Protocol of the Session on January 24, 2008

[Beifall bei der SPD – Dr. Friedbert Pflüger (CDU): Steglitz-Zehlendorf hat nur 14!]

An unseren Schulen werden Erziehungsdefizite der Elternhäuser leider immer deutlicher. Wir unterstützen des

halb die Lehrkräfte intensiv durch Fortbildungsangebote in der Gewaltprävention, damit sie im Schulalltag den schwierigen Problemen gewachsen sind. Ich will die ganzen Programme in dem Grundschulbereich wie „Buddy“, „Faustlos“ und das Projekt „Defizit“ nicht im Einzelnen ausführen.

Schulen können aber keine Reparaturbetriebe für bereits versäumte Bildungs- und Entwicklungschancen sein. Wir müssen schon vor der Schule ansetzen. Es gibt in der Fachwelt keinen Zweifel an der Komplexität der Ursachen für Kinder- und Jugendgewalt. Es gibt eben keinen einzelnen Faktor, der zwangsläufig zur Gewalttätigkeit führt. Ein familiäres und soziales Umfeld, das von Armut, Bildungsferne, Chancen- und Perspektivlosigkeit oder fehlender Integration geprägt ist, findet sich in vielen Biografien der Gewalttäter. Damit ist Prävention gegen Armut, gegen Bildungsferne, gegen Chancen- und Perspektivlosigkeit oder mangelnde Integration immer auch der zentrale Ansatzpunkt von Gewaltprävention –jeder Kindergartenplatz, jeder zusätzliche Erzieher, jede Ganztagsschule, jeder Schülerclub, jeder zusätzliche Sozialarbeiter. Natürlich kann man immer noch mehr fordern, und mehr wird etwas besser sein. Man muss aber sehen, was bereits geleistet ist und was hier in Relation zu anderen bei gleichen Voraussetzungen geleistet wird.

[Benedikt Lux (Grüne): Sie wollen sonst doch immer nur die Superuni!]

Das Gleiche gilt für die Jugendarbeit, Jugendfreizeitstätten und Ähnliches mehr. Auch die gesamte Palette der Hilfen zur Erziehung, von der ambulanten Maßnahme bis zur stationären Unterbringung, ist immer auch eine Maßnahme gegen Jugendgewalt, ein Maßnahmepaket mit einem differenzierten Hilfesystem als Hilfe für Kinder und Eltern, das je nach Indikation die angemessene Hilfe zur Verfügung stellen muss, das aber von seiner Konstruktion her auf die Kooperationsbereitschaft der Eltern weitgehend angewiesen ist.

Das Jugendgerichtsgesetz bietet eine Fülle von Maßnahmen, die teils als Auflagen, teils als Weisungen vom Gericht oder im Rahmen der Diversion von der Staatsanwaltschaft verfügt werden. Ich erspare mir die Einzelbeschreibung, aber nicht die Aufzählung der direkt mit Gewalttaten in Verbindung stehenden ambulanten Maßnahmen: Antigewaltkurse, soziale Trainingskurse, TäterOpfer-Ausgleich, sozial-kognitives Einzeltraining. Das sind Maßnahmen, die je nach Deliktschwere und -häufigkeit verhängt und vom Gericht bzw. der Jugendhilfe überwacht werden. Anders als bei den Maßnahmen zur Erziehung handelt es sich hier um Zwangsmaßnahmen, die zum Beispiel bei Nichtbefolgung mit Arrest geahndet werden. Wenn dies alles nichts hilft, droht die Bewährungsstrafe und dann die Haft. Das heißt, wir haben die gesamte Palette, und wir wenden sie an.

Von der Prävention im Kindergarten bis zur Jugendstrafanstalt gibt es ein umfangreiches und differenziertes System, um Gewalt von Kindern und Jugendlichen zu vermeiden. Dennoch müssen wir uns fragen, wie wir dieses

System weiter verbessern können, ohne nach immer mehr an Ressourcen zu rufen. Ich will hier nicht die bundesweite Wahlkampfdiskussion wiederholen. Denn beim Thema Jugendkriminalität müssen alle zusammenwirken, und es wird keine Einzelmaßnahme sein, die das Problem löst.

Ich halte die Maßnahmen der Berliner Polizei und Justiz mit Schwerpunkt Staatsanwaltschaften und das Intensiv- und Schwellentäterkonzept für beispielhaft. 126 Schulen haben inzwischen Kooperation mit der Polizei. Das Antigewaltprojekt der Berliner Polizei schult deeskalierendes Verhalten auch in Schulen. Die Kooperation zwischen Justiz, Polizei und Jugendämtern ist so gut wie nie, und doch gibt es hier bezogen auf den Einzelfall sicher noch Einiges zu tun. Die fallbezogene Arbeit von Polizei und Justiz bei Schwellentätern bedarf einer Ergänzung auf pädagogischer Seite.

Nur ein abgestimmtes Verhalten wird zum Erfolg führen.

Sie haben von mir noch kein einziges Mal die Begriffe „Ausländer“ oder „nichtdeutscher Herkunftssprache“ gehört. Das ist kein Zufall, sondern Ausdruck dessen, dass die eigentlichen Ursachen der Jugendgewalt aus meiner Sicht nicht die Staatsangehörigkeit, die Ethnie und die Religion sind, sondern primär die sozialen Umstände, in denen die Menschen leben.

[Beifall bei der SPD]

Für mich ist die Tatsache, dass jugendliche Migranten in der Kriminalstatistik – was wir sehr bewusst zur Kenntnis nehmen müssen – überproportional auftauchen, ein Grund zu fragen, wie die besonderen Lebensbedingungen dieser Gruppe sind, dass sie zu einem solchen Resultat führen. Dann stelle ich fest, dass ich dort ein ganzes Bündel von spezifischen Risikofaktoren finde. Aber ich stelle auch fest, dass diese Jugendlichen besonders schlecht erreichbar sind und ihre Eltern noch schlechter. Auch hier müssen wir neue fordernde und fördernde Wege gemeinsam mit der Landeskommission gegen Gewalt finden – alles im Einklang der drei Herangehensweisen.

Einen entscheidenden Schlüssel zur Gewaltprävention kennen wir. Wir stehen als Gesellschaft gemeinsam in der Verantwortung, dass Kinder mit Migrationshintergrund von Anfang an die gleichen Chancen auf gewaltfreie Erziehung, Förderung, Bildung und Perspektiven haben, denn alle Kinder in dieser Stadt sind unsere Kinder. – Ich bedanke mich!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Senator Prof. Dr. Zöllner! – Für die Linksfraktion erhält jetzt Frau Dr. Barth das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gehe noch einmal auf zwei Dinge ein. Zunächst komme ich zum Beitrag der CDU, wobei ich vorweg sagen möchte, dass ich Probleme mit manchen Ihrer Pressemitteilungen habe. Die Meinung der CDU scheint bezüglich dieser Problematik weit auseinanderzugehen. Ich spreche Frau Demirbüken-Wegner meine Hochachtung zu ihrer Position aus.

Herrn Pflüger möchte ich zur Prävention sagen, dass sich die Koalition dieses Thema auf die Fahnen geschrieben hat. Es ist ein wichtiges Thema. Herr Pflüger! Sie haben sich zu den Hilfen zur Erziehung geäußert: Vielleicht müssen wir dazu eine fachliche Debatte führen. Die Hilfen zur Erziehung sind keine Primärprävention, sondern eine Krisenintervention. Wir haben mit den Hilfen zur Erziehung viele Kriseninterventionsfälle abarbeiten müssen. Das wissen Sie ebenso gut wie ich. Deswegen muss man sich fachlich mehr damit beschäftigen. Vielleicht kann man das den Fachleuten überlassen. Das fände ich gut.

[Beifall von Sandra Scheeres (SPD)]

Noch etwas zu unseren Gegenstrategien: Ich erwähne hierzu zwei Projekte. Wir haben in Berlin ein hervorragendes Integrationskonzept. In dieses Integrationskonzept sind die Hinweise der Landeskommission gegen Gewalt eingeflossen. Ich danke der Kommission an dieser Stelle. Wir tun gerade so, als habe dieses Gremium mit der Umsetzung des Konzepts nichts zu tun. Wir haben in der Stadt eine Menge Aktivitäten, die tagtäglich dafür sorgen, dass alle Dinge so laufen, wie es notwendig ist. Darüber bin ich sehr froh. Nach dem Integrationskonzept läuft jetzt ein Bewerbungsverfahren für das neue Aktionsprogramm „Vielfalt fördern – Zusammenhalt stärken“. Ein Schwerpunkt ist dabei die Arbeit mit männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Tun wir nicht immer so, als würde in dieser Stadt nichts passieren! Wir machen sehr viel. Das gehört in unsere Gesamtstrategie.

Zum Thema geschlossene Heime: Ich bedanke mich beim Evangelischen Fürsorge- und Jugendaufbauwerk. Dort wurde ein Projekt ausgearbeitet, und zwar nicht für ein geschlossenes Heim in Berlin, sondern für die Arbeit mit einzelnen Jugendlichen, die uns Probleme bereiten. Dort kann man sich genau erkundigen, wie das Projekt funktioniert. Es funktioniert nämlich nicht mit Mauern, sondern hier arbeiten Sozialarbeiter nach einem Konzept – nach geltender Rechtslage § 1631 BGB. Dort werden keine Ängste geschürt. Man arbeitet mit den Jugendlichen, so dass sie, wenn sie wieder in ihrer gewohnten Umgebung sind, im Verhalten eine Veränderung zeigen.

Frau Herrmann! Es gibt genügend Gegenstrategien in unserer Stadt. Wir lassen uns von diesen Strategien nicht abbringen. Rot-Rot hat an dieser Stelle viel auf den Weg gebracht. Es ist so, wie vom Senator dargestellt. Natürlich können wir immer noch mehr Geld investieren, aber ich glaube, wir sind uns darin einig, dass das Geld nur einmal

verteilt werden kann. Deswegen müssen wir genau auswählen, was unseren Jugendlichen am meisten nutzt.

[Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Herr Lindner! Vielleicht setzen auch Sie sich noch ein bisschen mehr mit jugendpolitischen Positionen auseinander. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Barth! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Gram das Wort. – Bitte!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Jetzt kommen die leisen Töne!]

Sehr richtig, Herr Doering! Wenigstens Sie hören zu. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, ich bin im falschen Film, und der heißt Déjà-vu. Seit Jahren fordert meine Fraktion ein ausgewogenes Zusammenspiel sowohl von vorbeugenden als auch von strafverfolgenden Maßnahmen. Bereits 1996 – ich habe das nachgelesen; ich zitiere mich ungern selbst, muss es in diesem Fall aber tun – habe ich an dieser Stelle einen Erziehungsverbund von Eltern, Schulen, Kindergärten und Sportvereinen gefordert und in meiner Rede deutlich gemacht, dass, wenn es uns nicht gelingt, jungen Leuten bei Fehlverhalten frühzeitig ein Stoppzeichen zu setzen, uns die Entwicklung überholen wird. Leider habe ich in diesem Fall recht behalten.

[Beifall bei der CDU]

Immer wieder haben wir von der CDU-Fraktion in den Ausschüssen das Haus mit diesem Thema beschäftigt – nicht zuletzt mit dem Antrag „Positive Vorbilder in den Schulen“. Das Ergebnis ist immer das selbe: ablehnen, verharmlosen, verniedlichen. Weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte, verhinderten SPD, Linke und Grüne mit ihrer Mehrheit die frühzeitige politische Lösung einer Problemlage, die den Menschen mittlerweile auf den Nägeln brennt.

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Entschuldigung, Herr Gram! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich habe so wenig Zeit. Ich möchte das nicht. – Die Zahlen zur Jugendkriminalität sprechen Bände. Es ist eine Mär zu behaupten, die Jugendkriminalität sinke. Sie steigt seit 2006 wieder an. Von herausragender Relevanz ist die Gruppe der Intensivtäter. Im Dezember 2007 waren es 495 Personen. Von diesen sind 80 Prozent Täter mit Migrationshintergrund. Das ist keine Statistik von uns,

sondern eine der Staatsanwaltschaft. Was aber passiert? – Wieder wird abgewiegelt und negiert. Die Debatte hier im Haus können wir uns im Grunde in Zukunft sparen. Wir können alles aufschreiben. Von Ihrer Seite höre ich immer die selben Dinge.

[Zuruf von Dr. Margrit Barth (Linksfraktion)]

Denen, die eine entschlossene Jugendkriminalitätsbekämpfung fordern, wird Wahlkampfgetöse und Panikmache vorgeworfen. Diese Kampagne gipfelte unlängst im Rechtsausschuss darin, dass die Linke einem demokratisch gewählten Ministerpräsidenten völkisches und rassistisches Denken unterstellte. Das ist unerträglich.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir werden es nicht hinnehmen, dass Demokraten derart verunglimpft werden, und schon gar nicht seitens einer Partei, die 40 Jahre lang 17 Millionen Menschen einsperrte und unterdrückte.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wie verlogen diese Vorwürfe sind, erkenne ich daran, dass niemand seinerzeit Altkanzler Schröder rechtes Gedankengut unterstellte, als er 1997 Folgendes gegenüber der „Bild“ äußerte:

Wir dürfen nicht mehr so zaghaft sein bei ertappten ausländischen Straftätern. Wer unser Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eins: raus, und zwar schnell.

Das ist nicht meine Sprache, sondern die von Herrn Schröder. Dazu habe ich von Ihnen nichts gehört.

[Beifall bei der CDU]

Wenn nicht wir Demokraten uns der Bekämpfung der von wem auch immer begangenen Jugendkriminalität annehmen, dann werden es eines Tages diejenigen tun, die durch und durch ausländerfeindlich und rassistisch sind und die ich mein ganzes politisches Leben lang bekämpft habe. Und das wäre ein politischer Supergau.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Noch einmal zu den 12- bis 14-Jährigen: Der Kollege Henkel hat alles dazu gesagt. Ich war seinerzeit in einer Runde der Koalition, wo ich versucht habe, mich mit der SPD zumindest über die Einrichtung von geschlossenen Heimen zu einigen. Wir hatten genau die Probleme, die wir vorausgesehen haben. Es wurde abgelehnt, der Kollege Benneter hat es damals federführend für Sie getan. Es war ein unwürdiges Schauspiel. Und heute haben wir den Salat. Ich lade Sie aber ein – lieber Herr Dr. Felgentreu, insbesondere Sie –, mit uns über die Einrichtung von geschlossenen Heimen zu sprechen. Dann haben wir ein Problem in der Jugendkriminalität weniger.

[Beifall bei der CDU]

Was aber macht Rot-Rot? – Es wurde heute schon zitiert: Berlins mutigster Staatsanwalt wird aus politischen Gründen aus der Intensivtäterabteilung abgezogen.

Herr Gram! Darf ich Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit zu Ende ist?