Das hat – diesen persönlichen Einschub kann ich mir nach der gestrigen Debatte nicht verkneifen – offenbar mit dem überdimensionalen Ego einer sehr lauten Kulturpolitikerin zu tun.
Verehrte Frau Ströver! Bitte entscheiden Sie sich endlich, ob Sie die Dirigentin eines Orchesters – nennen wir es Kulturausschuss – sein wollen oder lieber die Soloposaune spielen wollen. Im Moment greifen Sie links nach dem Taktstock und rechts zur Posaune, und gleichzeitig rennen Sie noch zur Kesselpauke. Dabei machen Sie zum Schaden der Berliner Kulturpolitik entsetzlich viel Krach und Radau. Entscheiden Sie bitte, was Sie sein wollen! Davon werden wir alle, auch Sie, letztlich profitieren.
Ich habe ansonsten die Hoffnung, dass sich die Vernunft durchsetzt. Der Haushaltsansatz ist vernünftig. Es sind viele Überlegungen der Opposition eingeflossen. Geben Sie sich einen Ruck und stimmen ihm zu! – Vielen Dank für die Geduld!
Danke schön, Herr Kollege Brauer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Ströver das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Sprichwort sagt: Eigenlob stinkt. Mehr brauche ich zu dem eben Gehörten nicht sagen.
Es stimmt, dass der Kulturetat um knapp vier Prozent erhöht wird, und es ist sicher auch richtig, dass dafür der Regierende Bürgermeister verantwortlich ist, aber er korrigiert damit eine langjährige massive Kürzung des Kulturetats unter Senator Flierl.
Der Regierende Bürgermeister ist mit großen Worten gestartet. Er wollte 30 Millionen Euro für eine Kunsthalle mit diesem Haushalt auf den Weg bringen. Daraus sind 600 000 Euro geworden. Vollmundig gestartet – kleinlaut gelandet. Damit ist er ganz klein gelandet.
Die Erhöhung des Kulturetats geschieht fast ausschließlich zugunsten der großen Institutionen. Die freie Szene bleibt auf der Strecke. Die wenigen positiven Korrekturen zugunsten der freien Kulturszene gehen auf die Koalitionsmitglieder im Hauptausschuss zurück. Die Kulturpolitiker hatten dazu nichts zu sagen. Quer durch alle künstlerischen Sparten entfaltet die freie Szene die größte Krea
tivität. Das kommentiert der Senat – allen voran der Regierende Bürgermeister in seiner Funktion als Kultursenator – mit Ignoranz. Dort sieht man ihn nicht. Dazu äußert er sich nicht. Diese Szene interessiert ihn einfach nicht. Dabei ist die Gefahr groß, dass hier ein Künstlerperkariat mit einem hohen Maß an Selbstausbeutung entsteht. Wir finden das absolut skandalös und nicht zukunftsweisend für die Stadt.
In diese Richtung werden seit Jahren grundlegende Strukturveränderungen verweigert. Außer einer halbgaren Opernstiftung, der die Koalition schon in der letzten Haushaltsberatung die Millionen wieder zugesteckt hat, ist nichts geschehen. Unser grüner Antrag, der drei Prozent der Fördersumme in den großen Häusern sperren will, soll dazu dienen, endlich die verkrusteten Strukturen zugunsten der Kooperation mit der freien Szene aufzubrechen.
Die Koalition hat auch dazu nichts zu sagen und wird den Antrag einfach ablehnen, aber glauben Sie mir: Diese Kopf-in-den-Sand-Mentalität wird sich nicht auszahlen. Wir können den Kulturetat nur mit einer schonungslosen Aufgabenkritik sichern, und nur so können wir den Kultureinrichtungen eine langfristige Zukunft geben!
Der Gipfel der Irrationalität in der Koalition ist der neu geschaffene Haushaltstitel für das Renaissance-Theater mit einem jährlichen Zuschuss von über 2 Millionen Euro, der nicht einmal einer Evaluierung unterliegen soll. Hier keinen Euro für ein seit 15 Jahren anerkanntes Jüdisches Filmfestival, dort ein Unterhaltungstheater mit Ewigkeitsgarantie! Ein solches Verfahren ist der falscheste aller Wege und gehört schleunigst revidiert.
Dieser Tage möchte man ausrufen: Ein Lob der Indiskretion! – Das haben sich die Gesellschafter der ROC GmbH schön ausgedacht: Da lassen wir uns den Etat für die vier Klangkörper mal eben um 6 Millionen Euro erhöhen, und dann schauen wir mal, dass wir aus den zwei Orchestern eins machen. – Der Intendant des Deutschlandradios wurde als Minenhund vorgeschickt, um zu sehen, wie die Reaktion ausfällt. Das Land will als Gesellschafter an diesem Vorschlag nicht beteiligt gewesen sein? Ich muss sagen: Ein schönes Armutszeugnis ist das!
