Für die Besprechung steht den Fraktionen eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die anfragende Fraktion der FDP. Das Wort hat der Kollege von Lüdeke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wesentlichen Antworten auf die Große Anfrage der FDP-Fraktion können in keiner Weise zufriedenstellen. Sie sind zum Teil durch heutige Aussagen des Regierenden Bürgermeisters, sogar der Senatorin für Stadtentwicklung und des Finanzsenators bereits überholt. Die entscheidenden Fragen bleiben unbeantwortet. Wer zahlt für diese übertriebenen Tarifabschlüsse bei der BVG? Wie kann die BVG überhaupt wettbewerbsfähig werden? Ganz abgesehen von der Frage, die hier nicht gestellt wurde, die wir aber in diesem Rahmen auch erörtern müssen: Wer zahlt gegebenenfalls für das geplante Seniorenticket?
Kommen wir zu den einzelnen Fragen. Wir haben gefragt, warum sich die Verhandlungen für den Verkehrsvertrag bis zum Dezember 2007 hingezogen haben, obwohl der Abschluss schon vor der Sommerpause 2007 geplant war. Darauf haben Sie geantwortet, dass sich die Verzögerungen im Verhandlungszeitplan aus Verzögerungen bei der Beschlussfassung zum Nahverkehrsplan ergeben hätten. Zudem, sagen Sie, habe auch die Verabschiedung des Haushaltsplans 2008/2009 im vergangenen Dezember 2007 Einfluss gehabt.
Dazu müssen wir sagen: Die Beschlüsse des Senats zum Nahverkehrsplan und zum Haushalt sind schon vor der Sommerpause gefällt worden. Die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses wurden nicht weiter abgewartet. Die 250 Millionen Euro waren schon Bestandteil des Entwurfs, der dem Abgeordnetenhaus seit Ende August 2007 vorlag. Das zu Ihrer Antwort, die Sie gaben.
Weitere Frage: Wurden bereits im Rahmen der Verhandlungen zum Verkehrsvertrag Gespräche zwischen BVG und Verdi aufgenommen, um vor dem Abschluss des Verkehrsvertrages über eine neue Entgelttabelle zu verhandeln? – Die war hinterher entscheidend. Da sagt der Senat:
Da ist es für die FDP um so unverständlicher, dass im Vertrag keine entsprechenden Vorkehrungen getroffen wurden. Dort war nichts dergleichen zu lesen, obwohl Sie das wussten.
Wir fragten, welche Vorkehrungen Sie getroffen hätten, um im Falle eines Streiks Maßnahmen zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehres treffen zu können. – Da sagt der Senat, er habe nicht direkt welche getroffen:
Verantwortlich für das Ergreifen von Vorsorgemaßnahmen im Falle von streikbedingten Ausfällen ist das beauftragte Unternehmen, d.h. die BVG.
Da sagen wir als FDP, dass der Senat, damit die Direktvergabe an die BVG möglich war, eine Kontrolle über die BVG wie über eine Dienststelle ausüben können muss. Dementsprechend widerspricht diese Haltung den Vorgaben der EU, nämlich im Beihilferecht und im Wettbewerbsrecht.
Da kommen wir dann auch zu dem Punkt Mindestanforderungen zur Sicherung der Daseinsvorsorge. Da sagt der Senat, da seien bestimmte Standards vorgegeben: Erschließungswirkung des ÖPNV, Bedienungsumfang, Verbindungswirkung, Qualität und Barrierefreiheit. – Da sagt die FDP: Wenn der Nahverkehrsplan diese Standards beschreibt, und sie sind darin, müssten diese auch entsprechend die Mindestanforderungen sein, die an die BVG gestellt werden.
Nächste Frage: Welche Maßnahmen zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge im öffentlichen Personennahverkehr hat der Senat während des Streikes ergriffen?
Da sagt der Senat, er habe einmalig Ersatzverkehrsleistungen für die Verbindung Flughafen Tegel/Hauptbahnhof bei der Firma BEX bestellt. – Das heißt, man hat die Bürger alleingelassen und sich mit Bezug auf die Tarifautonomie nicht um weitere Maßnahmen bemüht. Problem war und ist hier vor allem die hundertprozentige Direktvergabe an die BVG.
Welche ÖPNV-Verbindungen wurden denn während des Streiks weiter betrieben und unter welchen Prämissen geschah denn das? – Da haben Sie verschiedene Prämissen aufgezählt. Ich will sie nicht wiederholen. Sie haben alle betroffenen Linien aufgezählt, die betrieben wurden. Aber wenn Sie all diese Linien und Prämissen, die Sie hier aufgeführt haben, tatsächlich einhalten, dann entspricht dies doch den Mindestanforderungen an die BVG. Das sind genau die Dinge, die Sie vorschreiben. Die Nutzung dieser Linien könnte aber während des Spontanstreiks nicht sichergestellt werden. Das steht fest.
Welche Erkenntnisse hat nun der Senat daraus gezogen? Wir werden diese bei der Überarbeitung des Nahverkehrsplans berücksichtigt? – Da sagt der Senat:
Aus der Nichtbedienung verschiedener Buslinien in Folge eines Streiks im Bereich der Werkstätten lassen sich keine generell abstrakten Anforderungen an die Weiterentwicklung des Angebotes im Berliner ÖPNV ableiten (...)
