Dies steht ausdrücklich im Gesetz, allerdings ist dieser Ansatz gerade von Herrn Hoffmann kritisiert worden. Aber ich denke, dass das etwas mit Selbstbestimmung zu tun hat, dass auch die Öffnung in die Gesellschaft hinein stärker beachtet wird.
Das neue Gesetz bezieht sich neben stationären Einrichtungen – wie das alte Heimgesetz – erstmals auch auf Wohngemeinschaften für volljährige pflegebedürftige und behinderte Menschen, die Pflege- und Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen. Allerdings ist es leider gerade diesem Umstand zu verdanken, dass eine gemeinsame Gesetzgebung von Berlin und Brandenburg nicht zustande kam. Der Landtag von Brandenburg hat sein Gesetz bereits am 1. Juli beschlossen. Dieses berücksichtigt im Unterschied zum Berliner Ansatz die Wohngemeinschaften nicht. Ich bedauere sehr, dass beide Länder keine gemeinsame Lösung gefunden haben, und ich fürchte, dass diese Arbeit eines Tages, aber dann unter erschwerten Bedingungen, noch zu leisten sein wird.
Nach dem ersten Entwurf des Gesetzes von Mai 2008 gab es einen Referentenentwurf. Ca. 80 Fachkreise und Verbände wurden um Stellungnahme gebeten, und die meisten von ihnen haben auch geantwortet. Allerdings ist es Unsinn, wenn Herr Hoffmann in seiner Presseerklärung, die er gestern schon rausgegeben hat, behauptet, der Zweck des Gesetzes wäre nicht klar auf die Stärkung der Nutzerinnen und Nutzer als Vertragspartner gerichtet. Gerade dieser Ansatz ist z. B. in § 7 – Mitsprache und Einsichtsrechte der Bewohnerinnen und Bewohner – oder
§ 9 – Mitwirkung in stationären Einrichtungen – erweitert und klarer geregelt als bisher. Der Verbraucherschutz soll gestärkt werden und wird mit dem Wohnteilhabegesetz auch gestärkt. Die Aufsichtsbehörden erhalten diesbezüglich Aufgaben und Befugnisse – im Unterschied zu Ihrer Aussage von vorhin, Herr Hoffmann! Das steht zwar nicht direkt im Gesetz, aber in den Erläuterungen zum Gesetz finden Sie genau diesen Ansatz. Wir wissen, ein funktionierender Verbraucherschutz kann erheblich zur Qualitätssicherung und Entwicklung beitragen und entspricht den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger. Es gibt große Meinungsunterschiede in den Zuschriften. Es gibt auch welche zwischen der Liga und anderen Trägern. Herr Birk hat z. B. schon einiges vorgetragen, was durchaus in der Praxis anders gesehen wird, als Wohlfahrtsverbände zusammengefasst vorgestellt haben. Es wird auch kritisiert, dass die Wohnformen in alter Begrifflichkeit charakterisiert werden. Aber es gibt im Moment keine besseren Vorschläge. Was Brandenburg macht, ist nicht unbedingt klarer. Es gibt Kritik an der Ausdehnung des Gesetzes auf die ambulanten Wohnformen, weil sie privater Wohnraum wären. Dazu hat Herr Birk schon argumentiert. Dem kann ich eigentlich nur zustimmen. Da ist auch Kontrolle notwendig. Wir werden im Ausschuss zu prüfen haben, in welcher Weise der Zweck des Gesetzes in der nun vorliegenden Fassung tatsächlich erfüllt wird. Werden z. B. Erfahrungen aus Nueva-Projekt und Forderungen der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt? Auch das wird zu prüfen sein. Dazu werden von meiner Fraktion Praxisvertreter ausführlich zu Rate gezogen werden. Große Erwartungen sind mit der Einführung dieses Gesetzes in Berlin verbunden, aber wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass die Bundesgesetzgebungen und hier besonders die Sozialgesetzbücher XI – Pflegeversicherung – und XII – Sozialhilfe – die Rahmenbedingungen setzen und wir insbesondere im Pflegebereich einen Flickenteppich haben, –
eben weil eine auf die Interessen der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtete Pflegeform auch nach Jahren nicht zustande gekommen ist und sehr bezweifelt werden darf, ob unter Schwarz-Gelb der große Wurf gelingen wird. Ich gehe davon aus, dass wir alle an einem guten und modernen Gesetz interessiert sind, und ich hoffe auf eine konstruktive Debatte im Ausschuss. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dott! – Für die FDPFraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Lehmann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Im Zuge der Föderalismusreform wurde die Zuständigkeit für die Heimgesetzgebung auf die Länder übertragen. Die FDPFraktion im Bundestag hatte sich seinerzeit dagegen ausgesprochen, auch deshalb, weil viele andere Rechtsbereiche weiterhin in der Bundeszuständigkeit liegen. Dass der Senat das Wohnteilhabegesetz erst jetzt eingebracht hat, liegt sicherlich auch daran, dass bundesrechtliche Regelungen, z. B. Sozialgesetzbuch und Heimvertragsgesetz, beachtet werden mussten. Ob das gelungen ist, wage ich zu bezweifeln.
