Herr Kollege Jotzo, ich schätze Sie sonst sehr – das wissen Sie –, aber ich muss sagen, dass ich es bemerkenswert finde, dass Sie das Thema Verbotsdebatte der NPD und den Innensenator, der alles ausplaudert, hier anmelden und es schaffen, in 10 Minuten nicht einmal darzulegen, welche Position die FDP zur Frage des NPD-Verbots, ob Ja oder Nein, vertritt. Das ist bemerkenswert.
Es ist darauf hingewiesen worden, dass ein Verbot der NPD den Rechtsextremismus nicht verschwinden lassen dürfte. Die Sache mit dem Parteiverbot – es gab bereits ein Verbot einer rechtsextremen Partei in der Geschichte der Bundesrepublik, die Sozialistische Reichspartei, eine Nachfolgeparteiorganisation der NSDAP, wurde 1951 verboten – hat auch nicht zu einem Verschwinden der rechtsextremen Szene geführt. Die NPD selbst ist das beste Beispiel dafür, dass das Verbot zweifelhaft ist. Sie kann durchaus als Ersatzgründung dieser Sozialistischen Reichspartei aufgefasst werden. Wie Sie alle wissen, hatte sie dann in den 60er-Jahren eine Erfolgssträhne und war in immerhin sieben westdeutschen Landtagen vertreten, wurde dann nicht verboten, sondern es ist der Zivilgesellschaft durch politische Entwicklungen und Diskussionen in der Bundesrepublik – 1968 – gelungen, die NPD wieder zurückzudrängen. Sie war dann für 30 Jahre in keinem deutschen Parlament vertreten, ohne dass sie verboten wurde.
Herr Kollege! Es besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage des Kollegen Jotzo. – Jetzt möchte er nicht mehr.
Er möchte nicht mehr. – Stattdessen hatten wir dieses bereits erwähnte gescheiterte Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, was natürlich der NPD erheblichen Auftrieb gegeben hat. Danach ist sie jetzt in zwei bundesdeutschen Landtagen vertreten. Allein diese historische Entwicklung zeigt, dass es ausgesprochen problematisch ist, mit Verboten hier im rechtsextremen Bereich allein umgehen zu wollen.
Zum Finanziellen: Es wäre zumindest denkbar zu sagen, man müsse diese Partei verbieten, damit sie finanziell ausgetrocknet wird und man an die Vermögenswerte herankommt, damit sie das nicht mehr einsetzen können. Das ist bei der NPD unnötig. Die ist eigentlich bankrott und völlig überschuldet. Da sticht dieser Trumpf nicht. Finanziell ist dort nichts auszutrocknen.
Der Fokus unserer Debatte sollte viel mehr im Bereich der Aufklärung, der Prävention und im Bereich der Unterstützung der Zivilgesellschaft liegen. Hier passiert auch in Berlin deutlich zu wenig.
Wir haben es vorhin schon im Rahmen der Anfrage der Kollegin Herrmann erörtert: Der Senat sieht sich leider zu wenig in der Lage, im Zusammenhang mit rechtsextremen Manifestationen und Parteitagen der Zivilgesellschaft rechtzeitig zu ermöglichen, sich zu organisieren. Wir hatten das im Dezember letzten Jahres wieder vor Augen geführt bekommen, wo man in Lichtenberg keine vernünftige Gegendemonstration durchführen konnte. Der Polizeieinsatz, der erfolgte – wir haben es im Inne
nausschuss besprochen –, ist eigentlich nur als misslungen zu bezeichnen. Wir haben es auch bei dem vorherigen Aufmarsch der NPD im Spätsommer 2008 in MarzahnHellersdorf gesehen. Auch hier wurden eher die Gegendemonstranten eingekesselt, als wirklich der Zivilgesellschaft Protest zu ermöglichen.
Wir haben es in den letzten Jahren mit einer Kriminalisierung der Tätigkeit der Antifa zu tun gehabt. Ich erinnere nur an das Strafverfahren, in dem umfangreich ermittelt wurde. Bei der Veröffentlichung von Fotos von Kadern von Neonazis hielt es die Berliner Staatsanwaltschaft für angezeigt, gegen Pressefotografen, die diese Fotos gemacht hatten, sehr umfangreich mittels Telefonüberwachung und allen möglichen Bewegungsprofilen zu ermitteln. Das ist eine Kriminalisierung von Antifa-Arbeit, die es natürlich nicht ermöglicht, hier sinnvoll gegen rechtsextremistische Strukturen vorzugehen.
