Protocol of the Session on December 10, 2009

Elke Breitenbach

dieses Geld eingesetzt wird. Ein großer Teil des Geldes – immerhin 155 Millionen Euro – fließt in Ihr Vorzeigeprojekt ÖBS und kommt damit nur einem kleinen Teil der erwerbslosen Menschen zugute. Fatal ist, dass die Aufstockung von ÖBS mit massiven Kürzungen der Ausbildungsförderung einhergeht und dass Sie Qualifizierungsangebote wie Zusatzjob und Bildung kürzen. Qualifikation junger Menschen ist eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe, die wir auch in unserem eigenen Interesse bewältigen sollten.

[Beifall bei den Grünen]

Aber auch im Bereich der Behindertenpolitik ist keine Linie erkennbar. Bis heute haben Sie die Integration in Kindergarten über Schule bis ins Berufsleben hinein nicht gelöst. Die Frage ist nicht, wie wir irgendwo separate Systeme schaffen können, sondern wie wir zu Inklusionen kommen.

Und wie gehen Sie mit den Helferinnen um? – Auf Bundesebene machen Sie Wirbel um den Mindestlohn, aber hier findet ein gefährlicher Anstieg prekärer Beschäftigungen statt. In Berlin sind es 360 000 Menschen, die weniger als 900 Euro verdienen. Darunter leiden auch zahlreiche Einzelfallhelferinnen, für die Sie die Verantwortung haben. Das umstrittene Honorarmodell für Einzelfallhelferinnen ist erst einmal von der neuen Senatorin zurückgezogen worden. Das begrüßen wir. Aber wir möchten auch bald erfahren, wohin die Reise jetzt geht.

Schluss jetzt mit den Beispielen! Auch wenn ich noch viele hätte. Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, haben sich mit der Jugenderwerbslosigkeit, mit der Perspektivlosigkeit und mit Dumpinglöhnen der Berlinerinnen offensichtlich abgefunden, sonst hätten Sie andere Prioritäten im Haushalt gesetzt. Dass Sie kaum innovative Ideen umgesetzt und keine zukunftsträchtigen Entscheidungen getroffen haben, ist ein weiteres Armutszeugnis. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Lehmann das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren!

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Herr Lehmann, Sie könne jetzt mal was Positives an diesem Etat schildern!]

Sicherlich, Herr Brauer! – Die Aufstellung des Einzelplans 09 zeigt, wie wenig die Koalition und der durch sie getragene Senat noch in der Lage sind, nachhaltig Politik zu gestalten.

[Beifall bei der FDP]

Ich hatte mit dem neuen Senator Nußbaum die Hoffnung verbunden, dass zukünftig die Gestaltung von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik mit wirtschaftlicher Vernunft und haushaltspolitischer Nachhaltigkeit verbunden wird. Leider wurde ich da enttäuscht. Wie wenig nachhaltig Sie hierbei arbeiten, zeigt allein die Gegenüberstellung von Ausbildungsförderung und öffentlich geförderter Beschäftigung. Sie lassen es zu, dass die Ausgaben für Ausbildungsförderung von 42 Millionen Euro im Jahr 2008 auf 26 Millionen Euro im Jahr 2011 sinken. Dagegen wollen Sie die Ausgaben für öffentlich geförderte Beschäftigung im selben Zeitraum von 65 Millionen auf 98 Millionen Euro steigern.

Den Bereich der Ausbildungsförderung, in dem die Grundlagen für gut ausgebildete Fachkräfte und die zukünftige Deckung des Fachkräftebedarfs einer innovationsfähigen Wirtschaft gelegt werden, wollen Sie verkümmern lassen. Diejenigen, die Sie damit von einer guten Ausbildung ausschließen, sind die potenziellen Kandidaten für Ihren öffentlichen geförderten Beschäftigungssektor. Es muss Ihnen doch arbeitsmarktpolitisch mehr einfallen, als 10 000 Stellen zu finanzieren, die teuer sind und deren Fortbestand über zwei Jahren hinaus Sie nicht sichern können. Zudem halte ich es für ungerecht, dass Sie von 234 000 Arbeitslosen 10 000 privilegieren wollen.

