Gesetz zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über das Gemeinsame Krebsregister der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Thüringen
9. November – Mahnung zur Verteidigung der freiheitlichen Demokratie und zur Wahrung der Menschenrechte!
Wie kein anderer Tag steht der 9. November für Brüche und Wendepunkte der deutschen Geschichte, die untrennbar mit der Geschichte Berlins verbunden sind und die ihre Spuren in unserer Stadt hinterlassen haben. Wenn das Abgeordnetenhaus von Berlin an diesem Tag zusammentritt, ist es sich der Ambivalenz dieses Datums und der Bedeutung der historischen Ereignisse für die Gegenwart bewusst.
Denn die Auseinandersetzung mit den Schrecken der Nazi-Barberei, Weltkrieg und Völkermord sowie die Auseinandersetzung mit den Folgen der SED-Diktatur sind die Voraussetzung dafür, dass die Demokratie erhalten bleibt.
Die Erinnerung an die Ausrufung der Republik am 9. November 1918 und an den Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 ist nicht zu trennen von dem mahnenden Gedenken an die Opfer der Pogromnacht vom 9. November 1938.
1938 wurden an diesem Tag überall in Deutschland Synagogen in Brand gesetzt, wurden Geschäfte und Wohnungen zerstört und geplündert, wurden jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger erschlagen, verletzt, verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Diese staatlich sanktionierte Brandstiftung, die Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung, wurden zentral von Berlin aus organisiert.
Die brennenden Synagogen waren sichtbarer Ausdruck einer Entwicklung, die mit Hetze und Entrechtung begann und die in dem beispiellosen Massenmord mündete, mit dem der Nationalsozialismus Europa überzog.
Die Teilung Deutschlands mit einer Grenze mitten durch Berlin war auch eine Folge des Nationalsozialismus und des von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieges. Auf die Nazi-Barbarei in ganz Deutschland folgte für den Osten Deutschlands eine 40 Jahre währende menschenverachtende Diktatur der SED mit Bespitzelung, Unterdrückung und Verfolgung politisch Andersdenkender, mit Unrechtsurteilen und mit der tödlichen Mauer.
Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 beendete diese Menschenrechtsverletzung. Die Freude darüber wird die Erinnerung an die Opfer der Judenverfolgung im Nazideutschland, wofür der 9. November 1938 steht, nicht überdecken. Dies wird – direkt vor der Haustür des Abgeordnetenhauses – unmittelbar sichtbar. Wer durch die Löcher der Mauerreste sieht, erblickt die freigelegten Spuren der ehemaligen Gestapo-Zentrale, die heutige To
pographie des Terrors. Wie nirgendwo anders finden sich in Berlin Spuren, die Anstoß geben zu Erinnerung, Reflektion und Mahnung. Der Erhalt und die Dokumentation der authentischen Orte sind wie Gedenktage unverzichtbar, um die Erinnerung wach zu halten und die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte zu befördern.
Der Kontrast zwischen den demokratischen Aufbrüchen von 1918 und 1989 auf der einen Seite und dem Griff der Nazis nach der Macht mit dem Hitlerputsch im Jahre 1923 sowie die Barbarei von 1938 auf der anderen Seite zeigt, dass Freiheit, Demokratie und Recht keine Selbstverständlichkeiten sind. Sie mussten errungen werden und können auch wieder verloren gehen. Der 9. November wird oftmals als „Schicksalstag der Deutschen“ bezeichnet. Doch die Pogromnacht war kein unabwendbares Schicksal. Die brennenden Synagogen waren unübersehbar. Viel zu viele Menschen schauten weg und nahmen hin, was mit ihren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern geschah. Mit umso größerer Achtung ist an die wenigen zu erinnern, die den Mut fanden, sich der menschenverachtenden Gewalt entgegenzustellen, wie in Berlin der Polizist Wilhelm Krützfeld, der beherzt einschritt, als Nazis die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße anzünden wollten.
Dass wir heute in einer Demokratie leben und nicht vergleichbaren Prüfungen ausgesetzt sind, ist ein Privileg, auf dem wir uns nicht ausruhen dürfen, wenn es uns erhalten bleiben soll. Daher gilt es, antidemokratischen und menschenfeindlichen Strömungen frühzeitig entgegenzuwirken.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus waren dem Osten Deutschlands Freiheit und Demokratie nicht als Geschenk vergönnt – sie mussten erst erstritten werden. Die mutigen oppositionellen Gruppen und die Demonstrierenden von 1989 haben wesentlich zu der Entwicklung beigetragen, die am 9. November zur Öffnung der Berliner Mauer und später zur deutschen Einheit führte. Der 9. November 1989 symbolisiert die neue Einheit und die neue Freiheit der Deutschen und der Europäer. Er symbolisiert aber auch das Ende des „Eisernen Vorhanges“ und markiert das Ende des Kalten Krieges. Insofern ist er ein weltgeschichtliches Schlüsseldatum.
Die Erinnerung an den Fall der Mauer, die in Berlin so viele Menschenleben und noch viel mehr Menschen die Freiheit gekostet hat, verbindet das Abgeordnetenhaus mit der Verpflichtung, seinen Beitrag dazu zu leisten, Freiheit und demokratische Errungenschaften lebendig zu erhalten und sich für die Achtung von Menschwürde einzusetzen.