Protocol of the Session on May 10, 2007

lfd. Nr. 22:

Zusammenstellung

Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB

Drs 16/0499

Die Fraktion der FDP bittet um Überweisung der lfd. Nr. 2 der Zusammenstellung – das ist die Verordnung über die gymnasiale Oberstufe – an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Weitere Überweisungswünsche liegen mir nicht vor. Damit hat das Haus von den übrigen Verordnungen Kenntnis genommen.

Die lfd. Nr. 23 steht mit den Überweisungen der sechs Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über „Klimaschutz“ auf der Konsensliste.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 24:

a) Antrag

Familienpolitik in einem öffentlichen Dialog führen

Antrag der CDU Drs 16/0405

b) Antrag

Wettbewerb „Familienfreundlicher Betrieb!

Antrag der CDU Drs 16/0406

c) Antrag

Wettbewerb „Familienfreundlichster Bezirk“

Antrag der CDU Drs 16/0407

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Die Redebeiträge werden zu Protokoll gegeben.

Emine Demirbüken-Wegner (CDU) [zu Protokoll gegeben):

Zum Antrag „Familienpolitik in einem öffentlichen Dialog führen“:

Gemeinhin gängig ist der Spruch „Und wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann gründe ich 'nen Arbeitskreis.“ Das Abgeordnetenhaus von Berlin und die interessierte Öffentlichkeit werden turnusmäßig mit dem sogenannten Familienbericht konfrontiert. Im Anschluss dazu schwärmen wir Jugend- und Familiepolitiker aus, und diskutieren an vielen Stellen diesen Bericht.

Was uns im Land allerdings fehlt, ist ein vernünftiges Zusammentragen der Ergebnisse dieses anschließenden und i. d R. auch weiterführenden Meinungsaustausches. Wir von der CDU-Berlin glauben, dass ein Familienforum ein ernsthafter Versuch sein kann, hier eine Bündelung zu erzielen.

Wir glauben zudem, dass die derzeitige Einbindung von Migrantenorganisationen in diesen Prozess suboptimal ist. Wir erreichen nur partiell und damit leider auch ausgesiebt diese Gruppe unserer Bevölkerung. Wir wissen, dass mittlerweile 40 Prozent unserer Kinder Migrantenhintergrund besitzen, aber wir haben die Eltern, Betreuer, Ehrenamtsorganisationen und weitere Träger nicht im Boot. Das glauben wir mit unserem Antrag zu ändern, daher bitten wir um Ihre Zustimmung!

Zum Antrag „Wettbewerb ‚Familienfreundlichster Bezirk’“:

Alljährlich gibt der Finanzsenator eine Broschüre heraus, in der der geneigte Leser nachschlagen kann, welche am Bürger erbrachte Leistung wie viel in den zwölf Berliner Bezirken kostet. Wer zu Beginn der Einführung der dem zugrunde liegenden Kosten- und Leistungsrechnung noch geunkt hat, ist über die Jahre eines besseren belehrt worden: Wettbewerb, dazu noch öffentlich publiziert, fördert die Anstrengungen der vor Ort tätigen Verwaltungsstrukturen. Warum soll man also nicht in einem gesellschaftspolitisch immens wichtigem Feld auch Wettbewerb forcieren.

Wir wollen mit der Umsetzung unserer Idee einen Wettbewerb der Gedanken, einen Wettbewerb der Konzepte, einen Wettbewerb für Unkonventionelles, Flippiges, Kreatives, kurz für eine moderne Familienpolitik in den Bezirken auslösen. Und wir hoffen, dass sich in der Folge ein Bild von Berlin schaffen lässt, das uns in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft zur familienfreundlichsten Stadt in Deutschland werden lässt.

Zum Antrag „Wettbewerb ‚Familienfreundlicher Betrieb’“:

Als bei den Fachleuten unserer Fraktion über die Idee „Familienfreundlicher Bezirk“ diskutiert wurde, waren

wir uns sehr schnell darüber im Klaren, dass dies nur eine Seite der Medaille beschreiben kann. Es gilt, die Privatwirtschaft einzubinden. Unsere Gespräche mit Vertretern von Kammern und Wirtschaftsverbänden haben uns in der Absicht bestärkt, auch diesen Weg von der Politik zu initiieren. Die Diskussion der letzten Wochen und Monate betreffend der Vereinbarkeit von Kindeserziehung und Berufsausübung verdeutlicht in besondertem Maß, dass ohne die Unternehmen nichts geht. Daher rührt unser Antrag, daher bitten wir um Ihre Zustimmung!