Da sagt Ihnen die FDP ganz klar, dass Sie diese Schlussfolgerungen umgehend ziehen müssen. Es wäre ein Skandal, wenn Sie keine Evaluation dieses Streiks vornehmen würden.
Es könnte stundenlang weitergehen. Es liegt an der Antwort, die uns hier gegeben wurde. – Aber ich komme trotzdem zum Schluss. Welche Sanierungsziele für die BVG verfolgt der Senat für die Dauer des Verkehrsvertrags?
Ja. – Antwort: Eine Reduzierung der Altschulden sei nicht geplant. Das stellen wir fest. Einnahmenerhöhungen durch Fahrpreissteigerung wurden gerade von Frau JungeReyer abgelehnt, übrigens zu Recht aus unserer Sicht.
Eine Effizienzsteigerung ist nicht möglich, da der Senat die Bestellfunktion hat. Wegen der Beschäftigungsgarantie kann auch kein Personal gekürzt werden. – Sie können also nichts machen, die BVG wird nicht wettbewerbsfähig. So einfach ist das. – Ich bin am Ende. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lüdeke! Sie haben diese Beratung hier mit fünf Minuten angemeldet. Dafür können nur Sie etwas, weder der Präsident, noch ich, noch irgendjemand anderes in diesem Haus. Nur die Mitglieder der FDP-Fraktion können etwas dafür. Also beschweren Sie sich nicht bei anderen Leuten.
Dass Sie am Ende sind, auch mit Ihrem Latein, das haben wir hier gesehen. Der Abschied müsste aber nicht so quälend sein.
Damit hätten Sie sich auch einen großen Gefallen getan, weil man deutlich gemerkt hat, dass Sie nicht wissen, wovon Sie reden. Sie stellen viele Fragen, sie kriegen darauf auch viele Antworten, mit denen Sie – selbst zugestanden – Schwierigkeiten haben umzugehen. Sie verstehen sie offensichtlich nicht und sind auch nicht bereit, sie zu lesen. Denn das, was Sie hier vorgetragen haben, hat alle Ihre Fragen beantwortet – mit einer Ausnahme. Wenn Sie sagen: Wir wollen einen grundsätzlichen Systemwechsel, wir wollen das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Tarifautonomie infrage stellen, wir wollen Streiks abschaffen, wir wollen, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen für ihre Rechte und ihre Tarifverträge nicht mehr eintreten können – das allerdings, Herr von Lüdeke, wäre etwas anderes und Neues. Da können Sie aber mit unserem entschiedenen Widerstand rechnen, da können Sie sich sicher sein.
Und das war die Kernaussage Ihres Beitrags. Sie haben es im Schlusssatz so schön zusammengefasst: Sie wollen den Wettbewerb, und zwar um jeden Preis, den Billigwettbewerb, bei dem alles möglichst so ist, dass jede Firma eine Linie fährt, damit ja nicht, wenn eine Firma streikt, das Netz nicht mehr bedient werden kann, sondern dass die anderen Firmen dann noch weiter fahren. Vermutlich sollen die gar keinen Tarifvertrag haben. Aber das haben Sie nicht genauer ausgeführt.
Also, was will die FDP mit dieser Anfrage? – Sie will offensichtlich nichts wissen, sondern eine Grundlage für eine Argumentation haben, die – glaube ich – nicht in die
se Republik passt. Denn diese Republik lebt davon, dass es starke Arbeitnehmervertretungen gibt, dass es Aushandlungsprozesse gibt. Während des BVG-Streiks, trotz der Belastung, haben viele Leute gesagt, sie finden zwar, langsam könnte es mal zu Ende sein, aber sie hätten Verständnis dafür, dass die Mitarbeiter für ihre Rechte eintreten und dass sie für mehr Geld kämpfen. Das, Herr von Lüdeke, müssen Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen, und nicht immer nur sagen: Die Fahrgäste sind alle sauer, es ist nicht richtig bedient worden und so was. Da leben Sie offensichtlich in einer anderen Welt, von der anderen Republik hatten wir schon gesprochen.
Wenn Sie dem Senat dann vorwerfen, er müsste Vorsorge treffen, um jeden Streik quasi durch ein entsprechendes Angebot ausgleichen zu können, dann frage ich Sie: Wer soll denn das bezahlen? Wie soll ich denn die Firmen finden und wie sollen die dann alternativ für das BVGAngebot komplett Fahrzeuge vorhalten, die sie im Streikfall schnell zur Verfügung stellen, um Sie von A nach B zu fahren? Sie nicht, denn Sie fahren entweder Auto oder Fahrrad, aber die anderen Leute, die in der Stadt unterwegs sind. Deshalb, Herr von Lüdeke: Was wollen Sie? – Sie wollen Aufhebung der Tarifautonomie, das habe ich verstanden. Sie wollen schnelle Zahlungskürzungen an die BVG, bevor überhaupt eine Abrechnung vorliegt. Das habe ich auch verstanden. Dann bleibt aber die Frage, warum Sie dann meinen, die Sanierung der BVG sei gefährdet, wenn Sie selbst sagen, man soll ihr Mittel kürzen. Also auch da ist sowohl in Ihrer Frage als auch in dem, was Sie vorgetragen haben, keine Linie und keine Substanz.
Es bleibt festzuhalten: Die FDP ist im Bereich des ÖPNV und der Daseinsvorsorge völlig überfordert, auch völlig überflüssig und deshalb zu Recht nicht an der Regierung beteiligt. – Vielen Dank!