Protocol of the Session on October 15, 2009

[Beifall bei der FDP]

Letztendlich muss man politische Mehrheiten finden. Wir standen auch bei der Änderung des Landesbeamtengesetzes dafür bereit, das haben Sie gesehen. Insofern gibt es gar keinen Grund, uns irgendeinen geheimen Vorbehalt hinsichtlich Homosexueller vorzuwerfen.

Lassen Sie mich mit einem Zitat von Brigitte Zypries, der Bundesjustizministerin aus der „Siegessäule“ vom Juli 2009 abschließen.

[Thomas Birk (Grüne): Ach, die lesen Sie auch?]

Herr Dr. Kluckert! Ihre Redezeit ist beendet!

Das Grundgesetz diskriminiert keine Minderheiten. Der allgemeine Gleichheitssatz gilt für alle, auch für Lesben und Schwule, und setzt den Staat hier unter Rechtfertigungsdruck. Wann immer er vergleichbare Dinge unterschiedlich regeln will, muss er dafür einen Grund haben.

Dieser Aussage schließe ich mich ausdrücklich an und mach sie mir zu eigen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Kluckert! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Vorlage – zur Kenntnisnahme – an den Rechtsausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 6:

II. Lesung

Berliner Gesetz über einen Armuts- und Reichtumsbericht – Armuts- und Reichtumsberichtsgesetz (ARBG)

Beschlussempfehlungen IntArbBSoz und Haupt Drs 16/2653 Antrag der Grünen Drs 16/1620

in Verbindung mit

lfd. Nr. 18:

Beschlussempfehlung

Seriöse Sozialpolitik braucht kontinuierliche Sozialberichterstattung auf aktueller Datenbasis

Beschlussempfehlung IntArbBSoz Drs 16/2650 Antrag der CDU Drs 16/0895

Ich schlage vor, die Einzelberatung der vier Paragrafen miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 4, Drucksache 16/1620. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Villbrandt, Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen und auch der FDP-Fraktion! Sie haben schon angekündigt, dass Sie unserem Gesetzesantrag „Armuts- und Reichtumsbericht für Berlin“ nicht zustimmen wollen. Sie wollen nicht dafür sorgen, dass Berlin einen regelmäßigen Armuts- und Reichtumsbericht bekommt. Sie wollen keine verlässliche, kontinuierliche Datenerhebung und -auswertung, denn Sie wollen auch dem Antrag der CDU-Fraktion „Seriöse Sozialpolitik braucht kontinuierliche Sozialberichterstattung auf aktueller Datenbasis“ nicht zustimmen, der in eine ähnliche Richtung wie unser Antrag geht, sich aber nicht ausschließlich auf Armuts- und Reichtumsberichte bezieht. Sie wollen nicht, dass die Versäumnisse und Misserfolge Ihrer Regierung deutlich werden. Sie scheuen Vergleiche mit anderen Landesregierungen. Sie wollen nicht, dass die vernachlässigten Baustellen Ihrer Regierungszeit bekannt werden. Wir durchschauen Sie und werden Sie nicht in

Ruhe lassen, die Berliner Bevölkerung übrigens auch nicht.

[Beifall bei den Grünen]

Ihre Argumente kennen wir: Es gibt so viele Berichte und Daten in Berlin. – Wir möchten die vorhandenen Berichte nicht schlechtmachen. Die meisten haben auch ihre Berechtigung. Wir möchten diese nicht gegen einen regelmäßigen Armuts- und Reichtumsbericht ausspielen und hier auch nicht über Mängel dieser Berichte reden. Das ist eine ganz andere Diskussion, die wir extra miteinander führen müssen, nämlich: Welche Qualitätsstandards sollten Senatsberichte generell haben?

Uns geht es um die Notwendigkeit, aus vielerlei Daten, die bereits erhoben werden, eine Auslese zu treffen, die geeignet ist, über längeren Zeitraum Aussagen über die Armuts- und Reichtumsentwicklung in unserer Stadt zu treffen, und zwar so kontinuierlich erhoben und ausgewertet, dass die Vergleiche und Entwicklungen abgebildet sind. Uns geht es nicht um die Menge, sondern um die Qualität und auch um Schlussfolgerungen, damit wir stets eine differenzierte und aktuelle Bestandsaufnahme haben, um dann geeignete Präventionsmaßnahmen und Lösungsansätze für unsere Stadt entwickeln zu können.

