Protocol of the Session on November 26, 2009

gründlicher vorbereitet hätten, hätten wir die Möglichkeit gehabt, das auf eine vernünftige Grundlage für mehr Bereiche als nur für einen einzelnen Regelungsinhalt zu stellen. Aber wie dem auch sei – in der Tendenz marschieren wir in dieselbe Richtung. Wir sollten zusehen, dass wir im nächsten halben Jahr etwas hinbekommen, was dazu führt, dass wir auch in Zukunft tragfähige Regelungen für die direkte Demokratie haben werden. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Felgentreu! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Gram das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag reiht sich in eine Vielzahl von Vorschlägen zur angeblichen Verbesserung von Regeln der direkten Demokratie ein. Es soll – das wurde auch ausgeführt – statt eines Beteiligungsquorums nunmehr ein Zustimmungsquorum eingeführt werden, und die Mehrheit soll dann erreicht sein, wenn zehn Prozent der Wahlberechtigten dem Entscheid zugestimmt haben. Dem können wir nicht Folge leisten.

Zum einen hilft ein Blick in andere Bundesländer. Bis auf einige Teilbereiche in Bayern mit der Staffelung der Gemeinden nach Größen haben diese zwar fast alle Zustimmungsquoren, diese liegen aber bei 25 Prozent – und das aus gutem Grund. Die repräsentative Demokratie, die Verfassungsrang hat, soll auch in den Kommunen am Ende nicht zur Bedeutungslosigkeit degradiert werden. Deshalb wird die Ernsthaftigkeit des Bürgeranliegens in Relation zum Überspringen von Quorumshürden gestellt – wie gesagt, 25 Prozent! –, damit nicht das jeweilige Kommunalparlament oder auch die Exekutivorgane mit einer Vielzahl von nicht ernst gemeinten, unzulässigen oder schon im Ansatz erkennbar unbegründeten Anliegen konfrontiert werden.

Wir hatten seinerzeit – so lange liegt es nicht zurück – bei den Beratungen zwar in unterschiedlicher Gewichtung, schließlich aber mit Mehrheit den Gedanken vertreten, dass nicht eine kleine Zahl politisch aktiver Menschen oder Interessengruppen die schweigende Mehrheit mitverpflichten kann, dass damit das für die Demokratie konstitutive Mehrheitsprinzip ausgehöhlt würde. Wir haben uns damals auf 15 Prozent geeinigt. Diese Hürde, lieber Herr Kollege Lux, ist wahrlich nicht hoch. Das haben wir seinerzeit verdeutlicht. Auch wir haben das mitgetragen, wie Sie sich erinnern.

Wir wussten seinerzeit sehr wohl um die Unterschiede zwischen Abstimmungs-, Zustimmungs- und Beteiligungsquoren. Wir hatten uns insbesondere für die Form des Beteiligungsquorums mit der relativ geringen Hürde

entschieden, weil bei Beteiligungsquoren auch der mitbestimmt, der nicht in das Wahllokal geht, und die nicht abgegebenen Stimmen letztlich wie Nein-Stimmen wirken. Das wirkt eher bewahrend, und das begrüße ich.

Mit der angestrebten Regelung würden die Hürden in unzulässigem Maß herabgesetzt – das ist jedenfalls unsere Auffassung. Das könnte zum Beispiel in Kreuzberg dazu führen, dass das Bezirksamt sich bald im 24-StundenRhythmus mit Anträgen vermeintlicher Bürgeranliegen beschäftigen müsste. Die Arbeit der BVV würde letztlich ausgehöhlt. Das wünsche ich nicht einmal dem linken Kreuzberg.

[Beifall bei der CDU]

Aber noch ein anderer Grund bewegt mich. Es ist noch nicht lange her, dass wir das Bezirksverwaltungsgesetz geändert haben. Es gibt noch keine zulässigen Erfahrungswerte, die die Befürchtung der Antragsteller rechtfertigen.

[Zuruf von Dr. Fritz Felgentreu (SPD)]

Im Gegenteil, bei zwei wichtigen Anliegen hatten die Bürger Erfolg: in Charlottenburg – Sie erinnern sich – bei der Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung und bei der Abstimmung Mediaspree in Kreuzberg, jeweils nach gültigem Recht. Und in Spandau war es das dort vorhandene Quorum, das verdeutlichte, dass das dortige Anliegen – es ging um die Bebauung der Halbinsel im Groß Glienicker See – nicht alle Spandauer tangierte, und somit scheiterte. Bei der hier angestrebten Lösung wäre unter Umständen ein ganz anderes Ergebnis herausgekommen, und die Mehrheit der Spandauer wäre dann düpiert gewesen.