Wir haben eine Debatte – hier würden wir uns von Ihnen, Herr Körting, wünschen, dass Sie deutlicher auch in der Öffentlichkeit auftreten würden –, in der immer wieder über die Frage der Finanzierung, die kontinuierlich und auskömmlich sein muss, und von zivilgesellschaftlicher Arbeit gegen Rechts gesprochen wird. Hier sollten Sie Ihr Engagement auf jeden Fall stärker in Richtung Bundesregierung richten, damit das Auf und Ab von immer wieder befristeten Programmen ein Ende hat und wir eine auskömmliche, sinnvolle Finanzierung – Kollege Schreiber hat es angesprochen – unter anderem der MBR erreichen. Das wäre genau das Richtige.
Zur Frage, ob es sinnvoll ist, überhaupt mit Spitzeln in rechtsextremen Parteien zu arbeiten: Sinnvoll wäre hier sicherlich einmal eine Evaluierung des Einsatzes, der seit vielen Jahren dort stattfindet, nämlich der Frage, was er eigentlich gebracht hat und welchen Schaden wir damit angerichtet haben. Auf der Negativseite steht in jedem Fall das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Es war nur konsequent, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, wir können gar nicht mehr sehen, welche Aussagen, die vorgelegt wurden, von der NPD und welche von bezahlten Spitzeln stammen. Unter diesen Voraussetzungen kann kein Verfahren durchgeführt werden. Offenbar ist das ein großes Problem gewesen, überhaupt zu erkennen, welche Spitzel welche Behörden überhaupt haben. Das ist ein großes Negativzeichen.
Wenn man dort Spitzel hat, sind die natürlich gehalten, auch in den Parteien und in den Strukturen rechte Politik zu machen, Hetze zu organisieren, Hass zu säen, Minderheiten zu diskriminieren, und das auch noch mit Staatsknete. Das ist sicherlich auch nicht gerade ein Vorteil des Einsatzes von Spitzeln in Führungsetagen von rechtsextremen Parteien.
Auf der Habenseite ist relativ wenig in Ansatz zu bringen. Es wurde bereits darauf hingewiesen: Die wesentlichen Informationen stammen zum einen aus offen zugängli
chen Quellen – dafür brauche ich keine bezahlten Spitzel – und zum anderen aus dem relativ gut organisierten Antifa-Bereich. – Da wundert man sich immer wieder; sie finden einiges heraus, was die Innenbehörden offensichtlich überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen.
Die Vermutung, dass der Staat die Arbeit der Rechtsextremen nicht nur über die staatliche Parteienfinanzierung unterstützt, sondern diese auch noch durch eine Überzahl von Spitzeln in den Führungsgremien steuert, zeigt, dass alles insgesamt nur eine sehr geringe Ausbeute gebracht hat. Deswegen sagen wir: In Führungsgremien von rechtsextremen Parteien haben Spitzel ohnehin nichts verloren.
Zur aktuellen Entwicklung der NPD wurde schon einiges gesagt. Sie ist finanziell am Ende. Sie ist in der Führung zerstritten. Die Namen Molau und Pasteurs stehen für die beiden Linien, die um den weiteren Kurs streiten. Wir haben im Berliner Landesverband eine – wie ich finde – recht erfreuliche Entwicklung; er zerlegt sich auch. Der Pornoskandal stand in den Medien. Er hat dazu geführt, dass die Kreisvorsitzende von Marzahn-Hellersdorf aus der Partei ausgetreten ist und gleich den ganzen Kreisverband mitgenommen hat. Was von der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag übriggeblieben ist, ist auch bekannt. Dennoch sollte man den Kampf gegen Rechtsextremismus nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Entwicklung in Österreich zeigt, dass man mit der Wachsamkeit gar nicht früh genug anfangen kann. Das ist eine Aufgabe für alle demokratischen Parteien. Die CDU hat Herrn Lasinski wieder in den Pankower Kreisverband aufgenommen. – Da wäre ein klares Wort von Ihnen, Herr Henkel, wie Sie dazu stehen und wie Sie sich nach rechts abgrenzen wollen, ganz erfrischend!
