Protocol of the Session on April 26, 2007

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Worum geht es aber? – Wir stehen nicht am Anfang einer politischen Diskussion über die besten Konzepte für den Flugverkehr in unserer Region. Wir stehen nicht am An

fang einer politischen Diskussion über die Sinnhaftigkeit eines stadtnahen Flughafens, ob wir in Schönefeld oder in Sperenberg, etwas ferner, bauen mit der Notwendigkeit, vielleicht einen City-Flughafen zu haben. Diese Debatten sind 1996 geführt worden und haben im Ergebnis zu diesem sogenannten Konsensbeschluss geführt. Weil es offensichtlich in der politischen Diskussion kein Erinnerungsvermögen mehr gibt, Herr Pflüger, weise ich noch einmal darauf hin, dass dieser Konsensbeschluss von drei Parteien geschlossen worden ist, nicht im parteipolitischen Sinn, sondern von den Zuständigen: Herrn Wissmann, Verkehrsminister (CDU), Herrn Diepgen, Regierender Bürgermeister von Berlin (CDU), und Herrn Stolpe, Ministerpräsident von Brandenburg (SPD).

Die SPD in Brandenburg und die SPD in Berlin waren bis 1996 immer dafür, in Sperenberg den Flughafen zu bauen, um die Dinge in den Griff zu bekommen. Sie haben dafür gesorgt, dass der Flughafen nun in Schönefeld gebaut wird. Stadtnah zu bauen war die politische Entscheidung.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Das war kein Irrtum, dem man damals erlag. Damit war die Schließung von Tempelhof und Tegel verbunden. Das war der Konsensbeschluss. Er fiel so aus, nicht weil irgendwelche Ideologen dabei waren, sondern weil es sowohl ökonomisch als auch ökologisch die einzige vernünftige Lösung war. In der Planabwägung hatte nur diese Lösung überhaupt eine Chance, eine Planrechtfertigung für diesen stadtnahen Flughafen, von dem viele Menschen und nicht nur irgendein beliebiges Feld betroffen sind, zu bieten. Damals waren es hauptsächlich von Herrn Diepgen wirtschaftspolitische Argumente, die ins Feld geführt wurden: Es müsse stadtnah sein, es müsse alles ganz erreichbar sein. Damit ist die Schließung von Tempelhof und Tegel für jedewede Form des Flugverkehrs besiegelt worden.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Als Verkehrsflughafen!]

Da hat es keinen Irrtum gegeben. Das ist die Grundlage.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Diese politische Entscheidung wird seit 1996 von Mitgliedern der Industrie- und Handelskammer kritisiert. Vielleicht war auch die FDP dabei, obwohl ich nicht weiß, ob es sie damals gab. Vermutlich haben aber auch sie das kritisiert. Es gab sicherlich Stimmen, die das für eine falsche Entscheidung hielten. Das ist aber genau die Abwägungsentscheidung.

Die Geschichte des Flughafens BBI oder die Geschichte des jetzigen Standortes ist lange als eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen dargestellt und wahrgenommen worden. Ich betrachte es als den größten Erfolg der letzten Legislaturperiode, dass es gelungen ist, in Leipzig den Bau des Flughafens zu ermöglichen und juristisch wasserdicht zu machen. Ich hatte große Bauchschmerzen, ob die Standortentscheidung planungsrechtlich überhaupt Bestand hat, weil sie selbstverständlich eine ganz schwierige Entscheidung ist. Jeder, der heute dieses komplizierte

Verfahren kennt, weiß, wie riskant ein solches Verwaltungsstreitverfahren ist. Dieses haben wir aber gewonnen, und zwar mit der klaren Planungsbegründung für den BBI, wonach die Gründe für die Schließung der beiden anderen – das ist Grundlage für den Bau des BBI – einerseits gesteigertes Verkehrsaufkommen und Verringerung der Umweltbelastung sowie eine Reduzierung des Sicherheitsrisikos sind, in der Abwägung der neuen Belastung der Menschen, die näher an BBI wohnen. Das gehört eng zusammen und ist vom Gericht bestätigt worden. Deshalb haben die vielen Kläger verloren, weil in der Gesamtgewichtung alle Interessen beurteilt worden sind. Das war die Planungsgrundlage, die Grundlage für den Planfeststellungsbeschluss ist. Sie gilt juristisch für alle, ob sie es wollen oder nicht.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Nichts hat sich an den Argumenten der Gegner des Flughafenbeschlusses verändert. Sie können nicht sagen, es gibt kein Risiko. Es gibt ein Risiko. Bevor das Gutachten von Herrn Steinbrück, das die Bundesfinanzverwaltung in Auftrag gegeben hat, vorlag, haben wir vonseiten der Gesellschafter Brandenburg und Berlin verdeutlicht, dass wir uns mit Gutachten totschlagen lassen können. Sie werden nicht erreichen, dass Sie von Juristen, auch wenn Sie noch so viele beschäftigen, beauftragen oder bezahlen, eine eindeutige Aussage bekommen, wie eine eventuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ausfallen wird.

