Protocol of the Session on November 26, 2009

Wir sind darauf angewiesen, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund aktiv in unsere Gesellschaft einbringen. Darum brauchen wir diese Menschen auch im öffentlichen Dienst, denn sie bringen besondere Kenntnisse und Qualifikationen mit, die wir gut gebrauchen können. Damit meine ich nicht nur Sprachkompetenzen, sondern auch andere Alltagskompetenzen. Wir müssen Barrieren abbauen, damit wir einen besseren öffentlichen Dienst bekommen. Da immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund die öffentlichen Dienstleistungen in Anspruch nehmen, benötigen wir mehr Menschen, die diese Dienstleistungen kulturnah erbringen können. Selbstverständlich müssen Eignung und Qualifikation weiterhin die maßgeblichen Einstellungskriterien sein. Wenn jemand mit Migrationshintergrund aber andere Qualifikationen mitbringt, die deutsche Bewerberinnen und Bewerber nicht vorweisen können, muss das auch berücksichtigt werden.

[Beifall bei der FDP]

Interkulturelle Kompetenz benötigen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung. Deshalb ist es richtig, diese auf unterschiedliche Art zu vermitteln und als Kriterium bei der Erstellung der Leistungsbeurteilung mit einzubeziehen.

Ich bin kein großer Freund von Anfragen, die dem Senat die Gelegenheit geben, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Dafür besteht nämlich gar kein Anlass, insbesondere nicht im Bereich der Integration und der interkulturellen Öffnung der Verwaltung.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Allein die Ankündigung, etwas tun zu wollen, reicht nicht aus. Messen lassen muss man sich an den geschaffenen Tatsachen.

In der Antwort auf die Fragen 1 bis 3 steht, dass die einzelnen Verwaltungs- und Organisationseinheiten selbst für die Steuerung und Ausgestaltung ihrer interkulturellen Öffnungsprozesse verantwortlich seien. Dementsprechend haben wir ganz unterschiedliche Ergebnisse, wenn es um die interkulturelle Öffnung geht. Sicherlich gibt es viele Organisationseinheiten, die gute Fortschritte gemacht haben. Gleichwohl möchte ich die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen und auf eine Behörde hinweisen, die hier eine ganz schlechte Figur macht. In der Antwort des Senats wird das Leitbild der Ausländerbehörde zitiert. Das hört sich gut an. Würden wir aber eine Erhebung zur Kundenzufriedenheit mit dieser Behörde machen, erhielten wir wohl ein desaströses Ergebnis. Ich glaube nicht nur, sondern weiß: Nirgendwo sonst in der Berliner Verwaltung klafft eine solche Lücke zwischen dem Bedarf und dem Angebot an interkultureller Kompetenz wie in der Ausländerbehörde.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Benedikt Lux (Grüne) und Astrid Schneider (Grüne)]

Viele Beschwerden, die wohl auch bei anderen hier aus dem Haus landen, bestätigen dies. Wir sollten anerkennen, dass in den letzen Jahren verstärkt um Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst geworben worden ist und erste Fortschritte feststellbar sind. Es ist aber noch ein weiter Weg bis sich der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung in der Verwaltung widerspiegelt. In der Antwort werden einzelne Zahlen über den Anteil an Auszubildenden und Nachwuchskräften genannt. Dabei fällt auf, dass der Anteil mit Zunahme der Bildungsanforderungen zurückgeht. So haben zwar 14,3 Prozent – die Zahl ist bereits genannt worden – der Auszubildenden einen Migrationshintergrund, von den 2008/2009 eingestellten 28 Juristinnen und Juristen jedoch nur zwei. Das liegt mit Sicherheit nicht am Unwillen der Verwaltung, mehr Juristen mit Migrationshintergrund einzustellen, sondern eher daran, dass es nicht mehr Bewerber gegeben hat. Das wiederum liegt daran, dass ein Teil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Regel keine oder nur niedrige Bildungsabschlüsse vorweisen kann. Der ausgeprägteste Wille zur interkulturellen Öffnung nützt uns nichts, wenn es nicht genügend Bewerberinnen und Bewerber gibt, die die Einstellungsvoraussetzungen erfüllen.

Das selbe trifft auch auf die Schulen zu. Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund, die als Vorbilder dafür dienen, dass Integration und sozialer Aufstieg mit Bildung verbunden sind. Wenn es uns gelingt, die Schulen so zu stärken, dass auch die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund höhere Abschlüsse erreichen können, bereiten wir den Boden dafür, dass es mehr Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund in der Verwaltung gibt.

Herr Kollege! Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident! – Aufgrund der Bildungspolitik dieser Landesregierung sind wir aber meilenweit davon entfernt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Emine Demirbüken-Wegner (CDU) und Cornelia Seibeld (CDU)]

Vielen Dank! – Die Große Anfrage ist damit beantwortet und besprochen.

