Der zweite Punkt, den wir für wichtig halten, ist, dass Sie sich auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie lange die Verweildauer eines Kindes in einer Hilfemaßnahme ist. Hier sind Sie bisher einer konstruktiven Debatte ausgewichen. Vielleicht muss sie auch erst einmal angeregt werden. Wir werden das im nächsten Jahr tun. Aber für uns ist es nicht hinnehmbar, dass ein Kind, das 14 Jahre in einer Hilfe verweilt, etwa 1 Million Euro kostet und am Ende womöglich noch im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor landet. Das ist keine Perspektive, und die junge Generation in dieser Stadt braucht Perspektiven.
Deshalb möchte ich an der Stelle den Appell an Sie, Herr Senator, richten, dass Sie das, was Sie sich in den Haushaltsberatungen in diesem Jahr an Energie gespart haben,
vielleicht im nächsten Jahr mit in den Bereich Jugend und insbesondere in die Hilfen zur Erziehung geben. Denn die Baustelle Kita haben Sie ja einigermaßen erfolgreich abgeschlossen. Die Schulstrukturreform – so Gott will – wird im Januar oder Februar greifen, dann kommen vielleicht noch Ihre Hochschulvertragsverhandlungen oder was noch immer auf Ihrer Agenda steht, aber dann haben Sie genug Spielraum, sich dieses Themas anzunehmen. Wir kennen ja Ihre alte Form aus Rheinland-Pfalz. Sie wissen, dass wir als FDP uns wünschen, dass Sie sie wiederbekommen. Vielleicht erringen Sie sie bei der Frage Hilfen zur Erziehung. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Czaja! – Wir treten nun in die dritte Rederunde ein. Der Abgeordnete Oberg von der SPD-Fraktion hat das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Haushaltsdebatten in diesem Parlament – zumindest der öffentliche Teil – werden nicht selten nach sehr schlichten Regeln geführt. Koalition und Opposition bewerfen sich mit Zahlen und Vorwürfen. Während die Koalition sich und das Zahlenwerk lobt und der Opposition gleichzeitig fehlenden Durchblick vorwirft, fordert die Opposition in eigentlich jedem Politikfeld mehr Geld, mit Blick auf den Gesamthaushalt jedoch eine verstärkte Sparanstrengung.
Ich möchte dieses Schema durchbrechen und lieber einen Blick hinter die Zahlen werfen, denn wirklich bedeutsam ist doch, was dieser Haushalt und die Entscheidung dieses Parlaments für die Berlinerinnen und Berliner konkret bedeutet, welche Richtung und welche Ideen hinter diesem Haushalt stecken.
Wenn wir über den Wissenschaftshaushalt sprechen, dann lautet für mich die erste Frage: Was bedeutet dieser Haushalt für die weit über 100 000 Studierenden in dieser Stadt?
Als Erstes bedeutet der Doppelhaushalt 2010/2010 für die Studenten, dass sie mehr werden. Die Zahl der Studienplätze in Berlin wird weiter steigen, mehr junge Menschen bekommen die Chance, in Berlin zu studieren.
Das ist eine gute Nachricht, vor allem auch für die Berliner Schülerinnen und Schüler, die in den nächsten Jahren das Abitur machen werden. Wir geben ihnen eine faire Chance, in ihrer Stadt zu studieren.
Eine weitere wichtige Botschaft dieses Doppelhaushalts für die Studierenden ist, dass es in Berlin auch weiterhin keine Studiengebühren geben wird.
Es ist uns gelungen, zusätzliches Geld für die Hochschulen zu mobilisieren, ohne die Studierenden mit einer asozialen Campusmaut zu belegen.
Diese Koalition in Berlin steht als Bollwerk gegen den schwarz-gelben Sündenfall in der Wissenschaftspolitik,
Für die Hochschulen ganz allgemein bedeutet der heute zu beschließende Haushalt, dass wir die Finanzausstattung verbessern und für die nächsten vier Jahre absichern. Wir stärken damit die wissenschaftliche Basis in Berlin dauerhaft.
