Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redner aufgeteilt werden kann. Zu Beginn hat Kollege Dr. Lindner das Wort, der Vorsitzende der FDP-Fraktion. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der aktuelle Anlass für unseren Antrag für diese Aktuelle Stunde ist der angekündigte massive Stellenabbau, mithin die Schließung des Reemtsma-Werkes in Berlin. Wir erinnern uns: In den Jahren 2004 und 2005 hat die rot-grüne Bundesregierung mehrfach, insgesamt dreimal, die Tabaksteuer erhöht. Diese Erhöhung hatte das gesundheitspolitische Mäntelchen, die Menschen vom Rauchen abzuhalten.
Ja, klar! – Die Folge war nicht, dass die Leute nicht mehr geraucht haben, sondern dass sie fortan illegal geraucht haben – aus Polen geschmuggelte Zigaretten.
Die Anzahl der Raucher ist gleich geblieben, aber wir hatten einen massiven Rückgang an staatlichen Einnahmen zu verzeichnen. Die schöne Steuererhöhung hatte also einen Ausfall an Steuern von über 11 Milliarden € in den Jahren 2004-2007 im Vergleich zur Prognose von RotGrün zur Folge. Schon damals haben Unternehmen wie Reemtsma angekündigt, dass infolge des Rückgangs an Konsum legaler, in Deutschland produzierter Zigaretten vor allem auch in Berlin die Arbeitsplätze abgebaut werden müssten. Damals war noch von 200 Arbeitsplätzen die Rede. Dies führte meine Fraktion dazu, in der 15. Legislaturperiode zu beantragen, dass der Senat sich dafür einsetzen möge, diese in jeder Hinsicht irrsinnigen Tabaksteuererhöhungen rückgängig zu machen. Der Senator für Wirtschaft, Herr Wolf, hat mir damals in der Debatte recht gegeben und konstatiert, dass dies eine falsche Geschichte gewesen sei. Unserem Antrag allerdings sind weder die damalige PDS, heute Linke, noch die SPD
gefolgt und auch die nicht CDU, die mittlerweile in der Bundesregierung war, und die Grünen schon gar nicht, weil sie damals in der Bundesregierung war: Die ganz große, riesige Steuererhöhungskoalition von SPD, PDS, Grünen und CDU hat das abgelehnt. Es sind Ihre Arbeitslosen, die in Wilmersdorf entstehen. Sie tragen die Verantwortung dafür.
Da brauchen Sie sich auch jetzt nicht mehr vor die Werkstore zu setzen und herumzujammern, es ist Ihre schädliche Steuerpolitik, die den Menschen und Unternehmen in Deutschland nichts als Elend bringt.
Aber nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf Landesebene wird abkassiert und zugeschlagen, wo immer es geht. Die Grundsteuer wurde beispielsweise auf 810 Prozentpunkte erhöht. Das ist der höchste Satz in ganz Deutschland. Wer trägt denn das? – Das sind in einer Mieterstadt wie Berlin die Mieter.
Die Grunderwerbsteuer wurde erhöht. Es ist das erste Mal, dass Sie von steuerpolitischem Freiraum Gebrauch gemacht haben, nicht um zu senken und den Immobilienmarkt zu beleben, sondern um sie von 3,5 auf 4,5 Prozent zu erhöhen.
Wasserpreise: Der Preis für den Kubikmeter Trinkwasser beläuft sich in Berlin auf 2,21 € pro Kubikmeter. In München belaufen sich die Trinkwasserpreise auf 1,42 €. Dort verdient man übrigens im Durchschnitt reichlich mehr als in Berlin. Jetzt erzählen Sie uns immer, schuld daran sei die Privatisierung oder die Teilprivatisierung.
Nein, schuld daran ist der gierige Staat, denn da müssen Sie mal vergleichen. – Berlin erhebt trotz seines Wasserreichtums ein Grundwasserentnahmeentgelt von 0,31 € pro Kubikmeter, Brandenburg, viel wasserärmer, von 0,10 €, Bundesländer wie Hamburg erheben zwar, aber machen dann erhebliche pauschale Befreiungen. Thüringen und Hessen erheben kein Entgelt. Insgesamt kassiert das Land Berlin im Bereich Wasser pro Jahr 200 Millionen €. Sie kassieren! Auch hier ist es wieder der Staat, der hauptsächlich zuschlägt, und nicht irgendwelche privaten Beteiligungen.
Gewerbesteuer – Sie wollten doch immer Landesthemen hören –: Mit 410 Prozentpunkten deutlich über dem Umlandniveau von 330.
GEZ-Gebühren: Das war gestern im Ausschuss eine typische, bemerkenswerte Einlassung, diesmal von der Kollegin Hiller von der Linksfraktion. Nach dem Elften Rundfunkstaatsvertrag soll die GEZ-Gebühr um knapp 1 € auf 17,98 € erhöht werden.
Da sagte die Kollegin Hiller: Na ja, die Erhöhung um 1 € sei nach Auffassung der Linken sozialverträglich, obwohl laut einem Gutachten 16 € durchaus ausreichten, wenn diese Gebühren gerecht verteilt würden.
Das mag aus Sicht einer Partei wie Ihrer sozial verträglich sein. Für eine Partei, die wie die FDP für das ganze Volk da ist, ist so etwas nicht sozial verträglich.
Nein! – Da lacht der Kollege Zackenfels! Als SPD wäre ich mal still beim Thema Partei fürs ganze Volk. Sie verabschieden sich da gerade. Sie haben in Deutschland nur noch genauso viele männliche Wähler wie Linke und FDP, nämlich 16 bis 17 Prozent. Sie haben mittlerweile in vielen Gebieten in den neuen Bundesländern, z. B. in der letzten Woche bei der Landratswahl in Rügen, nur noch die Hälfte der Wähler der FDP.
Sie sind keine Volkspartei mehr. An Ihrer Stelle würde ich nicht lachen, sondern einmal in mich gehen und fragen, was mit Ihrem Verein eigentlich los ist.
Dann geht die Kassiererei weiter: Strompreise! Statt sich auch auf Ebene des Senats dafür einzusetzen, dass die Menschen das bezahlen können, machen Sie Sozialpopulismus, beispielsweise dadurch, dass Herr Gabriel ein Sozialticket einfordert. Er sagt allerdings nicht, wie das finanziert werden soll. Was machen die großen Stromkonzerne? – Sie sagen, da machen wir natürlich mit, prima Sache. – Aber wir hatten die Leute bei uns, auf einer Veranstaltung der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz, Vorstandsvorsitzende dieser Konzerne. Da sagen die einem ganz klar: Ihr bestellt, ihr verlangt – noch eine Überlandleitung unter die Erde, noch mehr Ausstieg aus der Kernkraft, all dieses aberwitzige Zeug. Und wir preisen das ein. – Wenn ihr ein Sozialticket verlangt, ohne es zu bezahlen, werden das all die anderen Gebührenzahler, die kaum mehr Euro als Hartz-IV-Empfänger in der Tasche haben, durch eine entsprechende Gebührenerhöhung mitzubezahlen haben. Sie machen eine Politik auf Kosten der
Dieses Spiel treiben Sie auch auf Landesebene durch Ihr Berlinticket, auch Sozialpopulismus, weiter. Auch hier werden Sie erleben, dass all die Vereine, die sich an dem Berlinticket beteiligen sollen, das allen anderen Normalverdienern, Geringverdienern, die kaum mehr in der Tasche haben, überhelfen. Sie machen Politik auf Kosten der Mitte dieser Gesellschaft.
Öl ist auch eine solche Geschichte. Natürlich sind es Ölscheichs und Ölbarone, die hier zuschlagen. Aber auch hier in Berlin wird zugeschlagen. Wenn Sie sich heute eine Tankquittung aufgliedern würden, wie es bei einem Endverbraucherpreis von 1,50 € tatsächlich aussieht, kommen Sie zu folgendem Ergebnis: Wenn einer 50 Liter tankt, werden gerade einmal 30 € bei der Kette von Mineralölgesellschaften etc. ankommen. Den Rest auf 75 €, über 60 % kassieren Ölbaron, Scheich und Oligarch Steinbrück, Glos und Merkel und wie sie alle heißen. Das sind 25 € Energiesteuer und 7,50 € Ökosteuer, und dann kommt als Steuer auf die Steuer noch einmal 12 € Mehrwertsteuer oben drauf.
Das ist die Situation in Deutschland und Berlin. Da wundern Sie sich, dass die Leute kein Geld mehr in der Tasche haben.
Sie rufen nun dazwischen, wie es mit den Straßen ausschaut – schauen Sie sich die Berliner Straßen an, da landet doch kein einziger abkassierter Euro!
Deswegen fordern wir Sie auf: Setzen Sie sich auf Bundesebene im Wege einer Initiative dafür ein, dass die Energie- und Ökosteuer soweit flexibilisiert, d. h. abgesenkt wird, dass die Einnahmen wenigstens nur konstant bei 40 Milliarden € bleiben! Ich erwarte von einem Alkoholiker nicht, dass er darauf verzichtet, Schnaps zu trinken, aber ich erwarte, dass er sich wenigstens so zusammenreißt, dass er nicht noch mehr Schnaps verbraucht!
[Beifall bei der FDP – Stefan Liebich (Linksfraktion): Steuern zu erheben hat doch nichts mit Drogensucht zu tun!]
Zweitens: Zur Entlastung der Berliner Unternehmen Absenkung der Gewerbesteuer auf Umlandniveau von 330 Punkten. Drittens: Rückgängigmachen der maßlosen letzten Grundsteuererhöhung auf wenigstens 660 Prozent. Viertens: Verzicht auf Gebührenerhöhung bei Wasser, Müll und Nahverkehr, insbesondere durch Rückführung des staatlichen Entnahmeanteils. Fünftens: Keine Zustimmung zum Elften Rundfunkstaatsvertrag zur Erhöhung der Rundfunkgebühr, sondern Einsatz für eine ge