Gesetz über die Information des Berliner Abgeordnetenhauses in Angelegenheiten der Europäischen Union (EU-InformationsG)
Ich eröffne die II. Lesung des Gesetzes und schlage vor, die Einzelberatung der sieben Paragrafen zu verbinden. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.
Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitung sowie die sieben Paragrafen gemäß Drucksache 16/1110. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP. Das Wort hat der Kollege Dragowski. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit unseren beiden Initiativen fordern wir eine stärkere Beteiligung Berlins auf europäischer Ebene. Einerseits soll Berlin, wie andere Bundesländer auch, aktiv an den Entscheidungsprozessen beteiligt sein. Andererseits soll aber der Senat uns Parlamentarier frühzeitig über relevante Vorhaben der Europäischen Union informieren. Die EU-Regelungen nehmen immer mehr zu, die Entscheidungen werden immer wichtiger. Unsere Sorge ist dabei die Rolle der regionalen Parlamente, der Landesparlamente, und eine drohende Entmachtung und Isolierung. Als regionales Parlament dürfen wir diese Regelungen und Entscheidungen nicht an uns vorbeigehen lassen. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass die Interessen der regionalen Parlamente – und damit auch die des Berliner Abgeordnetenhauses – in Europa gestärkt werden.
Dafür müssen wir uns frühzeitig an den Entscheidungsprozessen der EU beteiligen. Für eine Subsidiaritätskontrolle, wie sie im Vertrag von Lissabon steht, müssen wir allerdings nicht auf das Inkrafttreten des Vertrages warten. Mit unserem Antrag zeigen wir Punkte auf, wie wir eine frühe Beteiligung und eine Subsidiaritätskontrolle gewährleisten können. Nehmen wir zum Beispiel die aktive Behandlung der EU-Vorhaben und die Subsidiaritätskontrolle, die Übermittlung der Einschätzungen aus dem Brüsseler Büro. Es ist für uns als Mitglieder des Abgeordnetenhauses sehr wichtig, dass wir frühzeitig über alle Vorhaben informiert werden, sodass wir gegenüber der Europäischen Union mithilfe des Bundesrates und des Bundestages Einfluss ausüben können, bevor Gesetze in nationales Recht umgesetzt werden.
Uns stehen insoweit auch die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente bei, die im Juni 2008 festgestellt haben, dass die Stärkung der Europafähigkeit der Parlamente eine aktive Mitwirkung der Landesparlamente an der Subsidiaritätskontrolle voraussetzt. Diesen Appell sollten wir aufnehmen, ebenso den unseres Präsidenten Walter Momper, der an der Entscheidung mitgewirkt hat, und als Parlament handeln, denn das Gremium der Landtagspräsidenten hat da keine Möglichkeiten.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das zeigt, inwieweit sich die EU in kommunale Belange einmischt und wie dringend es erforderlich ist, sich zu fragen, ob das Sinn macht. Die
EU möchte ein Schulobstprogramm einführen, mit dem sie die Vitaminversorgung von Schulkindern sicherstellen möchte. Das ist sicherlich ein interessantes Anliegen, aber es zeigt letztendlich, wie weit das Interesse der EU geht, selbst in kommunale Kompetenzen eingreifen und dort Regelungen treffen zu wollen. Das ist ein Beispiel in einer Angelegenheit, die wir als Land Berlin, als Kommune, sicher besser umsetzen können.
Der zweite Punkt, den wir behandeln, ist das EUInformationsgesetz. Hier fordern wir eine verbindliche und konkrete Regelung der Informationsrechte des Parlaments in Angelegenheiten der Europäischen Union. Wir fordern beispielsweise eine Berichtspflicht des Senats bei allen EU-Vorhaben, die für Berlin von erheblicher landespolitischer Bedeutung sind und Landesinteressen berühren. Zurzeit ist es so, dass die Informationsrechte des Parlaments in der Verfassung von Berlin geregelt sind. – Teilweise verweisen Kollegen auch auf die Geschäftsordnung. – Ich möchte Artikel 50 Abs. 1 der Verfassung mit Erlaubnis des Präsidenten vortragen:
Der Senat unterrichtet das Abgeordnetenhaus frühzeitig und vollständig über alle in seine Zuständigkeit fallenden Vorhaben von grundsätzlicher Bedeutung. Dies betrifft auch Angelegenheiten der Europäischen Union, soweit das Land Berlin daran beteiligt ist.
