Protocol of the Session on May 10, 2007

[Beifall bei der FDP]

Nun aber zu dem Bereich, über den am liebsten gestritten wird: Restaurants und Gaststätten. Da wird die Rechnung buchstäblich ohne den Wirt gemacht. Gaststätten sind keine öffentlichen Räume, auch wenn sie öffentlich zugänglich sind. Diese Räume sind Privateigentum der Wirte. „Vater Staat“ darf hier nicht in die Privatautonomie eingreifen. Das muss auch Menschen, die sich liberalen Gedanken gern verwehren, einleuchten. Jeder kann selbst entscheiden, ob er ein Restaurant aufsuchen möchte oder nicht. Auch die Gefahren des aktiven wie des passiven Rauchens sind bekannt. Aus liberaler Sicht darf man den Bürger nicht an seiner freien Entscheidung hindern, sich in einer Gaststätte aufzuhalten, in der auch geraucht wird.

Um den ausreichenden Nichtraucherschutz zu gewährleisten, sieht das Gesetz eine Kennzeichnungspflicht der Lokalitäten am Eingang vor: Raucher bzw. Nichtraucher, und wenn es durch abgetrennte Räume möglich ist: Nichtraucher und Raucher. Durch das Kriterium der Abgeschlossenheit werden Nichtraucher beispielsweise auch in Einkaufszentren vor Passivrauchen geschützt. Wir halten den liberalen Weg des grundsätzlichen Rauchverbotes in öffentlichen Gebäuden und die Kennzeichnungspflicht für Gaststätten für den einzig sinnvollen Weg, um Nichtraucherschutz wirksam und vor allem alltagstauglich zu gestalten.

[Beifall bei der FDP]

Darüber hinaus können nur so die Belange der Gastwirte ausreichend gewürdigt werden.

Ich empfehle Ihnen, diesem Antrag zuzustimmen, und baue auf Ihren Sachverstand und Realitätssinn. Gestehen Sie den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt die Möglichkeit der freiwilligen Selbstkontrolle bei der Gestaltung ihrer Freizeit zu, und erliegen Sie nicht dem Charme bornierter Erwachsenenpädagogik! – Danke!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat Frau Winde.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es in den letzten Wochen und Monaten in der Diskussion um die Einführung eines umfassenden Nichtraucherschutzes ging, war immer wieder die Rede davon, dass die Nichtraucher gegenüber den Rauchern Toleranz üben sollten. Wie wir eben von Herrn Gersch gehört haben, sind wir Nichtraucher borniert. Ich bekenne mich gern dazu, dass ich dann borniert bin, denn dies ist keine Frage von Toleranz, sondern von aktivem Gesundheits

schutz. Es ist keine Schikane gegenüber den Rauchern, um ihnen des Spaß zu nehmen!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Beifall von Mario Czaja (CDU)]

Wenn man sich die Zahlen anschaut, wie viele Menschen in Deutschland jährlich durch Passivrauchen sterben – rund 3 300 Menschen –, ganz zu schweigen von den Erkrankungen, dann ist es ein Gebot der Vernunft, dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht länger einer solchen Gefahr ausgesetzt werden.

[Beifall bei den Grünen]

Um hier noch eine andere erschreckende Zahl zu nennen: 140 000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an den Folgen des Rauchens.

[Dr. Martin Lindner (FDP): An irgendetwas erkrankt man immer!]

Da sind die 3 300 noch eine verschwindend geringe Zahl. Wenn es nach mir ginge, Herr Gersch, würde ich auch etwas gegen das Rauchen an sich unternehmen: Ich würde es verbieten. Ich halte es nicht nur für ein Genussmittel, ich halte es für extrem störend, und ich halte es für extrem gesundheitsgefährdend. Diese Maßnahme würde sicher noch mehr Entrüstung auslösen als das geplante Verbot des Rauchens in Gaststätten.

Geraucht wird derzeit in Deutschland und damit auch in Berlin fast überall: in öffentlichen Gebäuden, in Krankenhäusern, in Schulen, in Universitäten, in Gaststätten, Restaurants, Kneipen, Diskotheken und Sportstätten. Nach unseren Planungen heißt es, dort überall das Rauchen zu verbieten. Wir werden bis zur Sommerpause eine entsprechende Gesetzesvorlage einbringen.