[Beifall bei der FDP]

Frau Grosse! Ich lasse Ihnen auch nicht das Argument durchgehen, Sie würden damit Arbeit finanzieren. Ein großer Teil der Betroffenen ist trotz ÖBS-Stelle noch auf ergänzende Leistungen angewiesen. Also auch ein ÖBSMindestlohn schützt nicht vor Armut. Damit führen Sie auch Ihre Argumentation zur Einführung von Mindestlöhnen ad absurdum,

[Beifall bei der FDP]

zumal ich gerade heute auch die Beantwortung einer meiner Kleinen Anfragen auf den Tisch bekommen habe. Da werden ganz andere Zahlen dargelegt als die, die Sie uns hier heute präsentiert haben.

Frau Bluhm! Sie mussten ja mit viel Rechenkunst auch Ihren für Finanzen zuständigen Kolleginnen und Kollegen belegen, wie günstig dieses Programm für das Land Berlin ist.

[Senatorin Carola Bluhm: Ja!]

Sie sprechen da auch von positiven Effekten. Aber was ist denn mit den negativen Effekten? Was ist denn mit den Stellen, die dadurch auf dem ersten Arbeitsmarkt gefährdet oder sogar vernichtet werden? Es gibt doch Beispiele, wo sich normale Betriebe und ÖBS-Projekte auf dem Markt in die Quere gekommen sind und wo sich das ÖBS-Projekt aufgrund der subventionierten Personalkosten durchsetzen konnte. Damit ersetzen Sie sukzessiv Arbeitsplätze des ersten Arbeitsmarkts durch solche des zweiten und dritten. Damit finanzieren Sie nicht Arbeit, sondern Sie finanzieren die Vernichtung von Arbeit.

Jasenka Villbrandt

[Beifall bei der FDP]

Gibt es in Ihrem Koalitionsvertrag eine geheime Zusatzvereinbarung, den VEB Knake-Werner-Bluhm zum größten Arbeitgeber der Stadt zu machen?

Sie kennen die Zahlen zur sozialen Lage dieser Stadt. Der Senat wird dem Hauptstadtstatus nur gerecht, wenn es um Zahlen zur Arbeitslosigkeit und Armut geht. Da ist Berlin führend. Sie klopfen sich dafür auf die Schulter, dass der Berliner Arbeitsmarkt nicht so stark von der Wirtschaftskrise betroffen sei. Wenn man schon am Boden liegt, kann man aber nicht noch tiefer fallen.

[Beifall bei der FDP]

Dieser Haushaltsplan verdient den Namen Plan nicht. Denn er hat keinen Plan. Es gilt also das Prinzip der Gießkanne, mit der die Klientelprojekte der Berliner Sozialindustrie auch in den nächsten zwei Jahren bedacht werden sollen. Dort, wo gute Arbeit geleistet wird wie z. B. in den Stadtteilzentren dieser Stadt, halten Sie sich zurück.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Stimmt doch gar nicht!]

Genauso traurig wie Ihre sozial- und arbeitsmarktpolitische Bilanz sind die Ergebnisse in der Integrationspolitik. Auch hier gibt es klare Indikatoren und Kennziffern, auf deren Aufzählung ich hier verzichten möchte. Diese spiegeln eine desaströse Lage, wenn es um die Integration der hier lebenden Migrantinnen und Migranten geht. Sie schließen jedoch die Augen vor den Problemen. Dort, wo Menschen sich aus Verantwortungsbewusstsein zu Wort melden und Probleme aufzeigen, schalten Sie auf Durchzug. Ich rede hier nicht von den Herren Buschkowsky oder Sarrazin. Aber die Schulleiter von Berlin-Mitte hätten mehr Aufmerksamkeit und vor allem Ernsthaftigkeit des Senats und dessen Integrationsbeauftragten verdient, als sie ihren Hilferuf publik machten.

