Danke schön, Herr Senator! – Für die gemeinsame Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Es beginnt die anfragende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Person von Frau Schillhaneck. – Bitte schön, Frau Schillhaneck, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Senator! Es freut mich, dass wir zumindest dort Einigkeit haben, wo es um die Frage geht, wie wichtig die Charité eigentlich ist. Ich frage weiter: Wie wichtig ist der Gesundheitsstandort Berlin, und welche Größe von Problemen haben wir eigentlich? Ich muss dann allerdings auch feststellen, dass Sie es vorgezogen haben, den Großteil unserer Fragen nicht zu beantworten oder zu sagen, man könne sie noch gar nicht beantworten. Es ist aber so, dass nicht nur wir uns irgendwo im stillen Kämmerlein überlegt haben, was wir formulieren können, um den Senat zu piesacken, sondern wir stellen diese Fragen deshalb, weil sie von Interesse für die gesamte Stadt sind. Es sind nicht nur wir paar Grüne, die wissen wollen, wie das eigentlich weitergehen soll mit dem Standort UKBF, mit der Frage über die Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen Vivantes und der Charité oder der Frage, was die Kriterien für wirtschaftliche, wissenschaftliche oder auch regionale Belange sind, nach denen man die ausstehenden Entscheidungen treffen muss. All diese Fragen beantworten Sie uns derzeit leider nicht.
Darüber hinaus muss ich feststellen, dass Sie leider immer noch einen sehr verengten Blick auf den Südwesten haben. Dabei ist es nicht nur die Südwestregion. Wir haben derzeit einen großen Gesundheitssektor, wir haben eine hochleistungsfähige Universitätsmedizin, aber vor allem haben wir zwei landeseigene Krankenversorger, die sich in einem destruktiven Wettbewerb miteinander befinden. Wir haben Ihnen schon vor Jahren prophezeit, dass spätestens mit der Umstellung auf die DRGs nur einer von beiden positiv mit dem Jahresabschluss daraus hervorgehen wird. Wir sehen uns das nach einigen Jahren an und sehen uns bestätigt.
Bei allem, was Sie sagen, von wegen, das muss jetzt aber langsam entschieden werden, fragen wir Sie: Warum haben Sie denn das noch nicht entschieden? – Dass die Problemlage so ist, das wussten Sie selber mal als Koalition. Ich möchte Ihnen dazu etwas zitieren, und zwar aus einer Pressemitteilung der beiden damals zuständigen Senatorinnen und Senatoren, und zwar von Senator Flierl und Senatorin Knake-Werner. Die stellten nämlich im September 2004 fest:
hat die Aufgabe, beide Unternehmen strategisch zu koordinieren. Wir wollen nicht, dass diese beiden Unternehmen in eine Situation destruktiver Konkurrenz versetzt werden.
Wir haben jetzt 2010, und offensichtlich ist genau das eingetreten. Vivantes und Charité stehen in einer Form von Konkurrenz, die Handeln längst überfällig macht. Das ist eigentlich der wirkliche Skandal an dieser Stelle.
Denn ohne eine Entscheidung, wie es mit Vivantes und Charité weitergeht jenseits von Fragen, ob die Labore kooperieren, hängt doch daran noch viel mehr. Ohne eine Entscheidung, die die Absprachen, die die Rollenzuweisungen beider Unternehmen betrifft, woran auch die Standortfrage steht, wird es z. B. auch keinen Krankenhausplan geben. Das hat über diese beiden Unternehmen hinausgehende Auswirkungen, denn das betrifft die gesamte stationäre Krankenversorgung in dieser Stadt. Das wird jetzt gerade mal so einfach ausgeblendet. Das können wir so nicht stehenlassen.
Die Frage ist doch: Wo müssen wir hin? Wie kommen wir raus aus diesem ruinösen Wettbewerb, der dazu führt, dass wir mittelfristig, wenn das so weitergeht, auch die wissenschaftliche Exzellenz der Charité verlieren und dass wir auch Vivantes immer unsteuerbarer machen? Denn das ist eines der Hauptprobleme. Das Land Berlin ist Eigentümer von beiden, aber offensichtlich – das entnehme ich jetzt auch wieder Ihrer Antwort – wird das Problem, wie man die beiden austariert, wie man diesen Interessenkonflikt – beide sind ja mit dem Auftrag ausgestattet, sich möglichst profitabel zu sein – moderiert, den beiden Unternehmen übertragen. Dass das nicht gutgehen kann, das beobachten wir in den letzten Jahren, das wissen wir doch mittlerweile. Wir fordern von Ihnen, dass Sie nicht nur sagen, ja, das kann man irgendwie steuern, sondern dass Sie das auch steuern wollen! Deswegen sagen wir Ihnen, wir müssen mittelfristig nicht nur über einzelne Kooperationsprojekte reden, sondern wir müssen fragen, wie wir an welchem Ort, mit welcher Ausstattung dazu kommen, dass wir ein steuerndes Zentrum haben. Das muss politisch sein. Die Frage ist doch: Will der Eigentümer, will das Land Berlin eigentlich steuern, was Vivantes und Charité tun, oder nicht? – Sie wollen das offensichtlich nicht. Wir haben ein zu großes Interesse an
beiden Unternehmen. Deswegen sagen wir, es reicht uns nicht zu sagen, im Laufe des Jahres kommen dann irgendwie Papiere und Entscheidungen. Das ist keine Zukunftsperspektive. Das können wir an der Stelle so nicht stehenlassen. Da muss mehr kommen. Das erwarten wir durchaus von Ihnen, denn die Aufgabe ist die Sicherung sowohl einer herausragenden Krankenversorgung für diese Stadt – das Anrecht haben die Bürgerinnen und Bürger, dass wir das versuchen zu sichern – und gleichzeitig die Sicherung einer herausragenden, international gut aufgestellten Universitätsmedizin. Das freut mich, dass an dieser Stelle noch mal sehr deutlich gesagt worden ist, wie gut die Charité eigentlich ist, denn sie ist echt eine Perle in unserer Wissenschaftslandschaft.