Und noch ein Letztes! Das geht nicht gegen Sie als Grüne, sondern gegen den Umgang des linken ach-sobürgerbewegten Senats mit der direkten Demokratie in toto und deren Ergebnisse.

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Solange ein Regierender Bürgermeister erklärt, ihn interessiere der Ausgang eines Volksbegehrens nicht, da er nicht an dessen Ausgang gebunden sei, und damit abstimmungswillige Bürger vom Urnengang abhält, so lange gehe ich nicht von einem ernsthaften Willen zur Demokratie aus, und so lange sehen wir auch keinen Grund, die gerade gefundenen Regelungen zu ändern.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Dr. Fritz Felgentreu (SPD)]

Ich erlaube mir, in diesem Zusammenhang auch an die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2009 zu erinnern. Das oberste Berliner Gericht hat die Ablehnung der Volksbegehren für eine bessere Personalausstattung der Kitas und die Offenlegung der Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe durch den Senat für unzulässig erklärt. Dieses doppelte Scheitern der Regierungskoalition war nicht nur peinlich, sondern macht auch ihr zweifelhaftes Verhältnis zur direkten Demokratie deutlich. Wollte der Senat den Berlinerinnen

Dr. Fritz Felgentreu

und Berlinern etwa nur vorgaukeln, sie hätten durch Volksbegehren und Volksentscheide und natürlich auch Bürgerentscheide mehr Einfluss auf das politische Geschehen in der Stadt? Anders ist kaum zu erklären, dass der Senat seit ihrer Einführung jede Möglichkeit nutzt, Volksbegehren zu verhindern bzw. ihre Durchführung – wie beim Volksbegehren zum Erhalt des Flughafens Tempelhof – zu erschweren. Redlich ist das nicht. – Wir werden dem Antrag nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]

Vielen Dank, Herr Angeordneter Gram! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Lederer das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide werden in diesem Hause breit getragen. „Breit getragen“ sage ich deswegen, weil man bei manchen Äußerungen – wie eben von Herrn Gram – seine Zweifel hat, ob das wirklich so ist. Auf der einen Seite wird der Untergang des Abendlandes beschworen, wenn die Bürgerinnen und Bürger zu viel Macht bekommen, auf der anderen Seite steht der bürgerfeindliche Senat. Da muss man sich ab einem bestimmten Punkt durchringen: Stimmt man zu, oder stimmt man gegen die direkte Demokratie? – und sich darauf auch festnageln lassen. Ich erinnere noch einmal daran: In Sachen direkter Demokratie haben fast alle Fraktionen in diesem Haus die CDU zum Jagen getragen. So war es.

[Uwe Goetze (CDU): Ihr Lieblingsmärchen!]

Nein, das ist die Wahrheit. Das lässt sich sogar belegen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Jetzt stehen Sie da und benutzen dieses Instrument auch, wenn es ihnen nützt. Deswegen können wir auch gemeinsam darüber reden, was wir gegebenenfalls an Verfassung, Abstimmungsgesetz oder Bezirksverwaltungsgesetz ändern wollen. Wir haben die Änderungen mit großer Mehrheit vorgenommen. Wir haben uns auch versichert, dass wir evaluieren wollen, dass wir Erfahrungen sammeln und auswerten wollen und dann gucken, wie wir damit umgehen.

Ein paar Punkte, an denen man etwas ändern muss, sind schon deutlich geworden. Da ist einerseits die Spendenveröffentlichungspflicht. Sie ist in Ihrer Rede gar nicht als Problem aufgetaucht, Herr Gram! Wenn ich an Ihre gescheiterten Volksbegehren denke, die Sie durchsetzen wollten, habe ich meine Vermutung, warum das bei Ihnen nicht als Problem gesehen wird.