Wir müssen die Entwicklung des Wohnteilhabegesetzes als Chance betrachten, neue Entwicklungen in der Unterbringung und Pflege von alten und behinderten Menschen zu berücksichtigen. Wir müssen endlich sicherstellen, dass diese Stadt in der Lage sein wird, eine qualitativ hochwertige und menschenwürdige Pflege für immer mehr ältere und pflegebedürftige Menschen sicherzustellen. Gute und menschenwürdige Pflege ist ein Bürgerrecht. Darum müssen wir dafür Sorge tragen, dass diese menschenwürdige Pflege und Unterbringung die notwendigen Rahmenbedingungen bekommen. Wir Liberalen befürworten es, wenn Menschen auch im Falle einer Behinderung oder Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich im vertrauten Umfeld oder in anderen selbstbestimmten Wohnformen, die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind, ambulant leben können.
Glücklicherweise hat sich bei der Entwicklung neuer Wohnformen in den letzten Jahren schon einiges getan. Trotzdem wird es immer Menschen geben, die aufgrund ihrer Lebenssituation den Schutz der stationären Pflege benötigen. Darum muss das Gesetz auch dafür Sorge tragen, die Unterschiede zwischen dem Wohnen mit stationärer Pflege und dem Wohnen in eigener Häuslichkeit weiter zu verringern. Das Motto muss lauten: So viel Freiheit und Selbstbestimmung wie möglich, aber auch so viel Schutz und Sicherheit wie nötig.
Wichtig ist die Transparenz der Qualität der einzelnen Anbieter. Wir benötigen nicht nur mehr Qualität, sondern auch mehr Informationen über die Qualität in den einzelnen Pflege- und Betreuungseinrichtungen, damit Betroffene und deren Angehörige mehr Unterstützung dabei erhalten, das passende Angebot zu finden.
Der Gesetzentwurf, den der Senat heute vorlegt, wird noch nicht allen Notwendigkeiten gerecht, da er viele neue Entwicklungen wie z. B. die Entwicklung neuer Wohnformen nicht ausreichend berücksichtigt. Man wird den Anforderungen einer stetig alternden Gesellschaft nicht mit einer kleinlichen oder überregulierten Heimgesetzgebung gerecht. Die Träger und Betroffenen brauchen
Aber auch in anderen Bereichen ist der Entwurf des Senats hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Seit Jahren reden wir davon, die ambulanten Strukturen zu unterstützen. Ambulant vor stationär! Auch dieses Leitbild ist vom Senat nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Gesetzentwurf des Senats stellt weiterhin das Heim in den Mittelpunkt der Betrachtung. Wir müssen uns aber am Subjekt der Pflege, dem älteren oder behinderten Menschen, orientieren, an dessen individuellen Bedürfnissen und Wünschen, die sich auch in individualisierten Pflegeleistungen und Wohnformen niederschlagen müssen.
Der Gesetzentwurf des Senats liefert dazu nicht den notwendigen Spielraum. Viele Träger, die sich in dem Bereich engagieren, tun dies über Berlin hinaus. Damit sich diese nicht auf zwei unterschiedliche Gesetze einstellen müssen, wäre es sinnvoll gewesen, das Gesetz mit dem Land Brandenburg abzustimmen. Das hat der Senat leider versäumt. In Anbetracht der Tatsache, dass das Thema Pflege bei den meisten Menschen immer ein ungutes Gefühl verursacht, sie sogar ängstigt, wenn es um eigene anstehende oder vorhandene Pflegebedürftigkeit geht, sehe ich uns alle in der Pflicht, dieses Thema mit aller gebotenen Sachlichkeit zu behandeln. Ich hoffe, der Senat und die Koalition werden im Rahmen der weiteren Beratungen einigen Einwänden Rechnung tragen, damit wir ein Gesetz erhalten, in dem nicht nur im Titel der Begriff der Teilhabe vorkommt, sondern das Teilhabe ermöglicht. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lehmann! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Gesetzesvorlage Drs 16/2705 an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales sowie an den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre.
Ich eröffne die I. Lesung. Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie sowie an den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre.