[zu Protokoll gegeben]

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben hier drei gut gemeinte Anträge der CDU zur Familienpolitik. Ziel von allen drei Anträgen ist es, die Familienfreundlichkeit in Berlin zu stärken. Wir unterstützen dieses Ansinnen grundsätzlich, denn ist kein Geheimnis, dass Deutschland in Sachen Kinder- und Familienfreundlichkeit Nachholbedarf hat. In diesem Zusammenhang eine Zahl: Nur noch in jedem vierten Berliner Haushalt leben Kinder unter 18 Jahren. Das Leben mit Kindern ist in dieser Stadt nicht mehr selbstverständlich, und die Bedürfnisse von Familien sind vielen inzwischen fremd oder unwichtig geworden.

So nimmt die moderne Arbeitswelt oft wenig Rücksicht auf Mitarbeiter, die Kinder haben und für diese sorgen müssen. Unbeschränkte Verfügbarkeit wird erwartet. Aber wer kleine Kinder hat, kann eben nicht jederzeit, sei es am Tag, spätabends oder am Wochenende, zur Verfügung stehen. Kinder brauchen einen regelmäßigen Tagesablauf, brauchen Eltern, die ihnen das Frühstück machen und abends zusammen mit ihnen essen und sie zu Bett bringen. Es darf nicht sein, dass Eltern wegen Schichtarbeit oder ungewöhnlicher Arbeitszeiten gezwungen sind, ihre Kinder noch spätabends betreuen zu lassen, wenn sie eigentlich schon längst schlafen sollten. Wir fordern deshalb nicht möglichst flexible und arbeitsfreundliche Betreuungszeiten, sondern – gerade umgekehrt – familienfreundliche Arbeitszeiten, die in erster Linie das Wohlbefinden der Kinder im Blick haben. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – die wir alle wollen – darf nicht auf Kosten der Kinder gehen, sondern hier ist die Rücksichtnahme der Betriebe gefordert.

Kann uns ein Wettbewerb da weiterbringen? Und wenn, muss den wirklich der Senat veranstalten? Wäre das nicht eine schöne Aufgabe für die Arbeitgeberverbände? Aber offenbar hat die CDU den Senat als Veranstalter von Wettbewerben ausgeguckt: Sie beantragt einen zweiten Wettbewerb, um den familienfreundlichsten Bezirk zu prämieren. Nun gehe ich davon aus, dass alle Berliner Bezirke genau wissen, dass ihre Attraktivität auch daran gemessen wird, ob sie ein familienfreundliches Umfeld bieten, ob sie den Bedürfnissen der Familien nach entsprechenden Wohnungen, Erholungsmöglichkeiten, Kinderbetreuungseichrichtungen, Schulen, Spiel- und Sportplätzen und vielem mehr genügen. Um die Bezirke dabei zu unterstützen, hat sich der Senat 2004 der Initiative des Bundesministeriums für Familie angeschlossen, lokale

Bündnisse für Familien zu fördern. Durch die Zusammenarbeit von Wirtschaft, Verbänden, Politik und Verwaltung sollen die Lebensbedingungen für Familien vor Ort verbessert werden.

In Berlin gibt es zurzeit sechs lokale Bündnisse für Familien, und zwar in den Bezirken CharlottenburgWilmersdorf, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Mitte und Neukölln. Ich wünsche mir, dass es noch mehr werden. Das überregionale „Berliner Bündnis für Familie“ fördert zusammen mit den bezirklichen Bündnissen den Austausch und die Vernetzung vorhandener Angebote und versucht, neue Projekte ins Rollen zu bringen. Hier wird also bereits sehr konkret gearbeitet.

Der dritte Antrag fordert, ein Familienforum einzurichten, Leitideen für eine zukunftsorientierte Familienpolitik zu entwickeln, und – allseits beliebt und immer wieder gern verlangt –, ein Konzept dazu vorzulegen. Das erübrigt sich schon dadurch, das zurzeit der Berliner Beirat für Familienfragen neu organisiert und genau diese Aufgaben erfüllen wird. Um den vielfältigen familienpolitischen Herausforderungen gerecht zu werden, sollen die dort vorhandenen Erfahrungen und das vorhandene Engagement besser genutzt werden. Der Beirat wird mit Vertreterinnen und Vertretern der Familienverbände, der Wirtschaft, der Industrie, der Politik, der Glaubensgemeinschaften und der Migrantenorganisationen besetzt und soll den zuständigen Senator und den Senat beraten. Er wird eine eigene Geschäftsstelle und einen eigenen Etat bekommen, sodass er Öffentlichkeitsarbeit betreiben und sogar Expertisen zu familienpolitischen Themen in Auftrag geben kann. Dieses Gremium ist also genau das Familienforum, das Sie in Ihrem Antrag einfordern. Fazit: Auftrag durch Handeln erledigt!

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass wir Ihr Anliegen teilen, der Familienpolitik einen höheren Stellenwert einzuräumen. Was wir nicht teilen, ist der Weg, den Sie vorschlagen. Aktionismus bringt uns hier nicht weiter.