Wenn wir zum Beispiel über die notwendige Dichte von Fachärzten oder über die Dichte der Beratungsstellen in unserer Stadt reden, dann dürfen wir nicht nur die Dichte der Bevölkerung in Augenschein nehmen, sondern müssen auch die Armuts- und Reichtumsentwicklung mit dazunehmen. Das sind nur zwei Beispiele von vielen.

Wir haben die Form eines Gesetzesantrages gewählt, weil wir die Beliebigkeit, die wir sonst in der Berichterstattung in Berlin haben, verhindern und die Nachhaltigkeit über die Wahlperiode hinaus sichern wollen. Natürlich kann eine Regierung diese Aufgabe auch freiwillig machen, aber Rot-Rot in Berlin tut das nicht. Diese Aufgabe ist wahlperiodenübergreifend, und deshalb ist die Gesetzesform geeignet. Es kommt nämlich auf die Kontinuität, auf die Vergleichbarkeit und auch auf die Auswertung an.

[Beifall bei den Grünen]

Die bisherigen Berichte ersetzen nach unserer Überzeugung einen Armuts- und Reichtumsbericht nicht, sie können ihn nur ergänzen.

Herr Lehmann! Sie haben für die FDP-Fraktion eine merkwürdige Begründung für Ihre Ablehnung dieses Gesetzesantrages im Fachausschuss vorgetragen, nach dem Motto: Wenn wir einige Landesgesetze zum Abschaffen nennen würden, dann hätten wir die Berechtigung, ein neues Gesetz zu beantragen.

[Rainer-Michael Lehmann (FDP): Sehr richtig!]

Ich könnte hier schon einige Kandidaten für den Gesetzesabfalleimer nennen, aber – mit Verlaub, Herr Lehmann – das fände ich nicht seriös. Meine Fraktion wird sich weiterhin für die Abschaffung aller unnötigen Landesgesetze einsetzen, mit Bedacht und auch mit Sorgfalt. Das

ist eine Aufgabe für sich. Wir werden unabhängig davon auch ein neues Landesgesetz fordern, wenn es unserer Meinung nach notwendig oder wichtig ist. Es ist schade für die zukünftige Berliner Sozialpolitik, dass Sie unserem Gesetzesantrag nicht zustimmen.

[Beifall bei den Grünen und der CDU]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion hat nunmehr Frau Kollegin Radziwill das Wort. – Bitte schön, Frau Radziwill!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Villbrandt! Sie haben es richtig erkannt Wir werden den Antrag ablehnen. Das ist eine seit mehreren Jahren geführte formalistische Debatte. Sie nörgeln ständig, dass Sie Berichte haben wollen. Sie wollen Berichte auch nicht auswerten, sondern möchten alles fertig, alles vorgekaut präsentiert bekommen. Wir sagen: Es gibt in Berlin seriöse Sozialpolitik, und es gibt auch sehr viel, sehr gute Berichterstattung. Kontinuierlich wird es erhoben, und aktuelle Daten liegen vor.

Ganz aktuell, das wissen Sie sicherlich auch: Wir haben seit 2008 auf der Homepage der Sozial- und auch der Gesundheitsverwaltung eine entsprechende Datenbank, wo Gesundheits- und Sozialdaten abgerufen werden können. Hier gibt es eine Fülle von Informationen. Hier sind auch sehr kleinteilig Daten zusammengestellt und können abgerufen werden, sodass Sie selbst alles abrufen, für sich selbst zusammenstellen und auswerten können.

Ich möchte mit Ihnen eine fachliche Wertung teilen: In der Sozialforschung herrscht Konsens darüber, dass eine fundierte Diagnose der sozialen Situation nur auf der Basis einer differenzierten Sozialberichterstattung möglich ist. Armuts- und Reichtumsberichterstattung ist ein Gegenstand der Sozialberichterstattung. Sie lässt sich aus meiner Sicht nicht darauf reduzieren. Armuts- und Reichtumsberichterstattung selbst reduziert sich nicht auf die Berichterstattung über Einkommenslagen der Bevölkerung. Diese umfassender zu verstehen, hat sich im lebenslangen Ansatz, unter anderem in der Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung durchgesetzt. Demnach müssen Armut und Reichtum in den unterschiedlichen Dimensionen der Lebenslagen analysiert werden. Ich denke, dass Sie sich dieser Analyse anschließen können, ich jedenfalls kann das.