Während das Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden relativ unumstritten zu sein scheint, konnten wir in den vergangenen Monaten eine ausgeprägte Diskussion zum Thema Rauchverbot in Gaststätten, insbesondere in Kneipen, beobachten. Es zeichnet sich ab, dass der Schutz vor Passivrauchen in ganz Deutschland im Großen und Ganzen doch einheitlich geregelt wird. Wir wollen in Berlin eine klare und konsequente Regelung. Wir wollen das Rauchen in allen Gaststätten untersagen. Derzeit sind noch abgeschlossene Raucherräume in der Diskussion, aber das ist nicht sicher.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Volker Ratzmann (Grüne) und Heidi Kosche (Grüne) – Kai Gersch (FDP): Das kriegen Sie auch noch hin!]

Der Antrag der FDP verfährt wieder einmal ganz nach dem Motto: Das regelt der Markt!,

[Dr. Martin Lindner (FDP): Der Bürger!]

und will es den Gastwirten selbst überlassen, ob sie Raucher- oder Nichtraucherlokale einrichten. Das ist der falscheste Ansatz, den man hierbei haben kann. Bei 17 Millionen Raucherinnen und Rauchern in Deutschland

kann nur dabei herauskommen, dass sich die Raucher dabei durchsetzen und die Nichtraucher aus den Gaststätten vertrieben werden, gar nicht mehr dort hingehen oder aber gesundheitlichen Schaden nehmen.

Die Einrichtung von Raucherräumen benachteiligt vor allem die kleinen Gaststätten, da sie in der Regel keine Extraräume haben, um Raucherräume überhaupt einzurichten. Es müsste eigentlich gerade im Interesse der CDU und der FDP sein, diese Regelung nicht umzusetzen. Deswegen verstehe ich Ihre Argumentation nicht. Ich möchte noch einmal erwähnen, dass es nicht nur um die Gäste in den Gaststätten geht, die geschützt werden müssen, sondern auch um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als einzige Arbeitnehmergruppe in der Bundesrepublik das Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz nicht haben.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Heidi Kosche (Grüne)]

Hierzu zeichnet sich glücklicherweise eine Gesetzesänderung auf Bundesebene ab.

Es steht uns gut an, wenn wir nun in Berlin eine Vorreiterrolle begonnen haben.

[Mario Czaja (CDU): Wenn es denn so wäre!]

Es zeichnet sich ab, dass uns die Umfrageergebnisse hier recht geben. Im Februar 2005 hatten wir eine Zustimmungsrate von 53 Prozent für eine rauchfreie Gaststätte. Im Jahr später waren es 59 Prozent. Jetzt sind wir bei 57 Prozent. Ich freue mich, dass es damit bald wieder für Nichtraucher attraktiver wird, in Gaststätten zu gehen, eine Kneipe oder ein Café zu besuchen.

Frau Kollegin! Kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich komme zum letzten Satz: Meine Damen und Herren von der FDP! Sie werden sehen, auch das regelt der Markt! Die Umsätze werden wieder steigen und bald wieder auf gleicher Höhe sein wie vor dem Verbot. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Heidi Kosche (Grüne) – Kai Gersch (FDP): Dann wird mehr gesoffen!]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Czaja.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Winde! Ich bitte, in dieser Frage keine Gemeinsamkeiten zwischen CDU und FDP zu suchen. Als Zweites will ich darauf hinweisen, dass wir heute zu diesem Thema wieder ausschließlich Anträge der Opposition behandeln. Gott sei Dank arbeitet die Opposition, wenn die Regierung dies schon nicht tut!