Auf der Tagesordnung stehen bei diesem Tagesordnungspunkt drei Anträge der CDU- Fraktion zur Familienpolitik:

Familienpolitik in einem öffentlichen Dialog führen,

Wettbewerb „Familienfreundlicher Betrieb“ und

Wettbewerb „Familienfreundlichster Bezirk“.

Meine Damen und Herren von der CDU! Sie haben offensichtlich noch nicht gemerkt, dass im Land Berlin die Familienpolitik unter Rot-Rot bereits einen hohen Stellenwert hat. Dabei hatten wir ein schweres Erbe anzutreten. Ihr Verständnis von Familienpolitik bestand darin, dem System der Familienförderung viel Geld zu entzie

hen und nun spielen Sie sich als Retter bzw. wollen uns zeigen, wie man Familienpolitik gestaltet. Sehen wir uns Ihre Anträge an.

Erstens zum Antrag „Familienforum“: Im zuständigen Ausschuss wurde im Zusammenhang mit der Debatte zum letzten Berliner Familienbericht die Neuorganisation des Berliner Beirats für Familienfragen umfassend beraten. Damit wird aus unserer Sicht Ihre Forderung nach einem „Familienforum“, das mit Partnern aus Politik, Wirtschaft und Verbänden nach Ihrer Meinung „Leitideen für eine zukunftsorientierte Familienpolitik“ entwickeln soll, überflüssig. Die Neuorganisation des Familienbeirats soll genau dazu dienen. Deshalb ist auch vorgesehen, den Beirat u.a. um Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft, Industrie, Politik, der Glaubensgemeinschaften und der Migrantenorganisationen zu erweitern.

Der Familienbeirat soll nicht nur –wie bisher – den Senator beraten, sondern unter dem Gesichtspunkt, dass Familienpolitik eine Querschnittsaufgabe für den ganzen Senat ist, soll auch der ganze Senat beraten werden. Dieser Beirat wird auch eigene Expertisen zu familienpolitischen Themen in Auftrag geben und Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Der Familienbeirat soll zukünftig einen eigenen Etat und eine eigene Geschäftsstelle erhalten und damit sind wir auf einen guten Weg. Das dürfte Ihnen doch bekannt sein.

Zweitens zum Thema „Familienfreundlichkeit“: Zur Erinnerung, meine Damen und Herren: Der Senat hat sich mit Beschluss vom 19. Oktober 2004 der Initiative zur Unterstützung von „Lokalen Bündnissen für Familie“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angeschlossen.

Das Konzept der „Lokalen Bündnisse für Familie“ ermöglicht eine breite Beteiligung. Es wird ganz bewusst auf inhaltliche Voraussetzungen für die Teilnahme verzichtet. In Berlin gibt es zurzeit bereits sechs „Lokale Bündnisse für Familie“ und zwar in den Bezirken Charlottenburg–Wilmersdorf, Lichtenberg, Marzahn–Hellersdorf, Mitte und Neukölln. Die Bezirke sind auch schon ein weiter. Treptow–Köpenick und Pankow zeichnet seit Jahren familienfreundliche Betriebe aus.

Das Konzept der „Lokalen Bündnisse für Familie“ ermöglicht ja gerade allen Bezirken mit ihren jeweils vorhandenen Bedingungen in einen offenen Wettbewerb zu treten und sich für mehr Familienfreundlichkeit einzusetzen. Das überregionale „Berliner Bündnis für Familie“ fördert zusammen mit den bezirklichen Bündnissen den Austausch, die Vernetzung vorhandener Angebote und sucht neue Projekte ins Rollen zu bringen.

Meine Damen und Herren von der CDU! Ihre Anträge helfen uns nicht wirklich. Keiner dieser Anträge ist geeignet, die konkreten Lebenssituationen der Berliner Familien grundsätzlich zu verbessern. Und das brauchen wir.

Mit den Anträgen der CDU zu Familienpolitik und Familienfreundlichkeit diskutieren wir die andere Seite der bereits in der Großen Anfrage behandelten Folgen des demografischen Wandels. Durch die Alterung der Bevölkerung werden Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft zunehmend zur Minderheit. Bereits 2010 werden erstmals weniger Jugendliche unter 20 Jahre als Menschen über 65 Jahre in Deutschland leben. Im Jahr 2050 wird die Zahl der Älteren fast doppelt so hoch sein wie die der Jüngeren. Deshalb ist es dringend notwendig, die Bedürfnisse und Interessen der Kinder und Jugendlichen verstärkt zu beachten. Die Schaffung positiver Lebensbedingungen für alle Kinder und Jugendlichen und ihre Familien ist eine Aufgabe öffentlicher Verantwortung, der wir uns verstärkt stellen müssen.