Protocol of the Session on August 31, 2006

Damals haben Sie noch immer lauthals verkündet: Wir schaffen das allein, wir machen es ohne Karlsruhe. – Wir haben lange darum gestritten, ich sage, wir haben ordentlich Druck gemacht. Letzten Endes haben Sie sich ja auch dazu bereit gefunden. Sie haben sich nach langer Diskussion endlich dazu durchringen können, aus der Wohnungsbauförderung auszusteigen. Es hat viel Druck gekostet. Peter Strieder war derjenige, der bis zum Schluss dagegen gekämpft hat, die CDU und die FDP machen das noch heute. Das ist Westberliner Lobbypolitik anstelle von Berliner Gesamtwohl, was Sie da in den Vordergrund stellen. Deswegen, Herr Lindner, können wir auch Ihrem Antrag heute nicht zustimmen, denn was die Stadt zuletzt benötigt, das sind Vorschläge von Ihnen, von der Berliner FDP.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Herr Müller! Sie haben den Solidarpakt angesprochen, den Sie angepackt haben. Das ist auch ein altes, lange diskutiertes Berliner Projekt. Lange Zeit ist es von vielen Initiativen in der Stadt befürwortet worden. Aber wir würden jetzt gern wissen, wie es weitergeht. Nicht nur Herrn Lindner fragen, was er auf seine Plakate schreiben soll, sondern wir würden auch gern einmal von Ihnen wissen, wie es weitergehen soll mit dem Solidarpakt nach dem Jahr 2009. Wollen Sie ihn fortsetzen?

[Dr. Augstin (FDP): Ja!]

Wollen Sie ihn nicht fortsetzen? – Ich sage Ihnen, es wird in Berlin keine Haushaltskonsolidierung zu betreiben sein, wenn er nicht fortgesetzt wird. Aber ich sage Ihnen auch, dass es mit dem Politikstil, den Sie an den Tag gelegt haben, nicht weitergeht. Wenn wir den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht klar sagen,

[Zuruf des Abg. Liebich (Linkspartei.PDS)]

wofür wir die Einsparungen benutzen, was wir mit dem Geld machen wollen, dann werden wir die Bereitschaft nicht finden, lieber Herr Gaebler! Es muss deutlich gesagt werden, dass wir das, was einsparen, das was das Land Berlin zukünftig mehr einnehmen wird, sinnvoll investieren.

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Wir müssen investieren, das wissen wir alle. Unterlassene Investitionen sind die teuerste Art der Haushaltssanierung. Aber wir müssen auch da investieren, wo es Sinn hat.

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Das ist die Berliner Bildung, das haben wir klar gesagt. Wir wollen in die Zukunft der Stadt, in die Kinder, investieren. Dazu wollen wir jeden fünften Euro, der mehr in die Kasse fließt, nutzen. Das sind bei geschätzten 2,5 Milliarden € 500 Millionen €. Das muss in die Bildung fließen, nur dann können wir das Berliner Bildungssystem

wieder attraktiv machen und den Kindern und Jugendlichen eine Zukunft bieten.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

[Liebich (Linkspartei.PDS): Nur in Westberlin!]

Berlin ist eine rot-grüne Stadt. Bündnis 90/Grüne bieten die einzige wirkliche Alternative zu Rot-Rot.

Ich weiß.

[Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS]

Dass Sie es wissen ist gut, aber ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ich komme zum letzten Satz und sage ganz bewusst in Richtung bürgerliches Lager: Wer eine Regierung will, die die Dynamik der Stadt verstanden hat, wer etwas verändern und gestalten und seine Stimme nicht verschenken will, muss am 17. September Grün wählen, denn Grün macht wirklich den Unterschied.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Der Regierende Bürgermeister hat um das Wort gebeten. Damit erhält er es auch. Das Wort hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich zunächst erkundigt, wie viel Redezeit noch vorhanden ist. Ich dachte, für die Antwort mindestens eine Stunde zu benötigen. So lange werden wir vermutlich doch nicht brauchen. All diejenigen, die heute hier Oppositionsreden gehalten haben, wollen demnächst Regierungserklärungen abgeben. Ich zweifele angesichts der Redebeiträge, dass dieses nahtlos gelingen könnte, aber wir werden es sehen.

[Frau Schultze-Berndt (CDU): Arrogant!]

Mit Arroganz hat das nichts zu tun. Schauen Sie sich nur einmal die Fernsehaufzeichnungen ab. Dann können Sie sich selbst ein Urteil bilden.

[Beifall bei der SPD]

Jeder hat seinen Entwurf. Der Wahlkampf dient dem Ansinnen jeder Partei, mehrheitsfähig zu werden oder –

Wir haben eine Bilanz vorzulegen. Die beiden Fraktionsvorsitzenden haben es eindrucksvoll bestätigt, was diese rot-rote Koalition zuwege gebracht hat. Das hat übrigens auch zu Beginn die rot-grüne Koalition geschafft. Sie gehört zu den fünf Jahren Regierungsarbeit auch noch mit dazu. Tatsächlich, Herr Ratzmann, haben Sie geklatscht bei meiner Regierungserklärung. Da waren Sie nämlich noch in der Regierung. Das hat sich inzwischen geändert. Der Mentalitätswechsel und viele Passagen der Regierungserklärung waren selbstverständlich auch von den grünen Senatoren mitgeprägt. Ganz wichtig war, dass wir in dieser Stadt einen Mentalitätswechsel erreichen. Ein Mentalitätswechsel fängt selbstverständlich bei der Politik, bei uns selbst, an. Da nehme ich meine Fraktion, meine Partei nicht aus.