Sie sind immer ein Stück mehr zurückgegangen. Bei Ronellenfitsch haben Sie noch gejubelt, das sei der Gutachter, der alles gesagt hat. Ronellenfitsch hat etwas ganz anderes gesagt als der jetzige Gutachter. Der jetzige Gutachter hat aus meiner Sicht ziemlich eindeutig die Sache beschrieben. Deshalb müssen wir uns den vorliegenden unterschiedlichen Gutachten annähern. Herr Geulen, Herr Lindner, hat nicht sechs Seiten geschrieben. Er begleitet diesen komplizierten Prozess für das Land Berlin schon seit Jahren. Viele Juristen, die besten Verwaltungsjuristen haben wir von den drei Gesellschaftern, von den Planungsbehörden in Berlin und Brandenburg sowie von der Flughafengesellschaft angeheuert, damit wir dieses schwierige Verfahren juristisch stemmen. Alle sind zu der eindeutigen Auffassung inklusive des Gutachters des Bundesfinanzministeriums gelangt, dass die Schließung Tempelhofs nach dem geltenden Planungsrecht automatisch zu erfolgen hat. Daran gibt es nichts zu deuten. Es ist eine eindeutige Positionierung und Konsens, dass es nach der Rechtslage keinen rechtlichen Grund gibt, Tempelhof offen zu halten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es gibt keinen Anspruchsberechtigten, der das durchsetzen könnte.

Der zweite Punkt: Wenn man es politisch wollte, müsste man mindestens das Planfeststellungsverfahren so weit verändern dass man den LEP SF mit den Planungsgrundsätzen verändert und genau die von mir geschilderte Abwägung vornimmt, die Grundlage nicht nur des LEP SF ist, der beklagt worden ist – das ist ein großes Risiko

für den Planfeststellungsbeschluss. Wir haben in das Planfeststellungsverfahren dieselbe Abwägung hineingenommen. Auch diese Abwägung der Schließung der innerstädtischen Flughäfen zu dem stadtnahen Bau ist im Planfeststellungsbeschluss im Verfahren wesentlicher Bestandteil der Planrechtfertigung. Wenn diese Planungen verändert würden, wenn man einen wie auch immer gearteten kleinen Flugbetrieb – wie auch immer er heißen mag – haben will, müsste man mindestens den LEP SF und die Planungsgrundlage ändern.

Dort liegt das Risiko. Es liegt nicht in einer abstrakten Feststellungsklage. Stellen Sie sich einmal die Tausenden von Klagen vor. Dabei sind noch nicht einmal alle abgewiesen. Es sind nur die Musterklagen entschieden worden. Denen sagt man, dass wir diese Abwägung vorgenommen haben. Vor Gericht begründen wir das in stundenlangen Sitzungen. Dann entscheidet das Leipziger Gericht aufgrund dieser Begründungen. Anschließend sagen Berlin oder Brandenburg als Planungsbehörde: „April, April, liebe Bürgerinnen und Bürger, wir haben euch getäuscht. Jetzt lassen wir die Katze aus dem Sack. Wir wollen Tempelhof und vielleicht auch Tegel gar nicht schließen.“ Was ist das denn für ein Rechtsverständnis von Demokratie in unserer Gesellschaft, lieber Herr Pflüger?

[Beifall bei der SPD]

Was erwarten Sie denn von uns? Wo ist denn da der Treueschwur eines Regierenden Bürgermeisters, den Sie hier einfordern? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein. Sind wir in einer Bananenrepublik, Herr Pflüger, oder wo sind wir?

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Jahrelang haben wir den Bürgerinnen und Bürgern in den kritischen Diskussionen gesagt: Ja, wir müssen das abwägen. Wir müssen die Interessen der Menschen, die in Tegel sowie in Tempelhof und Neukölln und den betroffenen Bereichen, auch Schöneberg, darunter leiden, wahren. Wir wollen es auch aus ökologischen und Sicherheitsgründen tun. Heute sollen wir nun eine Wende einleiten? Dazu sage ich: Darin besteht das Risiko. Aber auch das haben die Gutachter bestätigt, dass das mindestens passieren muss.