Herr Kollege Zimmermann! Wir hatten auch im Ausschuss schon eine Diskussion darüber. Sie haben dort gesagt, in der Verfassung seien die Informationsrechte des Parlaments konkret geregelt, ansonsten gäbe es Regelungen in der Geschäftsordnung. Unser Problem ist nur, dass die Geschäftsordnung den Senat leider nicht verpflichtet.
Wir brauchen eine vernünftige gesetzliche Grundlage, wie sie auch in anderen Bundesländern besteht. Bayern und Schleswig-Holstein haben Informationsgesetze. Viele andere Bundesländer haben Vereinbarungen mit der Regierung. Wir stützen uns hingegen auf einen recht mageren Artikel in der Verfassung und auf die Geschäftsordnung des Parlaments.
Herr Dr. Zotl! Sie haben gesagt, die Informationsweitergabe funktioniere, weshalb eine weitere Regelung nicht notwendig sei. Diese Ansicht teilen wir, aber wir nehmen an, dass die Opposition nicht ganz so gut informiert wird wie die Regierungsfraktionen. Deshalb sollten Sie unseren Informationsbedarf anerkennen.
Das wäre so, wenn ich nicht noch einen Appell loswerden wollte: Ich bitte Sie, unseren Anträgen zuzustimmen und mit uns eine gesetzliche Regelung zu beschließen. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn Sie unserem anderen Antrag ebenfalls zustimmen, helfen Sie mit, dass
das Abgeordnetenhaus frühzeitig Berlins Interessen in Europa durch eine engagierte Subsidiaritätskontrolle vertreten kann. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst die Gemeinsamkeiten hervorheben, die wir mit der FDP-Fraktion haben und die Herr Dragowski formuliert hat.
Wir sind auch der Meinung, dass wir sehr darauf achten müssen, dass die EU nicht in unsere kommunalen bzw. Berliner Zuständigkeiten eingreift. Es gibt an vielen Stellen Ansätze der EU in unsere Kompetenzen hineinzuregieren. Da steht es uns gut an, gemeinsam darauf zu achten, dass unsere Rechte verteidigt werden. Das sollten wir gemeinsam gegenüber der Europäischen Union deutlich machen. Das ist ein wichtiger Punkt, an dem wir einer Meinung sind.
Was Sie hinsichtlich der Informationen verändern wollen, würden wir mittragen, wenn es Verbesserungsbedarf gäbe. Auch wir wollen, dass wir als Parlament in die wichtigen Fragen der Europäischen Union, die Berlin betreffen, einbezogen werden und frühzeitig mit dem Senat besprechen können, wie unsere Position ist. Wenn es den Regelungsbedarf gäbe, würden wir zustimmen, aber Sie haben den Verfassungsartikel, in dem dies geregelt ist, selbst zitiert. Aus unserer Sicht ist das eine so gute, weitgehende und erschöpfende Regelung, dass all das, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf wollen, nur eine schlechtere Lösung sein kann. Die Verfassungsregelung reicht aus unserer Sicht völlig aus.
Wie halten diese Regelung auch ein. Wir können gleich noch einmal darauf zurückkommen, wie das in der letzten Zeit gelaufen ist. – Die vorhandene Regelung sieht die umfassende und vollständige Information vor. Das bedeutet nach der Kommentierung und Verfassungswirklichkeit, dass der Senat alle Angelegenheiten, an denen Berlin beteiligt ist, frühzeitig – also vor der Beschlussfassung – dem Parlament vorlegen muss. Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf „erhebliche landespolitische Bedeutung“ und „wesentliche Interessen“. Das ist aus meiner Sicht weniger als das, was die Verfassung vorsieht. Die Verfassung sieht alles vor, woran Berlin beteiligt ist. Daran möchten wir festhalten und überlassen es dem Senat zu entscheiden, ob über jeden Kleinkram berichtet wird. Wir haben auch Möglichkeiten, den Senat zu verpflichten, uns
Details rechtzeitig vorzulegen. Kurz und gut: Die Verfassungsregel ist klar, eindeutig und parlamentsfreundlich. Es gibt aus unserer Sicht daran nichts zu verbessern.