Die lfdn. Nrn. 18 bis 22 stehen auf der Konsensliste. Die lfd. Nr. 23 war die Priorität der Fraktion der FDP unter dem Tagesordnungspunkt 4 d. Die lfd. Nr. 23 A ist durch die Konsensliste erledigt.

[Unruhe]

Ich rufe auf

Rainer-Michael Lehmann

lfd. Nr. 23 B:

Dringliche Beschlussempfehlung

Vermögensgeschäft Nr. 20/2009 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte

Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/2826 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 Abs. 1 GO Abghs

Der Dringlichkeit wird offensichtlich nicht widersprochen.

Wird eine Beratung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Der Hauptausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Fraktion der CDU und bei Enthaltung der Fraktion der Grünen die Annahme des Vermögensgeschäftes Nr. 20/2009. Wer der Vorlage mit der Drucksachennummer 16/2826 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der FDP. Wer ist dagegen? – Dagegen ist die Fraktion der CDU. Wer enthält sich? – Die Fraktion der Grünen. Damit ist die Mehrheit festgestellt und so entschieden.

[Unruhe]

Wir kommen zur

lfd. Nr. 24:

Zusammenstellung

Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VVB

Drs 16/2785

Mir liegen keine Überweisungswünsche vor. Das Haus hat damit von den Verordnungen Kenntnis genommen.

Die lfd. Nr. 25 war die Priorität der Koalitionsfraktionen unter dem Tagesordnungspunk 4 c.

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Der Geräuschpegel ist zu hoch!

Ich rufe auf

lfd. Nr. 26:

Antrag

Bericht zur Umsetzung der Lokalen Agenda 21 endlich vorlegen!

Antrag der Grünen Drs 16/2784

Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt für die Fraktion der Grünen der Abgeordnete Ziller. – Ich bitte Sie nochmals, leiser zu sein!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Auch wenn es schon ein wenig spät ist, glaube ich,

dass wir uns die Zeit nehmen sollten, um heute über die Agenda 21 zu reden.

[Zurufe von der SPD: Nein!]

Am 8. Juni 2006 hat dieses Parlament aus meiner Sicht einen wegweisenden Beschluss auf den Weg gebracht.

[Michael Dietmann (CDU): Echt?]

Darin heißt es:

Das Abgeordnetenhaus von Berlin erklärt die Agenda 21 Berlin zur Leitidee der künftigen Landespolitik.

Die Agenda 21 ist ein Prozess der in Rio de Janeiro 1992 begonnen wurde und für alle Länder global Nachhaltigkeit in das Denken und Handeln von Politik und Gesellschaft verankern soll. Der Prozess war damals als Dialog mit den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen gedacht. Bürger, Gesellschaft, Politik, Verwaltung, alle sollten gemeinsam an dem Ziel arbeiten, unsere Erde zu erhalten oder wie es so schön heißt, den Handlungsbedarf zur Rettung der Erde umsetzen. Ich glaube, dass Berlin dem nicht gerecht wird. Von dem Beschluss ist nicht viel übrig geblieben. Alle Kleinen Anfragen und alle Aktivitäten zu dem Thema werden vom Senat abgetan, in den Antworten heißt es immer nur: In dem Bericht wird alles stehen. – In den Bezirken finden zum Teil noch Prozesse statt, aber auch nicht mehr viele. Seit Sommer dieses Jahres sollte der Bericht vorliegen, der Senat vertrödelt und verzögert den Prozess jedoch immer weiter. Wir müssen uns – deshalb dieser Antrag – den Bericht endlich vorlegen lassen, auch wenn er schlecht ist. Wir müssen uns Zeit nehmen und den Bericht in der Stadt diskutieren. Wir können die Herausforderungen – seien sie klimapolitisch oder anderer Natur – nur gemeinsam als Gesellschaft bewältigen.

Ich habe zwei Kritikpunkte: Erstens geschieht im Senat nichts mehr zu dem Thema. Die Äußerungen der Senatorin lauten immer: Wir haben das jetzt alle verinnerlicht und brauchen über Nachhaltigkeit nicht mehr zu reden. – Das ist falsch. Das Zweite ist – das ist, finde ich, viel wichtiger –: Der Prozess war so angelegt, ihn gemeinsam mit der Zivilgesellschaft auf den Weg zu bringen und Entscheidungen zu finden. Hier versagt der Senat aus meiner Sicht auf ganzer Linie.

[Beifall bei den Grünen]

Wir alle können Themen in dieser Stadt aufzählen. Es ist nicht nur die A 100, aber es gibt sehr viele Themen, wo dieser Senat den Bezug zur Gesellschaft und zu den Menschen in dieser Stadt verloren hat. Die Lokale Agenda beschreibt einen Prozess, der genau das macht: die Menschen mitzunehmen und gemeinsam Politik zu gestalten.