Protocol of the Session on March 13, 2008

Das Wort zur Erwiderung hat Frau Dr. Barth. – Bitte schön!

Liebe Kollegin! Die Tagespflege steht nicht erst jetzt bei uns auf der Agenda, sie steht, seitdem ich im Abgeordnetenhaus bin – das kann ich mit Sicherheit sagen –, seit 1995 auf der Agenda.

Besitzstandswahrung: Berlin hat sich darum bemüht, diese Besitzstandswahrung zu erhalten. Und nun frage ich Sie: Ihre Partei ist auf der Bundesebene in der Regierung. Ich finde es ein bisschen eigenartig, dass die Bundesgesetzgebung geändert wurde – maßgeblich durch Ihre Frau Bundesministerin – und Sie dem Land Berlin den Vorwurf machen. Jetzt geht zum Glück die Bundesregierung den Schritt wieder zurück. Damit bin ich sehr einverstanden. Aber nicht umgekehrt damit, dass Sie dem Land Berlin, dem Senat, den Vorwurf machen. Die Bundesregierung hat sich in dieser Angelegenheit nicht bewegt, sie wollte auch für das Land Berlin keine Sonderregelung haben. Doch, es gibt genügend Nachweise, dass sich das Land Berlin bei der Bundesregierung dafür eingesetzt hat, dass genau diese Besitzstandswahrung erfolgen soll.

[Mirco Dragowski (FDP): Die würde ich gern mal sehen!]

Vielleicht ist das ja eine Reaktion, dass die Bundesregierung das Gesetz wieder ändert und genau an diesem Punkt korrigiert. Das wäre dann sehr schön.

Herr Kollege Dragowski, Sie haben das Wort zu einer Kurzintervention!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Kollegin Dr. Barth! Ich möchte nur drei Punkte klarstellen. Es geht um eine Bundesmaterie, da haben Sie völlig recht. Aber es geht zum einen darum, dass die Berliner Eltern und Tagespflegeeltern nicht über die Ereignisse auf der Bundesebene informiert wurden, die sie persönlich existenziell betreffen. Fragen Sie mal nach bei den Tagespflegepersonen!

[Beifall bei der FDP]

Viele wussten nicht, was da passiert, und haben Glück gehabt, dass es dieses Moratorium gab, sodass sich auch die Opposition eingesetzt hat. Des Weiteren frage ich Sie, Frau Dr. Barth: Sie sagen, es ist erst ein Referentenentwurf, da kann man noch nichts machen. Wann kann man denn bitte mitgestalten, wenn nicht im Referententwurfsverfahren? – Berlin hat den Entwurf bekommen, um eine Stellungnahme abzugeben. Also, wenn der Senat etwas tun soll, dann soll er es bitte jetzt tun, und zwar für die Berliner Tagesgroßpflegestellen.

Last not least, das muss ich leider wieder einmal anmerken: Wenn Sie den Landesjugendhilfeausschuss ins Spiel bringen, danke ich Ihnen recht herzlich, denn auch dank Ihrer Mithilfe ist die FDP dort nicht vertreten. Also lassen Sie doch bitte aus diesem Kreis irgendwelche Zitate in der Debatte. – Vielen Dank, Frau Kollegin!

[Beifall bei der FDP]

Das Wort zur Erwiderung hat Frau Dr. Barth.

Herr Dragowski! Drei Punkte, erstens: Ich bin durch die Betroffenen in Kenntnis gesetzt worden. Ich habe es damals nicht einmal gleich gemerkt, dass die Bundesregelung verändert wurde. Die Betroffenen haben mich als Erste in Kenntnis gesetzt. Also das, was Sie gesagt haben, die Betroffenen seien nicht in Kenntnis gesetzt worden, können Sie einfach stecken lassen. Wir haben sehr viele Briefe bekommen. Ich stehe mit den Betroffenen in Kontakt. Deswegen bin ich froh, dass das Bundesgesetz jetzt wieder geändert wird.

Zweitens: Wir können über den Entwurf reden, wie wir wollen. Aber es gibt bis zum heutigen Tage ein Gesetz, das eine feste Regelung vorschreibt. Wenn wir dann das neue Gesetz haben, werden wir uns alle darüber freuen. Das ist in Ordnung so.

Die dritte Bemerkung: Ja, dann müssen Sie mit Ihren Wählerinnen und Wählern sprechen. Vielleicht haben Sie

dann beim nächsten Mal einen Platz im Landesjugendhilfeausschuss, wenn Sie eine etwas stärkere Fraktion geworden sind.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Stefan Liebich (Linksfraktion): Sehr gut!]

Das Wort für die Grünen hat die Abgeordnete Jantzen. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aufregung unter einigen Rednerinnen ist sehr groß, im Hause an sich nicht, da ist eher gähnende Leere. Das Thema scheint nicht alle so zu interessieren und auch nicht so spannend zu sein. Nichtsdestotrotz ist es ein wichtiges Thema. Auch wir sehen, dass die Tagespflege ein eminent wichtiger und unverzichtbarer Bestandteil der Angebote für die Bildung, Förderung und Betreuung von Kindern ist, und zwar insbesondere für die Kinder unter drei Jahren, insbesondere auch – das ist heute Morgen deutlich geworden im Gespräch mit den Familienverbänden –, was die Förderung und Betreuung außerhalb der regulären Öffnungszeiten, die sogenannte flexible Kinderbetreuung, angeht. Das sind die Bereiche, wo wir auf die Kindertagespflege in Berlin nicht verzichten können.

Es ist in der Tat in zwei Problembereichen so, dass die Tagespflege in Berlin akut gefährdet ist. Es ist schon ausführlich beschrieben worden. Das sind einmal unsere Tagesgroßpflegestellen mit bis zu acht Kindern, und das ist zum andern die geplante Besteuerung auf Bundesebene. – Ich muss aber Frau Barth insofern recht geben, dass tatsächlich die Information über die Besteuerung von den Tagespflegeeltern selber bei uns gelandet ist, was aber darauf schließen lässt, dass der Senat nicht ordentlich informiert hat. Die Verbände der Tagespflege haben die eigenen Leute und damit die Politik informiert. Es ist bedauerlich, dass der Senat es nicht für nötig gehalten hat, von sich aus eine gute Informationspolitik zu machen.

[Beifall bei den Grünen]

Ich denke, dass der Senat nicht warten darf und kann, bis wir uns im Ausschuss mit den Anträgen beschäftigt haben, sondern in diesen zwei Problembereichen sofort tätig werden muss. Es gibt zur Weiterführung der Tagesgroßpflege höchstwahrscheinlich sehr bald eine neue Rechtslage: Durch die Änderung des Kinderfördergesetzes auf Bundesebene wird es in Zukunft möglich sein, die Tagesgroßpflegestellen, wie sie sich in Berlin bewährt haben, weiterzuführen. Ich kann absolut nicht nachvollziehen, Frau Barth – und Herr Zöllner kann da mal seine Ohren spitzen –, wie das Land Berlin sozusagen im Versprechen auf eine rechtliche Regelung bereits über ein Jahr lang die Tagesgroßpflegestellen geschützt und weiter belegt hat, die Bezirke durften das machen, und jetzt, wo ein konkreter Gesetzentwurf vorliegt, sollen sie es plötzlich nicht mehr machen. Deswegen die klare Aufforderung, jetzt

nicht noch einmal kurzfristig die Tagesgroßpflegestellen zunichte und kaputt zu machen, sondern dann auch klar zu sagen: Okay, der Gesetzentwurf ist da, wir setzen uns für die geplante rechtliche Regelung ein, und wir sagen den Bezirken, seid so großzügig und belegt die Tagesgroßpflegestellen mit bis zu acht Kindern! – Das ist der erste Punkt.

[Beifall bei der FDP]

Zum zweiten Problem, der Besteuerung: Wir sehen es so, dass es dringend nötig und wichtig ist, die Tagespflege weiter zu qualifizieren und zu professionalisieren. Das sehen auch die Verbände der Tagespflegeeltern selbst so. Wenn qualifizierte sozialpädagogische Kräfte in Zukunft die Tagespflege machen – und sie machen es zum Teil jetzt schon –, dann haben sie eine adäquate Finanzierung und Bezahlung verdient. Deswegen fordern wir den Senat auf, sofort mit den Verbänden der Tagespflegeeltern in Gespräche über eine adäquate Finanzierung einzutreten, die – wie Frau Barth sagte – es möglich macht, dass sie keine finanziellen Einbußen haben, dass sie ihre qualifizierte und unverzichtbare Arbeit in Berlin weitermachen können, und die eine Besteuerung und eine Sozialversicherungspflicht dann auch möglich macht, denn wir denken auch, dass diese qualifizierte Arbeit nicht auf unendliche Zeit mit Aufwandsentschädigungen und Erziehungsgeld zu machen ist. Das ist eine hochprofessionelle Arbeit, ein unverzichtbarer Bestandteil der Angebote zur Betreuung, Förderung und Bildung von Kindern und muss dann auch entsprechend ausgestaltet werden.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Der Ältestenrat empfiehlt zu beiden Anträgen die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5 d:

a) Beschlussempfehlung

Jugendgesundheit und Jugendschutz ernst nehmen – Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen stärker bekämpfen!

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/1238 Antrag der CDU Drs 16/0338

b) Beschlussempfehlung

Alkoholexzesse unter Jugendlichen vorbeugen – Jugendschutzgesetz durchsetzen!

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/1239 Antrag der FDP Drs 16/0347

c) Beschlussempfehlung

Alkoholmissbrauch von Kindern und Jugendlichen entgegenwirken

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/1240 Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/0874

Das ist die Priorität der Fraktion der SPD unter dem Tagesordnungspunkt 17. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat Frau Kollegin Scheeres.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen ist kein neues Thema. Das Thema steht seit mehreren Monaten im öffentlichen Fokus. Hintergrund sind die vielen Alkoholmissbrauchsfälle, die gerade durch die Medien aufgegriffen wurden. Angefangen hat dies vor über einem Jahr. Ein Jugendlicher hatte extrem viel Alkohol getrunken und war dabei zu Tode gekommen. Das ist ein schrecklicher Vorfall, der in der Form in Berlin hoffentlich nie wieder vorkommen wird.

Bevor ich über das Thema Alkoholmissbrauch und seine Verhinderung rede, lassen Sie mich eines festhalten: Der Alkoholkonsum von Jugendlichen hat nicht zugenommen. Das ist die gute Nachricht, die wir bei allen Problemen nicht vergessen sollten. Aber wir müssen feststellen, dass der Alkoholkonsum bei jungen Menschen eine andere Qualität hat. Jugendliche, die trinken, tun dies früher, exzessiver und regelmäßiger. Davor dürfen wir unsere Augen nicht verschließen.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

In Berlin verdoppelte sich nach Angaben der Fachstelle für Suchtprävention in den vergangenen Jahren die Anzahl der Jugendlichen, die mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingewiesen wurden.

Wir wissen, dass von legalen Suchtmitteln wie Alkohol gerade für junge Menschen die größte Bedrohung ausgeht. Sie können einfach und unproblematisch besorgt werden. Trinken bis zum Umfallen ist für viele Jugendliche ein Sport. Sie verbinden es mit Coolness, so viel zu trinken, bis es kaum noch geht. Dies können und dürfen wir nicht hinnehmen.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Es geht nicht um Empörung oder um Drohungen. Es muss um Hilfestellungen gehen. Es gibt viele Antworten, wie Jugendliche vor Drogen und Sucht geschützt werden können. Wir wissen alle, einen Königsweg gibt es in dieser Beziehung nicht, schon gar nicht durch reine Verbote allein. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass im Leben von Jugendlichen viele Faktoren die Fähigkeit beeinflussen, ob sie mit Alkohol angemessen umgehen können. Die Risiken des Alkoholkonsums und das Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs mit Alkohol müssen daher Thema in allen Lebensbereichen von jungen Menschen sein:

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

in der Schule, in Sporteinrichtungen oder in Betrieben. Präventive Angebote, die wir auch in Berlin seit Jahren anbieten, müssen junge Menschen stärken, denn nur starke Persönlichkeiten können Suchtmitteln widerstehen. Wir setzen als SPD zuallererst darauf, junge Menschen gegen Drogen stark zu machen. Aus diesem Grund haben wir auch im Rahmen der Haushaltsberatungen die Mittel für die Präventionsarbeit verstärkt. Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, z. B. das Präventionsprojekt „HaLT“ auszubauen. Dieses Projekt nimmt direkten Kontakt mit Jugendlichen auf, die mit einer Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus kommen. Es führt dort eine Beratung der Jugendlichen durch. Auch zeigen wir durch unterschiedliche Präventionskampagnen wie „Unabhängig bleiben!“, dass wir uns diesem Thema stellen. Wir verschließen auch nicht die Augen davor, dass junge Menschen durch den gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol geprägt werden. Die Verantwortung der Politik ist es, den gesellschaftlichen Rahmen zu setzen und Orientierung zu geben. Klare Altersgrenzen und die eindeutige Verantwortlichkeit von Wirten und des Einzelhandels sind uns wichtig. Sie sind schon im Jugendschutzgesetz, aber auch im Gaststättengesetz festgeschrieben. Die Gesetze sind jedoch nur so gut, wie sie umgesetzt werden. Es reicht nicht aus, das Jugendschutzgesetz einfach an die Wand zu hängen, aber dieses dann in der Kneipe nicht umzusetzen.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Wir stehen daher als SPD für die Einhaltung der Gesetze und für entsprechende Kontrollen. Auch die sogenannten Flatrate-Partys können für einen Gastwirt keine Ausrede sein, der eigenen Verantwortung zu entfliehen. Der Schutz von Profitinteressen kann nicht vor dem Schutz von jungen Menschen gehen. Flatrate-Partys können schon jetzt im Rahmen der Gesetze verboten werden. Veranstaltungen wie Flatrate-Partys, die darauf abzielen, unkontrolliert Alkohol auszuschenken oder junge Menschen zum exzessiven Trinken zu animieren, sind rechtlich nicht erlaubt. Der Bezirk CharlottenburgWilmersdorf hat dies schon umgesetzt und solche Partys verboten.