Videoüberwachung ausweiten, Anti-Terror-Datei einführen und verdachtsunabhängige Kontrollen ermöglichen!
Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Senator Dr. Körting hat zuerst das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will vorab insbesondere zum Antrag 15/5455 Stellung nehmen, weil ungeachtet vieler Dinge – und vieles ist hier Lumpensammler, was sozusagen in den Anträgen drin ist – eine Grundfrage da ist, die wichtig ist.
Wir haben am 31. Juli bei Koblenz und Dortmund den Fund zweier Koffer gehabt, die jeweils mit Sprengvorrichtungen und Brandbeschleunigern versehen waren, so dass – wenn diese Sprengvorrichtungen gezündet hätten – es zu Explosionen mit schwer kalkulierbaren Folgen gekommen wäre. Schwer kalkulierbar deshalb, weil das immer sehr schwer ist, wenn so etwas nur simuliert wird. Aber ich gehe davon aus, es hätte bei diesen Explosionen mindestens Verletzte, wenn nicht sogar Tote gegeben, bis hin zur Möglichkeit, dass der Zug entgleist wäre, was noch mehr Opfer gefordert hätte. Wir haben den Versuch eines Anschlags mit einem terroristischen Hintergrund gehabt. Damit hat sich leider bewahrheitet, was wir in den letzten Jahren einvernehmlich gesagt haben – ich glaube, alle Fraktionen –, dass auch die Bundesrepublik Deutschland ein möglicher Ort für Terroranschläge von Terroristen ist, die islamistische Religionspositionen missbrauchen.
Das Gleiche gilt für die verdachtsunabhängigen Kontrollen. Wir haben jahrelang die rechtliche Möglichkeit verdachtsunabhängiger Kontrollen im ASOG gehabt. Kein Mensch hat sie genutzt, auch die Polizei nicht. Dieses Instrument kann ich beim grenzüberschreitenden Verkehr einsetzen, um Schleusungen o. Ä. zu prüfen und festzustellen. Zur Terrorismusbekämpfung ist das albern, weil ich nicht sinnlos irgendwo auf der Straße Leute anhalte, nach ihrem Personalausweis frage und auf diese Art und Weise Terrorismus unterbinde. Das hat damit überhaupt nichts zu tun.
Ich warne davor, alte Sachen auszugraben unter dem Stichwort: Jetzt haben wir einen Terroranschlag gehabt, und jetzt machen wir alles das, was wir schon immer ma
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Senator hat in seinen Ausführungen bereits erwähnt, dass es im Grunde genommen um ein sehr ernstes Thema geht, die Terrorismusgefahr, die trotz aller Naivität, die vielleicht dem einen oder anderen noch innegewohnt hat, nun seit den letzten, Gott sei Dank fehlgeschlagenen Anschlägen aber jedem klar ist. Sie ist näher gekommen, und sie könnte auch Deutschland erreichen.
Wenn ich mir nun allerdings diese Sammlung an Papieren ansehe, meine Damen und Herren Kollegen von der CDU, die uns von einer Partei vorliegt, die sich selbst auf die Fahne geschrieben hat, sie sei eine Partei, die für Recht und Ordnung eintritt, sie sei im Grunde genommen die Partei im Haus, die für die innere Sicherheit steht, dann muss ich mich fragen: Ist das wirklich Ihr Ernst, oder darf ich das so nehmen, wie es mir im ersten Augenblick erscheint, als ein ganz großes Kompliment für die Sicherheitspolitik der rot-roten Koalition? – Ich will das kurz erklären. Ihre Anträge sind zum Teil anderthalb bis drei Jahre alt, sie enthalten noch sämtliche Fehler, die sie schon enthalten haben, als Sie diese Anträge gestellt haben, und Sie bringen sie hier, wir haben sie im Innenausschuss – –
Nachbesserungsbedarf sehe ich – und sehen wohl auch alle – bei der Anti-Terror-Datei. Was bedeutet das? Es hat einen langen Streit zwischen den politischen Parteien auf Bundesebene und zwischen den Ländern gegeben. Es hat auch deshalb einen Streit gegeben, weil einige gemeint haben, man könne dort alles hineinpacken. Der CDUInnenminister von Niedersachsen, Herr Schünemann, will die Anti-Terror-Datei auch für organisierte Kriminalität und was weiß ich alles verwenden.