Ärztliche Praxen und Medizinische Versorgungszentren decken in Berlin einen großen Anteil der medizinischen Versorgung der Bevölkerung ab. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität, zu sozialer Gerechtigkeit und zur Würde unserer Gesellschaft. Das Spektrum ihrer Arbeit reicht dabei von der elektiven zur Notfallversorgung in allen Fachdisziplinen im Rahmen werktäglicher Sprechstunden, über ambulantes Operieren, die Versorgung von Kindern, von behinderten und alten Menschen in Heimen, über Hausbesuche, die intensive Betreuung von Suchtkranken und vieles mehr bis hin zur Versorgung Sterbender im Rahmen der Palliativtherapie. All diese Aufgaben, die in einer humanitären Gesellschaft unabkömmlich sind, werden u. a. von Ärztinnen und Ärzten mit eigener Kassenzulassung und deren angestelltem Personal durchgeführt. Einen weiteren Anteil an dieser Versorgung haben auch angestellte Ärzte, sei es in Praxen, sei es in MVZ. Im Rahmen der Aufgabenteilung mit den Krankenhäusern entlasten sie den Bereich der stationären Versorgung und leisten einen wichtigen Beitrag zur sinnvollen Ressourcennutzung im Gesundheitssystem.
Viele Praxen und MVZ erbringen auch an Sonn- und Feiertagen elektive Versorgungsleistungen, die von Sonntagssprechstunden bis hin zur täglichen Behandlung zu Hause sterbender Kranker reichen, die keine Notfälle darstellen. Viele Menschen sind aufgrund ihrer beruflichen Situation werktags nur unter größten Schwierigkeiten abkömmlich und müssen nicht selten wochenlange Wartezeiten auf einen Termin in Kauf nehmen. Krankheiten werden oft verschleppt. Die Patienten wenden sich in
ihrer Not nicht selten an die stets geöffneten Rettungsstellen und belasten deren ohnehin schon angespannte Lage und die Ressourcen der Notfallversorgung zusätzlich. Diesen Menschen machen in Berlin viele Praxen das Angebot einer rechtzeitigen, umkomplizieren, elektiven Behandlung am Wochenende.
Ende April verkündete die Senatsverwaltung für Gesundheit, die sonntägliche Patientenversorgung mit angestelltem Personal außerhalb von Notfällen fiele nicht unter die Ausnahmeregelungen des Arbeitszeitgesetzes, und bedrohte die Betroffenen explizit mit Bußgeldern. Die FDPFraktion ist zutiefst besorgt über diese Entscheidung. Zum einen werden Rettungsstellen mit elektiven und frühelektiven Fällen zusätzlich belastet, die sinnvolle Aufgabenteilung behindert. Zum anderen wird die zeitgemäße, arbeitnehmerfreundliche medizinische Angebotsvielfalt in Berlin reduziert und die Arbeitsplatzsicherung im ambulanten Sektor durch die Einbeziehung der sonntäglichen Nachfrage in das Leistungsspektrum geschwächt.
Der Senat führt an, es gehe um den Schutz des angestellten Personals. Aber wenn man die Betroffenen einmal fragt, dann machen sie die Sonntagsdienste erstens freiwillig, und zweitens sind sie für die größere Flexibilität und die Möglichkeit dankbar, zum Ausgleich einen freien Werktag nutzen zu können. Und damit daran gar kein Zweifel besteht: Natürlich gelten die Ausgleichsmaßnahmen nach § 11 des Arbeitszeitgesetzes, keiner will das ändern! Und die Praxen zahlen übrigens völlig korrekt die 125 Prozent des Lohns für Sonntagsarbeit, bekommen aber von den gesetzlichen Kassen trotzdem nur 100 Prozent der üblichen Vergütung.
Aus humanitärer Sicht dramatisch sind allerdings die Folgen der Rechtsauffassung des Senats vor allem für diejenigen, deren Bedürfnisse und gesundheitliche Leiden sich nicht nach dem Wochentag richten und die heute eben auch von angestellten Ärztinnen und Ärzten sowie nichtmedizinischem Personal sonntags versorgt werden, ohne Notfälle zu sein. Nachdem Sie darauf hingewiesen wurden, mussten Sie Ihre Rechtsauffassung hinsichtlich der Methadonausgabe und der Palliativversorgung der Berliner Homecare bereits revidieren. Das muss man sich einmal klarmachen: Sie bezeichnen sich als sozial. Aber zu wessen Lasten gehen denn die auftretenden Versorgungslücken? – Natürlich zulasten der Schwächsten im System: zulasten der Kranken nämlich! Die Bedürfnisse der Kranken sind nicht nach dem Kalender religiöser Feiertage planbar. Die Sorgen und Schmerzen von Palliativ-, aber auch von weniger schwer erkrankten Menschen machen leider keine Pause, weil gerade Sonntag oder Pfingsten ist.