Eine besondere Qualität dieses Haushalts ist, dass wir das Fundament der Wissenschaft und die Spitze, also die Exzellenz, gleichermaßen fördern. Mit der EinsteinStiftung investieren wir Millionen Euro in die Spitzenforschung und setzen damit die Profilierung des Wissenschaftsstandorts in Berlin fort. Wir haben es hinbekommen – Herr Zimmer, das ist beileibe keine Banalität! –, dass in Berlin ein gebührenfreies Studium, die Schaffung zusätzlicher Studienplätze und die Förderung der Spitzenwissenschaft kein Widerspruch sind. Wir spielen einzelne Bereiche der Wissenschaft nicht ideologisch gegeneinander aus, stattdessen fördern wir alle Potenziale der Wissenschaftsstadt Berlin, in der Breite ebenso wie in der Spitze.
Dieser Haushalt ist auch ein Bekenntnis zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Berlin verfügt über eine einzigartige Dichte und Breite hervorragender Forschungseinrichtungen. Diese Stärke des Wissenschaftsstandorts wollen wir gemeinsam mit dem Bund ausbauen. Aus diesem Grund bekennen wir uns mit diesem Haushalt zu einer Profilierung beispielsweise des Max-DelbrückCentrums und stellen zusätzliches Geld für Investitionen und den Betrieb neuer Institute zur Verfügung. Aus dem Zusammenspiel von Universitäten, die stark in Lehre und Forschung sind, und herausragenden Forschungseinrichtungen erwächst Berlin eine ungeheure Chance. Das einzigartige wissenschaftliche Potenzial, über das wir hier in Berlin verfügen, schafft die Grundlage für eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung der Hauptstadtregion. Berlin wird wirtschaftlich stark sein.
Es werden Tausende neue Arbeitsplätze entstehen, wenn wir es hinbekommen, das wissenschaftliche Potenzial in ein Wachstum der wissensgetriebenen Zukunftsbranchen, wie etwa der Biotechnologie, der Nanotechnologie oder der Green Industries, umzusetzen. Und weil wir für das Wachstum und die Arbeitsplätze von morgen beides brauchen, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, spielen wir diese nicht gegeneinander aus, wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU, es immer wieder tun.
Dieser Haushalt ist ein Beleg dafür, dass Berlin um die Bedeutung, die Chancen, aber auch die Herausforderungen der Wissenschaft weiß. Mit der Wissenschaft halten wir den Schlüssel für die Zukunft dieser Stadt und der jungen Generation in Berlin in den Händen. Mit diesem Haushalt – um im Bild zu bleiben – schmieren wir ordentlich Öl in dieses Schloss und drehen den Schlüssel Wissenschaft entschieden in Richtung Zukunft.
Ganz zum Schluss muss ich noch ein Lob aussprechen. Ich möchte nicht etwa mich selbst oder meine Fraktion loben, nein, ich möchte den Wissenschaftssenator loben. Er hat es zum zweiten Mal in Folge verstanden, viel Geld zusätzlich für die Wissenschaft in Berlin zu erkämpfen.
Wäre das all seinen Amtsvorgängern in den letzten 15 Jahren gelungen, dann wären wir heute schon da, wo wir – dank Rot-Rot – wahrscheinlich in vielen Jahren sein werden, nämlich in einem Zustand, wo die Wissenschaft den Rang erreicht hat, dass wir alle wissen, dass die Arbeitsplätze und die Wirtschaftkraft ganz unmittelbar daraus erwachsen. – Herr Zimmer! Hätten die Amtsvorgänger von Herrn Zöllner, die Ihr Parteibuch haben, die gleiche Arbeit gemacht, die Herr Zöllner heute macht, dann hätten Sie jetzt gleich noch viel weniger zu kritisieren. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Oberg! – Für die CDUFraktion hat jetzt der Abgeordnete Zimmer das Wort. – Bitte sehr!
Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kein Wunder, Herr Oberg, dass Sie Herrn Zöllner gelobt haben. Das macht ja sonst keiner in der Stadt. Insofern war es geradezu ein Gnadenakt.
