Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Sayan! An Ihrem Beitrag hat mich doch sehr stark erstaunt, dass Sie die Verantwortung für diese Frage auf die Bundesebene wegdelegieren wollen. Dabei sieht das Aufenthaltsgesetz genau das Gegenteil vor. Nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes kann nämlich die oberste Landesbehörde, also auch hier in Berlin, ohne Weiteres aus humanitären Gründen anordnen, dass bestimmten Ausländergruppen ein Aufenthaltsrecht erteilt wird.
Das Einzige, das Sie dafür brauchen, ist das Einvernehmen des Bundesinnenministeriums. Da werden wir sehen, Herr Wansner, ob es tatsächlich bei einem Bundesinnenminister Schäuble bleibt oder ob es gegebenenfalls einen anderen Bundesinnenminister gibt. Nichts entlässt diesen rot-roten Senat, nichts entlässt diese rot-rote Abnickfraktion hier auf den linken Bänken aus ihrer humanitären Verantwortung.
[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Gelächter des Senators Dr. Ehrhart Körting]
Auch die FDP-Fraktion wird das nicht tun. Im Grundsatz – ich freue mich sehr, Herr Wansner, dass wir an dem Punkt auch im schwarz-gelben Lager einig sind – gilt es selbstverständlich, die humanitäre Verantwortung der Bundesländer hier auch zu sehen. Das haben im Übrigen – deshalb verwundert mich Ihr Beitrag, Herr Sayan – –
Herr Kollege Jotzo! Wie bewerten Sie denn das unüberhörbare Lachen des Innensenators, nachdem Sie eben
ausgeführt hatten, er bräuchte dazu lediglich das Einvernehmen des Bundesministers für Inneres? Werten Sie das eher als Verzweiflung oder eher als Zynismus, weil er an dem Punkt ohnehin nicht weiterkommt? Oder können Sie mir dazu noch einmal erklären, warum der Innensenator darüber in Gelächter verfällt?
Vielen Dank, Herr Kollege Lux! Ich kann mir das Gelächter des Herrn Innensenators nur so erklären, dass er sich mit den Fragen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium für Inneres offensichtlich in letzter Zeit nicht besonders intensiv beschäftigt hat, sonst wären auch die Beiträge hier aus der Regierungskoalition nicht von einer solchen Unkenntnis der gesetzlichen Fakten geprägt.
Ich will aber noch einmal auf zwei Aspekte des Antrags eingehen, an denen wir vielleicht im Ausschuss noch arbeiten müssen. Frau Bayram, das Eine ist, dass Sie uns in Punkt 2 die dauerhafte Integration von Flüchtlingen empfehlen. Ich würde grundsätzlich gern bei dem Regelfall bleiben, dass wir versuchen, Flüchtlingen nach dem Wegfall des Fluchtgrundes die Möglichkeit einräumen, in ihre Heimat zurückzukehren. Das ist sicherlich auch im Sinn der Betroffenen. Natürlich ist der Grundsatz der bestmöglichen Integration, den Sie aufgeworfen haben, hier sinnvoll.
Mich hat etwas erstaunt – die Grünen haben diesen Antrag in der einen oder anderen Fassung in allen, oder zumindest in vielen, Landesparlamenten eingebracht –, dass Sie die spannenden Teile in die Begründung hineingeschrieben haben. Dies betrifft die Größe des Kontingents. Diese haben Sie beispielsweise in Schleswig-Holstein definiert. Dann haben Sie leider auch auf die Fragen der Art, auf dieses Kontingent einzugehen, verzichtet. Wir haben für die Ausschussdiskussion noch viele Fakten und Voraussetzungen, die wir klären müssen.
Die Frage ist insbesondere, welche Kriterien für diese Flüchtlinge angesetzt werden. Ich möchte kurz anmerken, dass die Kriterien, die jetzt gerade durch das Bundesministerium des Innern angesetzt wurden, zum einen die Integrationsfähigkeit der Personen betreffen, zum Zweiten die Einheit der Familie, zum Dritten, dass familiäre Bindungen nach Deutschland vorteilhaft sind und viertens die Schutzbedürftigkeit gegeben ist. Auch hier kann man sich trefflich darüber streiten, welche Kriterien diese Schutzwürdigkeit bedingen soll.