Sie reden immer vom großen Nichtraucherschutz, es wird nur kein Gesetz erlassen in Berlin. Sie kündigen es nur immer an, tun es aber nicht, obwohl sie alle Mittel hierfür hätten.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Dass es weiterhin notwendig bleibt, haben Sie geschildert. Ich will an den Fakten gar nicht herumkritteln: 33 Prozent der Erwachsenen in Deutschland rauchen. Das Einstiegsalter liegt bei 13 Jahren, und 140 000 Menschen sterben – nicht nur erkranken – jährlich an dem Tabakkonsum, erkranken tun sehr viel mehr. Nach dem Krebsforschungsinstitut kommen noch die 3 300 Menschen, die als Nichtraucher durch Passivrauchen sterben, hinzu. Auch hier erkranken sehr viel mehr.

Der Schutz von Nichtrauchern vor gesundheitlichen Risiken des Passivrauchens ist Teil unserer modernen Gesundheitspolitik und deswegen auch Auffassung der Union. Deswegen haben wir die Einigung der Ministerpräsidenten im Februar begrüßt. Das war das letzte Mal, dass wir über den Nichtraucherschutz gesprochen haben. Wir begrüßen jeden Schritt, der zu einem Mehr an Schutz bei den Nichtrauchern und zu einem Weniger an Tabakkonsum bei den Rauchern führt, wobei dem Nichtraucherschutz eine besondere Bedeutung zukommt, denn, Herr Lindner – er ist nun nicht mehr da –,

[Zuruf: Der raucht gerade!]

Ihre Zahlen sind nicht ganz richtig. Der Raucher kann sich vor dem Nichtraucher schützen, der Nichtraucher aber nicht vor dem Raucher.

Deswegen soll auf die gesundheitlichen Gefahren hingewiesen werden, und deswegen ist es richtig, alle schädlichen Folgen in die Gesellschaft zu tragen und ein Gesetz herbeizuführen.

Auch volkswirtschaftlich, Herr Kollege Lindner, hat der Tabakkonsum einige schwerwiegende Folgen: Wir haben 6 Milliarden € Schäden durch vorzeitiges Ableben, 12 Milliarden € durch Arbeitsunfähigkeit und 23 Milliarden € durch Invalidität.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Wer sagt denn das?]

Das sind die Zahlen der Krankenkassen über die Folgen des Rauchens.

[Dr. Martin Lindner (FDP): An irgendwas sterben die Leute doch immer!]

Dem Versuch, den Tabakkonsum durch freiwillige Maßnahmen einzudämmen, war nicht der erhoffte Erfolg be

schieden. Auch eine erhöhte Einsicht in die gesundheitlichen Risiken hat nichts gebracht. Eine Studie der Drogenbeauftragten der Bundesregierung und der Verbraucherzentrale kommt zu dem Ergebnis, dass die Zielvorgabe des Gaststättenverbandes auch in diesem Jahr nicht erreicht wird. Das Ziel war, bis zum 1. März in 60 Prozent der Speisegaststätten mindestens 40 Prozent der Plätze für Nichtraucher auszuweisen. Nach einer repräsentativen Untersuchung zeichnet sich ein ernüchterndes Bild ab: 10,9 Prozent der Gaststätten bieten ausreichend Nichtraucherplätze an und haben diese auch deutlich gekennzeichnet. Das ist aus unserer Sicht zu wenig.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Weil die Bürger das nicht nachfragen!]

Von einem Erfolg der freiwilligen Selbstkontrolle kann keine Rede sein. 53 Prozent der Raucher halten rauchfreie gastronomische Einrichtungen für richtig. Herr Lindner, Sie sind auf dem falschen Dampfer mit Ihrer Initiative.

[Joachim Esser (Grüne): Praktisch wird jeden Tag anders mit den Füßen abgestimmt!]

Herr Esser! Brüllen Sie nicht dazwischen! Machen Sie eine ordentliche Zwischenfrage! – Ich komme zur Initiative zurück: Frau Winde, warum haben die Gesundheitssenatorin und Ihr Senat nicht die Chance genutzt, eine Bundesratsinitiative für eine einheitliche Lösung in Deutschland einzubringen? Es wäre so einfach, über das Arbeitsschutzgesetz im Deutschen Bundestag den Nichtraucherschutz zu regeln und das Rauchverbot am Arbeitsplatz – und damit auch in der Gastronomie – umzusetzen.