Denn in dem Moment – Herr Hoffmann, es steht Ihnen ja frei –, in dem ich bei der Anti-Terror-Bekämpfung Instrumente schaffe, die nachher nicht mehr handhabbar sind, bin ich in der Situation wie die USA, die alle diese Leute schon lange vorher beobachtet haben, bevor sie die Anschläge gemacht haben, aber die Beobachtungen erst zu einem Zeitpunkt ausgewertet haben, als die Anschläge passiert waren. Dann bin ich in einer Situation, in der ich nichts Effektives für die Menschen tun kann. Das Gleiche gilt für die Frage, ob ich in eine Anti-Terror-Datei alle diejenigen mit aufnehme, die nicht gewaltbereit sind, die aber nach meinem Verständnis ein falsches Religionsverständnis haben und irgendeinen Gottesstaat anstreben. Die haben in der Anti-Terror-Datei nichts zu suchen. Die füllen nur die Seiten und erschweren uns die Arbeit. Darüber haben wir uns inzwischen verständigt. Die Länder sind sich einig. Wir wollen nur mögliche gewaltbereite Menschen in einer solchen Anti-Terror-Datei erfassen. Wir sind im Moment in der Feinjustierung. Es geht eigentlich nur noch darum, wer den Zugriff auf eine solche Datei hat. Da ist es sicher richtig, dass nicht jeder Polizist, der jemanden wegen einer Ordnungswidrigkeit anhält, beiläufig in die Anti-Terror-Datei gucken kann, denn dann werden Informationen, die man dort speichert, verbrannt, und Sie werden keine Informationen von Geheimdiensten, auch von Geheimdiensten aus anderen Ländern, mehr bekommen. Deshalb muss man bei der Anti-Terror-Datei zu einer Lösung kommen, wo ich die Anti-Terror-Datei nur denjenigen zugänglich mache, die unmittelbar für die Gefahrenabwehr, für Leib und Leben von uns verantwortlich sind. Der Zugriff muss schon beschränkt werden. Ich glaube, dass die Innenministerkonferenz am Montag zu einer vernünftigen Regelung kommen wird.
Insofern geht der Antrag, wenn Sie ihn so stellen, dass ich mich für eine gemeinsame Lösung einsetze, Herr Kollege Henkel, in die Richtung, die ich auch unterstütze. Da sind wir auch nicht auseinander. Dass wir so etwas brauchen – ja, aber wir brauchen es effektiv, in der beschränkten Form. Für mich ist Anti-Terror-Kampf auch eine Frage der Effektivität und nicht der Schaufensterreden. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Senator Dr. Körting! – Wir beginnen jetzt mit der Rederunde. Es beginnt die Fraktion der SPD. – Frau Kollegin Hertel hat das Wort. – Bitte schön!
Herr Trapp! Ich werde gleich in meinen Ausführungen den einen oder anderen Punkt erwähnen, und Sie zeigen mir dann anschließend auf, wo da der Weitblick war.
Ich beginne mit Aktionsprogramm Innere Sicherheit, Teil I. Hier heißt es: die bestehenden Zwei-DrittelAngestelltenverhältnisse in Vollzeitbeschäftigung umwandeln. – Das ist geschehen, und zwar weit vor der Zeit, die wir den Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei zugesagt haben. So geht die SPD mit Zusagen um. Sie hält sie ein.
Herr Trapp! Auch Sie haben in Ihrem Postfach eine Einladung gehabt: Morgen, 10.00 Uhr, Bärensaal im Haus des Senators. Ich begrüße Sie dann dort ganz herzlich, wenn wir 150 junge Polizistinnen und Polizisten zum ersten Tag ihrer Ausbildung begrüßen werden, das heißt, das wird der Senator machen, nicht wir beide, und im Oktober kommen die nächsten 150.
Berlin kann mehr – Aktionsprogramm Innere Sicherheit, Teil II: „Auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik für Berlin muss eine Verbesserung der Lage eingeleitet werden“. – Wie leitet die CDU diese ein? – „Wiedereinführung des Freiwilligen Polizeidienstes, Aufgaben sind wahrzunehmen wie der Schutz und die Bestreifung öffentlicher Anlagen und Parks.“ – Die Terroristen werden scharenweise diese Stadt verlassen.
Berlin kann mehr – Aktionsprogramm Innere Sicherheit, Teil III: Erweiterung der Befugnisse der Berliner Polizei. „Der Unterbindungsgewahrsam ist auf eine Dauer bis zu vier Tagen auszuweiten“. – Vergisst oder weiß die CDU nicht, dass Unterbindungsgewahrsam unter Richtervorbehalt steht? Jeder Unterbindungsgewahrsam ist anzumelden und beim Richter zu entscheiden. Und nun fragen Sie sich oder den Senator doch mal bitte, wie oft diese Stadt, diese Polizei, bereits die 48 Stunden schon ausgenutzt hat, wie oft es dazu kommen musste! Wozu soll ein viertägiger Unterbindungsgewahrsam gut sein? Unterhalten Sie sich mit Fachleuten, Herr Trapp! Sie haben eigentlich den Zugang dazu. Sie werden Ihnen etwas anderes erzählen.