Ich habe hinreichend deutlich gemacht, dass der Antrag konstruktiv von uns gewürdigt wird. Wir werden auch gern im Ausschuss daran arbeiten, die eine oder andere Frage noch zu verbessern. Uns als FDP-Fraktion ist wichtig, dass auch das Land Berlin seiner humanitären Verantwortung nachkommt. Uns ist auch wichtig, dass das Land Berlin endlich lernt, mit den Instrumenten des Föderalismus umzugehen und sich auch an der geeigneten Stelle des Einvernehmens zu versichern. Uns ist natürlich
auch daran gelegen, dass die Regierungsfraktionen Gelegenheit erhalten, von der Gesetzeslage Kenntnis zu nehmen. Daher freuen wir uns über diesen konstruktiven Ansatz, der uns sicherlich viel Anlass zur Diskussion im weiteren Verlauf geben wird. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jotzo! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags Drucksache 16/2689 an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung beantragt mit der Bitte, für die Beratung den Ausschuss für Integration, Arbeit, berufliche Bildung und Soziales zuzuladen. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Bundesratsinitiative zur Ergänzung des Grundgesetzes um ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität
Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Linksfraktion. Herr Dr. Lederer hat das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass das hier heute noch einmal Thema ist, war – so glaube ich – ein Besprechungswunsch der Grünen. Ich finde es schon in Ordnung, dass wir darüber reden. Es ist durchaus ein wichtiger Aspekt, den wir heute hier diskutieren. Wer meint, anwesend oder nicht sein zu wollen, stelle ich einfach einmal anheim. Ich bin jedenfalls da und rede dazu.
Ich rede zur Drucksache 16/2818 neu, die wir am 25. Juni 2009 verabschiedet haben und mit der wir den Senat von Berlin aufgefordert haben, mittels einer Bundesratsinitiative auf eine Ergänzung des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG des Diskriminierungsverbots um das Merkmal der sexuellen Identität hinzuwirken. Der Senat hat entsprechend gehandelt. Das ist gut, und das ist ein wichtiges Zeichen. Es ist notwendig, dass wir begreiflich machen, dass in den Jahren der Entstehung des Grundgesetzes etwas Wesentliches vergessen worden ist. Die Konsequenz, die in Herrenchiemsee aus der furchtbaren Verfolgungspraxis gegenüber Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Glaubens, unterschiedlicher weltanschaulicher Positionen gezogen wurde, berücksichtigte nicht Menschen mit Behinderungen – dieses Versäumnis ist zum Glück überwunden – sowie Menschen,
die mit einem rosa Winkel gekennzeichnet in die Zuchthäuser und Konzentrationslager verschleppt, drangsaliert oder in den Selbstmord getrieben worden sind.
Diese Konsequenz nicht gezogen zu haben, war ein Menschenrechtsverstoß, also keine Petitesse. Bereits seit 1981 hat der europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Bestrafung einvernehmlicher Handlungen zwischen homosexuellen Männern eine Menschenrechtsverletzung erkannt und seitdem in ständiger Rechtsprechung so bestätigt. Dennoch mussten die Schwulen in Deutschland West bis Mitte der 90er-Jahre warten, bis der unselige § 175 StGB fiel. Im Osten war der § 175 bereits 1968 gefallen.
Inzwischen greift der Gedanke in unserer Gesellschaft Platz, dass reale Gleichberechtigung mehr ist, als nicht bestraft zu werden. Rot-Grün schaffte 2001 den Einstieg mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz. Freilich nahm es die Bundesrepublik danach mit der Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU nicht so genau. So sind wir jetzt in einer mühseligen, kleinteiligen Auseinandersetzung um jeden Gleichstellungsschritt.
Artikel 3 Grundgesetz zu ergänzen hieße, hier nicht nur ein Zeichen zu setzen. Das Grundgesetz bindet den Gesetzgeber, die Verwaltung und die Justiz. Es ist eine klare Maßgabe zum Abbau rechtlicher wie tatsächlicher Benachteiligungen. Eine Ergänzung würde ferner auf die Rechtsordnung ausstrahlen, über die Generalklauseln des Zivilrechts und vieles andere mehr.
Berlin geht mit diesem Meilenstein in der rechtlichen wie tatsächlichen Gleichstellung voran. Das macht mich stolz. Auch wenn es in der Gesellschaft unsers Landes immer noch Hinterwäldlerinnen und Hinterwäldler gibt, wenn immer noch Konservative oder Konservativ-Liberale den Untergang des Abendlandes wittern – die Ergänzung von Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz wird kommen, früher oder später. Das Land Berlin, das Land Brandenburg, das Land Bremen und das Land Thüringen haben das Merkmal sexuelle Identität bereits in ihre Diskriminierungsverbote aufgenommen, aber auch Portugal und Schweden haben es in ihren Staatsverfassungen. Und auch die europäische Grundrechtecharta schützt es ausdrücklich. Das ist die richtige Richtung.
Morgen wird der Regierende Bürgermeister im Bundesrat die Einbringung der Vorlage begründen. Hamburg und Bremen haben sich angeschlossen. Hamburg freut mich besonders, weil es für eine schwarz-grüne Regierung nicht selbstverständlich ist, einen solchen Schritt zu gehen.
Ja, das ist ja wohl nicht selbstverständlich. Im Unterschied zu euch würdige ich auch mal, wenn ihr etwas Vernünftiges zustande bringt.
Morgen wird die Vorlage in den Bundesrat eingebracht. Wenn ich mich erinnere, wie die CDU jüngst in der Debatte im Juni noch gewettert hat, ist an der Stelle auch zu erkennen, dass innerhalb der Christdemokratischen Union offenbar ein Auseinandersetzungsprozess zur Relevanz dieses Themas stattfindet, dass da Fortschritte gemacht werden, dass da Neues passiert. Das ist ausdrücklich zu begrüßen. Und das ist ein wichtiger Aspekt für Gleichberechtigung und Antidiskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Transsexuellen.
Berlin wird seinen Weg jedenfalls fortsetzen. Ich hoffe und wünsche, dass sich auch andere Länder diesem Anliegen nicht verschließen. Wir werden hier in Berlin, wo wir es können, für eine Klimaveränderung kämpfen, die altes, reaktionäres Denken überwinden hilft. Vielleicht hat das auch ein bisschen mit dem Erbe Hirschfelds zu tun, eines Vorkämpfers der Emanzipationsbewegung, der hier in Berlin in den 30er-Jahren ganz massiv von den Nazis angegriffen wurde, insbesondere deswegen, weil er für die Emanzipation von Homosexuellen gekämpft hat. Vielleicht ist an dieser Stelle hervorzuheben, dass auf Initiative des LSVD in dieser Stadt Magnus Hirschfeld ein Denkmal gesetzt werden soll.
Ich glaube, es gibt viele Möglichkeiten, wie wir in den Köpfen etwas bewegen können. Den Vorwurf, es handele sich um reine Symbolik, der hier immer wieder auftauchte, kann ich an dieser Stelle nur zurückweisen. Es gibt noch viele Reaktionen in diesem Land, bis in die Kammern des Bundesverfassungsgerichts hinein, die immer noch glauben, es gebe ein Eheabstandsgebot; Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Transsexuelle dürften nicht gleichbehandelt werden, weil die Ehe geschützt werden müsse. Das ist alles von gestern. Lassen Sie uns weiter für die Gleichstellung kämpfen! Das ist ein weiterer Schritt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Gram das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In vielen Ländern der Welt werden Homosexuelle aufgrund ihrer Identität nach wie vor massiv verfolgt. Die Moskauer Stadtregierung beispielsweise schickt Spezialeinheiten gegen friedlich demonstrierende Schwule und Lesben. Selbst in Staaten der Europäischen Union, in Polen oder den baltischen Ländern, sehen sich Schwule und Lesben zum Teil offen gewalttätigen Anfeindungen gegenüber. Das ist und bleibt unerträglich.
In Deutschland hingegen ist die Situation der Homosexuellen eine gänzlich andere, wenn auch ambivalent. Die früher zur Schau gestellte offene Ablehnung in Teilen der Bevölkerung ist nach meiner Auffassung längst überwunden. Wir haben nicht nur offen schwul lebende Bürgermeister, sondern vielleicht schon in wenigen Tagen den ersten schwulen Vizekanzler in einer bürgerlichen Regierung.
Andererseits gibt es auch in unserem Land vereinzelt noch von Menschen mit gering ausgeprägtem Rationalitätsniveau verursachte Pöbeleien und körperliche Verletzungen mit homophobem Hintergrund. Solchen Tendenzen gilt es entschlossen entgegenzutreten.
in Artikel 3 unserer Verfassung auch nur irgendeine faktische Verbesserung der Situation oder gar einen besseren Schutz Homosexueller zur Folge hätte. Worum geht es im Kern? – Die Vorlage suggeriert, dass das Grundgesetz die Akzeptanz von Gleichgeschlechtlichkeit und das Zusammenleben von schwulen und lesbischen Paaren bisher nicht ausreichend geschützt habe, weil es keinen Sondertatbestand gebe. Genau das ist aber vom Bundesverfassungsgericht mehrfach eindrucksvoll widerlegt worden. Besser als das höchste deutsche Gericht kann ich es nicht ausrücken, daher von hier aus ein Kernzitat:
Wenn die Verfassung eine bestimmte Form des Zusammenlebens unter besonderen Schutz stellt, diskriminiert sie damit nicht andere Lebens- und Gemeinschaftsformen, die nicht in jeder Hinsicht an besonderen Schutz- oder Fördermaßnahmen teilhaben.