[Beifall bei der FDP]

Das ist jedoch rot-rote Integrationspolitik. Dort, wo offensichtlich Probleme auftauchen, werden sie geleugnet oder einfach ignoriert. Stattdessen werden Kuschel- und Wohlfühlprojekte der Berliner Sozial- und Integrationsindustrie finanziert. Gute Integrationspolitik ist mehr, als eine Werkstatt oder einen Karneval der Kulturen zu finanzieren. Grundlagen für gute Integrationspolitik werden in den Kitas und Schulen gelegt.

[Beifall bei der FDP]

Ihr Unvermögen in diesen Bereichen können Sie später mit noch so vielen Mitteln nicht wieder kompensieren.

Ich weiß auch nicht, ob wir so viele Mittel für Programme gegen Rechtsextremismus bereitstellen müssen, wo wir doch gerade in letzter Zeit ein besonderes Problem mit linksextremen Kräften haben.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Mit dem vorliegenden Entwurf des Einzelplans zeigen Sie noch mal, dass Sozialpolitik für Sie nur die Bekämpfung

von Symptomen bedeutet. Arbeitslosigkeit und Armut sind die Symptome einer mangelhaften Bildungs- und Wirtschaftspolitik.

[Beifall bei der FDP]

Für diese mangelhafte Politik trägt seit acht Jahren die rot-rote Koalition die Verantwortung, und dafür trägt seit über 20 Jahren die SPD in dieser Stadt Verantwortung.

[Mieke Senftleben (FDP): Jawoll!]

Genauso wenig wie ein Bock ein guter Gärtner sein kann, können die Verursacher von Armut und Arbeitslosigkeit diese erfolgreich bekämpfen.

[Beifall bei der FDP]

Meine Fraktion hat allein im Einzelplan 09 ein Einsparvolumen von 176 Millionen Euro aufgezeigt. Die Daseinsvorsorge dieser Stadt würde in keiner Weise darunter leiden, wenn man diese Einsparungen tatsächlich realisieren würde. Das zeigt noch mal, wie der Senat insbesondere für Klientelprojekte Geld verbrennt. Darum können wir diesem Einzelplan auch in diesem Fall nicht zustimmen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Lehmann! – Für den Senat hat Frau Senatorin Bluhm das Wort. – Bitte schön, Frau Bluhm!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den sozialen Zusammenhalt stärken, mit diesem Anspruch sind wir als rot-rote Koalition in die Aufstellung des Doppelhaushalts gegangen, und diesem Anspruch werden wir gerecht. Die Liga der Wohlfahrtsverbände und die Stadtteilzentren zum Beispiel sind ein entscheidendes Element der sozialen Infrastruktur in Berlin. Sie bekommen im Vergleich zur mittelfristigen Finanzplanung mehr Mittel. Und nicht nur das: Wir haben die Mittel auf fünf Jahre festgeschrieben, damit haben sie Planungssicherheit.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Den sozialen Zusammenhalt stärken, das heißt, wir tun auch etwas für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor – er hat seit heute Morgen um 9 Uhr immer wieder eine Rolle gespielt;

[Sebastian Czaja (FDP): Bald ist er weg!]

darüber freue ich mich sehr, dass er so in der Diskussion ist – ist ein wichtiges Element. Über 7 500 Menschen haben dort Arbeit gefunden. Den meisten macht die Arbeit Spaß und bringt neues Selbstbewusstsein. Sie fühlen sich wieder gebraucht und als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Denn sie machen gesellschaftlich sinnvolle Arbeit, die notwendig ist und im ersten Arbeitsmarkt

Rainer-Michael Lehmann