Ich kann heute nach fünf Jahren sagen, dass man es nicht anordnen kann. Es muss gelebt werden. Es kann nicht per Verordnung getan werden. Dieser Mentalitätswechsel ist in dieser Stadt von weiten Teilen der Politik – nicht von allen –, von gesellschaftlichen Organisationen bis hin zu Einzelpersönlichkeiten vollzogen worden. Diese Stadt steht heute anders als vor fünf Jahren da. Sie steht in allen Punkten der Politik besser dar: in Offenheit, in Toleranz. Das werden wir auch weiterhin im Wahlkampf deutlich machen.

das gilt für kleinere Parteien – in die Regierungsverantwortung hineinzukommen; einige wollen ganz gern in der Opposition bleiben. Es ist richtig, dass wir den Wahlkampf nutzen, das Geleistete darzustellen. Das tun die Regierungsparteien selbstverständlich. Es ist das legitime Recht der Opposition, entgegenzuhalten, was sie alles schlecht findet. Wenn man aber Regierungsverantwortung übernehmen will, muss man nicht nur kritisieren, sondern auch Alternativen präsentieren. So dumm sind unsere Bürger auch nicht, dass sie Ihnen nur Kritik abnehmen.

[Hoffmann (CDU): Sind die Bürger etwa dumm?]

Es geht darum, Ihr Konzept darzustellen. Das ist heute nicht geleistet worden,

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

mit Ausnahme – er ist von der Presse zum erklärten heimlichen Oppositionsführer hoch gelobt worden – von Herrn Lindner. Sie sehen heute etwas platt aus, Herr Lindner. Ist der Wahlkampf so anstrengend? Sie sind, wenn ich der Presse Glauben schenken darf, der Oppositionsführer. Manchmal habe ich auch den Eindruck, dass es so sein könnte.

[Liebich (Linkspartei.PDS): Nicht übertreiben!]

Bei Ihnen ist jedenfalls immer eines klar – es lohnt sich auch, sich mit Ihnen auseinander zu setzen –: Sie haben ein ganz klares Konzept und ein genauso klares gesellschaftliches Bild, wie Sie Politik gestalten wollen. Das artikulieren Sie in einer schonungslosen Art und Weise, die schon wieder bewundernswert ist. Sie sagen klipp und klar, dass Sie Politik für 10 % der Bevölkerung machen wollen.

[Henkel (CDU): Für 5 %!]

Sie wollen einen Darwinismus in der Stadt praktizieren, bei dem sich der Starke durchsetzt und der Schwache auf der Strecke bleibt. Das ist eine Politik, die die SPD nicht mitmacht. Das ist keine Politik der sozialen Gerechtigkeit, sondern eine Politik der Ausgrenzung. Dieses können wir für Berlin nicht gebrauchen.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Das zieht sich in allen Politikfeldern wie ein roter Faden durch, sei es bei der Privatisierung oder sei es Ihr unsäglicher Wahlspot im „RBB“, bei dem Sie kollektiv den öffentlichen Dienst diffamieren. Das weise ich scharf zurück. Unsere Mitarbeiter sind leistungsfähig, tun etwas für unsere Stadt und lassen sich nicht so diffamieren, wie Sie es versuchen, zumal dies in einem Spot geschieht, der bundesweit ausgestrahlt wurde. Sie haben sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, um etwas Eigenes zu produzieren. Das ist peinlich, Herr Lindner!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Das wird sich bei der Wahl deutlich niederschlagen.

Herr Zimmer hat seine Abschiedsrede gehalten. Das ist in Ordnung.

[Heiterkeit]

Ich bewundere Sie, dass Sie das noch mitmachen. Aus der Zeitung ist zu erfahren, dass Sie es professionell aufgenommen haben, dass man Ihnen den Stuhl vor die Tür gesetzt hat. Das ist eine wunderbare kollektive Wahlkampfleistung. Vielleicht ist es auch richtig, dass es so geschieht.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Wir mussten aufräumen. Viele Probleme waren da. Es waren nicht nur Probleme, die uns Herr Diepgen und die CDU eingebrockt hatten. Auch die SPD in der großen Koalition, die Opposition und alle, die heute so schöne Reden halten, haben alle einen Beitrag dazu geleistet, dass Berlin jahrelang dachte, es würde von allein besser werden. Das war nicht nur eine Mentalität der Koalition oder einer Partei. Das war ein Klima insgesamt in der Stadt bis hin zu Unternehmerverbänden, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Organisationen. Damit ist nun endlich Schluss gemacht worden. Wir können heute sagen, dass wir besser aufgestellt sind.

Trotzdem – wer mag es bezweifeln – hat diese Stadt große Probleme. Wenn der Finanzsenator, der für seine passenden – meistens unpassenden – Vergleiche bekannt ist –

[Heiterkeit bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Zuruf: Aua!]

wieso aua? Das ist so. Man freut sich manchmal, wenn er nichts sagt.

[Heiterkeit – Frau Ströver (Grüne): Das war wenigstens ein ehrlicher Satz!]

Auch die Arbeitslosenstatistik kann man so interpretieren, wie es einige machen. Man kann auch die richtigen