Das habe ich vorhin wohl überhört. Sei’s drum! Also, Herr Mutlu reiht sich ein. – Wir sind heute offensichtlich
in Geberlaune. Trotz allem kann ich Ihnen nicht ersparen, dass wir Sie auch beim Wort nehmen wollen, Herr Oberg. Es ist richtig: Nur auf die Zahlen zu schauen, bringt im Zusammenhang mit diesem Haushalt relativ wenig Erkenntnisgewinn; es geht um das, was eigentlich dahintersteht. Es geht darum, wie die Weichen in der Wissenschafts- und Forschungspolitik im Land Berlin gestellt werden. Wenn ich da von Herrn Zöllner höre, dass die neue Form der Hochschulfinanzierung einen Durchbruch darstellt, dann kann ich Ihnen nur sagen: Es ist kein Durchbruch, es ist ein Einbruch. Es ist nämlich ein Einbruch in die Autonomie der Hochschulen im Land Berlin. Und das kann keiner gut finden – außer Ihnen vielleicht, deswegen sind Sie auch so fröhlich lächelnd bei dem Gedanken, dass zukünftig über Steuerungsinstrumente, die im Wesentlichen bei von Ihnen selbst definierten Maßstäben von Qualität ansetzen – wie auch immer diese aussehen mag –, Mittel zugewiesen werden, um auf diese Art und Weise Ihre Vorstellung von Wissenschaftspolitik in Berlin zu realisieren. Ich muss Ihnen eines sagen: Das kann nicht im Interesse des Landes Berlin sein. Auch Sie müssen anerkennen, dass die hervorragenden Leistungen, die in Berlin erzielt worden sind, aufgrund der Autonomie der Hochschulen erzielt wurden und nicht aufgrund der Arbeit des Senats.
Das Ganze erhellt sich, wenn man die Aussage des Regierenden Bürgermeisters aus seiner Eingangsrede danebensetzt. Dort sagte Herr Wowereit mit Bezug auf die Einstein-Stiftung: Das hätten die Universitäten wohl gern gesehen, wenn man ihnen das Geld gibt. Wir machen das anders, wir tun das in die Einstein-Stiftung hinein. – Als zweiter Teil des Satzes gehört dazu: … damit wir dort das Spielgeld haben, das wir so verteilen können, wie wir es wollen. – Ich muss Ihnen sagen: Das ist wiederum genau das Problem. Zum einen sind die 40 Millionen Euro, die Sie sich per anno in die Haushaltspläne hineingeschrieben haben, ein bisschen viel Spielgeld für Sie, und zum anderen sind Sie – auch das muss man an dieser Stelle noch einmal erwähnen – noch nicht einmal in der Lage, das Geld, das dort hineingeschrieben wird, auszugeben. Nun frage ich mich, ehrlich gesagt: Wofür wollen Sie das Geld denn eigentlich haben, Herr Zöllner?
Es gibt offensichtlich überhaupt keinen nachvollziehbaren Plan, in welche Richtung Ihre Einstein-Stiftung gehen soll. Es ist nichts anderes – wie der Kollege Dragowski zu Recht einwirft – als ein riesengroßer Schattenhaushalt, den Sie sich dort zusammengebastelt haben.
Es ist auch insofern ein Schattenhaushalt, als dort wenig Licht zu erkennen ist. Es ist nämlich völlig unklar, in welche Richtung Ihre Strategie gehen soll.
Wohin Ihre Strategie im Zusammenhang mit der Umstellung der Finanzierung der Hochschulen geht, ist aller
dings eindeutig: Sie verfolgen einen klaren Ansatz, und der lautet, Sie wollen mehr Studienplätze in Berlin haben. Dagegen ist vom Grundsatz her erst einmal nichts einzuwenden, aber die Frage ist: Warum wollen Sie mehr haben? – Weil Sie meinen, dass wir auf diese Art und Weise mehr Bundesmittel akquirieren können! Das ist die eigentliche Wahrheit dahinter. Sie bauen diesen Haushalt und die Hochschulverträge so auf, dass Sie das Geld, das Sie aus dem Landeshaushalt tatsächlich nicht bereitstellen können, durch Bundesmittel substituieren. Genau so soll das Ganze funktionieren. Ich sagen Ihnen: Das ist eine Wissenschaftspolitik auf Speed. Denn es führt natürlich dazu, dass in dem Augenblick, wo die bundespolitischen Finanzierungsinstrumentarien nicht mehr vorhanden sind – aus welchen Gründen auch immer das der Fall ist –, die Universitäten im Regen stehen und niemand weiß, wie dann die Studienplätze und vor allem die Betreuung der Studierenden auskömmlich finanziert werden sollen.
Man sollte eigentlich mit Blick auf die Diskussion um den Bildungsstreik und um Bologna gelernt haben, dass es nicht nur Quantität, sondern vor allem um Qualität geht. Es geht um Studierbarkeit. Es geht darum, dass wir an den Hochschulen ein Angebot haben, mit dem die Studierenden auch etwas anfangen können. Dieser Aspekt ist im Augenblick weder in Ihrem Haushalt noch in der dahinter stehenden Politik zu erkennen.