Danke sehr! – 2004 haben die beiden damals zuständigen Senatorinnen und Senatoren ebenfalls festgestellt – ich zitiere noch mal –:
Ohne eine Ausrichtung an abgestimmten und öffentlich zu definierenden Zielen besteht das Risiko ungeordneter, gegenseitiger Verdrängungskonkurrenz.
Sagen Sie mir doch bitte, was wir jetzt haben, wenn nicht genau das! Wir verlangen also von Ihnen eine Auseinandersetzung darüber, welche Ziele dort verwirklicht werden sollen und wie Sie sie verwirklichen wollen. Genau das wollten wir mit unserer Großen Anfrage bewirken, dass Sie in diese Diskussion eintreten. Sie entziehen sich dieser Diskussion wieder, indem Sie das auf Ihre Steuerungsgruppe verschieben. Da muss ich ganz klar sagen, es passt zwar zum Stil Ihres Hauses, dass Sie das nicht öffentlich diskutieren wollen, aber es wird nur dazu führen, dass mit egal welchem Konzept Sie hinterher rausgehen, egal wie die Einschnitte definiert sind, es wird Entscheidungen geben, die zu treffen sind, und die werden nicht allen Leuten gefallen. Das ist bei Entscheidungen so bei knappen Kassen. Sie werden die Leute dann nicht mitnehmen, weil es vorher nicht diskutiert ist. Das heißt, Sie bleiben dieser Stadt und auch den Beschäftigten von Vivantes und Charité und auch der Wissenschaft Antworten weiterhin schuldig. Wie Sie das dann hinterher umsetzen wollen, das frage ich Sie. – Danke!
Danke schön, Frau Kollegin Schillhaneck! – Für die SPDFraktion hat nunmehr Frau Kollegin Winde das Wort. – Bitte schön!
Frau Schillhaneck! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit einem hochsensiblen Thema der Gesundheitspolitik in Berlin: Was soll aus Vivantes und Charité werden? – Wie wir alle heute den wie immer gut informierten Zeitungen „Berliner Morgenpost“ und „Berliner Zeitung“ entnehmen konnten, hat gestern die Senatsarbeitsgruppe gemeinsam mit den Chefs von Vivantes und Charité getagt. Eine abschließende Entscheidung ist allerdings noch nicht gefallen. Die SPD-Fraktion hat allerdings klare Prämissen zu diesem Thema, und die möchte ich Ihnen gerne darlegen.
Erstens: Wir wollen, dass zunächst ein Gesamtkonzept für Vivantes und Charité erarbeitet wird. Eine ausschließliche Fokussierung auf den Südwesten Berlins ist nicht sinnvoll, denn es ist falsch anzunehmen, dass das Problem der beiden Unternehmen nur im Südwesten der Stadt liegt. Schaut man sich die Bettendichte in Berlin an – und das wird ja immer als Hauptgrund für die Südwestfokussierung genannt –, dann wird man eine gleiche Dichte wie im Südwesten auch im Bereich Mitte finden. Deswegen würde trotzdem keiner den Anspruch erheben, dass die Charité in Mitte schließen soll, auch wenn hier der Investitionsbedarf besonders hoch ist. Nur wenn man sich die Vivantes- und Charité-Häuser in ganz Berlin anschaut, wird man die strukturellen Probleme beider Häuser lösen können.
Zweitens: Die Schließung des Auguste-ViktoriaKrankenhauses lehnen wir ab. Zum einen macht es meines Erachtens keinen Sinn, ein profitables Krankenhaus zu schließen, das dem Vivantes-Konzern im vergangenen Jahr immerhin 6,8 Millionen Euro eingebracht hat. Erst dadurch wurde 2009 überhaupt ein Gesamtgewinn von 2,6 Millionen Euro ermöglicht. Zum anderen ist das AVK ein Krankenhaus, mit dem sich die Bevölkerung besonders gut identifiziert und das für seinen Kiez eine besondere Funktion hat. Wir haben doch bei der Schließung der Krankenhäuser in Moabit und Prenzlauer Berg sehen können, was das für einen Ansturm der Entrüstung mit sich brachte, und das waren Krankenhäuser, die unprofitabel waren.
Drittens: Wir wollen den Universitätsstandort im Südwesten der Stadt erhalten. Das heißt, das Klinikum Benjamin Franklin soll weiterhin Universitätsklinikum der Charité bleiben. – Es sei mal erwähnt, dass die Geräuschkulisse nicht nur von vorne, sondern ehrlich gesagt auch von hinten relativ störend ist.
Zum Klinikum Benjamin Franklin gehören die universitäre Forschung, die dort angesiedelt ist, ebenso wie die Drittmittelprojekte, die an diesen Standort gekoppelt sind. Die damit verbundenen fast 2 000 Arbeitsplätze dürfen nicht gefährdet werden. Wenn dieser Universitätsstandort aufgegeben würde, würde Berlin ein Großteil dieser Drittmittel verlorengehen und damit ein nicht unerheblicher Anteil der Exzellenz unserer Universitätsmedizin zum einen und der Freien Universität und der HumboldtUniversität zum anderen. Das können wir nicht wollen, denn Berlin hat mit seiner Universitätsmedizin einen Leuchtturm im Gesundheitsbereich unserer Stadt und in Europa.
Viertens: Die Universitätskrankenhäuser in Berlin unterscheiden sich in einem entscheidenden Teil von anderen Universitätskrankenhäusern anderer Städte. – Geht es etwas leiser? – Danke!
Diese Häuser haben auch einen nicht unerheblichen Stellenwert als Kiezkrankenhäuser. Dies gilt nicht nur für den Standort in Lichterfelde, sondern ebenso für Mitte und Wedding. Das muss bei der Planung berücksichtigt werden.
Fünftens: Aber die Beschäftigten wie die Konzernleitungen von Vivantes und Charité brauchen Klarheit und Sicherheit, wie es mit beiden Konzernen weitergehen soll. Das heißt, Entscheidungen müssen zeitnah getroffen und Investitionsmittel freigegeben werden.
Sechstens: Die begonnene Kooperation von Charité und Vivantes ist der richtige Weg. Mit der Entscheidung für ein gemeinsames Labor, dem größten Labor Europas, ist hier der erste richtige Schritt getan worden, auch wenn viele Beschäftigte, vor allem aus der Charité, noch nicht mit dieser Entscheidung konform gehen und sie zum Teil für falsch halten. Dies hängt aber auch mit der Angst zusammen, dass dieses Labor nach ein paar Jahren verkauft und damit privatisiert werden könnte.
Die Verträge sehen dazu im Moment nur vor, dass die Aufsichtsräte beider Gesellschafter damit einverstanden sein müssen. Ich denke, dass ein etwaiger Verkauf in
jedem Fall von der Zustimmung durch das Abgeordnetenhaus abhängig gemacht werden sollte. Nur so ist zum einen gewährleistet, dass eine entsprechende Öffentlichkeit hergestellt wird, zum anderen ist das für einen potenziellen Käufer eine ziemlich hohe Hürde, die nicht so ohne Weiteres genommen werden kann.
Ganz nebenbei sei angemerkt: Die Zeiten, in denen Berlin sein Porzellan reihenweise verkauft hat, gerade Institutionen der öffentlichen Daseinsvorsorge, sind vorbei. Wir wollen nicht, dass sinnvolle Kooperationsprojekte durch eine Verunsicherung der Beschäftigten gefährdet werden.
Siebentens: Das Ziel von Vivantes und Charité kann langfristig nur die Fusion der beiden Unternehmen sein.
Im Moment agieren beide Krankenhausunternehmen in Berlin als Konkurrenten, und das, obwohl sie beide im Besitz des Landes sind. Wenn sie aber ein gemeinsames Unternehmen wären, fiele zum einen diese Konkurrenzsituation weg, zum anderen könnten Krankenhausversorgung wie auch Forschung auf einer ganz anderen Basis erfolgen. Nicht nur die höhere Patientenzahl, sondern auch das Setzen neuer Schwerpunkte, die sowohl regional als auch inhaltlich begründet wären, wären dann Grundlage der Arbeit von Charité und Vivantes.
Dann gäbe es keine Doppel-, Dreifach oder sogar Vierfachstrukturen mehr, wie zum Beispiel im Bereich Kardiologie – ich nenne nur das Stichwort: Herzkatheter.
Hinzu kämen noch die bereits geplanten Einsparpotenziale in den Bereichen Einkauf, Pathologie, Strahlenmedizin und Verwaltung. Wahrscheinlich ließe sich hier sogar mehr als die bisher genannten 45 Millionen Euro einsparen. Eines will ich aber nicht verschweigen: Ein solch fusioniertes Charité-Vivantes-Unternehmen muss nicht unbedingt 43 Prozent der Krankenversorgung in Berlin abdecken. Weniger wäre meines Erachtens auch ausreichend und würde ein solch großes Unternehmen auch besser steuerbar machen.
Zum Schluss sei mir noch die Bemerkung erlaubt, dass die Opposition nicht den Fehler machen sollte, das Thema zum Wahlkampfthema zu machen. Dafür eignet es sich nicht