Da muss man was tun. Wir müssen an den Regelungen zur Zulässigkeit etwas ändern. Das Verfassungsgerichtshofurteil ist angesprochen worden. In diesem Zusammen

hang ist auch die Frage aufgeworfen worden, ob es nicht sinnvoll wäre, ein Beteiligungs- durch ein Zustimmungsquorum zu ersetzen. Das ist schon öffentlich diskutiert worden, und seitens meiner Fraktion ist – beispielsweise über die von den Grünen durchaus auch gelesene „taz“ – Offenheit signalisiert worden. Insofern stimmt der Eindruck nicht ganz, der hier erweckt wurde: Die Grünen haben da ein Problem entdeckt. Das erklären wir euch jetzt mal, und dann machen wir euch auch gleich einen Vorschlag, wie man das löst. – Das haben auch schon einige andere entdeckt, und die Offenheit, sich darüber zu verständigen und auseinanderzusetzen, ist gegeben. Das Problem ist bekannt, und deswegen gibt es auch die Bereitschaft zu einer entsprechenden Änderung.

Zwei Anmerkungen, warum dieser Antrag so trotzdem nicht zustimmungsfähig ist. Die erste: Ich bin dafür, dass wir uns an einen Tisch setzen und darüber reden: Wo ist der Änderungsbedarf, und was ändern wir? – Man sollte jetzt nicht die Nummer fahren, jede Woche mit einem Bruchstück zu kommen, das hier in den Raum zu werfen und dann jedes Thema für sich einzeln ein bisschen und jeder nach seinem Gusto zu diskutieren, sondern wir sollten uns zusammensetzen und versuchen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen – insofern dachte ich, die Grünen hätten aus den Erfahrungen der seinerzeitigen Änderung gelernt und würden hier nicht vorpreschen, sondern zu einer offenen Verständigung bereit sein –, und dann regeln wir die Dinge miteinander.

Zweitens: Das Quorum, das jetzt im Antrag vorgeschlagen wird, ist eine reale Hürdenerhöhung. Es gibt keine Bereitschaft meiner Fraktion, das mitzutragen. Wir wollen keine Hürdenerhöhung. Wenn überhaupt, dann ist das Zustimmungsquorum auf einem Niveau festzusetzen, wo nach den bisherigen Erfahrungen das Beteiligungsquorum eine Entsprechung hätte. Das ist das, was wir wollen. Darüber sollte man reden, und dann sollten wir uns auf einen gemeinsamen Antrag einigen. Wenn wir dafür eine Mehrheit hier im Haus finden, machen wir das mit.

Herr Gram! 25 Prozent sind natürlich inakzeptabel. Wir sind hier nicht in Bayern, sondern haben 300 000 Bürgerinnen- und Bürger in den Bezirken. Da ist bisher das Abendland nicht untergegangen. Weder bei Rudi Dutschke – das hat auch nicht so ganz geklappt – noch bei der Parkraumbewirtschaftung noch bei anderen Themen ist das Abendland bisher untergegangen. Die Hürden haben sich unseres Erachtens bisher bewährt. Deswegen sollte man sie nicht künstlich hochsetzen,

[Uwe Goetze (CDU): Hat er ja auch gar nicht gesagt!]

sondern an ihnen festhalten und um der Klarheit willen – da hat der Kollege Lux völlig recht – ein Zustimmungsquorum einführen, denn ich will, wenn ich da hingehe, natürlich auch wissen, was ich mit meiner Stimme anrichte, und nicht ins Blaue hinein entscheiden und möglicherweise noch dem Gegenteil dessen, was ich will, über die Hürde helfen. Das kann nicht der Sinn der Übung sein. Insofern möchte ich Offenheit. Lassen Sie uns darüber reden, und dann machen wir so ein Paket und ändern

Andreas Gram

das. Vielleicht setzen wir uns gleich im Januar dafür zusammen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Herr Lux hat das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte!

Danke schön, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Lederer! Sie haben recht, es gibt noch weitere Baustellen. Unter anderem arbeiten auch die Vorsitzenden der Bezirksverordnetenversammlungen an diesem Problem. Aber dieses Problem Stimmenklarheit ist dort noch nicht aufgeworfen worden, und ich dachte mir: In diesem Punkt haben wir einen Konsens, jedenfalls bei den Fraktionen, die das Problem verstanden haben, dass ein Ja eben ein Ja und ein Nein eben ein Nein sein soll. Diesen Zustand haben wir bei den letzten 27 Begehren nicht gehabt. Wir haben ein laufendes Begehren, und es kann jederzeit passieren, dass etwa 11 Prozent der Leute hingehen und mit Ja stimmen, 5 Prozent der Leute hingehen und mit Nein stimmen. Dann sind die Nein-Leute von unserem unlogischen System betrogen worden. Ich finde, diesen Zustand können wir nicht weiter aufrechterhalten. Da habe ich Sie inhaltlich bei uns gesehen. Jetzt muss man sich noch einmal logisch fragen: Was ist dann das richtige Quorum? Da will ich auf Herrn Gram nicht weiter eingehen. Ich hoffe, Herr Gram führt sich unseren Gesetzentwurf noch mal zu Gemüte, damit man ernsthaft darüber reden kann.