Wir haben im Land Berlin regionale Berichterstattungen, die als Grundlage geeignet sind, konkrete politische Maßnahmen umzusetzen. Wir haben den Sozialstrukturatlas, das Monitoring Soziale Stadtentwicklung und das Gesundheits- und Sozialinformationssystem GSI – das hatte ich vorhin bereits erwähnt. Mit diesem Element der Sozialberichterstattung ist eine kleinräumige Analyse und darauf aufbauend eine räumlich differenzierte Politik aus

meiner Sicht möglich. Mit dem Sozialstrukturatlas verfügt Berlin über ein sehr spezielles, sehr ausgewogenes Diagnose- und Planungsinstrument. Über Jahre hinweg hat sich dieser Sozialstrukturatlas stetig weiterentwickelt. Im Sozialausschuss haben wir darüber zuletzt debattiert, uns den aktuellen Atlas vorgenommen und festgestellt, dass darin weitere Dimensionen der Lebenslage der Berlinerinnen und Berliner untersucht wurden. Mit dem Ansatz, die soziale Lage der Stadt in ihren räumlichen Untergliederungen zu beschreiben, geht der Strukturatlas weit über die Armutsberichterstattung hinaus. Für mich heißt das, dass wir eine sehr gute Planungsgrundlage haben. Die Frage ist vielmehr, was wir mit der Fülle an Daten und Materialien machen.

[Zuruf von Jasenka Villbrandt (Grüne)]

Hier sind wir, hier ist die Politik gefragt, die Auswertung selbst vorzunehmen, und ich bin gespannt, welche Schlussfolgerungen Sie aus der letzten Debatte in unserem Fachausschuss rund um den Sozialstrukturatlas ziehen, welche konkrete Politik Sie anstreben, welche Schlussfolgerungen Sie uns in Form von Anträgen präsentieren. Ich jedenfalls möchte mir die Freiheit nehmen, die Daten, die ausgiebig erhoben wurden, selbst zu bewerten und zu analysieren. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Kollegin Radziwill! – Für die CDUFraktion hat nunmehr der Kollege Hoffmann das Wort. – Bitte schön, Herr Hoffmann!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Vor reichlich einem Jahr kündigte die SPD während der Ersten Lesung der Anträge Ernsthaftigkeit in der Ausschussdiskussion an. Die Linke verspürte durch ihre damalige Abgeordnete Frau Dr. Schulze sogar Freude auf die kommende Beratung. Wer jedoch auf diesen Versprechen vertraute, sah sich arg getäuscht, denn die Diskussion verlief weder freudig noch wirklich ernsthaft. Zwar gab es einen exzellenten Vortrag aus der Verwaltung zum Aufbau der neuen Datenbank für Gesundheit und Soziales sowie zu dem aktuellen Sozialstrukturatlas, doch die Argumente der Koalition gegen unseren und den Antrag der Grünen waren immer fadenscheinig, dröge und zeugten von Desinteresse.

[Beifall bei der CDU]

So hörte man die gängigen Ausreden, es gäbe genügend Daten – wie auch eben vorgetragen –, man habe keinen Nachholbedarf hinsichtlich aktueller Sozialberichterstattung, man brauche vor allem keinen Armutsbericht, der auch noch, wie im CDU-Antrag gefordert, die Wirkung staatlicher Transferleistungen beleuchten soll, vor allem brauche man keinen Aktionsplan zur Armutsbekämpfung in Berlin – alles unnötig, alles Ballast. Das hat mich schon

verwundert, denn das sagt eine Koalition, in deren Amtszeit das Armutsrisiko sowie die Anzahl der von Armut betroffenen Menschen dramatisch angestiegen ist. Das sagt eine Koalition, die ständig das Wort Gerechtigkeit ins Feld führt – doch wo bleiben dazu die konkreten Vorschläge? – Außer der Reichensteuer gibt es da nicht viel zu hören. Nicht quatschen, handeln ist gefordert, siehe Bund!

[Beifall bei der CDU]

Da braucht es erst eine FDP/CDU-Bundesregierung, um Hartz VI zu entwickeln, wenn ich da an die besseren Regelungen beim Schonvermögen und Hinzuverdienst denke.