[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Benedikt Lux (Grüne): Hält sich die SPD-Fraktion daran?]
Was heißt hier „Hält sich die SPD daran“? Wir sind doch diejenigen, die im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, Berlin-Brandenburg die Initiativen gestartet haben, weil die FDP in ihrem anderen Antrag gefordert hat, Berlin und das Parlament sollten sich frühzeitig an Entscheidungsprozessen der Europäischen Union beteiligen. Ich möchte Sie von den Grünen auffordern zu überprüfen, von wem die Initiativen im Ausschuss gekommen sind, beispielsweise zur Dienstleistungsrichtlinie, zur Fernsehrichtlinie und zum TelekomPaket. Diese Grundsatzentscheidungen zum Verhalten des Senats kamen immer von den Koalitionsfraktionen. Das Spiel – Grundsatzpositionen im Ausschuss definieren, und der Senat handelt entsprechend – funktioniert. Wenn Sie Zweifel daran haben, prüfen Sie es nach. – Es kann also bei der Regelung bleiben, und ich schlage deshalb entsprechend der Ausschussempfehlung vor, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Den anderen Antrag werden wir uns anschauen, aber ich fürchte, die Praxis hat gezeigt, dass es funktioniert und wir den Antrag nicht brauchen. – Danke schön!
Herr Präsident! Herr Kollege Zimmermann! Wenn Sie sagen, die jetzigen Regelungen reichten aus, und die Informationen genügten, dann verstehe ich nicht, warum Ihr Kollege Kleineidam diese Initiative wegen dem größeren Bürokratieaufwand ablehnt.
Ich verstehe, dass Sie den Senat stützen wollen. Frau von der Aue sagte im Ausschuss, aus Sicht des Senats sei die Informationspflicht in Artikel 50 hinreichend geregelt. Ich verstehe, dass der Senat das sagt, aber von Ihnen als Parlamentariern erwarte ich, dass Sie mit uns für eine stärkere Position der Parlamente kämpfen. Wenn die Opposition geschlossen für das Informationsgesetz stimmt, dann müssen Sie als Regierungskoalition doch sehen, dass etwas bei der Informationsweitergabe nicht richtig läuft. Es ist keine Schikane von uns, sondern wir wollen unserem Informationsbedürfnis als Opposition Ausdruck verleihen. Deshalb appelliere ich erneut an Sie, unserem Antrag zuzustimmen und unser Anliegen zu unterstützen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! Es geht ganz schnell. – Der Verfassungskommentar sagt glasklar, dass die Regelung in Artikel 50 so weitgehend ist, dass sogar überlegt wurde, wie der Kernbestand des Verwaltungsvorbehalts geschützt werden kann.
Es wird also diskutiert, ob man angesichts einer so weitgehenden, parlamentsfreundlichen Informations- und Berichtspflicht des Senats Grenzen einziehen muss.
Es ist ein Informationsrecht des Parlaments, und mit dem korrespondiert die Informationspflicht des Senats. Und hier gibt es keine Beschränkungen. Mit Ihrem Gesetz ziehen Sie eine Schranke ein. Diese Begrenzung kennt die Verfassung nicht. Ich möchte keine Begrenzung haben. – Herr Dragowski! Deswegen ist relativ klar, dass eine Verbesserungsmöglichkeit gar nicht besteht.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie so oft musste wieder einmal die Opposition die Initiative ergreifen, um dem Senat zu zeigen, welche Instrumente notwendig sind, um Prozesse und Entscheidungen aus Brüssel und Straßburg für Berlin, für unsere Stadt zu nutzen.
Sie können ja nachher gern zustimmen. – Im Gegenteil: Mit den üblichen „Ja, aber“-Argumenten lavieren sich die Koalitionsfraktionen aus der Verantwortung.