Protocol of the Session on January 24, 2008

Herr Gram! Darf ich Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit zu Ende ist?

Welch ein fatales Signal! Wir werden uns auch in Zukunft hinter diejenigen stellen, die ungeschminkt die Wahrheit aussprechen. Wir werden uns auch zukünftig mit aller Intensität der Frage annehmen, wie junge Menschen vor dem Abrutschen in Kriminalität bewahrt werden können. Wir werden keine ideologisch geprägten Denkverbote zulassen, weder im präventivem noch im repressiven Bereich. Wir werden aber auch die Anwälte der Opfer junger Straftäter sein.

Herr Gram! Ihre Redezeit ist beendet!

Mein letzter Satz! – Die Opfer können am wenigsten für gesellschaftliche Fehlentwicklungen oder elterliches Erziehungsversagen. Sie haben ein Recht auf Genugtuung und Schutz der Gemeinschaft vor Straftätern. Die Opfer hat meine Partei insbesondere im Auge. Sie haben unseren Schutz verdient. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Eine Heuchelei sondergleichen!]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gram! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Abgeordnete Dr. Felgentreu von der SPD-Fraktion. – Bitte!

Herr Kollege Gram! Sie haben mich zum Thema „geschlossene Heime“ angesprochen. Das Konzept „geschlossenes Heim in der Stadt“, ein Gebäude in der Stadt in unmittelbarer Nähe zu den Kiezen, aus denen die kriminalitätsgefährdeten Kinder kommen, umgeben von einem Zaun, wo sie voneinander allen möglichen Unfug lernen, aber den sozialen Kontakt zu ihrem ursprünglichen Umfeld nicht verlieren – dieses Konzept ist grundsätzlich und – wie mir scheint – auch endgültig gescheitert. Das hat der Versuch in Hamburg gezeigt, den Ihr Parteifreund, der Kollege Kusch, dort auf die Beine gestellt hat und an dem er als Justizsenator gescheitert ist, weshalb er abgelöst werden musste.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Über diesen Bereich sollten wir nicht mehr weiter diskutieren. Recht gebe ich Ihnen in dem Punkt, dass kriminali

tätsgefährdete Kinder aus ihrem sozialen und familiären Umfeld herausgelöst werden und in geeigneten Bildungseinrichtungen so erzogen werden müssen, dass sie eine Chance auf ein normales Leben haben. Aber das herkömmliche Konzept des geschlossenen Heimes, das die CDU immer noch wie eine Monstranz vor sich herträgt, ist dafür mit Sicherheit nicht das geeignete Instrument. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Felgentreu! – Der Abgeordnete Gram von der CDU-Fraktion möchte erwidern. – Bitte!

Lieber Dr. Felgentreu! Eigentlich bin ich ganz dankbar für Ihren Beitrag. Warum? – Weil ich zum ersten Mal aus Ihren Reihen höre, dass das nicht mehr generell abgelehnt wird.

[Steffen Zillich (Linksfraktion): Quatsch!]

Ich nehme das als Gesprächsangebot an.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Er hat es wieder nicht verstanden! Er hatte es schon im Rechtsausschuss nicht verstanden!]

Ich bin gern bereit, zu diesem Thema, das mich wirklich umtreibt, mit Ihnen jede Lösung zu finden, zu der wir tätig werden können. Wir sind nicht ideologisch vorgeprägt, aber wir müssen gemeinsam etwas lösen. Die Menschen draußen erwarten das von uns. Deshalb habe ich auch Sie angesprochen, Herr Dr. Felgentreu, weil die Vernunftsebene bei Ihnen vorhanden ist. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass wir uns auf ein Konzept einigen können. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Angeordneter Gram! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Abgeordnete Jotzo das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der rot-roten Regierungskoalition! Als Sie heute das Thema „Frühzeitiges Handeln statt starker Sprüche – mit Prävention und Konsequenz gegen Jugendkriminalität und Jugendgewalt“ beschlossen haben, habe ich eigentlich von Ihnen erwartet, Herr Kleineidam, dass Sie uns wenigstens Ihre zukunftsweisenden Konzepte im Bereich der Jugendkriminalität und Jugendgewalt präsentieren. Aber leider habe ich von Ihnen nichts weiter gehört als ein beherztes „Weiter so!“ und von Ihrem Se

nator eine salbungsvolle Rede, die immerhin die Feststellung beinhaltete, die ich bei Ihnen, Herr Kleineidam, und auch bei Ihnen, Frau Dr. Barth, vermisst habe: „Wir können und wir müssen noch viel mehr tun!“ – Das war das einzig Richtige daran: Sie können und Sie müssen noch wesentlich mehr tun!

[Beifall bei der FDP]

Wenn wir uns die Bestandsaufnahme anschauen – es kam schon zur Sprache: 500 Intensivtäterinnen und Intensivtäter mit mehr als zehn schweren Straftaten im Jahr, eine erhebliche Zunahme bei der Jugendgruppengewalt und insbesondere bei der Gewalttätigkeit und Gewaltbereitschaft bei jungen Straftäterinnen und Straftätern –, müssen wir uns vergegenwärtigen, dass all dies trotz Ihrer Politik der letzten sechs Jahre passiert ist – und das alles bei unverändertem Strafrahmen, bei unverändertem Jugendgerichtsgesetz, allerdings bei sinkenden Mitteln für unsere Polizei- und Präventionsarbeit.

[Beifall bei der FDP]

Schauen wir uns also an, was mit Ihrer Aktuellen Stunde anzufangen ist. Was sind die Elemente der Prävention und der Konsequenz, zu denen wir kommen müssen? – Ich kann Ihnen eines sagen: Aus Sicht der FDP-Fraktion bedeutet Prävention zunächst einmal frühzeitiges Einschreiten dann, wenn Fehlentwicklungen erkennbar werden. Das bedeutet auch, es bei 12- bis 14-Jährigen nicht als gottgegeben hinzunehmen, dass die Erziehungsberechtigten in vielen Fällen offenbar nicht zur Mitarbeit bewegt werden können, nein, da muss man dranbleiben, da muss man dafür sorgen, dass die Erziehungsberechtigten auch mit einem Kind in diesem Alter aufgerufen werden, an der Erziehung ihres Kindes mitzuarbeiten. Wenn Sie das als gegeben hinnehmen, ist das bedauerlich, aber es ist keine Politik, der sich eine liberale Fraktion anschließen kann.

[Beifall bei der FDP]

Kommen wir zur Konsequenz. Was haben Sie hinsichtlich der Diversionsverfahren unternommen? – Viele Redebeiträge haben darauf hingewiesen: Das Diversionsverfahren soll dazu führen, dass der Täter möglichst schnell mit dem Unrecht seiner Tat konfrontiert wird, dass es auch möglichst schnell zu einer Entscheidung kommt, an der der Täter möglicherweise im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs oder anderer vernünftiger Maßnahmen mitwirken kann. Wir lange dauert ein solches Diversionsverfahren im Lande Berlin? 20 Tage? 40 Tage? – Nein! Es dauert vier Monate, 120 Tage im Durchschnitt, bis ein Diversionsverfahren mit der entsprechenden Maßnahme abgeschlossen ist. Das ist zu lange. Wir haben Ihnen das Projekt „Gelbe Karte“ vorgelegt, das dazu führt, dass eine solche Maßnahme in der Regel innerhalb von 30 Tagen abgeschlossen ist. Das muss Ihre Zielsetzung sein, nicht, ein Verfahren so zu belassen, wie es ist, mit maßgeblich zu langen Verfahrenszeiten. Das ist keine Strafe, die auf dem Fuße folgt, dass ist eine Maßnahme, die ihren Zweck aufgrund des Zeitablaufs verfehlt.

[Beifall bei der FDP]

Ich komme zu den Jugendgerichtsverfahren. Wenn Sie sich anschauen, dass im Jahr 2006 5 500 Jugendgerichtsverfahren ohne jede Konsequenz aufgrund etwa von Geringfügigkeit oder von mangelndem öffentlichen Interesse eingestellt worden sind, muss man sich die Frage stellen, welchen Effekt eine solche Einstellung auf einen jungen Straftäter hat, der z. B. eine kleinere Sache aus einem Geschäft gestohlen hat und der dann mit dem Gericht konfrontiert wird, das ihm sagt: Aufgrund von Geringfügigkeit wurde das Verfahren zunächst eingestellt. – Und es wird nichts weiter unternommen. Der junge Straftäter geht nach Hause und lacht sich über unsere Justiz kaputt. Das ist ein Effekt, den wir auf keinen Fall zulassen dürfen.

[Beifall bei der FDP]

Das bedeutet, dass solche Einstellungen gerade bei jungen Straftäterinnen und Straftätern ohne jede Maßnahme, insbesondere auch ohne jedes erzieherische und normverdeutlichende Gespräch, nur noch in den geringsten Fällen in Betracht kommen sollten. Wir müssen diesen jungen Menschen das Unrecht ihrer Tat verdeutlichen. Es kann nicht sein, dass man hereinmarschiert und dann möglicherweise nach einem Jahr hört, das Ganze sei wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Aufgrund des präventiven Effekts, der damit verbunden sein muss, ist so etwas gerade bei Jugendlichen nicht hinnehmbar.

[Beifall bei der FDP]

Ein letzter Punkt, zum Thema „Die Strafe muss auf dem Fuße folgen“. Die Verfahrenslaufzeiten in einigen Bereichen müssen verwundern. Ich habe zufällig ein Schreiben von einem Bürger Robert S. bekommen, der berichtet, dass ihm Mitte 2005 von zwei jugendlichen Straftätern eine Glasflasche über den Kopf gezogen wurde. Jetzt, nach mittlerweile drei Jahren, hat das Amtsgericht Tiergarten ihm mitgeteilt, dass der Termin wiederum aufgehoben wurde. Seine Dienstaufsichtsbeschwerde wurde vom Amtsgericht Tiergarten als unbegründet hingestellt, mit dem Hinweis, dass es sich um eine sehr einfache Sache handele, aber leider habe das Gericht ohne jedes Verschulden einen früheren Termin nicht anberaumen können. Das ist ein Witz!

[Beifall bei der FDP]

Wenn unsere Justiz nicht in der Lage ist, innerhalb von vernünftigen Laufzeiten Verfahren zu beenden und den Täterinnen und Tätern Grenzen aufzuzeigen, werden wir auch weiterhin so wenig Erfolge in der Bekämpfung der Jugendkriminalität und Jugendgewalt aufweisen können, wie dieser rot-rote Senat es tut.

Und wenn Sie sich mit Ihrem beherzten „Weiter so!“ aufstellen, können die Täterinnen und Täter darüber nur lachen, allerdings werden Sie in der Bekämpfung der Jugendkriminalität keine Erfolge erzielen. Das ist das Bedauerliche an Ihrem „Weiter so!“, liebe rot-rote Regierungskoalition. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jotzo! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 a:

Mehr Chancen durch Teilhabe (IV): Jugendarbeitslosigkeit konsequent bekämpfen!

Antrag der FDP Drs 16/1107

Das ist die Priorität der Fraktion der FDP unter dem Tagesordnungspunkt 36. – Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der FDP. Herr Lehmann hat das Wort. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter Lehmann!

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Wenn SPD und PDS hier über Jugendkriminalität debattieren, dann müssen wir auch über Jugendarbeitslosigkeit reden und Ihre Versäumnisse in Bildung, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik benennen.

[Beifall bei der FDP]

Allein die vielen Schulabgänger ohne Abschluss und die zweithöchste Altbewerberquote Deutschlands zeigen, dass Sie mit Ihrer Verhinderungspolitik nicht wirksam gegen Bildungs- und Arbeitsmarktmisere vorgehen wollen, und das trotz besseren Wissens. Mit Erlaubnis der Präsidentin möchte ich hierzu etwas zitieren:

Eine gute berufliche Qualifikation ist der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit und damit auch vor Einkommenseinbußen und der Gefahr zu verarmen. Zukunftssichere Arbeitsplätze sind in der Regel höherqualifizierte Arbeitsplätze.

Weise Worte, die aus dem Armutsbericht 2002 der zuständigen PDS-geführten Senatsverwaltung stammen. Diese Erkenntnis allein ändert jedoch nichts, wenn Senat und Koalition nicht endlich einsehen, dass Jugendarbeitslosigkeit in allen Bereichen bekämpft werden muss.

[Beifall bei der FDP]

Hierzu reicht es eben nicht, sich wie die Koalition zurückzulehnen und auf Bundesprogramme zu hoffen während man sich mit dem ÖBS die Zeit vertreibt, um Wählerklientel an sich zu binden. Gerade junge Menschen brauchen persönliche und schnelle Beratung und Unterstützung. Besonders für Jugendliche, die die Arbeitslosigkeit vielleicht schon in dritter Generation erben, ist es wichtig, das Konzept des Förderns und Forderns zu erleben.