Aber ich will noch einmal sagen: Weshalb die Zahl 10 Prozent? – Momentan haben Sie rein rechnerisch die Möglichkeit, mit 7,5 Prozent plus einer Stimme einen Bürgerentscheid zu gewinnen. Dieser rechnerisch unwahrscheinliche Fall wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, weil ein Zustimmungsquorum von 10 Prozent plus einer Stimme erforderlich ist.

Aber ich sage Ihnen das Beispiel andersherum, und ich hoffe, damit die SPD-Fraktion gewinnen zu können: Sie werden in Zukunft auch einen Bürgerentscheid haben können, bei dem 10 Prozent plus eine Stimme mit Ja und nur 2 Prozent mit Nein stimmen. Das ist dann wiederum eine Erleichterung gegenüber dem jetzigen Zustand. Also: Wir haben auf beiden Seiten etwas erleichtert, und auf beiden Seiten nehmen wir in rechnerischen Konstellationen etwas weg. Das ist genau die Mitte. Wir stellen von Beteiligung auf Zustimmung um. Das ist das, was sein muss, damit die Bürgerin und der Bürger in diesem Land Klarheit über ihre Abstimmungsfragen haben. Abstimmungsfragen sollen kein Hütchenspiel sein. Sie sollen wissen, was sich darunter verbirgt, wenn sie ihre Stimmen abgeben, und ich denke, wir sollten auf dieser Grundlage zu einer Einigung kommen – und das sehr schnell – und nicht noch weitere Baustellen aufmachen.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Lux! – Möchten Sie replizieren, Herr Kollege Lederer? – Dann haben Sie das Wort.

In aller Kürze: Es gibt einen Haufen Probleme. Viele davon sind dringlich, die Frage der Spenden z. B., also: Wer manipuliert hier möglicherweise Volksentscheide oder Volksbegehren? Das ist auch eine dringliche Frage, denn auch da geht es um zentrale Punkte.

Ich habe ein Verfahren vorgeschlagen. Lassen Sie uns Anfang Januar uns zusammensetzen, lassen Sie uns eine Bestandsaufnahme machen, und dann können wir zügig zu einer Entscheidung kommen. Es ist ja richtig, dass das alles irgendwie drängt, aber es muss alles seriös bearbeitet werden. Es muss in diesem Hause jeweils eine entsprechende Zweidrittel- oder einfache Mehrheit her. Deswegen ist es sinnvoll, wenn hier nicht jeder noch eine Idee in den Raum wirft, sondern wenn wir erst einmal alles zusammentragen, wenn wir die Themen, die einigungsfähig sind, seriös bearbeiten und dann eine Entscheidung treffen.

Ich weiß, die Koalitionsfraktionen – da bin ich mir mit meinem Kollegen Dr. Felgentreu einig – sind zu einem solchen Verfahren bereit. Wir denken auch schon über Vorschläge nach. Den Antrag, der hier vorliegt, hätten wir auch schon zustande bekommen. Dann setzen wir uns zusammen und einigen uns, dann machen wir eine vernünftige Änderung und ziehen die ersten Schlussfolgerungen nach soundso viel Jahren direkter Demokratie in Berlin. Das ist doch der beste Weg, und dann geht das auch schnell über die Bühne. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das viel länger dauert als ein Verfahren im Rechtsausschuss.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön! – Jetzt ist der Kollege Jotzo für die FDP dran. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lederer! Sie haben recht: Vielleicht sollten wir uns mit diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht befassen, denn es gibt in der Tat mehr Probleme im Land Berlin. Ich darf nur die A 100, die Finanzierung der Universitäten, die Konsolidierung unseres Haushalts und die Wirtschaftspolitik dieses katastrophalen rot-roten Senats nennen.