Eine erfreuliche Sache noch: In der letzten Woche hat ein Berliner Gericht entschieden, dass die NPD ihre Zeitung nicht mit dem Namen unserer Parteizeitung veröffentlichen darf. „Der Stachel“ bleibt also weiterhin bei uns. Wir werden weiterhin die Stacheligen sein, die NPD nicht, sie muss ihre Zeitung in den Reißwolf geben. Das ist eine erfreuliche Entwicklung.
Lassen Sie uns den Rechtsextremismus in dieser Stadt und in diesem Land gemeinsam bekämpfen! Beenden Sie diese Verbotsdiskussion, sie führt zu nichts! Es gibt absehbar keine Mehrheit für ein NPD-Verbot. Und lassen Sie uns die kommenden Parteitage in Reinickendorf und den Aufmarsch am 1. Mai zum Anlass nehmen, auch auf der Straße zu zeigen, dass die demokratischen Parteien es nicht zulassen werden, dass die NPD die Straße erobert. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Behrendt! Sie haben mich gefragt, warum ich mich für die FDP-Fraktion nicht zu der Frage: NPD-Verbot – ja oder nein? – erklärt habe. Das ist ganz einfach: weil es nicht Thema unserer Aktuellen Stunde ist.
Bei dem Thema der Aktuellen Stunde – das haben die Koalitionsredner in beachtlicher Weise vernachlässigt – geht es um die sichere und effektive Arbeit der Geheimdienste. Darum geht es und darum, wie Herr Körting sich geäußert hat.
Aber ich nehme Ihre Äußerungen gern zum Anlass, um Ihnen im Rahmen dieser Kurzintervention die Position der FDP-Fraktion zu diesem Thema zu erläutern. Es wird Sie nicht wundern, Herr Behrendt, dass wir da sehr dicht bei Ihnen sind. Wir glauben, dass ein NPD-Verbot allein in jedem Fall zu kurz greift, denn eine rechtsextremistische Gesinnung wird mit einem Parteiverbot nicht verschwinden. Eine Prävention und eine Aufklärung gegenüber den Betroffenen müssen deshalb ganz klar im Vordergrund stehen. Es darf nicht dazu kommen, dass diese durch den Ankündigungssenator Körting immer wieder heraufbeschworene Debatte um das NPD-Verbot von der eigentlichen Frage ablenkt. Diese eigentliche Frage muss lauten: Wie kann es uns Demokraten gelingen, junge Menschen immun gegen rechtsextreme Ideen zu machen? – Das muss der Schwerpunkt der politischen Debatte sein.
Herr Behrendt! Sie haben richtig ausgeführt, dass die NPD zurzeit in einer Situation ist, wo wir mit dem Zustand dieser entsetzlichen Partei im Grunde genommen zufrieden sein können. Ich denke, dass die Strategie, die wir als Demokraten in diesem Haus alle gemeinsam verfolgen – die NPD zu stellen, der NPD den Raum nicht zu überlassen, ihr ganz klar und demokratisch ihren Platz abseits eines demokratischen Spektrums aufzuzeigen und sie auch politisch auszugrenzen –, durchaus ihre Erfolge gezeitigt hat. Nicht zuletzt dadurch, dass diese Partei sich jetzt selbst zerlegt, zeigt sich, dass diese Strategie richtig ist und dass sie auch in Zukunft erfolgreich sein wird.