Berlin kann mehr – Aktionsprogramm Innere Sicherheit, Teil IV: erneut „Erweiterung der Befugnisse der Berliner Polizei“. Die „Zusammenarbeit mit dem Bundesgrenzschutz“. Bitte mit wem? – Die Bundespolizei, Herr Trapp, so viel zur Weitsichtigkeit! Nicht einmal effektive Fehler können Sie korrigieren.
„... mit dem Land Brandenburg unverzüglich Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, im Bereich der Aus- und Fortbildung für die gesamte Polizei die Bereiche zusammenzulegen“: Ich habe Ihnen schon im Innenausschuss gesagt: Bitte stellen Sie einen Antrag an Ihren Innenminister in Brandenburg, der bis auf den heutigen Tag dort blockt.
Drittens: „die Anzahl der örtlichen Polizeidirektionen um zwei auf nur noch vier zu reduzieren“. Sie glauben, dass das dann die innere Sicherheit erhöht? Das werden wir vermutlich im Ausschuss diskutieren.
Aber das ist nicht alles. Die CDU kann auch etwas aktueller arbeiten. Ich hätte hier noch einen Antrag, der erst wenige Tage alt ist: „die Möglichkeit der verdachtsunabhängigen Kontrollen im Rahmen der Gefahrenabwehr wieder einführen“. – Nun ja! Herr Senator hat sich eben eventuell auch ein wenig geirrt. Verdachtsunabhängige Kontrollen hatten wir noch nie in Berlin.
Richtig, Herr Trapp! Dann schreiben Sie es auch korrekt! Es ist nämlich ein juristischer Unterschied, ob verdachtsunabhängig oder lagebildabhängig!
Ich habe noch einen Punkt – ich sehe, das Ende der Redezeit ist erreicht –: „Eine mögliche Videoüberwachung“. – Herr Trapp, Sie als Kriminalpolizist sollten es in jedem Fall wissen: Die Videoüberwachung dient der Strafverfolgung. Welcher Terrorist hat Angst vor Strafverfolgung? Die Aufgabe ist, präventiv zu wirken. Da sollten unser Elan, unsere Zeit und unsere Energie hineingehen.
Ein allerletzter Satz: Wenn ich bedenke, wie in den letzten fünf Jahren die unzähligen Staatsbesuche, Turnerfest, Kirchentag, Fußballweltmeisterschaft und letztlich Walpurgisnacht und 1. Mai abgelaufen sind, so meine ich, ist die innere Sicherheit in bester Hand in der rot-roten Koalition, und da wird sie auch noch eine Weile bleiben. Seien Sie sicher!
Danke schön, Frau Kollegin Hertel! – Es folgt die Fraktion der CDU. Das Wort hat der Kollege Henkel! – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Hertel! Hätten Sie geschwiegen, wären Sie Philosophin geblieben.
Das passt sehr gut dazu. Wir hatten vorhin schon einmal die Debatte. Jeder versucht, über das zu reden, worüber er gerade reden will. Erst sagen Sie selbst, dass der Antrag schon drei Jahre liegt, und dann beschweren Sie sich darüber, dass da noch „Bundesgrenzschutz“ steht. Ich glaube nicht, dass die Bundespolizei schon seit drei Jahren so heißt.
Im Übrigen geht es bei diesen Antragsserien, die wir gestellt haben – Herr Senator, auch Ihnen sei das ins Stammbuch geschrieben –, nicht darum, das Thema innere Sicherheit auf Terrorismus zu verengen, sondern es geht natürlich auch um die Bekämpfung von Kriminalität.
Berlin ist die Hauptstadt der Kriminalität. Das sagt die Gewerkschaft der Polizei, und ich sage: Sie hat leider Recht.
Der Polizeipräsident hat dem heute in einem „Tagesspiegel“-Interview pflichtgemäß widersprochen und damit, genau wie Sie, Herr Körting, einmal mehr ignoriert, dass Berlin mit über 500 000 Straftaten pro Jahr Platz 1 der deutschen Großstädte belegt. Wenigstens auf diesem Gebiet ist Berlin Spitzenreiter, wenn es auch ein unrühmlicher, trauriger 1. Platz ist. Es ist übrigens sehr bemerkenswert, dass sich der Berliner Polizeipräsident hier als SPD-Wahlkampfhelfer präsentiert. Das wundert mich allerdings nicht wirklich.