Jetzt kam noch die wunderbare Idee, damit wir feststellen können, ob überhaupt irgendetwas geht, eine Zwischenfeststellungsklage oder eine Feststellungsklage zu initiieren. Das ist der einzige Punkt, an dem es einen Streit zwischen den Juristen gibt, ob es überhaupt zulässig ist. Wie Sie aufgrund dieses Gutachtens von einer Partei einfach die Gutachten von den anderen vom Tisch wischen können, ist mir unverständlich. Ohne gutachtengläubig zu sein, schließe ich mich der Aussage unserer Rechtsanwälte an, die eindeutig ist, dass es schon an formalen Voraussetzungen für die Feststellungsklage fehlt. Noch schärfer wird die Sache bei der Frage, wer sie eigentlich führen soll. Das Land Brandenburg als Planfeststellungsbehörde wird es gegen den eigenen Beschluss und gegen die eigene Abwägung nicht tun. Das wäre abstrus. Das wird

schon selbst einem Klippschüler klar, dass das nicht funktionieren kann.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Der nächste Einwand war, dass es Berlin hätte tun können. Als Dritter wird nun die Bahn genannt. Vielleicht schlägt man auch noch Herrn Lauder oder Herrn Schweitzer als IHK-Präsident oder Herrn Pflüger als CDUFraktionsvorsitzenden vor. Wo leben wir denn? Es ist doch keine eindeutige Aussage möglich. Selbst wenn es formal möglich wäre, mit einer Feststellungsklage zu landen, würde spätestens in dem Moment gefragt werden, ob die Länder Berlin und Brandenburg das Planfeststellungsverfahren und die Planabwägung ändern. Dazu müssten wir doch vor Gericht etwas erklären.

Ich sage eindeutig, was wir erklären werden. Wir werden das erklären, was seit 1996 beschlossen worden ist und Grundlage unserer Auseinandersetzung mit den Bürgern vor Ort war. Wir denken nicht daran, die im LEP SF getroffene Entscheidung zurückzunehmen und alles neu zu entscheiden. Es bleibt bei der Entscheidung.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es wäre ein Wahnsinn, jetzt uns selbst die Klage zu eröffnen, nachdem wir so ziemlich alle juristischen Klippen überwunden haben. Ein Baustopp-Antrag in Leipzig vor dem Hintergrund einer Festlegung der Länder und Berlin, das eigene Planungsrecht zu verändern und eine Absichtserklärung abzugeben, wäre fatal: „April, April, alles, was Grundlage für die Entscheidung in Leipzig war, nehmen wir wieder zurück und stellen es wieder auf den Prüfstand und machen einen neuen LEP SF.“

Das ist doch das Einfallstor für jeden jetzt abgewiesenen Kläger, der sagt: Bitte einstweilige Anordnung, Baustopp in Schönefeld. – Und da sagen Sie, Herr Lindner: Gehen wir mal das Risiko ein! – Ich denke, ich bin im falschen Film. Wie können Sie denn verantworten und von einem Regierenden Bürgermeister verlangen, dass er dieses Risiko eingeht?

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Völlig neben der Spur!

Die damals gefällte politische Entscheidung, die bis heute Gültigkeit hat, ist im Übrigen auch vom Bund nicht infrage gestellt worden. Das ist auch in Vergessenheit geraten. Den Antrag zur Schließung Tempelhofs und zur Befreiung von der Betriebspflicht hat die Flughafengesellschaft gestellt. Eigentümer: der Bund, das Land Brandenburg und das Land Berlin. Der Bundesfinanzminister sitzt im Aufsichtsrat. Die sitzen in der Gesellschafterversammlung. Bis heute gibt es keinen Antrag, es nicht zu tun. Das ist die Rolle.

Und jetzt noch etwas anderes. Ich kann verstehen, dass Ihnen das wunderbar ins Zeug passt, dass ausgerechnet ein SPD-Finanzminister das macht. Der hat seine Sichtweise, wie Herr Sarrazin auch seine Sichtweise als Finanzsenator hat.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Er hat doch ein ureigenes Interesse!]

Er hat ein ureigenes Interesse, genau. Das artikuliert er auch wie folgt: Der Bund hat jetzt verstanden, was er lange nicht wahrhaben wollte, dass die Flughafengesellschaft bislang aufgrund der komischen Vereinbarungen, die damals getroffen worden sind, die Verluste für die Immobilien in Tempelhof übernimmt und wir damit 10 bis 15 Millionen € pro Jahr als alle drei Gesellschafter zugeschossen haben – für den Eigentümer Bund. Das hat er jetzt verstanden, das hat er lange bestritten. Er hat auch lange bestritten, ob das überhaupt an ihn zurückfällt.

