoffnung hätte ich Ihnen gleich nehmen können. Dass der Senat seit Jahren der Charité eine Antwort schuldig ist, wie es weitergehen sollte, ist inzwischen nicht nur nicht mehr zu verstehen, sondern ist auch tatsächlich existenziell gefährlich geworden für die Charité und Vivantes. Sie hängen natürlich – das wurde hier schon ein paar mal gesagt – in einer gewissen Form zusammen, weil beide eine Regelversorgung, eine Krankenversorgung anbieten und nicht, wie es eigentlich sinnvoll wäre, genau zwischen Universitätsmedizin und der Krankenversorgung trennen. Dann hätten wir auch diese Kannibalismusprobleme, die hier momentan massiv auf beide Unternehmen eindringen, überhaupt nicht. Wir hätten eine vernünftige Grundlage, beide Unternehmen in einem finanzierbaren Rahmen weiterzuentwickeln.

[Beifall bei der FDP]

Was heute besonders spannend war, waren Artikel der „Berliner Morgenpost“ und der „Berliner Zeitung“. Ganz überraschend hat sich das UKBF als größter Minusbringer in der Charité entwickelt. Das ist kein Wunder. Das UKBF ist tatsächlich als einziges der Standorte auch als Universitätsklinikum entwickelt worden und hat daher auch eine ganz andere Grundkonstruktion als ein nor

males Krankenhaus. Das ist auch nicht Sinn und Zweck des UKBF gewesen. Es sollte ausschließlich ein Universitätsklinikum sein. Das wollen wir als FDP auch tatsächlich so haben. Wir wollen es ausbauen und stärken.

[Beifall bei der FDP]

Zur Frage der Fusion oder Nicht-Fusion: Es ist wirklich eine interessante Diskussion. Das, was schon 2003 daneben gegangen ist, die Fusion von FU und HU zur Großcharité, wird nun deutlich. Wir sehen die Auswirkungen jetzt. Sie sind für alle Bereiche fatal. Sie wollen uns nun erzählen, dass es eine Option ist, mit dem reinen Krankenversorger Vivantes zu einem schwerpunktmäßigen Universitätsklinikum zu fusionieren. Das kann auf keinen Fall funktionieren. Es wird Ihnen jeder außerhalb dieses Raumes bestätigen können. Der politische Raum hier scheint sich aber zumindest nicht ganz sicher zu sein. Frau Winde! Ich bin über Ihre Argumentation überrascht zu sagen, wir brauchen eine Entscheidung und klare Strukturen, wir müssen, jawohl und wunderbar. Am Ende steht dann, dass alles beim Alten bleibt. Das packen wir dann auch noch zusammen: Minus und Minus ergibt Plus. Das ist eine tatsächliche sozialdemokratische Rechnung.

[Beifall bei der FDP]

Ein kurzer Satz zur CDU: Ich freue mich, Herr Zimmer, dass Sie dieses Mal diese Debatte geführt haben. Sie war qualitativ deutlich angenehmer als das, was wir letztes Mal geboten bekommen haben.

[Beifall bei der FDP]

Aber es wäre vielleicht wirklich hilfreich, wenn auch die CDU sich entscheiden könnte, in welche Richtung sie beim UKBF steuert, ob sie für die Kooperation oder für die Fusion ist – wie auch immer. Ich glaube, Sie haben die Frage heute zumindest für sich beantwortet. Da sind wir vollkommen bei Ihnen. Nichts passt weniger zusammen als Vivantes und UKBF, ich glaube, das sollten wir behalten. Ich hoffe, dass sich diese Meinung auch in der CDU durchsetzt.

[Beifall bei der FDP]

Zum Schluss noch ein kurzer Satz an die Linke – wir haben eine Antwort auf eine Große Anfrage bekommen, in der nichts gesagt wurde, also kann man sich hier auch kurz halten. – Herr Kollege Albers! Ihre Lieblingsthemen sind immer Bettenaufwuchs und die Situation der Beschäftigten. Da bin ich ganz bei Ihnen; die Problematiken sehen wir alle. Aber es passt nicht zusammen, wenn Sie sagen, wir brauchen dann noch mehr Betten. Denn auch das würde wieder aus dem gleichen Topf gehen, das heißt, in der Konsequenz würde das passieren, was Sie eigentlich nicht wollen – und wir auch nicht –: Die Qualität der Arbeit der Beschäftigten für die Patienten würde sich noch weiter verschlechtern. Diesen Konflikt müssen Sie uns noch genauer erklären. Wenn Sie die Lösung haben – bitte sehr, dann können wir darüber reden. Im Moment erschließt sich die Logik definitiv nicht. Sie wissen, es ist mir ein persönliches Anliegen, hier etwas zu bewegen. Und damit möchte ich es zu diesem Thema dabei belassen.

Noch einmal ganz kurz: Wir haben heute nichts weiter zu Konzepten gehört, keinen einzigen Satz außer: Es bleibt, wie es ist, und alles ist toll, und wir brauchen bloß noch das Geld dazu. Ich glaube, die einzige – das muss ich noch anmerken –, die etwas dazu beigetragen hat, auch wenn es dem einen oder anderen hier nicht gefällt, ist die FDP. Sie hat ein klares Konzept und stellt sich damit auch gegen den Mainstream. Aber ich glaube, es ist wichtig, dass wenigstens eine Partei in diesem Raum etwas Fundamentales zu dem Thema zu sagen hat. – Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Gersch! – Die Große Anfrage Drucksache 16/2901 ist damit begründet, beantwortet und besprochen.

Bevor wir jetzt zu mehreren Abstimmungen und zu einer letzten Rederunde kommen, darf Ihnen noch mitteilen, dass bei der Olympiade Frau Rebensburg die Goldmedaille im Riesenslalom gewonnen hat.

[Beifall]

Die lfd. Nr. 12 befindet sich auf der Konsensliste. Die Fraktion der FDP hat dazu jedoch noch nachträglich eine Beratung beantragt. Ich rufe daher auf

lfd. Nr. 12:

a) Beschlussempfehlung

Sportstätten eine Zukunft geben – Rat für nachhaltige Sportentwicklung berufen!

Beschlussempfehlung Sport Drs 16/2855 Antrag der CDU, der Grünen und der FDP Drs 16/2855

b) Antrag

Rot-Rot muss mehr Bewegung und Sport in die Ganztagsschule bringen

Antrag der Grünen, der CDU und der FDP Drs 16/2976

Eine Beratung ist jetzt nicht mehr vorgesehen. Zum Antrag der Oppositionsfraktionen Drucksache 16/2855, Sportstätten eine Zukunft geben, empfiehlt der Fachausschuss auch in geänderter Form mehrheitlich gegen die Antragsteller die Ablehnung. Wer dem Antrag Drucksache 16/2252 dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der FDP, der CDU und der Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Bei keiner Enthaltung ist dann der Antrag abgelehnt.

Zum Antrag der Oppositionsfraktionen Drucksache 16/2976 wird die Vertagung beantragt. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Die lfd. Nr. 13 war Priorität der Fraktion der SPD unter der lfd. Nr. 4 b. Die lfd. Nrn. 14 bis 17 stehen auf der Konsensliste.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 18: