Protocol of the Session on May 28, 2009

[Beifall bei der FDP]

Wenn wir über Ihre Ideen – die von Rot-Rot – und die Ideen vom sozialen Europa und von den Mindestlohnregelungen reden, dann sieht man, dass es leider eine Tendenz ist, dass nationale Regierungen gerade in der jetzigen Zeit dazu tendieren, den Wettbewerb einzuschränken, und Wettbewerb immer nur dann wollen, wenn er ihrem Land Vorteile bringt. Hier wird versucht, die nationale Wirtschaft zu schützen. Das hatten wir auch schon in der Mindestlohndebatte hier in diesem Haus.

Aber eins muss man klarmachen: Das richtige Heilmittel auch gegen die gegenwärtige Krise ist die Besinnung auf unsere soziale Marktwirtschaft. Wir müssen die Grundprinzipien des Binnenmarktes aufrechterhalten. Wir Liberale fordern deshalb weiterhin den ungehinderten, grenzüberschreitenden Handel und eine europaweite, wirksame und gemeinsam umgesetzte Wettbewerbspolitik.

[Beifall bei der FDP]

Wir Liberale wehren uns in Europa gegen jeden Wirtschaftsnationalismus. Ein solcher Nationalismus und Protektionismus hilft nicht, die Wirtschafts- und Finanzkrise zu überwinden, sondern verlängert sie. Die neuen Mitgliedstaaten leiden unter einen solchen Politik im besonderen Maße, und diese Politik wirft sie in ihrer Entwicklung zurück. Die neuen Mitgliedstaaten müssen ihre Lohnkostenvorteile und Investitionsanreize ausnutzen dürfen. Sie mit Ihrem europaweiten Mindestlohn – Frau Kollegin Michels, ich bin gespannt, was Sie dazu noch alles sagen werden – fördern den Zustand, dass gerade die neuen Mitgliedstaaten sich wirtschaftlich nicht entwickeln können.

Ein weiterer Punkt, über den wir noch sprechen müssen, ist der Blick nach Mittel- und Osteuropa. Wir Liberale haben immer betont und betonen weiterhin, dass die

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki

Chancen Berlins in Mittel- und Mittelosteuropa liegen. Um eine engere Verzahnung im Kultur- und Bildungsbereich herzustellen, haben wir einen deutsch-polnischen Kulturbeauftragten gefordert – ähnlich der Funktion des deutsch-französischen Kulturbeauftragten, die zurzeit unser Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ausübt. Im Ausschuss haben Sie keine stichhaltigen Argumente gehabt, um diesen Antrag abzulehnen. Sie haben es dennoch gemacht. Sie verweigern sich guten Anträgen der Opposition. Sie verweigern sich jedwedem Engagement in Mittel- und Osteuropa. Das finden wir besonders traurig. Wir werden es aber weiterhin als Oppositionsfraktion in diesem Haus bis zu den nächsten Wahlen einfordern und hoffen, dass bei Ihnen ein Umdenken stattfindet. Beschränken Sie sich also nicht auf eine nationale Sozialpolitik, sondern machen Sie endlich einmal Europa in diesem Haus! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Zimmermann das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben gerade eine Rede gehört, die mit allerlei Floskeln und Allgemeinplätzen über das Thema Wettbewerb dahergekommen ist,

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

aber mit diesen Floskeln völlig abgelenkt hat von der totalen Konzeptionslosigkeit der SPD –

[Beifall bei der CDU und der FDP – Heiterkeit bei der CDU, den Grünen und der FDP – Björn Jotzo (FDP): Ah! – Sebastian Czaja (FDP): Weiter so!]

der FDP in der Europapolitik. Die Konzeptionslosigkeit der FDP in der Europapolitik zeigt sich darin, dass Sie vor den EU-Entscheidungen der Kommission, des Rates und der EU-Institutionen geradezu in Ehrfurcht erstarren – ja, geradezu strammstehen – und dass Sie Leute, die sich an kritischen Diskussionen beteiligten, als Europagegner diffamieren und versuchen, daraus Ihre Vorteile zu ziehen. Liebe FDP! Mit dieser EU-Hörigkeit werden Sie bei den Wahlen nichts gewinnen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Mieke Senftleben (FDP): Schau’n mer mal!]

Es ist kein einziger neuer Aspekt in Ihren Anträgen gegenüber dem, was seit den 90er-Jahren als EU-Politik auf der Tagesordnung steht. Darin ist nicht ein einziger Satz über soziale Sicherheit, nicht ein Satz zu den Reaktionen auf Globalisierungsrisiken, die die Leute gern haben wollen, und nicht ein Satz, wie man die Probleme in einer komplizierter werdenden Welt wirklich lösen kann.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ihre Forderung nach weniger Staat und mehr Markt bedeutet, dass Sie so weitermachen wollen, wie es bisher in den letzten Jahrzehnten gelaufen ist. Sie wollen, dass diejenigen, die die Wirtschaftskrise verursacht haben, genauso weitermachen können, wie sie bisher gearbeitet haben, und das ist nicht die Position der SPD und der Koalition.

[Dr. Martin Lindner (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Entschuldigung, Herr Zimmermann! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lindner?

Kollege Zimmermann! Finden Sie, dass sich die SPD angemessen mit ihren eigenen Vorschlägen im Straßenbild präsentiert, indem sie sich ausschließlich mit anderen Parteien auseinandersetzt und überhaupt nicht zeigt, was sie selber europapolitisch draufhat?

Der Unterschied zu Ihrer Kampagne ist, dass wir uns mit Inhalten beschäftigen und zeigen, worum es uns geht und worauf es uns ankommt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Björn Jotzo (FDP): Heiße Luft!]

Das ist bei Ihnen eben nicht erkennbar.

[Gelächter bei der FDP)]

Außerdem kann ich nur sagen: Warten Sie mal ab, wie die Kampagne weitergeht! Da wird schon deutlich werden, wo die Unterschiede sind.

[Zuruf von Anja Schillhaneck (Grüne) – Weitere Zurufe]

Ich werde Ihnen sagen, wo die entscheidenden Unterschiede sind. Es ist auch schon durch Ihren Beitrag deutlich geworden, wo Sie stehen. Es geht um einige Punkte, die in der europäischen Politik außerordentlich problematisch sind und wo es so nicht weitergehen kann. Die Europäische Union verlangt von uns, dass wir bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen keine Tariftreue mehr verlangen, sondern dass wir Dumpinglöhne zulassen, und wir müssen deshalb das Vergaberecht ändern. Das ist eine Auswirkung der europäischen Politik, die wir nicht hinnehmen können. Sie wollen sie offenbar hinnehmen.

Wir müssen zusehen, wie in der Verpackungsregelung liebgewonnene Verbraucherinteressen dadurch kaputtgemacht werden, dass im Interesse eines besseren Marketings von Unternehmen plötzlich unterschiedliche Ver

Mirco Dragowski

packungsgrößen zugelassen werden. Das ist nicht gerade eine verbraucherfreundliche Politik. Wir müssen gewärtigen, dass wir beim Genmaisverbot mit europäischen Sanktionen rechnen müssen, weil die Europäische Kommission die Argumentation der Bundesregierung möglicherweise nicht nachvollzieht. Es gibt andere Beispiele, wo wir deutlich machen werden, dass die Politik der Europäischen Union nicht in allen Fällen den Interessen der Menschen entspricht, und das muss anders werden.

Deswegen in aller Kürze die Forderung, dass wir einen europäischen Sozialpakt brauchen! Dazu hat die Europäische Union noch nicht die Kompetenz. Wir müssen zwischen den Mitgliedsstaaten Vereinbarungen finden, damit wir soziale Mindeststandards gegen Dumpinglöhne und unfairen Wettbewerb erreichen. Das wird mit Ihnen nicht gelingen, das haben wir heute gehört. Dazu benötigen wir andere Bündnispartner. Wir werden versuchen, sie auf europäischer Ebene zu gewinnen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ein letzter Satz zum Thema deutsch-polnischer Kulturbeauftragter. Wir haben darüber diskutiert. Es gibt bereits auf Bundesebene mehrere Initiativen, die das Thema abdecken. Es gibt die Beauftragung von Frau Schwan, die mit einem polnischen Gegenüber diese Fragen behandeln soll.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Wer soll das sein?]

Es gibt auch eine jüngere Initiative des Bundeskulturministers, dass ein Netzwerk für Erinnerung und Solidarität aufgebaut wird. Das sind Sachverhalte, die auf Bundesebene verhandelt und geregelt werden müssen, nicht hier. Deshalb sehen wir keine Veranlassung, Ihrem Antrag zuzustimmen. Auf der Bundesebene ist das richtig angesiedelt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zimmermann! – Das Wort für eine Kurzintervention hat nun Herr Abgeordneter Dragowski. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Herr Kollege Zimmermann! Was Sie als EU-Hörigkeit bezeichnen, bezeichnen wir als Prinzipientreue zu den EU-Grundfreiheiten.

[Gelächter von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Wir lassen uns gern von Ihnen als EU-hörig bezeichnen. Wir Liberalen halten die Prinzipien der EU hoch,

[Martina Michels (Linksfraktion): Ja!]

haben das schon bisher gemacht und werden weiter der Garant für eine vernünftige EU sein.

[Beifall bei der FDP]

Ich möchte noch auf einige andere Punkte eingehen. Sie haben über die Verursacher der Wirtschaftskrise gesprochen. Was uns Liberalen in der Ausschussberatung unseres Antrages zum Thema „Unternehmertum in die Schulen“ – den wir noch in das Plenum holen werden – aufgefallen ist: Rot-Rot kann nicht differenzieren zwischen Unternehmer und Manager.

[Gelächter von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Zeigen Sie uns den Unternehmer, der für die Wirtschafts- und Finanzkrise verantwortlich ist! Sie reden nur immer über Manager, können aber leider überhaupt nicht differenzieren zwischen Führungskräften in der Wirtschaft und Unternehmern. Das ist traurig, das zeigt, wie Ihre Wirtschaftskompetenz aussieht!

[Beifall bei der FDP]

Herr Kollege Zimmermann! Wenn Sie das Genmaisverbot als Beispiel nennen und darauf verweisen und etwas mürrisch sagen: Die EU könne wohl die Argumentation der Bundesregierung nicht nachvollziehen – dann sage ich Ihnen: Das können wir Liberalen auch nicht! Diese Argumentation ist absolut forschungsfeindlich und widersprüchlich. Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass sich die EU nicht dazu hinreißen lässt, irgendwelche Beschränkungen durchgehen zu lassen, sondern dass sie sagt, dass das Genmaisverbot hinterfragt werden muss.