Im Übrigen die Kosten: Wir sind im Rechtsstreit mit dem Bund über die Eigentümerfrage des Flughafens Tempelhof. Der hat gesagt: Tempelhof gehört mir. – Wenn damit plötzlich Kosten verbunden sind, wird er aufmerksam. Es ist legitim von ihm, sich Gedanken darüber zu machen, wie man Kosten minimiert. Genauso wäre es toll gewesen, wenn sich die BIMA in der Vergangenheit mal ein bisschen um die Immobilie gekümmert hätte. Es war ihr förmlich egal, was damit passiert. Denn die Kosten hat die Flughafengesellschaft getragen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Herr Steinbrück hat aus seiner Verantwortung dann zu sagen: Ist es für ihn vielleicht erfolgreicher, dieses Gelände mit oder ohne Flugbetrieb zu vermarkten?

[Dr. Martin Lindner (FDP): Was haben denn Sie ge- macht? – Nichts!]

Auch da ist durch das Gutachten deutlich geworden: Diese Minimalnutzung des Flugbetriebs wird die wirtschaftliche Entwicklung des Geländes nicht beeinflussen – weder im Positiven noch im Negativen.

Frau Eichstädt-Bohlig! Selbstverständlich habe ich mit Herrn Langhammer, auch mit Herrn Lauder hier in diesem Gebäude konferiert. Wir haben das aber nicht an die große Glocke gehängt. Ich habe mir die Pläne angeguckt. Ich hätte das auch so machen können wie Sie, sie in der Luft zerreißen können. Dafür gibt es gute Gründe, den meisten stimme ich zu. Ich habe es nicht getan, denn mein Interesse ist nicht, Herrn Lauder, der von irgendwelchen Beratern auf den Weg geführt worden ist, in der Luft zu zerreißen. Mein Interesse ist, dass Herr Lauder versteht, dass a) der Flugbetrieb nicht möglich sein wird, weil das die eindeutige Beschlussfassung von Parlament und Regierung und Planungsgrundlage ist, und b) es sich aber trotzdem lohnt, in dieses Gelände zu investieren, mit anderen Nutzungen, weil eine Flughafennutzung auch andere wirtschaftliche Entwicklungen behindern und nicht beschleunigen würde. Auch das muss verstanden werden. Es muss ja nicht gleich ein Campingplatz für Jugendliche sein, Frau Eichstädt-Bohlig. Es kann auch noch etwas anderes sein.

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Sowohl als auch!]

Darum muss es gehen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das wird sich auch herausstellen. In dem Sinne glaube ich, dass es nicht das Ende der Debatten geben wird, denn es gibt immer viele, die die Sachlage gar nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Wer glaubt, aufgrund der Gutachtenlage heute eindeutig eine juristische Position beziehen zu können, der verdrängt alle anderen Stellungnahmen. Dies ist nicht unabsichtlich, sondern bewusst. Durch dieses bewusste Verdrängen werden die Risiken verdrängt und wird verdrängt, welche Chancen die Kläger gegen BBI hätten, wenn wir an den Planungsgrundlagen rütteln würden. Wir werden es nicht tun. Wir werden in keiner Sekunde des Verfahrens den Erfolg, den wir in Leipzig hatten, infrage stellen. Das ist eine politische Entscheidung, und ich bin sicher, dass diese von der großen Mehrheit dieses Hauses getragen wird.

In diesem Sinn wird die Regierung auch weiter daran arbeiten, den Flughafen Berlin Brandenburg International zu verwirklichen, selbstverständlich in Kooperation mit dem Bund, auch Planung machen mit internationalen Ideenwettbewerben, wie wir langfristig – es wird eine langfristige Entwicklung sein – das Gelände Flughafen Tempelhof weiterentwickeln werden. Da werden ökologische Fragen eine Rolle spielen. Wir wissen alle, für die Luftsituation, für die Klimaschneise in dieser Stadt ist es wichtig, dass dort eine große Freifläche bleibt. Aber es gibt andere Randentwicklungen, meinetwegen im Leisure-Bereich oder in anderen. Dieses werden wir miteinander diskutieren. Da gibt es große Chancen. Ich bin sicher, dass in absehbarer Zukunft Investoren kommen werden, die sagen: Auch ohne Flugbetrieb werde ich in Tempelhof investieren. – Schönen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]