Protocol of the Session on June 26, 2008

Heute diskutieren wir zwei Vorhaben beamtenrechtlicher Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe, die manche Menschen dazu neigen lassen könnten – ich schaue einmal in Ihre Richtung –, ohne Eingehen auf inhaltliche Positionen anderen das Totschlagargument der Diskriminierung entgegenzuhalten oder den gegenseitigen Vorwurf des Verhehlens von Lebenswirklichkeiten zu erheben. Dem soll mein Beitrag in aller Sachlichkeit entgegenwirken.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Stimmen Sie zu oder nicht?]

Ich will Verständnis wecken für die jeweilige Position und ein gegenseitiges Zuhören ermöglichen, Herr Dr. Lederer.

In meiner Fraktion hat es zu diesen Themen eine aus meiner Sicht sehr ernsthafte, tiefgehende und unideologische Diskussion gegeben, die den inneren Wandel in Volksparteien zu gesellschaftlich relevanten Themen widerspiegelte, der sich auch so in der Gesellschaft vollzieht. Zwei etwa gleichstarke Strömungen haben inhaltlich und

rechtlich wie folgt argumentiert – wobei ich aus Zeitgründen nur die wesentlichen Punkte herausgreife: Die Befürworter haben vorgetragen, in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft übernähmen die Partner genauso Verantwortung füreinander wie Eheleute. Es sei wünschenswert, wenn die Verantwortung im Eingehen einer solchen Partnerschaft dokumentiert würde, dann müsse dies beamtenrechtlich aber auch verankert werden. Unter der Mitwirkung der CDU seien bereits im Erbrecht Freibetragsregelungen getroffen worden wie bei Verheirateten. Zudem habe die CDU in ihrem Grundsatzprogramm veränderten Lebenssachverhalten Rechnung getragen. Drittens habe sich die Lebenswirklichkeit dahin entwickelt, dass auch viele Verheiratete kinderlos blieben und diese letztlich gegenüber Lebenspartnerschaften beamtenrechtlich privilegiert seien. Bei genauer Betrachtung unterscheiden sich beide Lebensverbundformen nicht mehr voneinander. Das sind die Argumente der Befürworter.

Diejenigen, die das Gesetzesvorhaben nicht befürworten, argumentieren wie folgt: Aus der jüngsten Rechtsprechung des Verfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs beim sogenannten Maruko-Urteil ergibt sich gerade nicht, wie häufig behauptet, dass eine Gleichstellung von Ehe- und Lebenspartnerschaften geboten ist. Zwar kann die Politik Regelungen treffen, sie muss es aber nicht. Wenn keine Regelungen getroffen werden, stellt dies gerade keine Diskriminierung dar. Es stellt – zweitens – eine Privilegierung der Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe dar, wenn zum Beispiel ein gleichgeschlechtlicher Partner nach dem Tode des Erstversterbenden eine Versorgung erhält, der eben nicht wie im Regelfall in der Ehe im Berufsleben wegen der Kindesumsorgung Einkommens- und Versorgungseinbußen hinnehmen muss. Hier würde der Diskriminierungsschutz in sein Gegenteil verkehrt. Drittens: Es gibt auch in einer Stadt wie Berlin nach wie vor die Lebenswirklichkeit der Ehe mit Kindern. Sie zu schützen ist die Aufgabe. Die beiden Bindungsformen sind typischerweise in der Gesamtbetrachtung unterschiedlich und sollten deshalb auch unterschiedlich behandelt werden. Nicht nur der Staat, sondern wir alle haben ein Interesse daran, dass Eheleute Kinder bekommen und diese gut erziehen. Es darf nicht zu Benachteiligungen von Familien mit diesem Lebensentwurf kommen.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Aber ich benachteilige niemanden, wenn ich ihn gleichstelle!]

Wenn Sie dieser sachlichen Rede zuhörten, Herr Dr. Lederer, und ein wenig Dampf herausnähmen, dann wäre ich Ihnen sehr verbunden.

Die uns heute vorliegende Frage ist eine politische Entscheidung, die man in die eine oder andere Richtung treffen kann. Wie in allen anderen Fällen auch, ist es auch hier vollkommen legitim, unterschiedlicher Auffassung zu sein. Werte Kollegen, Sie sehen, wie intensiv sich meine Fraktion mit Lebenssachverhalten in der Stadt auseinandersetzt und welche enorme Bedeutung sie dem Zusammenleben in einer Großstadt zumisst. Angesichts der Tatsache, dass mit der heutigen Entscheidung bedeutende

Weichen gestellt werden, die für viele meiner Kollegen den Bereich der Gewissensabstimmung berühren, haben wir uns entschlossen, die Fraktionsdisziplin aufzuheben. Ich bitte darum, das jeweilige Abstimmungsverhalten zu respektieren und als Zeichen großer Ernsthaftigkeit zu verstehen. Die Mehrheit dieses Hauses, die diesem Vorhaben zustimmen wird, bitte ich, der etwaigen Versuchung zu widerstehen, Nein-Stimmen als Zeichen verkappter Schwulenfeindlichkeit zu deuten. Nichts ist so ewig gestrig wie die Ablehnung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. Genauso gestrig ist aber auch der Diskriminierungsvorwurf, zumindest gegenüber Menschen mit Ratio. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kolleg Kleineidam – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPDFraktion ist, seitdem das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft gesetzt wurde, dafür eingetreten, eine möglichst weitgehende Gleichstellung der Lebenspartnerschaften mit der Ehe durchzusetzen. Wir haben durch die Föderalismusreform I auf Lebensebene neue Spielräume erhalten, um diese Gleichstellung vorzunehmen. Das tun wir mit den beiden Gesetzen, über die wir heute zu entscheiden haben.

Ich habe in den Debatten in den verschiedenen Ausschüssen mit Freude zur Kenntnis genommen, dass nach meiner Rechnung etwa viereinhalb Fraktionen dieses Hauses diesen neuen Gesetzen ihre Zustimmung geben wollen. Ich glaube, das ist ein deutliches und positives Signal, das das Abgeordnetenhaus in die Stadt sendet.

Es ist für mich angesichts des CSD und der Debatten über Regenbogenflaggen, die wir in den letzten Tagen wieder erleben konnten oder mussten, erforderlich, dass wir immer wieder betonen, dass es keine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen geben darf. Das, was ich in den letzten Tagen in Presseerklärungen von Gewerkschaften und in Zeitungen gelesen habe, spricht für einen Geist, den es leider immer noch in Berlin gibt, wenn auch – ich hoffe, da ist dieses Haus repräsentativ für die Berliner Bevölkerung mit viereinhalb Fraktionen, die diesen Gesetzen zustimmen – hier deutliche Zeichen zu setzen sind.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Herr Kollege Gram! Ich bedanke mich ausdrücklich bei Ihnen für Ihr Bemühen, die Argumente sachlich darzustellen, wenngleich ich nicht verhehlen kann, dass die Argumente gegen die Gesetze, die Sie referiert haben, mich nicht überzeugen können. Ich glaube auch nicht, dass es richtig ist zu sagen, der Diskriminierungsvorwurf sei ein

Totschlagargument, sondern in allen Fragen, wo Menschen diskriminiert werden, muss man sich damit auseinandersetzen. Da darf man niemanden totschlagen in den Debatten, sondern man muss im Detail gucken: Ist etwas dran an dem Vorwurf, oder ist vielleicht nichts dran? Aber lassen Sie uns keine solche Debatte führen – Sie haben es nicht gemacht, ich will Sie ausdrücklich insofern nicht persönlich ansprechen, aber Sie haben solche Argumentationen referiert –, lassen Sie uns nicht so miteinander umgehen.

Eine letzte Bemerkung sei mir erlaubt: Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum die Institution der Ehe durch eine Gleichstellung benachteiligt wird.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

An der Rechtsstellung der Ehe ändert sich durch diese Gesetzesänderung überhaupt nichts. Insofern vermag ich nicht nachzuvollziehen, wie man hierin eine Benachteiligung sehen kann. Wir sind auf dem richtigen Weg. Ich hoffe, dass dieses Haus ein ganz klares Signal aussendet, mit breiter Zustimmung zu den beiden Gesetzen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Kollege Birk.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zur CDU-Fraktion: Vielleicht erhellt es Ihre Diskussion, wenn Sie zur Kenntnis nehmen, dass auch in eingetragenen Partnerschaften zunehmend Kinder leben, auch leibliche Kinder von den Eltern. Das sollten Sie endlich zur Kenntnis nehmen.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion]

Vorab zu Ihnen, Herr Lederer, auch wenn wir heute fast im Partnerschaftslook auftreten und in dieser Sache gemeinsam kämpfen: Als die eingetragene Partnerschaft verabschiedet wurde, hatte die PDS damals erhebliche Vorbehalte. Das sollte nicht vergessen werden, wenn Sie so oft auf rot-grüne Zeiten schimpfen.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Sie wissen, aus welchen Gründen!]

Ja, aus welchen Gründen, das kann man diskutieren, zumindest waren Sie damals nicht dafür.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Weil es nicht weitgehend genug war!]

Die Koalition gibt uns immer wieder Rätsel auf. Wir fragen uns auch, warum Sie ausgerechnet diese Rederunde heute angemeldet haben. Natürlich wollen Sie sich zum CSD selbst feiern für die rückwirkende Gleichstellung

von eingetragenen Partnerschaften mit der Ehe im Landesbeamtenbesoldungs- und -versorgungsrecht. Aber der Weg dorthin war eine holprige Lachnummer, zu der Sie besser schweigen sollten. Ich werde es aber nicht tun und es noch einmal ausführen.

Am 10. April plädierte hier Kollege Lederer genau wie ich, entsprechend dem Maruko-Urteil des Europäischen Gerichtshofs die Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften im Beamtenrecht rückwirkend in Kraft treten zu lassen. Ich bin da noch konkreter geworden und habe gefordert, das Datum müsste der 3. Dezember 2003 sein, weil da die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf abgelaufen war.

Als wir die entsprechenden Änderungsanträge stellten, wurde der zur Besoldung im Bildungsausschuss noch abgelehnt, aber schließlich im Innenausschuss doch angenommen. Aber bei der Versorgung gaben sich die Justizverwaltung und der Kollege Lederer zur rückwirkenden Gleichstellung einen Kleinkrieg, der die ganze Szene amüsierte. Gutachten auf Gutachten folgte, obwohl von Anfang an klar war, dass gegen die rückwirkende Besserstellung juristisch nichts einzuwenden ist, auch wenn die Zuständigkeit erst 2006 durch die Föderalismusreform auf das Land Berlin übergegangen ist. Schließlich musste erst ein Machtwort des Regierenden her, weil die Koalition sich zum CSD nicht blamieren sollte. Da war es am Ende vielleicht doch ganz hilfreich, dass wir Grünen bei dem Druck auf die renitente Justizverwaltung hilfreich zugegen waren.

[Beifall bei den Grünen]

Und tatsächlich hat jetzt Berlin die fortschrittlichste Regelung zur Gleichstellung eingetragener Partnerschaften im Beamtenrecht. Dies sollte Beispiel für den Bund und die anderen Bundesländer sein.

Aber bitte liefern Sie uns nicht noch mal so einen absurden Krimi, wenn es um unsere Anträge zur Gleichstellung bei den Kammerberufen geht! Wenn Sie eine andere Lösung haben als wir, die zum gleichen Ziel führt – bitte! Dann machen Sie es aber auch! Dieser ganze Aufwand zeigt einmal mehr, das Einfachste wäre die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule. Dann könnten wir uns den juristischen Eiertanz sparen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir gehen noch einen Schritt weiter. Wir wollen das Ehegattensplitting abschmelzen und das Geld in die Kinderförderung stecken. Und wir wollen über einen Familienvertrag alle Familienformen absichern, insbesondere auch Regenbogenfamilien, wo soziale und biologische Eltern in der Erziehung zusammenwirken wollen. Doch bis dahin ist es für die Volksparteien und insbesondere für die CDU noch ein langer Weg. Ich weiß, bei Ihnen in der CDU-Fraktion wird heftig über die vorliegenden Anträge zur Gleichstellung im Beamtenrecht diskutiert. Der Kollege Gram hat es eben berichtet.

Einige Kolleginnen und Kollegen haben längst verstanden, dass in einer Stadt wie Berlin mit homophoben Ansichten kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Aber der andere Teil ist eben immer noch bei der moralischen Wende von Helmut Kohl stehengeblieben. Bei dem absurden Regenbogenfahnenstreit von Herrn Henkel wurde das erneut deutlich. Herr Henkel! Ich frage Sie: Sind Sie schon mal zusammengeschlagen worden und haben sich anschließend nicht zur Polizei getraut, weil Sie Diskriminierung befürchtet haben? – Vermutlich nicht. Aber viele Lesben, Schwule und Transgender fürchten genau das. Und wenn dann Herr Glietsch zusammen mit dem Antigewaltprojekt Maneo, das solche Opfer betreut, die Regenbogenfahne vor dem Polizeipräsidium hisst, dann gibt er nach innen, zu seinen Leuten, und nach außen das Signal: Bei Diskriminierung und Gewalt gegen Lesben, Schwule und Transgender macht die Polizei ihren Job, steht auf der Seite der Angegriffenen und verfolgt die Angreifer. Da kann es doch gar keine Neutralität geben, Herr Henkel!

[Beifall bei den Grünen und der Linksfraktion]

Das Motto des 30. Berliner CSD ist „Hass du was dagegen?“. Diese Frage richtet sich an solche rückständigen Männer wie Herrn Henkel. Aber das Motto verlangt auch der Bevölkerung eine Entscheidung ab. Es muss bei jeder neuen jungen Generation um Akzeptanz von Lesben, Schwulen und Transgendern geworben werden. Wie schwer das ist, zeigte nicht zuletzt der Überfall vor zweieinhalb Wochen auf drei Dragkings in Kreuzberg. Hier hat die gesamte Gesellschaft und nicht nur die queere Community, wie manche meinen, ihren Anteil zu leisten. Hier muss noch mehr geschehen in Schulen, Kitas, Jugendeinrichtungen – veränderte Fort- und Ausbildung von Lehrpersonal und Erzieherinnen und Erziehern und mehr Aufklärung müssen her. Bündnis 90/Die Grünen waren und sind immer unmissverständlich auf der Seite von Lesben, Schwulen und Transgendern gewesen, und wir werden es auch weiterhin bleiben. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Kleineidam.

Herr Kollege Birk! Ich bin schon sehr verwundert über Ihre Verwunderung, dass wir diesen Punkt zur Besprechung angemeldet haben. Sie betonen selber die Bedeutung dieser Entscheidung und werfen der Koalition eine Besprechung vor. Diese Logik verstehe ich nicht.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie haben das verbunden mit dem Vorwurf, die Koalition wolle sich vor dem CSD profilieren. Wenn es hier eine Fraktion in diesem Haus gibt, die eine Jahrestagspolitik macht, die, weil irgendwo gerade ein internationaler Tag ansteht, mal schnell die Verfassung ändern will, um sich

zu profilieren, dann ist es die Grünen-Fraktion und keine andere in diesem Haus.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Und wenn Sie die Beratungen der letzten Wochen in den Ausschüssen als Lachnummer bezeichnen, als wir sehr ernsthaft miteinander die Frage bewegt haben, ob eine Rückwirkung verfassungsrechtlich möglich ist oder nicht, wo es gute Argumente für die eine und die andere Sichtweise gibt, dann – –

[Benedikt Lux (Grüne): Was haben Sie im Rechtsausschuss gemacht? ]

Herr Kollege, lassen Sie mich doch ausreden, dann können Sie Ihren Kommentar dazu abgeben. – Die SPDFraktion wird auch weiterhin verfassungsrechtliche Fragen ernsthaft prüfen und sich notfalls mehrere Wochen dafür Zeit nehmen. Dafür ist uns diese Frage, um die es geht, viel zu wichtig, als dass wir sie wegen eines Jahrestags einfach mal kurz übers Knie brechen. Das mag ein Politikstil sein, den Sie bevorzugen. Wir werden dies weiterhin gründlich prüfen. Wenn Sie eine verfassungsrechtliche Prüfung als Lachnummer bezeichnen, dann sollten Sie Ihr eigenes Politikverständnis noch einmal gründlich überdenken.