Zum NPD-Verbotsverfahren sage ich, dass dies durchaus am Ende einer Entwicklung stehen kann. Wenn die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren, das mit Sicherheit erfolgreich sein wird, gegeben sind, ist der Zeitpunkt gekommen, über ein solches Verbotsverfahren zu diskutieren, und zwar in den Gremien, wo es hingehört, nämlich in den Gremien, die sich damit befassen müssen, und
nicht in den öffentlichen Medien – jedenfalls nicht im „Neuen Deutschland“. Das ist der falsche Weg. Das ist der Weg, den Innensenator Körting als Ankündigungssenator gewählt hat. Ein solcher Weg führt nicht zum Erfolg. Er führt heute nicht zum Erfolg und wird auch morgen nicht zum Erfolg führen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür streiten, dass wir in der politischen Auseinandersetzung mit der NPD erfolgreich sein werden! So wie in der Vergangenheit werden wir es auch in der Zukunft sein. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht auch um den Einsatz von V-Leuten in einer von uns als verfassungsfeindlich angesehenen Partei. Ich möchte erst einmal etwas zu den Grundlagen sagen.
Der Einsatz von V-Leuten in der NPD hat eine Rolle bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. März 2003 gespielt. Ich darf mit Zustimmung des Präsidenten aus dieser Entscheidung zitieren – weil ich sie mir auch zum Leitmotiv gemacht habe:
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Beobachtung einer Partei durch nachrichtendienstliche Kontakte staatlicher Behörden zu Mitgliedern des Bundesvorstands, eines Landesvorstands oder einer entsprechenden führenden Organisationseinheit der observierten Partei grundsätzlich als eine schwerwiegende Beeinträchtigung der mit dem verfassungsrechtlichen Status der Partei … verbundenen Gewährleistungen.
Staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei macht Einflussnahmen auf deren Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar. Dieser Befund ist im Fall besonderer politischer Aktivität eines V-Manns evident, jedoch auch dann unübersehbar, wenn das Führungsmitglied politische Zurückhaltung übt. Die Rolle als führendes Parteimitglied – sei es auf Landesebene als Mitglied des Landesvorstands, sei es auf Bundesebene als Mitglied des Bundesvorstands – hat notwendig zur Folge, dass jedwede politische Aktivität wie Passivität Willensbildung und außenwirksames Erscheinungsbild der Partei mit beeinflussen.
Das Bundesverfassungsgericht hat daraus eine Konsequenz gezogen. Es hat nämlich gesagt, wie weit dies bereits grundsätzlich zur Verfassungswidrigkeit der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit Vorstandsmitgliedern einer Partei auf Landes und Bundesebene führe,
habe der Senat des Bundesverfassungsgerichts vornehmlich nicht zu entscheiden gehabt. Jedenfalls ist eine solche verfassungsrechtliche Würdigung dann unausweichlich, wenn die staatliche Präsenz auf der Führungsebene der Partei auch vor und im Verfahren gemäß Art. 21 Abs. 2 GG aufrechterhalten bleibt. Oder, anders ausgedrückt: Zu einem bestimmten Zeitpunkt ist eine derartige Präsenz verfassungswidrig und mit unserer Verfassung nicht zu vereinbaren.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns mit der Feststellung, dass es übrige Frage nicht zu entscheiden hatte, einen ganz entscheidenden Hinweis gegeben. Es hat nämlich durchblicken lassen, dass es auf der Führungsebene einer für verfassungsfeindlich gehaltenen Partei staatliche Präsenz – sei es durch eingeschleuste Mitarbeiter, sei es durch V-Leute – für mit der Verfassung nicht vereinbar gehalten hat.
Das ist meine Haltung. Da können Sie schimpfen, wie Sie wollen. Diese Haltung habe ich seit 2003. Mit dieser Haltung stehe ich nicht allein. – Sie haben unvollkommen zitiert, Herr Jotzo! Sie haben korrekt zitiert, was ich im „Neuen Deutschland“ gesagt habe, wirklich wortwörtlich.
Aber Sie haben nicht zitiert, was die SPD-Innenminister am 31. Oktober 2007 erklärt haben. – Ich nehme jetzt einmal nicht so befangene Zeitungen wie das „Neue Deutschland“, sondern „Welt Online“. Dort hat der Kollege Stegner erklärt, die Länder-Innenminister aus den Reihen der SPD seien sich einig, dass V-Leute in Vorständen der NPD nichts zu suchen hätten. – Das ist die Haltung von Herrn Behrendt, wenn ich das richtig sehe.
Noch ein anderes Zitat – genauso unverfänglich, „FAZ“! – im Bericht vom 1. November 2007 über unsere Pressekonferenz: