Protocol of the Session on February 28, 2008

Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Linksfraktion. Frau Dr. Hiller hat das Wort – bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nur wenige Tage her, da beendete die Berlinale ihr großartiges, quirliges Programm in unserer Stadt. Bei der Oscar-Verleihung am Wochenende erinnerten Sie sich vielleicht daran, dass mit Marion Cotillard die

Hauptdarstellerin des Edith-Piaf-Films „La vie en rose“ als beste Darstellerin gekrönt wurde, eines Films also, der im vergangenen Jahr hier in Berlin erstmalig und als Auftaktfilm zur Berlinale aufgeführt wurde.

Aber Berlin hat mehr zu bieten als das größte deutsche Filmfestival, die Berlinale. Berlin ist auch die Kinohauptstadt Deutschlands, mit über 170 Kinobetrieben. Insbesondere die Berliner Programmkinos leisten seit Jahren und mitunter unter sehr schwierigen Bedingungen der Selbstausbeutung eine hervorragende und förderungswürdige Arbeit zur Präsentation und zum Abspielen von Filmen verschiedenster Genres. Dafür sei ihnen an dieser Stelle gedankt!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Nennen will ich hier nur stellvertretend einige wenige Kinos wie das Kant 54, das Bali, das Neue Off und eben auch das Babylon. Bisher fördert das Land Berlin mit dem Babylon ein Filmkunsthaus, das einzigartig in seinem Programm, seiner Lage, seiner Geschichte ist. Und jeder Euro, der hier ausgegeben wird, ist gut angelegt. Das sei hier betont, ganz besonders aus unserer Sicht als Regierungskoalition. Niemand sonst als das Babylon bietet Stummfilmkonzerte an, hat ein Kinderwagenkino, zeigt den neuen deutschen Film, Repliken, wie gegenwärtig zum 70. Geburtstag von István Szabó, aber auch zu anderen großen Filmemachern. Niemand sonst macht spezielles Kino für Kinder und Jugendliche, bringt Filme aus Osteuropa, bietet Filmfestivals, so z. B. gerade jetzt dem Mehrweg-Festival eine Heimstatt – alles unter einem Dach.

Die Grünen wollen heute mit einem Antrag, der zur Abstimmung vorliegt, das Babylon plattmachen. Sie wollen diese Förderung wegnehmen, den Standort gefährden, das Kino dichtmachen. Das wollen wir ausdrücklich nicht. Das werden wir verhindern! Das Babylon bleibt mit seinem vielfältigen, hochwertigen Kulturkino – dazu stehen wir – an diesem Standort am Rosa-Luxemburg-Platz. Dazu haben wir im Doppelhaushalt die Grundlagen gelegt.

Und dennoch sehen wir auch den Bedarf und die Notwendigkeit anderer Programmkinos der Stadt, dass diese gefördert werden. Wir wollen, dass das über das Medienboard passiert, dessen Aufgabenvielfalt damit erweitert werden soll. Wir wollen, dass neben Filmproduktion und Projektentwicklung, Verleih und Vertrieb auch das Filmabspiel in den Förderkatalog aufgenommen wird. Insbesondere die Umstellung der Kinotechnik auf digitale Technik sollte unseres Erachtens hinsichtlich einer Förderung überprüft werden. Dazu liegt Ihnen ein Antrag der Koalitionsfraktionen vor. Wir als Regierungskoalition sehen uns in der Pflicht, Gespräche zwischen dem Medienboard und den Programmkinobetreibern zu moderieren. Dabei ist es unser Ziel, im Interesse der Filmstadt Berlin und der Kinobesucher, die ein Recht auf anspruchsvolles, vielfältiges und kreatives Kulturkino haben, eine Einigung über Art und Weise der Förderung sowie deren Höhe zu erreichen. Im Medien- und im Kulturausschuss haben wir uns über diesen Antrag zu verständigen. Ich hoffe

und werbe dafür, dass der Antrag fraktionsübergreifend angenommen wird.

Bezogen auf Ihren Antrag, Frau Ströver und liebe Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, nur noch eine Bemerkung: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück! Er ist überflüssig. Er beschädigt das Kino Babylon und gaukelt am Ende doch nur vor, Programmkinos in unserer Stadt fördern zu wollen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Hiller! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Ströver das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie selbst an den Unfug, glauben, den Sie gerade erzählt haben, Frau Dr. Hiller!

[Beifall bei den Grünen]

Ich glaube, Sie wissen, dass ich einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte länger im Rahmen der Förderung der Kultur und Filmbranche in Berlin aktiv bin. Da waren Sie noch lange nicht da. Da war von Ihnen noch lange nicht die Rede.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Die Lage der Kinobranche ist schwierig und überhaupt nicht rosig, speziell in der Berliner Region. Wir stehen auch vor technisch enormen Umbrüchen, weil es darum geht, die Berliner Kinos zukunftsfähig zu machen und technische Rieseninvestitionen vorzunehmen, die die Digitalisierung für die Zukunft sicherstellen. Dafür müssten wir eine Menge Hilfe leisten. Das fehlt bisher noch komplett. Sie alle kennen die Schreiben an uns, wie wichtig es ist, dass wir die Kinolandschaft erhalten und auf dem technisch neuesten Stand halten. Vor zehn Jahren ging hier allenthalben die Multiplexeuphorie um, angeblich schüfen die Multiplexe so viel an Kinovielfalt. Was es gebracht hat, ist ein dramatischer Verdrängungswettbewerb nicht zugunsten der Qualität, sondern zulasten der Qualität. Indem man einfach alles dem freien Spiel der Kräfte überlassen hat, ist eine wirkliche Kinovielfalt in Berlin verlorengegangen. Es geht nicht nur um eine Zahl von Leinwänden, Frau Dr. Hiller, sondern es geht auch um die Vielfalt von Kinos.

[Beifall bei den Grünen]

Besonders gelitten haben in diesem Zusammenhang die Berliner Premierenkinos. Das ist ein großer Verlust von Traditionslichtspielhäusern. Ich will nur einige nennen: Filmbühne Wien, Marmorhaus, Hollywood, Royal Palast – alles Premierenkinos, die es heute nicht mehr gibt!

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Und wer hat sie geschlossen?]

Inzwischen erreicht der Verdrängungswettbewerb – das ist unser strukturelles Problem – auch die kleinen Programmkinos. An dieser Stelle muss sich Rot-Rot sagen lassen, dass Sie ein Stück dazu beitragen, indem Sie die Mittel einseitig verteilen.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Das ist eine Unverschämtheit, und Ahnung haben Sie auch keine, wie Filmwirtschaft funktioniert!]

Dass Sie heute einen Antrag vorlegen, in dem Sie die Vielfalt beschreiben, die Sie erhalten wollen, ist nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Die Verschiebung der Verantwortung zum Medienboard ist schon gar nicht die Lösung des Problems. Zurzeit stellt das Medienboard 200 000 € für alle Kinos in Berlin und Brandenburg zur Verfügung. Ihnen ist doch wohl klar, dass das viel zu wenig ist. Deswegen ist das Problem in der Stadt das hausgemachte Problem, weil hier eine dramatische Wettbewerbsverzerrung stattfindet,

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

nämlich mit der ausschließlichen Finanzierung des Kinos Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz. 360 000 € allein für ein staatlich subventioniertes Eventkino – das ist es nämlich inzwischen – und Veranstaltungshaus, das den anderen Programmkinos in der Stadt inzwischen auch die Festivals und die besonderen Programmleistungen streitig macht und sie an den Rand der Existenz bringt! Das heißt, der Senat und Rot-Rot verschärfen das Problem und verbessern es nicht. Deswegen ist Ihr Antrag keine Hilfe zur Zukunftssicherung der Kinovielfalt in Berlin.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Unser Ziel ist es, die Landesmittel, die das Land Berlin für Kinos in Berlin aufbringt, nicht nur dem Babylon zu geben. Wir möchten gerne ein gerechtes, zukunftsweisendes Verfahren, das die Zukunft der Programmkinos sichert, nicht nur zu Schutz und Sicherung von einem. Wir möchten gerne, dass es einen qualitativen Topf gibt, der für Programmreihen an alle Programmkinos in dieser Stadt vergeben wird, die sich dafür interessieren, denn wenn, dann muss man das wenige Geld, das man hat, allen zur Verfügung stellen und nicht nur einem einzelnen Haus, das dann auch noch die Konkurrenz zu allen anderen darstellt. Das werden Sie doch wohl verstehen. Es kann doch nicht sein, dass ausschließlich das Babylon die 360 000 € Förderung abgreift und niemand sonst.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Frau Ströver! Ihre Redezeit ist beendet.

Ich darf den letzten Satz sagen: Wir haben mit dem Arsenal ein Filmkunsthaus am Potsdamer Platz, das dankenswerterweise vom Bund finanziert wird und das diese Filmkunstaufgabe erfüllt. Richtig wäre es, wenn wir ge

meinsam an einer Zukunft für Berlin arbeiteten, die im Sinne der AG Kino sagt: Viele gute Kinos für den deutschen Film, denn der hat es wirklich verdient!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Ströver! – Für die SPDFraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Zimmermann das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Filmförderung in Berlin und Brandenburg ist ein Erfolgsmodell. Wir haben in Berlin die Filmwirtschaft inzwischen als einen der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Wir haben die Medienboard GmbH, die inzwischen zur zweitgrößten Förderanstalt nach NRW und vor Bayern geworden ist. Wir haben medienboardgeförderte Filme, die einen Oscar bekommen, wie „Die Fälscher“.

[Zurufe von den Grünen]

Wir haben also einen Haufen Erfolge vorzuweisen, was die Filmförderung betrifft.

[Zurufe von den Grünen]

Trotzdem kann man etwas, das gut ist, immer noch weiter verbessern. Es ist Teil der Filmförderung, dass auf die gesamte Wertschöpfungskette Film geguckt wird und deswegen auch auf den Vertrieb und deswegen auch auf das Abspielen und deswegen auch auf die Kinolandschaft in Berlin. Und damit wäre ich beim Thema, Frau Ströver!

Wir wollen mit diesem Antrag, dass Kinoförderung als Teil der Filmförderung betrachtet wird und dass es als eine öffentliche Aufgabe gesehen wird, die Kinovielfalt, die Vielfalt der Kinolandschaft in Berlin zu erhalten. Da sind wir mit Ihnen einer Meinung. Deswegen meinen wir, dass das auch im Antrag so genannt werden muss. Man könnte das für einen Teil der Begründung halten. Wir haben es bewusst in den Antragstext geschrieben, damit das Abgeordnetenhaus dies als Ziel der Filmförderung beschließt und die Interessen des Landes entsprechend definiert. Das halten wir für sehr wichtig und nicht für überflüssig, Frau Ströver!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Trotzdem haben Sie recht, was die Analyse der Situation der Kinolandschaft angeht. Die Vielfalt ist noch nicht verloren, aber sie ist bedroht – aus den Gründen, die Sie genannt haben. Deswegen halten wir es mit Ihnen für dringend geboten, etwas für die Kinos zu tun.

[Beifall bei der SPD und den Grünen – Beifall von Evrim Baba (Linksfraktion)]

Ich will zu dem, was Sie genannt haben, ergänzend einen Grund nennen, nämlich den enger gewordenen Markt. Wir haben sehr viel Home-Entertainment – und dort einen Zuwachs –, wir haben Video-on-Demand, wir haben an

dere Dinge. Das bedeutet, dass das Verwertungsfenster für die Kinos schmaler geworden ist und sich der Markt verändert hat.

Außerdem kommt zweitens der Druck der Multiplexe hinzu, und deswegen ist es eine wirtschaftspolitische Pflicht, diese kleinen Unternehmen zu unterstützen, die nicht nur eine kulturelle, sondern auch stadtentwicklungspolitische Funktion in nahezu allen Bezirken erfüllen. Dazu sollte sich das Abgeordnetenhaus bekennen.

[Beifall bei der SPD – Zuruf von Alice Ströver (Grüne)]

Frau Ströver! Jetzt kommt der nächste Unterschied zu Ihnen: Wir sollten trotzdem davon ablassen, das eine Kino Babylon gegen alle anderen auszuspielen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wir haben einen anderen Ansatz, deswegen halten wir Ihren Antrag auch nicht für geeignet. Sie wollen, dass Mittel aus dem Haushalt bereitgestellt werden, um sie den Kinos zu geben. Wir halten einen anderen Weg für sehr viel zielführender: Wir wollen, wie es Bayern, NordrheinWestfalen und Hamburg auch gemacht haben, eine Kategorie in die Filmförderleitlinien, in die Vergaberichtlinie, die Kinoförderung heißt, aufnehmen und wollen es dem Medienboard überlassen zu entschieden, ob es erforderliche Fördermaßnahmen auch umsetzen kann. Wir wollen es dazu rechtlich in die Lage versetzen. Wir wollen, dass die Vergaberichtlinien insoweit konkretisiert werden.

Ich gebe Ihnen offen zu: Es ist ein Problem, das Medienboard selbst sieht es als schwierig an, Geld einfach als verlorene Zuschüsse auszureichen, und wir müssen diskutieren, was die beste Fördermaßnahme ist.

[Alice Ströver (Grüne): Na also!]