Die öffentliche Aufregung war entsprechend. Senat und Bund rudern jetzt zurück, und heute wird der Landesanteil für die Rundfunk Orchester und Chöre GmbH ohne Wenn und Aber durchgewinkt und damit jeder echte Einfluss auf den Haushalt aufgegeben. Nach dem gestrigen rotroten Verhalten in der Sondersitzung des Kulturausschusses, die Rot-Rot mit der Begründung platzen ließ, dass die Gefahr einer Fusion vom Tisch sei und kein Handlungsbedarf bestehe, wird heute ein dringlicher Antrag genau des Inhalts – keine Fusion – vorgelegt. Mit Verlaub: Man könnte meinen, Sie sind nicht ganz bei Trost!
Wobei ich das unparlamentarische Vokabular zu entschuldigen bitte. Das Beispiel zeigt nur allzu deutlich: Sie wissen nicht, was Sie tun! Das gilt für den Senat, die Koalition und auf längere Sicht für das Finanzgebaren rund um den gesamten Kulturhaushalt. Für Konzeptlosigkeit gibt es von uns keine Stimme!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nichts in dieser Welt ist statisch und schon gar nicht die Kultur.
Kultur ist Entwicklung und nicht historisierender Stillstand. Das betrifft Institutionen ebenso wie den Bereich der Projektförderung, die permanente Überprüfung dessen, was förderungswürdig ist. Das ist der Auftrag, den uns Bürgerinnen und Bürger gegeben haben. Diese permanenten Prüfungen durchzuführen, ist Auftrag an das Parlament. Hier darf es keine Tabus geben, nach dem Motto: einmal gefördert, immer gefördert.
Gießkannenförderung und Klientelpolitik sind hingegen die entscheidenden Merkmale der rot-roten Haushaltspolitik. Da macht der Haushaltsplan 2010/2011 erneut keine Ausnahme. Der Senat hat zwar die Kultur- und Kreativwirtschaft als Wachstumsmarkt erkannt, aber er vertraut ihm nicht. Dabei ist die Kultur- und Kreativwirtschaft ein wichtiges Wachstumscluster in Berlin. Das gilt für den Kunstmarkt ebenso wie für Film- und Medienwirtschaft.
Wir setzen Rahmenbedingungen, die künstlerische Freiheit gewährleisten und Entwicklungspotenziale fördern. Förderung bindet die FDP jedoch an Kriterien und nicht an Klientel. Künstlerische Qualität, Alleinstellungsmerkmale, Imagebildung Berlins, Zukunftsorientierung und innovative Kraft sind für uns die Richtschnur.
Diese Ansprüche treffen auf einen weiteren Anspruch an den Haushalt, nämlich den Anspruch an die Finanzierbarkeit. Und im Haushalt 2010/2011 ist für uns einiges drin, das nicht finanzierbar ist – Prestigeobjekte, deren Nutzen und Notwendigkeit zweifelhaft sind,
erst recht vor dem Hintergrund einer desaströsen Finanzlage, die Sie, meine Damen und Herren von der rot-roten Koalition, zu verantworten haben. Wir fordern Sie auf: Verzichten Sie auf die Neubauprojekte Kunsthalle und Zentrale Landesbibliothek,
kürzen Sie die Fördersumme für die Stiftung Deutsches Technikmuseum und für den Friedrichstadtpalast! Diese Forderungen entspringen keineswegs einem blindwütigen Sparzwang der FDP-Fraktion. Nein! Sie sind das Ergebnis der Überzeugung, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit kulturellem Erbe und kulturellen Zukunftspotenzialen die ständige Überprüfung dessen verlangt, das bereits öffentlich finanziert wird und zukünftig finanziert werden soll.
Beim Friedrichstadtpalast lässt sich trefflich streiten, ob diese Subventionierung von Unterhaltungskultur zwingend eine staatliche Aufgabe sein muss. Wir sind der Überzeugung, sie muss es nicht. Selbstverständlich ist Unterhaltungskultur eine kulturelle Manifestation, die ihre Berechtigung hat. Das bezweifeln wir gar nicht. Aber die gute Entwicklung des Friedrichstadtpalastes macht es deutlich: Gerade diese Wendung zum Positiven ist für private Investoren interessant. Deshalb fordern wir den Regierenden Bürgermeister und den Senat auf: Gehen Sie aktiv auf Investoren zu, und entlasten Sie den Kulturhaushalt des Landes!
Zu den liberalen Forderungen gehört eine Investition in die kulturelle Strahlkraft der Hauptstadt. So tritt die FDPFraktion nachdrücklich für die überfällige Erweiterung des Berliner Bauhaus-Archivs ein.
Da brauchen wir keine 30 oder 35 Millionen Euro in die Hand zu nehmen, da reichen auch 3,2 Millionen Euro. Mit der Marke Bauhaus glänzen aber in Zukunft wahrscheinlich andere, allen voran das Land Sachsen-Anhalt. Der neue Direktor des Bauhauses Dessau, Philipp Oswalt, hat schon in generöser Weise die Übernahme des Berliner Bauhaus-Archivs angeboten. Aber anstatt hier wichtige Pflöcke einzuschlagen, wird bauliche Unzulänglichkeit mehr schlecht als recht ausgebessert, und von internationaler Strahlkraft kann da keine Rede sein. Immerhin hat unser Vorstoß zu einer Erhöhung im sechsstelligen Bereich geführt. 230 000 Euro sind zwar nicht die Taube auf dem Dach, aber immerhin vielleicht der Spatz in der Hand.